120275.fb2 10 SCIENCE FICTION KRIMINALGESCHICHTEN - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 6

10 SCIENCE FICTION KRIMINALGESCHICHTEN - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 6

5. Ohne Hilda in Marsport

Zuerst lief alles wunderbar. Ich brauchte nichts selbst zu tun. Ich brauchte nur zuzusehen, wie alles klappte. Vielleicht hätte ich schon deshalb mißtrauisch werden sollen.

Es begann mit den üblichen vier Wochen Urlaub zwischen zwei Aufträgen. Im Galactic Service wechseln vier Wochen Arbeit mit vier Wochen Freizeit ab. Ich hatte wie üblich drei Tage Aufenthalt in Marsport, bevor ich zur Erde weiterflog.

Normalerweise würde Hilda - die beste Ehefrau, die man sich vorstellen kann - dort auf mich warten, und wir würden einen gemütlichen kleinen Urlaub daraus machen. Unglücklicherweise ist Marsport jedoch das größte Sündenbabel des ganzen Systems, in dem man schlecht einen gemütlichen Urlaub machen kann. Aber wie soll ich das Hilda beibringen, ha? Nun, diesmal wurde meine Schwiegermutter zwei Tage vor meiner Ankunft in Marsport krank. Am Abend vor der Landung erhielt ich die Nachricht, Hilda könne diesmal nicht kommen, weil sie ihre kranke Mutter pflegen müsse.

Ich beteuerte telegrafisch mein reges Interesse am Gesundheitszustand ihrer Mutter; dann landeten wir, und ich sah mich auf dem Raumhafen um:

Ich war ohne Hilda in Marsport!

Folglich mußte ich etwas gegen die drohende Einsamkeit unternehmen. Ich rief Flora an - Flora und ich kannten uns von früher her - und benützte für diesen Zweck eine Videozelle. Der Teufel soll die hohen Gebühren holen, volle Kraft voraus!

Ich wettete mit mir selbst, Flora sei ausgegangen, sie sei anderweitig beschäftigt und habe ihr Videophon abgestellt oder sie sei vielleicht sogar tot.

Aber sie war zu Hause, hatte ihr Videophon angestellt und war mitnichten tot. Sie sah besser als je zuvor aus. Und das Neglige, das sie trug, unterstrich diesen Eindruck gebührend.

Freute sie sich, mich zu sehen? Sie quietschte: »Max! Wir haben uns schon jahrelang nicht mehr gesehen!«

»Ich weiß, Flora, aber jetzt können wir uns treffen, wenn du Zeit hast. Stell dir vor, ich bin ohne Hilda in Marsport!«

Sie quietschte wieder. »Das ist aber nett! Du mußt gleich kommen, Max.« Ich war verblüfft. »Soll das heißen, daß du Zeit hast?« Flora war sonst immer wochenlang im voraus ausgebucht. Nun, sie war eben ein wirklicher Schlager.

»Oh, ich bin mit irgendeinem Trottel verabredet, Max«, antwortete sie, »aber das wird gleich geändert. Kommst du?« »Klar«, versprach ich ihr.

Flora gehörte zu den Mädchen, die... Nun, ich sage Ihnen, in ihrem Appartement herrschte die normale Marsschwerkraft - vier Zehntel der irdischen. Die Befreiung von der sonst herrschenden Pseudoschwerkraft war teuer, aber Sie dürfen mir glauben, daß die Ausgabe sich lohnte, und Flora konnte sich dieses Vergnügen ohne weiteres leisten. Wenn Sie jemals bei nullkommavier g ein Mädchen im Arm gehalten haben, wissen Sie, was ich meine. Wenn nicht, tun Sie mir außerdem leid.

Aber das Mädchen muß auch mit der niedrigen Schwerkraft zurechtkommen. Flora kannte sich damit aus. Ich will nicht von mir sprechen, aber Flora hatte es bestimmt nicht nötig, mich einzuladen, weil sie sich langweilte. Sie brauchte sich nie zu langweilen. Ich legte rasch auf, um diesen Anblick bald in natura vor mir zu haben, und verließ die Videozelle. In dieser Sekunde nahm ich das erste Anzeichen einer nahenden Katastrophe wahr.

Dieses erste Anzeichen war die Glatze meines Kollegen Rog Crinton von der Außenstelle Marsport. Diese Glatze leuchtete über einem Gesicht mit blassem Teint, hellblauen Augen und hellbraunem Schnurrbart. Rog Crinton war der Kerl, den die meisten Agenten aus ganzer Seele haßten, ohne ihm beikommen zu können.

Ich machte nicht erst einen Kotau vor ihm, denn mein Urlaub hatte in der Minute begonnen, in der ich das Schiff verließ. Deswegen sagte ich nur so höflich wie immer: »Was wollen Sie eigentlich, verdammt noch mal? Ich hab's eilig. Ich bin verabredet.«

»Sie haben eine Verabredung mit mir«, antwortete er. »Ich habe einen kleinen Job für Sie.«

Ich lachte nur und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich habe vier Wochen Urlaub, Freund.« Er sagte: »Alarmstufe drei, Freund.«

Damit war der Urlaub gestrichen. Einfach so. Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. »Blödsinn, Rog«, sagte ich. »Seien Sie doch vernünftig. Ich habe einen anderen Alarm.« Er schüttelte den Kopf.

»Rog«, bat ich, »können Sie den Auftrag nicht einem anderen geben?«

»Sie sind der einzige Agent der Klasse A auf dem Mars.«

»Lassen Sie einen von der Erde kommen«, schlug ich vor. »Im Hauptquartier wimmelt es von arbeitslosen Agenten.«

»Der Auftrag muß um elf Uhr abends durchgeführt sein. Was ist mit Ihnen los? Haben Sie keine drei Stunden übrig?«

Ich griff mir an den Kopf. Der Kerl hatte keine Ahnung! Ich sagte: »Aber telefonieren darf ich noch, was?«

Ich trat in die Zelle, schob ihn zurück und knurrte: »Privat!« Flora erschien wieder auf dem Bildschirm. »Was ist los, Max?« erkundigte sie sich. »Sag bloß nicht, daß etwas dazwischengekommen ist. Ich habe den anderen Kerl bereits ausgeladen.«

»Flora, Liebling, ich komme bestimmt«, versicherte ich ihr. »Ich komme ganz bestimmt - aber nicht gleich.«

Sie stellte die logische Frage in beleidigtem Ton, und ich antwortete hastig: »Nein! Natürlich nicht! Nein, es handelt sich nicht um ein anderes Mädchen. Liebling, ich bin geschäftlich unterwegs, aber es dauert nicht lange.« »Okay«, sagte sie, und ich merkte deutlich, daß gar nichts okay war. Ich trat aus der Zelle und sagte: »Na, was gibt es diesmal zu tun, Sie Spaßverderber?«

Wir gingen in die Raumhafenbar und setzten uns in die hinterste Nische. »Die Antares Giant von Sirius landet in genau einer halben Stunde hier«, begann Crinton. »Also um Punkt acht.« »Meinetwegen«, sagte ich.

»Drei der Passagiere warten auf die Space Eater, die um elf von der Erde kommt und nach Kapella weiterfliegt. Sobald diese drei Männer an Bord der Space Eater sind, können wir sie nicht mehr verhaften.« »Und?«

»Zwischen acht und elf Uhr sitzen Sie mit diesen drei Männern in einem besonderen Warteraum. Ich zeige Ihnen noch Bilder, damit Sie wissen, wen Sie vor sich haben. Zwischen acht und elf müssen Sie in Erfahrung bringen, wer die Schmuggelware mitführt.«

»Welche Schmuggelware?«

»Die schlimmste Sorte - reduziertes Spaceolin.«

»Reduziertes Spaceolin?«

Das war mir neu. Ich kannte natürlich gewöhnliches Spaceolin. Jeder Raumfahrer kennt dieses Mittel, das viele Leute bei jedem Flug schlucken müssen, um ihn überhaupt durchzustehen. Das Zeug beruhigt, heitert auf, hat keine Nebenwirkungen und macht nicht süchtig. Spaceolin ist unersetzlich. In Zweifelsfällen immer Spaceolin nehmen. »Richtig, reduziertes Spaceolin«, sagte Rog. »Jeder interessierte Laie kann daraus in seinem Keller eine Droge machen, die gefährlicher als die meisten Rauschgifte ist. Vor allem macht sie schon beim erstenmal süchtig.« »Und das wissen wir erst jetzt?«

»Nein. Wir wissen es seit Jahren und haben andere, die auf die gleiche Idee gekommen sind, zum Schweigen gebracht. Aber das hilft jetzt nichts mehr.« »Warum?«

»Einer der drei Männer, die hier zwischenlanden, trägt etwas reduziertes Spaceolin bei sich. Auf Kapella, wo wir keine Polizeigewalt haben, soll das Teufelszeug analysiert und hergestellt werden. Falls das gelingt, müssen wir einen Krieg gegen die Schmuggler führen oder das Übel mit der Wurzel ausrotten.«

»Sie meinen Spaceolin?«

»Richtig. Und wenn wir Spaceolin verbieten, ist die Raumfahrt erledigt.« Ich nickte langsam. »Wer von den Männern hat das Zeug bei sich?« Rog grinste spöttisch. »Wenn wir das wüßten, kämen wir allein zurecht.« »Ist das alles? Soll ich wegen einer Leibesvisitation meinen schwerverdienten Urlaub...«

»Augenblick!« warf Rog ein. »Sie wissen noch nicht, um wen es sich handelt. Alle drei sind einflußreiche Männer: Edward Harponaster, Joaquin Lipsky und Andiamo Ferrucci. Na?«

Er hatte recht. Es handelte sich um sehr einflußreiche Männer, die man nicht einfach verhaften konnte. »Würde einer von ihnen tatsächlich...«, begann ich.

»Hier geht es um Billionen«, unterbrach Rog mich, »und einer der drei hat bereits. Das wissen wir, denn Jack Hawks hat uns vor seiner Ermordung...«. »Jack Hawks ist tot?«

»Richtig, und einer der drei Kerle hat ihn umbringen lassen. Sie müssen den Schuldigen finden. Zeigen Sie vor elf Uhr auf den richtigen Mann, werden Sie befördert, haben Jack Hawks gerächt und die Galaxis gerettet. Zeigen Sie jedoch auf einen Unschuldigen, gibt es interstellare Verwicklungen, und Sie werden nicht nur fristlos entlassen, sondern erscheinen auf jeder schwarzen Liste des bekannten Universums.«

»Und wenn ich auf gar keinen zeige?« erkundigte ich mich.

»Das wäre ebenso falsch, soweit es Ihre Aussichten im Berufsleben betrifft.«

»Es muß also der richtige Mann sein, sonst bekomme ich den Kopf vor die Füße gelegt?«

»Langsam verstehen Sie anscheinend, Max.«

Rog Crinton hatte noch nie widerlicher gegrinst. Ich tröstete mich nur mit dem Gedanken, daß er ebenfalls verheiratet war und dauernd mit seiner Frau in Marsport leben mußte. Und das hatte er auch verdient!

Sobald Rog verduftet war, rief ich nochmals Flora an.

»Nun?« sagte sie, und ihre Stimme jagte mir abwechselnd kalte und heiße Schauer über den Rücken.

»Liebling«, sagte ich, »es handelt sich um wichtige Angelegenheiten, über die ich nicht sprechen darf, aber ich komme bestimmt, das weißt du doch.« »Puh«, meinte sie, »wenn ich gewußt hätte, daß du mich warten lässt...« Ich zuckte zusammen. »Es dauert nicht lange, Flora«, versprach ich ihr. »Und dann mache ich alles wieder gut.«

Ich war natürlich irritiert, aber keineswegs besorgt. Rog war eben erst gegangen, als mir einfiel, wie der Schuldige von den beiden Unschuldigen zu unterscheiden war.

Es war ganz leicht. Ich hätte Rog zurückrufen können, aber das wäre dumm gewesen. Ich würde mir fünf Minuten Zeit lassen und erst dann zu Flora fahren - vielleicht etwas verspätet, aber mit einer Beförderung in der Tasche. Die Sache war geradezu lächerlich einfach. Industriebosse und Millionäre fliegen nicht viel in Raumschiffen durch die Gegend; dazu haben sie jüngere Männer als Vertreter. Läßt sich ein Flug jedoch nicht vermeiden, nehmen sie Spaceolin, um alle Zufälle auszuschalten.

Das galt allerdings nur für zwei. Der dritte Mann, der die Schmuggelware transportierte, durfte kein Spaceolin nehmen, selbst wenn er dadurch raumkrank wurde. Nach der Einnahme von Spaceolin würde er die Droge wegwerfen oder sie verschenken oder jedem davon erzählen. Er mußte aber seine Selbstbeherrschung bewahren. Alles war ganz einfach. Die Antares Giant landete pünktlich. Lipsky wurde zuerst hereingebracht. Er hatte dicke Lippen, tiefschwarze Augenbrauen, Knollennase und eisgraues Haar. Er sah mich nur an und setzte sich wortlos hin. Nichts. Er hatte Spaceolin genommen. »Guten Abend, Sir«, sagte ich.

Er sagte mit verträumter Stimme: »Surrealismus aus Marzipan im Dreivierteltakt für eine Tasse Pressefreiheit der Sprache.« Das war typisch Spaceolin. Lipsky sagte alles, was ihm gerade einfiel. Irgendein Wort brachte ihn jeweils auf neue Ideen.

Andiamo Ferrucci kam als nächster. Riesiger Schnurrbart, olivenfarbener Teint, Pockennarben im Gesicht. Er setzte sich schweigend. »Wie war der Flug?« fragte ich.

Er sagte leise: »Pflug der Licht phantastisch ticken unter kräht der Vogel.« Lipsky stimmte ein: »Vogel für den Klugen angeregt auf Platz überall begraben.«

Ich grinste zufrieden. Jetzt blieb nur Harponaster übrig. Ich hielt meine Nadelpistole und die magnetischen Handschellen unauffällig bereit. Dann kam Harponaster herein. Er war hager, sonnengebräunt, kahlköpfig und wirkte jünger als auf der Fotografie, die Crinton mir gezeigt hatte. Und er hatte Spaceolin genommen - daran bestand nicht der geringste Zweifel. »Verdammt!« knurrte ich.

Harponaster sagte: »Verdammte Yankees bemerkenswerte Rede letztesmal sägten Holz mit Ihnen.«

Ferrucci sagte: »Innen das Gebiet in Frage zur langen Straße mit Nachtigall.«

Lipsky sagte: »Galle und über der hopsende Diesel untereinander.«

Ich starrte die drei Kerle an. Sie murmelten noch mehr Unsinn dieser Art und hielten schließlich wieder den Mund.

Jetzt war mir alles klar. Einer von ihnen versuchte mich zu täuschen. Er hatte sich überlegt, daß er sich verraten würde, wenn er kein Spaceolin nahm. Wahrscheinlich hatte er mit Geld dafür gesorgt, daß er nur eine Kochsalzlösung injiziert bekam. Der Mann mußte ein guter Schauspieler sein.

Ich starrte sie an, bis ich ein Prickeln im Nacken spürte, das laut und deutlich sagte: Was ist, wenn du nicht den richtigen Kerl festnimmst? Es war acht Uhr dreißig, und hier standen mein Job, mein guter Ruf und sogar mein Kopf auf dem Spiel. Ich dachte auch an Flora. Sie würde nicht ewig auf mich warten. Wahrscheinlich würde sie keine halbe Stunde lang auf mich warten.

Ich überlegte angestrengt. Würde der Schwindler sich eine Blöße geben, wenn ich ein gefährlicheres Thema anschnitt?

Ich sagte: »Heutzutage fliegt niemand mehr ohne Drogen.«

Lipsky: »Drogen von unterhalb Teig re mi fa sol zu retten.«

Ferrucci: »Retten und ein Haarschnitt etwas ab Kansas hoch wie mein Knie.«

Harponaster: »Knieder Wind und Regen Sinn stets vier und in Klumpen.«

Lipsky sagte: »Lumpen und einbahnig.« Ferrucci sagte: »Einmaligstere.« Harponaster sagte: »Stereglasion.« Noch einige Grunzer, dann schwiegen sie wieder.

Ich ließ nicht locker und vergaß dabei keineswegs, wen ich vor mir hatte. Sie würden sich später an jedes Wort erinnern, so daß ich vorsichtig sein mußte. Ich sagte: »Gegen Raumkrankheit hilft am besten Spaceolin.« Ferrucci sagte: »O Lina, Tiger und Hügel auf der Präriehunde bellen der...« Ich unterbrach ihn und wandte mich an Harponaster. »Verdammt gutes Mittel, dieses Spaceolin.«

»Leinen und das schwarze Schaf läutet für wahrscheinlich und ein herrlicher Tag.«

Ich starrte Lipsky an. »Was halten Sie von Spaceolin?«

»Olin ist Kakao nicht immer und doppelter Einsatz damit Kartoffeln oder über Fersen.«

Irgend jemand sagte: »Erbsen die Krankheit und Schreiben über Augenblick.«

»Trick mit Mahlzeit.«

»Zelten seiter.«

»Inglisch.«

»Stischal.«

»Aal.«

Ich versuchte es noch mehrmals, ohne besseren Erfolg zu haben. Der Schwindler hatte entweder viel trainiert oder besaß ein natürliches Talent für diese Sprechweise. Er hatte sein Gehirn abgeschaltet und sagte einfach, was ihm in den Sinn kam. Und er mußte unterdessen wissen, wonach ich suchte, denn ich hatte von >Drogen< und >Spaceolin< gesprochen. Die beiden anderen hatten keine Ahnung, aber der Gesuchte wußte es und amüsierte sich wahrscheinlich köstlich.

Wie sollte ich also den Schmuggler finden? Ich mußte ihn finden. Der Kerl konnte die Menschheit ins Unglück stürzen. Und er hielt mich von meinem Rendezvous mit Flora ab.

Ich konnte die drei natürlich untersuchen. Die beiden Männer, die unter dem Einfluß der Droge standen, würden mich nicht daran hindern. Wer die geringste Abwehrbewegung machte, hatte sich bereits verraten. Aber die Unschuldigen würden sich später an die Leibesvisitation erinnern. Ich seufzte. Auf diese Weise konnte ich den Gesuchten verhaften, aber anschließend durfte ich mich auf einiges gefaßt machen. Und in der allgemeinen Verwirrung würde das Geheimnis des reduzierten Spaceolins ohnehin an die Öffentlichkeit gelangen, so daß es sich wirklich nicht lohnte, deswegen eine Katastrophe. Ich sah geistesabwesend auf meine Uhr und merkte entsetzt, daß es bereits neun Uhr fünfzehn war. Warum verging die Zeit nur so schnell? Du lieber Gott! Flora!

Mir blieb keine andere Wahl. Ich verschwand nach draußen, um Flora nochmals anzurufen. Nur ein kurzes Gespräch, um sie daran zu erinnern, daß ich mit ihr verabredet war. Ich sagte mir immer wieder: Sie antwortet nicht.

Ich versuchte mich darauf vorzubereiten. Es gibt andere Mädchen; es gibt andere...

Nein, es gab keine anderen.

Wäre Hilda in Marsport gewesen, hätte ich überhaupt nicht an Flora gedacht; dann wäre das alles nicht passiert. Aber ich war ohne Hilda in Marsport, und ich war mit Flora verabredet. Und eine Verabredung mit Flora...

Das Rufzeichen ertönte immer wieder, und ich hatte nicht den Mut, einfach aufzulegen.

Dann antwortete sie doch. »Du!« sagte sie nur.

»Natürlich, Liebling, wer sonst?«

»Irgend jemand, der kommen kann.«

»Ich habe geschäftlich zu tun, Liebling.«

»Geschäftlich? Wem bringst du diesmal Plastons mit?«

Mir fiel gerade noch rechtzeitig ein, daß sie mich als Plastonvertreter kannte. Damals hatte ich ihr ein wunderhübsches Nachthemd aus Plaston mitgebracht. Allein der Gedanke daran...

»Hör zu«, sagte ich, »wir sehen uns in einer halben Stunde.«

Ihre Augen wurden feucht. »Ich sitze hier ganz allein.«

»Ich mache alles wieder gut.« In meiner Verzweiflung dachte ich sogar an Schmuck, obwohl ich genau wußte, daß Hilda meine Ausgaben genau kontrollierte, was dieses Vorhaben einigermaßen erschwerte.

»Ich habe deinetwegen eine Verabredung abgesagt«, warf Flora mir vor.

»Du hast selbst gesagt, daß du mit irgendeinem Trottel verabredet warst«,

protestierte ich. Das war ein Fehler. Ich hätte lieber den Mund halten sollen.

»Irgendein Trottel!« kreischte sie. Dabei war es die reine Wahrheit. Aber im Umgang mit Frauen kommt es nicht immer darauf an, wer die Wahrheit auf seiner Seite hat. »Du bezeichnest einen Mann, der mir eine Villa auf der Erde versprochen hat, als irgendeinen...«

Sie redete immer wieder von ihrer Villa auf der Erde. In Marsport gab es bestimmt kein Mädchen, das nicht von einem Haus auf der Erde geträumt hätte. Dieser Traum wurde nur in den seltensten Fällen wahr, aber in der Brust jedes Menschen blüht die Hoffnung, und in Floras hatte sie reichlich Platz zum Blühen.

Ich versuchte sie zu beruhigen, aber es war zwecklos.

Flora sagte schließlich: »Ich bin hier ganz allein, und du kannst dir vielleicht vorstellen, was das für meinen Ruf bedeutet.« Mit diesen Worten legte sie auf.

Nun, sie hatte natürlich recht. Ich kam mir wie ein Schwerverbrecher vor. Wenn erst einmal bekannt wurde, daß Flora versetzt worden war, würden die Leute glauben, ihre beste Zeit sei eben vorbei. Das könnte ihren Ruin bedeuten.

Ich ging in den Warteraum zurück. Der Posten vor der Tür grüßte stramm. Ich starrte die drei Kerle an und überlegte mir, in welcher Reihenfolge ich sie erwürgen würde, wenn ich nur den Befehl dazu erhielte. Vielleicht zuerst Harponaster. Er hatte einen dürren Hals, der sich gut zusammendrücken ließ, und einen hervortretenden Adamsapfel, an dem die Daumen Halt finden konnten.

Dieser Gedanke heiterte mich etwas auf, und ich murmelte: »Teufel, Teufel!«

Nun fingen sie wieder an. Ferrucci sagte: »Täufer die Wasser bei Rohr durch die Bücher... «

Harponaster sagte: »Tücher nichten mit ohne das Kater.« Lipsky sagte: »Vater für fahren unser Haus und trink trank.« »Tranker trinkte tränkenden Trink.« »Trunk tronken.« »Tronk.«

Dann wieder nichts.

Sie starrten mich an. Ich starrte sie an. Sie fühlten nichts - zumindest zwei von ihnen -, und mir fiel nichts ein. Die Zeit verging.

Ich starrte sie noch etwas länger an und dachte an Flora. Mir fiel auf, daß ich eigentlich nichts mehr zu verlieren hatte. Ich konnte ebenso gut von ihr erzählen.

»Meine Herren«, sagte ich, »hier in Marsport lebt eine junge Dame, deren Namen ich nicht nennen möchte, um sie nicht zu kompromittieren. Aber ich will sie Ihnen beschreiben, meine Herren.«

Und ich tat es auch. Liebevoll und detailliert. Meine drei Zuhörer lächelten freundlich und unterbrachen mich kaum. Wer Spaceolin eingenommen hat, ist auffällig höflich und spricht nicht, solange andere sprechen. Deshalb wechselten sie sich immer ab.

»Diese junge Dame, meine Herren«, sagte ich, »hat ihr Appartement auf niedrige Schwerkraft umstellen lassen. Sie fragen sich vielleicht, welchen Zweck das haben soll. Nun, das erkläre ich Ihnen gern, meine Herren, denn wer nie Gelegenheit gehabt hat, einen ruhigen Abend mit einer hiesigen Primadonna zu verbringen, kann sich nicht vorstellen, wie...«

Aber ich bemühte mich, alles so zu schildern, daß ihr Vorstellungsvermögen wenig beansprucht wurde. Sie würden sich später genau daran erinnern, aber ich bezweifle, daß die beiden Unschuldigen nachträglich etwas dagegen einzuwenden haben würden. Wahrscheinlich mußte ich eher damit rechnen, daß sie mich nach Floras Videophonnummer fragen würden. Ich erzählte weiter, bis eine Stimme aus dem Lautsprecher die Landung der Space Eater ankündigte.

Das war das Ende. Ich sagte laut: »Erheben Sie sich, meine Herren.« Sie standen gleichzeitig auf und gingen zur Tür. Als Ferrucci an mir vorbeiging, klopfte ich ihm auf die Schulter und sagte: »Sie bleiben hier, verstanden?« Die magnetischen Handschellen schlossen sich im gleichen Augenblick um seine Handgelenke.

Ferrucci kämpfte wie ein Raubtier. Er hatte jedenfalls kein Spaceolin genommen. Wir fanden die geschmuggelte Droge in einem Plastikbeutel an der Wade. Das Zeug war dort festgeklebt und praktisch unsichtbar; man konnte es nur fühlen, und wir waren erst zufrieden, als wir den Beutel mit einem Messer losgemacht hatten.

Später schüttelte Rog Crinton mir erleichtert grinsend die Hand. »Wie haben Sie das nur geschafft? Wodurch hat er sich verraten?« »Einer von ihnen hat den Spaceolinrausch nur vorgetäuscht«, antwortete ich. »Das war mir sofort klar, und ich habe ihnen deshalb... äh... gepfefferte Geschichten erzählt. Lipsky und Harponaster hatten Spaceolin genommen und blieben deshalb ganz ruhig. Aber Ferrucci atmete schneller und hatte Schweißperlen auf der Stirn; er reagierte auf meine dramatische Schilderung und hatte folglich kein Spaceolin genommen. Und als sie aufstanden, um an Bord zu gehen, war ich meiner Sache sicher und nahm ihn fest. Lassen Sie jetzt endlich meine Hand los?«

Er ließ sie los, und ich wäre fast auf den Rücken gefallen. Ich wollte nur noch fort. Meine Füße setzten sich von selbst in Bewegung, aber ich blieb wieder stehen.

»He, Rog«, sagte ich, »können Sie mir einen Scheck über zehntausend Credits ausschreiben, der nicht in den Büchern erscheint - für Verdienste besonderer Art?«

Dann merkte ich, daß er tatsächlich vor Erleichterung fast übergeschnappt war, denn er antwortete bereitwillig: »Klar, Max, wird gemacht. Sie können zehntausend Credits haben, wenn Sie wollen.« »Ich will«, sagte ich.

Er füllte einen Scheck über zehntausend Credits aus, der auf den meisten Planeten so gut wie bares Geld war. Er grinste sogar, als er ihn mir gab, und ich grinste natürlich auch.

Wie er den Scheck verbuchte, war seine Sache. Für mich war nur wichtig, daß Hilda nichts davon wußte.

Ich stand zum letztenmal in der Videophonzelle und rief Flora an. Ich durfte nicht warten, bis ich ihr Appartement erreichte. In dieser halben Stunde konnte sie sich mit einem anderen treffen, wenn sie es nicht bereits getan hatte.

Antworte! Antworte! Antworte endlich...

Sie antwortete, aber sie hatte sich inzwischen umgezogen. Sie wollte offenbar ausgehen, und ich hatte sie gerade noch erwischt. »Ich gehe aus«, teilte sie mir mit. »Manche Männer sind eben doch anständig. Und ich möchte dich in Zukunft nicht wieder bei mir sehen. Ich habe nicht die Absicht, dich jemals wieder zu empfangen. Du kannst mir nur noch einen Gefallen tun und mein Rufzeichen vergessen, anstatt mich zu belästigen und...«

Ich sagte kein Wort. Ich stand nur da, hielt den Atem an und hob den Scheck deutlich sichtbar hoch.

Bei dem Stichwort >belästigen< kam sie tatsächlich etwas näher heran, um zu sehen, was ich in der Hand hielt. Flora war nicht sehr gebildet, aber sie konnte zehntausend Credits< schneller als jeder Akademiker des Sonnensystems lesen. »Max!« sagte sie. »Für mich?«

»Alles für dich, Liebling«, antwortete ich. »Du weißt doch, daß ich geschäftlich verhindert war. Ich wollte dich damit überraschen.« »Oh, Max, das ist süß von dir. Es hat mir eigentlich nichts ausgemacht. Alles war nur Spaß.« Sie zog ihren Mantel aus, was bei Flora sehr interessant zu beobachten ist.

»Und wie steht es mit deiner Verabredung?« wollte ich wissen.

»Ich habe doch gesagt, daß alles nur ein Spaß war«, sagte sie. Dann ließ sie den Mantel fallen und spielte mit der Spange, die das bißchen Kleid zusammenzuhalten schien, das sie trug.

»Ich komme«, flüsterte ich.

»Aber mit zehntausend Credits«, mahnte Flora lächelnd. »Mit allen«, versprach ich ihr.

Ich trennte die Verbindung, trat aus der Zelle und wollte mich in Trab setzen.

Dann hörte ich, daß jemand hinter mir meinen Namen rief. »Max! Max!« Jemand kam auf mich zugerannt. »Rog Crinton hat mir gesagt, daß du hier seist. Mama ist doch wieder gesund geworden, deshalb bin ich mit der Space Eater gekommen, und wie war das mit den zehntausend Credits?«

Ich drehte mich nicht um. Ich sagte: »Hallo, Hilda.« Ich blieb stocksteif stehen.

Und dann drehte ich mich nach ihr um und überwand mich wie nie zuvor in meinem Leben. Ich lächelte.