120275.fb2 10 SCIENCE FICTION KRIMINALGESCHICHTEN - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 8

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7. Das Souvenir

Alles war für die Feier vorbereitet.

Dieses Jahr war Moores Haus an der Reihe, und Mrs. Moore und die Kinder waren für einen Abend zu Mrs. Moores Mutter übergesiedelt. Warren Moore sah sich lächelnd im Wohnzimmer seines Hauses um. In der ersten Zeit waren diese jährlichen Zusammenkünfte nur auf Brandons Initiative hin zustande gekommen, aber allmählich hatte auch er sich daran gewöhnt. Er freute sich sogar darauf, was vielleicht bedeutete, daß er nicht nur alt, sondern auch sentimental wurde.

Jedenfalls waren die Fenster des Wohnzimmers abgedunkelt, und die Wände glühten nur schwach, was an die ungenügende Beleuchtung der Kabine im Wrack der Silver Queen erinnern sollte. Auf dem Tisch standen Lebensmittelkonzentrate, von denen sich Raumfahrer ernährten, und in der Mitte stand selbstverständlich eine Flasche Jabrawasser vom Mars. Moore warf einen Blick auf seine Uhr. Brandon würde bald eintreffen; er verspätete sich an diesem Tag nie. Dann fiel ihm ein, was Brandon am Telefon gesagt hatte: »Warren, diesmal habe ich eine Überraschung für Sie. Warten Sie nur ab!«

Brandon schien kaum gealtert zu sein. Der jüngere Mann war noch so schlank wie damals und hatte sich seinen jugendlichen Enthusiasmus trotz seiner fast vierzig Jahre bewahrt. Er war noch immer begeisterungsfähig, aber auch leicht zu deprimieren. Seine Haare wurden allmählich grau, und er trug jetzt eine Brille, aber wenn er im Wohnzimmer auf und ab ging und irgend etwas erzählte, brauchte Moore nicht einmal die Augen zu schließen, um den jungen Mann an Bord der Silver Queen vor sich zu sehen. Der Summer ertönte, und Moore betätigte den Türöffner, ohne sich umzudrehen. »Kommen Sie nur herein, Mark.« »Mister Moore?« sagte eine unbekannte Stimme leise hinter ihm. Moore drehte sich um. Brandon war tatsächlich gekommen; er blieb jedoch lächelnd im Hintergrund. Vor Moore stand ein untersetzter, sonnengebräunter, kahlköpfiger Mann, der ihm irgendwie bekannt vorkam. »Mike Shea«, sagte Moore verblüfft. »Mike Shea, der Teufel soll mich holen!«

Sie schüttelten sich lachend die Hand.

»Er hat über die Firma mit mir Verbindung aufgenommen«, sagte Brandon. »Er wußte noch, daß ich bei Atomic Products...«

»Menschenskinder, das ist schon Jahre her!« rief Moore aus. »Augenblick, Mike war zuletzt vor zwölf Jahren hier und...«

»Aber nie am Jahrestag«, warf Brandon ein. »Wie findet ihr das? Er ist jetzt pensioniert und hat die Raumfahrt aufgegeben, um seine Farm in Arizona zu bewirtschaften. Er ist nur zufällig hier, um zu sehen, was seine alten Freunde machen, und ich war davon überzeugt, er sei wegen unserer Feier gekommen.«

Shea nickte grinsend. »Dabei habe ich nicht einmal gewußt, daß ihr den Jahrestag unserer Rettung feiert.«

»Natürlich!« sagte Brandon. »Diesmal ist es sogar die erste richtige Feier, weil wir wieder zu dritt sind. Es ist zwanzig Jahre her, Mike; zwanzig Jahre, seitdem Warren über das Wrack der Silver Queen geklettert ist.« Shea sah sich um. »Aha, es gibt sogar Raumfahrerrationen, was? Und natürlich Jabra. Hmm, jetzt erinnere ich mich wieder... zwanzig Jahre. Wißt ihr noch, wie wir auf der Erde empfangen wurden?«

»Klar, mit Paraden und Ansprachen«, sagte Brandon. »Wir haben immer wieder beteuert, Warren sei der einzige Held, aber niemand hat zugehört. Wißt ihr das noch?«

»Nun, wir waren die ersten Menschen, die ein Raumschiffunglück überlebt haben«, stellteMoore fest. »Das mußte eben gefeiert werden, weil es so außergewöhnlich war.«

»Kommt, wir nehmen einen Schluck Jabra«, forderte Brandon seine Freunde auf. »Nur schade, daß die eine Flasche für den Abend reichen muß.« »Mark will alles authentisch haben«, erklärte Moore Shea. »Demnächst muß ich wahrscheinlich wie eine Fliege über die Hauswand klettern.« »Keine schlechte Idee«, meinte Brandon.

»Erinnert ihr euch noch an den Toast?« Shea hob sein leeres Glas. »>Meine Herren, trinken wir auf das gute alte H2O, das wir hatten. < Und bei der Landung waren wir blau wie Veilchen! Aber damals waren wir noch jung. Ich war dreißig und hielt mich schon für alt.« Er zuckte bedauernd mit den Schultern. »Und jetzt bin ich schon pensioniert.«

»Austrinken!« sagte Brandon, der unterdessen ihre Gläser gefüllt hatte. »Heute sind wir alle wieder jung und erinnern uns an dieses Erlebnis an Bord der Silver Queen, auch wenn sonst kein Mensch mehr daran denkt. Für die Öffentlichkeit sind wir verschollen und vergessen, obwohl wir die einzigen Menschen sind, die sich nach einem Raumschiffunglück selbst gerettet haben.«

Moore lachte. »Was erwarten Sie eigentlich? Einen nationalen Feiertag mit Raumfahrerrationen und Jabra für alle Erwachsenen?«

»Das Unglück hat die Versicherungsgesellschaft Trans-space eine Menge Geld gekostet«, meinte Branden nachdenklich, »aber trotzdem fehlt noch etwas. Sagt man heutzutage >Silver Queen< zu jemand, fällt ihm nur Quentin ein, wenn ihm überhaupt jemand einfällt.«

»Wer?« fragte Shea.

»Quentin. Doktor Horace Quentin. Eines der Todesopfer dieses Unglücks. Fragt man jedoch nach den drei Überlebenden, weiß kein Mensch, daß es überhaupt welche gegeben hat.«

»Quentin war einer der größten Wissenschaftler der Welt, Mark«, wandte Moore ein.

»Aber wir sind die einzigen Überlebenden!«

»Und? Zu den Toten gehörte damals auch John Hester; er war ebenfalls Naturwissenschaftler, aber weniger bedeutend als Quentin. Heutzutage weiß niemand mehr, daß Hester ebenfalls an Bord war. Wir sind vielleicht in Vergessenheit geraten - aber wir leben wenigstens noch.«

»Wißt ihr was, wir sind wieder gestrandet«, erklärte Brandon seinen Freunden. »Vor zwanzig Jahren haben wir vor Vesta festgelegen; jetzt sind wir in Vergessenheit geraten. Damals hat Warren uns gerettet; jetzt müssen wir gemeinsam dieses neue Problem lösen.«

»Wollen Sie uns nachträglich berühmt machen?« fragte Moore.

»Klar, warum nicht?« antwortete Brandon. »Der zwanzigste Jahrestag unserer Rettung muß doch irgendwie gefeiert werden!«

»Und wie wollen Sie das anfangen?« fragte Moore weiter. »Heutzutage erinnert sich kaum noch jemand an die Silver Queen - außer im

Zusammenhang mit Quentin -, und Sie müßten sich etwas einfallen lassen, um die Erinnerung daran wachzurufen.«

Shea runzelte die Stirn. »Manche Leute erinnern sich noch gut an die Silver Queen - zum Beispiel die Versicherungsgesellschaft. Das ist übrigens eine komische Sache, Freunde. Ich war vor zehn oder elf Jahren wieder einmal auf Vesta und habe mich nach dem Wrack erkundigt. Es lag noch an der gleichen Stelle, war aber von einem Kraftfeld umgeben und nicht zugänglich.«

Branden zog die Augenbrauen hoch. »Unsere Silver Queen? Warum?« »Ich habe mich erkundigt«, antwortete Shea, »aber nur erfahren, daß das Wrack der Versicherungsgesellschaft gehört.«

Moore nickte. »Selbstverständlich. Die Versicherung hat sich die Trümmer übereignen lassen. Ich habe ihr mein Bergungsrecht gegen entsprechende Entschädigung abgetreten. Ihr auch, stimmt's?«

»Aber was soll das Kraftfeld?« fragte Branden. »Warum darf niemand an das Wrack heran?«

»Keine Ahnung.« Shea zuckte mit den Schultern.

»Das Wrack besitzt nicht einmal Schrottwert. Der Transport würde zuviel kosten.«

»Richtig«, stimmte Shea zu. »Noch komischer ist allerdings, daß sie sogar einzelne Trümmer aus dem Raum nach Vesta bringen. Ich habe den Haufen selbst gesehen - lauter wertloser Schrott, wenn ihr mich fragt. Aber die Versicherungsgesellschaft zahlt einen festgesetzten Preis für jedes Stück der Silver Queen, deshalb suchen alle Schiffe, die in die Nähe von Vesta kommen, nach irgendwelchen Wrackteilen. Als ich auf meiner letzten Reise wieder bei der Silver Queen vorbeigekommen bin, war der Haufen bereits wesentlich größer.«

»Soll das heißen, daß die Suche weitergeht?« fragte Brandon eifrig. »Keine Ahnung«, antwortete Shea. »Vielleicht ist sie inzwischen abgeblasen worden. Aber der Haufen war entschieden größer als vor zehn oder elf Jahren.«

Brandon lehnte sich in seinen Sessel zurück. »Wirklich eigenartig«, meinte er. »Eine auf Gewinn bedachte Versicherungsgesellschaft gibt viel Geld dafür aus, um den Weltraum in der Nähe von Vesta absuchen zu lassen, weil dort noch immer Teile eines zwanzig Jahre alten Wracks zu finden sind.« »Vielleicht soll eine vermutete Sabotage nachgewiesen werden«, sagte Moore.

»Nach zwanzig Jahren? Selbst wenn sich eine Sabotage nachweisen ließe, hätte die Versicherung nichts mehr davon. Der Fall ist endgültig zu den Akten gelegt.«

»Vielleicht ist die Suche schon längst beendet«, warf Shea ein.

»Los, wir erkundigen uns«, schlug Brandon vor. »Ich möchte wissen, was dahintersteckt.«

»Klar«, stimmte Shea zu, »aber wen sollen wir fragen?« »Multivac«, sagte Brandon nur.

Shea riß die Augen auf. »Multivac! Hören Sie, Mister Moore, haben Sie einen Anschluß?«

»Ja.«

»Ich habe noch nie einen gesehen.«

»Sieht nach nichts aus, Mike. Nur eine Art Schreibmaschine. Sie dürfen einen Multivac-Anschluß nicht mit Multivac selbst verwechseln. Ich kenne niemand, der Multivac zu Gesicht bekommen hätte.« Moore lächelte vor sich hin. Er bezweifelte sogar, daß er je einen der Techniker kennenlernen würde, die diesen Supercomputer warteten, der von seiner unterirdischen Festung aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft der Menschheit kontrollierte und trotzdem genügend Kapazität übrig hatte, um individuelle Fragen zu beantworten.

Der Multivac-Anschluß im Nebenzimmer bestand tatsächlich im Grunde genommen nur aus einer einfachen Schreibmaschine. Moore tippte als erstes sein Kennzeichen in die Maschine und fragte dann: »Was soll ich schreiben?«

»Ganz einfach«, meinte Brandon. »Schreiben Sie: >Läßt die Trans-space noch immer Wrackteile der Silver Queen suchen?<« Moore zuckte mit den Schultern und schrieb die Frage in die Maschine. Sekunden später glitt ein Papierstreifen aus dem Schlitz links an der Maschine. Moore warf einen Blick darauf. »Multivac sagt ja«, teilte er den anderen mit.

»Ha!« rief Brandon. »Das habe ich gleich gewußt. Fragen Sie jetzt nach dem Grund.«

»Unmöglich«, wehrte Moore ab. »Eine Frage dieser Art müßte begründet werden.«

»Versuchen Sie es doch«, drängte Brandon. »Vielleicht bekommen wir eine Antwort.«

Moore schrieb rasch: Warum setzt Trans-space die vorhin erwähnte Suche nach Wrackteilen fort?

Diesmal kam ein gelber Streifen aus der Maschine: GEBEN SIE DEN GRUND FÜR IHRE FRAGE AN.

»Okay, schreiben Sie, daß wir die drei Überlebenden sind und ein Recht auf Informationen haben«, sagte Brandon. »Los, schreiben Sie nur!« Moore gab diesen Grund an und erhielt als Antwort einen zweiten gelben Streifen: BEGRÜNDUNG UNGENÜGEND. FRAGE KANN NICHT BEANTWORTET WERDEN.

»Ich sehe nicht ein, daß das ein Geheimnis bleiben muß«, protestierte Brandon.

»Darüber entscheidet Multivac«, stellte Moore fest. »Was sollen wir jetzt tun?«

Brandon ging auf und ab. »Gut, dann müssen wir eben selbst nachdenken. Trans-space sucht offenbar nach irgend etwas, das so wertvoll ist, daß sich eine zwanzigjährige Suche lohnt. Was könnte so wertvoll sein?« »Wunschträume, Mark«, warf Moore ein.

»Es kann sich weder um Juwelen noch Geld, noch Wertpapiere handeln«, fuhr Brandon fort. »Damit wären die Unkosten nicht zu decken - selbst wenn die Silver Queen aus reinem Gold bestünde. Aber was könnte wertvoller sein?«

»Schwer zu sagen, Mark«, meinte Moore nachdenklich. »Ein Brief ist als Altpapier fast nichts wert, aber je nach Inhalt kann er für eine große Firma Millionen wert sein.«

Brandon nickte. »Richtig. Dokumente oder wertvolle Papiere. Wer könnte Papiere dieser Art bei sich gehabt haben?« »Wie wollen Sie das beurteilen?«

»Wie steht es mit Doktor Horace Quentin, Warren? Die Leute erinnern sich noch an ihn, weil er ein so bedeutender Mann war. Und was ist aus den Papieren geworden, die er bei sich gehabt hat? Vielleicht waren es Konstruktionspläne einer neuen Erfindung.« Brandon machte eine nachdenkliche Pause. »Haben Sie ihn eigentlich je zu Gesicht bekommen, Warren?«

»Nein«, antwortete Moore. »Nein, nicht daß ich wüßte...«

»Das glaube ich«, warf Shea ein. »Quentin hat seine Kabine nämlich nie verlassen. Ich erinnere mich daran, daß einer der Stewards davon gesprochen hat. Er mußte ihm die Mahlzeiten in die Kabine bringen.«

»Das war bestimmt Quentin?« fragte Brandon.

Shea nickte wortlos.

»Gut, dann hatte er also etwas Wichtiges in seiner Kabine«, stellte Brandon zufrieden fest. »Etwas sehr Wichtiges, das er bewachen wollte.« »Vielleicht war er nur raumkrank«, meinte Moore, »aber...« Er runzelte nachdenklich die Stirn.

»Weiter!« drängte Brandon. »Fällt Ihnen auch etwas ein?« »Vielleicht. Ich habe beim letzten Essen neben Doktor Hester gesessen, und er hat mir erzählt, daß Quentin nicht zu sprechen sei.« »Natürlich!« rief Brandon. »Er hat seine Kabine nicht verlassen.« »Nein, Hester hat etwas anderes gesagt.« Moore konzentrierte sich. »Ich kann mich nicht an jedes Wort erinnern... Er hat behauptet, Quentin sei theatralisch und wolle nicht einmal den Titel seines Vortrags nennen, den er auf Ganymed während eines Kongresses zu halten habe.« »Seht ihr, alles paßt zusammen.« Brandon ging wieder auf und ab. »Quentin hatte eine neue Entdeckung, die er geheimhalten mußte, um sie während des Kongresses auf Ganymed vorstellen zu können. Er wollte nicht mit Hester sprechen, weil er befürchtete, Hester würde ihn aushorchen wollen. Dann ist er bei dem Unglück ums Leben gekommen, aber die Versicherungsgesellschaft hat irgendwie von der ganzen Sache Wind bekommen. Deshalb hat sie sich das Wrack übereignen lassen und sucht seitdem nach Quentins Papieren.«

Moore lächelte nachsichtig. »Eine wundervolle Theorie, Mark - aber leider können wir sie nicht beweisen.«

»Glauben Sie? Schön, dann stellen wir Multivac noch einige Fragen. Ich bezahle die Rechnung für diesen Monat.«

»Schon gut«, wehrte Moore ab. »Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.« Brandon setzte sich an die Schreibmaschine und tippte mit vor Erregung zitternden Fingern: Mit welchen Problemen war Dr. Horace Quentin zuletzt beschäftigt?

Diesmal kam die Antwort auf einem weißen Streifen aus dem Schlitz. Sie bestand zum größten Teil aus Hinweisen auf Artikel in vor zwanzig Jahren erschienenen Fachzeitschriften.

Moore warf einen Blick darauf. »Ich bin kein Physiker, aber es sieht so aus, als habe er sich für die Optik interessiert.«

Brandon schüttelte den Kopf. »Wir suchen eine unveröffentlichte Arbeit.« »Darüber gibt es keine Informationen.« »Die Versicherungsgesellschaft hat irgend etwas erfahren.« »Das ist nur Ihre Theorie.«

Branden runzelte die Stirn. »Okay, nur noch eine Frage an Multivac.« Diesmal schrieb er: Wie lauten die Namen und Telefonnummern noch lebender Naturwissenschaftler, die an der Universität mit Dr. Horace Quentin zusammengearbeitet haben?

»Woher wissen Sie, daß Quentin an einer Universität gelehrt hat?« fragte Moore.

»Ich vermute es«, antwortete Branden.

Diesmal war der Papierstreifen kurz. Die Maschine hatte nur einen Namen geschrieben.

»Wollen Sie den Mann anrufen?«

»Natürlich«, antwortete Branden. »Otis Fitzsimmons in Detroit. Warren, darf ich...«

»Bitte«, sagte Moore.

Brandon wählte die angegebene Nummer. Eine weibliche Stimme antwortete. Brandon fragte nach Dr. Fitzsimmons und mußte einige Sekunden warten.

Dann meldete sich eine leise Stimme. »Hallo?« Die Stimme klang alt. »Doktor Fitzsimmons«, sagte Brandon, »ich vertrete die Trans-space-Versicherung im Fall des verstorbenen Doktor Horace Quentin...« Moore wollte ihn unterbrechen, aber Brandon ließ sich nicht stören. »Nach all diesen Jahren?« fragte die Stimme ungläubig. »Jetzt wieder?« Brandon grinste triumphierend. »Wir wollten nur fragen, ob Sie sich vielleicht an weitere Einzelheiten dieses Falles erinnern, Doktor. Sie wissen doch, wir sind an allem interessiert, was Doktor Quentins letzte unveröffentlichte Entdeckung betrifft.«

»Nun, ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich nichts davon weiß«, antwortete Fitzsimmons ungeduldig. »Ich will auch nichts mehr damit zu tun haben. Ich weiß nicht, ob es überhaupt etwas gegeben hat. Der Mann hat etwas erwähnt, aber er hat immer von neuen Erfindungen gesprochen.« »Welche Erfindungen meinen Sie, Sir?«

»Ich weiß nichts davon, sage ich Ihnen. Er hat nur einmal davon gesprochen, und ich kann mich nicht genau daran erinnern. Aber das ist nicht weiter wichtig.«

»Wir haben den Namen nicht schriftlich festgehalten, Sir.«

»Das hätten Sie aber tun sollen. Wie war das noch gleich...«

Der Alte murmelte etwas vor sich hin. »Ah, richtig, ein Optikon, das war's.«

»Mit k?«

»Meinetwegen auch mit c, das ist mir egal. Belästigen Sie mich nur nicht wieder damit.« Fitzsimmons legte auf.

Branden grinste zufrieden. »Keine Angst, er hat den Anruf schon wieder vergessen«, sagte er zu Moore. »Merken Sie, daß ich recht gehabt habe? Die Versicherung hat sich schon früher in dieser Angelegenheit an Fitzsimmons gewandt.«

»Gut, das gebe ich zu«, sagte Moore. »Aber was wissen wir noch?« »Wir wissen, daß Quentin ein Optikon konstruiert hat«, antwortete Branden.

»Das hat Fitzsimmons nur vermutet«, widersprach Moore. »Außerdem hilft uns der Name allein nicht weiter.«

»Und Trans-space sucht entweder nach dem Optikon oder nach Papieren, in denen diese Erfindung beschrieben sein könnte. Ich vermute allerdings, daß Quentin nur ein Arbeitsmodell bei sich hatte, und die Versicherung ist offenbar der gleichen Meinung, denn sie läßt Metalltrümmer sammeln. Habe ich recht, Mike?« Shea nickte wortlos.

»Trotzdem wäre die Suche aussichtslos«, stellte Moore nüchtern fest. »Ich bezweifle, daß mehr als zehn Prozent aller Trümmer um Vesta kreisen. Wir haben selbst Glück gehabt, daß wir damals in eine Kreisbahn geschleudert wurden. Aber die übrigen neunzig Prozent des Wracks kreisen auf irgendwelchen Bahnen um die Sonne.«

Brandon war nicht leicht zu entmutigen. »Gut, nehmen wir an, das Ding sei da und bisher nicht gefunden worden. Könnte es irgend jemand beiseite geschafft haben?«

Mike Shea lachte. »Wir waren an Ort und Stelle, aber wir mußten froh sein, nur mit heiler Haut davonzukommen. Und wer käme sonst in Frage?« »Richtig«, stimmte Moore zu. »Warum hätte der Finder seine Entdeckung geheimhalten sollen?«

»Vielleicht weiß er gar nicht, was er eigentlich gefunden hat.«

»Wie sollen wir dann...« Moore starrte Shea an. »Was haben Sie eben gesagt?«

»Wer? Ich?« fragte Shea erstaunt.

»Hmmm.« Moore runzelte die Stirn. »Teufel, Teufel!« murmelte er dann. »Was ist los?« fragte Brandon gespannt. »Was ist los, Warren?« »Ich weiß nicht. Sie haben mich mit Ihren verrückten Theorien angesteckt, glaube ich. Wenn ich es mir recht überlege, haben wir nämlich etwas an Bord der Silver Queen mitgenommen. Ich habe es jedenfalls getan.« »Was?«

»Während meiner Kletterpartie habe ich einige Kleinigkeiten eingesteckt, die mir in die Hände gefallen sind. Ich weiß nicht warum; ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich habe das Zeug behalten - als eine Art Souvenir.« »Wo liegt es?«

»Wahrscheinlich irgendwo auf dem Speicher«, antwortete Moore. »Ich habe die Sachen mindestens fünfzehn Jahre lang nicht mehr gesehen.« »Worum handelt es sich?«

»Das erste Stück war ein altmodischer Füllfederhalter«, antwortete Moore. »Das andere war... ein Fernglas, ein kleines Fernglas mit etwa fünfzehn Zentimeter Länge. Merkt ihr, was das bedeutet? Ein Fernglas!« »Ein Optikon!« rief Brandon. »Natürlich!« »Vielleicht war das nur ein Zufall«, fügte Moore hinzu. »Nur ein seltsamer Zufall.«

Aber Brandon wollte nichts davon hören. »Ausgeschlossen! Trans-space hat das Optikon nur deshalb nicht gefunden, weil Sie es in der Tasche hatten!« »Langsam, langsam«, mahnte Moore. »Los, wir müssen das Ding suchen!«

Moore holte tief Luft. »Okay, meinetwegen können wir danach suchen, aber ich bezweifle, daß wir es finden. Am besten fangen wir mit dem Speicher an. Das ist doch der logische Platz dafür.«

Shea grinste. »Der logische Platz ist meistens auch der schlechteste, wenn man etwas sucht.« Aber er folgte den beiden anderen auf den Dachboden hinauf.

Der Dachboden war dunkel und staubig. Moore schaltete gleichzeitig mit dem Licht auch das Precipitronein. »Ich glaube, daß der Staubsammler schon zwei Jahre nicht mehr in Betrieb war. Das allein beweist, wie selten ich hier oben bin. Hmmm - die beiden Andenken müßten eigentlich dort drüben bei dem Zeug aus meiner Junggesellenzeit liegen. Okay, am besten fangen wir dort an.«

Moore begann mit einem alten Pappkarton voller Bücher und blätterte sie der Reihe nach durch. Als er Brandons Stirnrunzeln sah, legte er das letzte Buch fort und sagte rasch: »Schon gut, ich suche gleich weiter.« Er öffnete einen alten Koffer mit mehreren Fächern und breitete den Inhalt vor sich aus.

»He!« sagte Branden. »Was ist das?« Er deutete auf einen schlanken Zylinder im zweiten Fach.

»Ich weiß nicht...«, begann Moore. Dann rief er plötzlich: »Ja, das ist der Füllfederhalter! Und hier liegt auch das Fernglas. Beide funktionieren nicht mehr. Ich nehme jedenfalls an, daß der Füllfederhalter nicht funktioniert, weil er klappert. Hört ihr? Es gibt auch keine Patronen mehr dafür.« Brandon hielt ihn ans Licht. »Hier ist ein Monogramm eingraviert.« »Oh? Das ist mir damals nicht aufgefallen.«

»Es ist ziemlich abgewetzt. Sieht wie J.K.Q. aus.«

»Q?«

»Richtig, und das ist ein ziemlich seltener Nachname. Der Füllfederhalter kann Quentin gehört haben. Vielleicht hat er ihn von seinem Großvater geerbt und aus Anhänglichkeit benützt. Wir können Multivac fragen, ob das Monogramm auf einen seiner Vorfahren paßt.« Moore nickte. »Keine schlechte Idee«, meinte er.

»Und dieser Fund beweist, daß Sie das Fernglas ebenfalls in Quentins Kabine gefunden haben«, sagte Brandon.

»Augenblick!« protestierte Moore. »Ich weiß wirklich nicht mehr, ob ich beide Dinge am gleichen Platz gefunden habe.«

Brandon untersuchte das kleine Fernglas sorgfältig. »Hier ist nichts eingraviert.«

»Haben Sie etwas erwartet?«

»Ich sehe nur diese Fuge hier.« Brandon folgte ihr mit dem Zeigefinger und versuchte den vorderen Teil zu drehen. Offenbar aus einem Stück. «Er hob das Glas an die Augen. »Nichts zu sehen.«

»Ich habe Ihnen gleich gesagt, daß es nicht mehr funktioniert. Die Linsen fehlen und...«

»Das ist schließlich zu erwarten, wenn ein Raumschiff von einem Meteor getroffen wird«, warf Shea ein.

»Selbst wenn wir das Optikon in der Hand hielten, könnten wir nichts damit anfangen«, stellte Moore fest. Er nahm Brandon das Glas ab und betrachtete es nachdenklich. »Man sieht nicht einmal Fassungen für die Linsen, als ob...

He!« rief er plötzlich.

»Was ist los?« fragte Brandon.

»Der Name!«

»Optikon? Meinen Sie das?«

»Optikon! Das meine ich eben nicht. Wir haben >ein Optikon< verstanden.«

»Stimmt das nicht?« wollte Brandon wissen.

»Klar«, meinte Shea, »das haben wir alle deutlich gehört.«

»Aber ihr habt ihn nicht richtig verstanden! Fitzsimmons hat >Anoptikon< gesagt. Versteht ihr nicht? >Anoptikon< - in einem Wort.«

»Oh«, sagte Brandon verständnislos. »Was macht das aus?«

»Verdammt viel!« antwortete Moore erregt. »Das Wort >Optikon< bezeichnet ein Instrument mit Linsen, aber >Anoptikon< hat die Vorsilbe >An-<, die bei Wörtern griechischer Herkunft verneinend gebraucht wird. Anarchie bedeutet >keine Regierung<; Anämie bedeutet >kein Blut<; >Anopticon< bedeutet... «

»Keine Linsen!« warf Brandon ein.

»Richtig! Quentin scheint ein optisches Gerät ohne Linsen erfunden zu haben. Vielleicht halten wir es in der Hand - und vielleicht funktioniert es noch!«

»Aber man sieht nichts«, sagte Shea.

»Wahrscheinlich muß es eingestellt werden«, erklärte Moore ihm. »Es läßt sich bestimmt irgendwie einstellen.« Er versuchte den vorderen Rand zu drehen.

»Vorsichtig«, mahnte Brandon.

»Es gibt etwas nach«, beruhigte Moore ihn. Er hob das Instrument an die Augen, pfiff leise vor sich hin und ging näher ans Fenster. »He, seht euch das an!« sagte er dann.

»Was?« fragte Brandon. Als Moore ihm das Instrument gab, sah er hindurch und rief: »Also doch ein Fernglas!«

Die drei Männer verbrachten fast eine Stunde damit, das Instrument abwechselnd in ein Fernglas und ein Mikroskop zu verwandeln. »Wie funktioniert es?« fragte Brandon mehrmals.

»Keine Ahnung«, antwortete Moore jeweils. »Ich bin davon überzeugt, daß konzentrierte Kraftfelder dabei eine Rolle spielen«, sagte er schließlich. »Wir haben einen beachtlichen Widerstand zu überwinden. Bei größeren Instrumenten sind bestimmt Servos notwendig.« »Ein hübscher Trick«, meinte Shea.

»Mehr als nur das«, erklärte Moore ihm. »Ich möchte wetten, daß es einige Lehrsätze der theoretischen Physik auf den Kopf stellt. Es bündelt Lichtstrahlen ohne kompliziertes Linsensystem, zeigt keine chromatische Abweichung und kann vielleicht auch andere...«

»Ist damit Geld zu verdienen?« unterbrach Shea ihn trocken.

»Das Ding ist Millionen wert!«

»Dann gehen wir damit nicht zur Trans-space-Versicherung, sondern zuerst zu einem Rechtsanwalt. Haben wir das Instrument ebenfalls der Gesellschaft abgetreten? Es befand sich schon in Ihrem Besitz, als Sie die Erklärung unterschrieben haben. Ist diese Verzichterklärung überhaupt rechtskräftig, wenn wir nicht gewußt haben, worauf wir dadurch verzichten? Vielleicht gilt das als Betrug.«

»Ich weiß überhaupt nicht, ob es richtig ist, diese Erfindung einer Privatfirma zu überlassen«, warf Moore ein. »Am besten setzen wir uns mit der entsprechenden Regierungsstelle in Verbindung. Falls damit Geld zu machen ist, bekommen wir...«

»Das Geld kann der Teufel holen, Warren!« unterbrach Brandon ihn. »Geld ist ganz nett, aber nicht weiter wichtig. Wir werden berühmt, Mann, berühmt! Stellen Sie sich nur die Schlagzeilen vor. Ein unbeschreiblich wertvolles Instrument geht im Weltraum verloren. Eine große Versicherungsgesellschaft läßt zwanzig Jahre lang vergeblich danach suchen. Die Suche muß erfolglos bleiben, denn wir, die Vergessenen, haben das Instrument in unserem Besitz. Und am zwanzigsten Jahrestag unserer Rettung entdecken wir es wieder. Wenn das Ding funktioniert, wenn das Anoptikon tatsächlich eine völlig neuartige Erfindung ist, werden sie uns nie vergessen.«

Moore grinste und begann zu lachen. »Richtig, Mark! Sie haben erreicht, was Sie sich vorgenommen hatten. Sie haben uns davor bewahrt, namenlos und unbekannt bleiben zu müssen.«

»Wir haben es gemeinsam erreicht«, verbesserte Branden ihn. »Mike Shea hat die für den Anfang notwendigen Informationen geliefert, ich habe eine Theorie daraus entwickelt, und Sie hatten dann das Instrument auf Ihrem Speicher.«

»Okay«, sagte Moore mit einem Blick auf seine Uhr. »Es wird allmählich spät, und wir müssen uns beeilen, wenn wir heute abend noch etwas ausrichten wollen. Multivac kann uns sagen, mit welcher Stelle in Washington wir in Verbindung treten...«

»Nein, nein«, unterbrach Brandon ihn. »Zuerst das Ritual. Der abschließende Toast des Jahrestages - aber diesmal bitte entsprechend verändert. Sind Sie so freundlich, Warren?« Er deutete auf die halbvolle Jabraflasche.

Moore füllte drei Gläser bis zum Rand mit der grünen Flüssigkeit. »Meine Herren«, sagte er ernsthaft, »ein Toast.« Sie hoben ihre Gläser. »Meine Herren, trinken wir auf die Andenken von Bord der Silver Queen, die wir hatten.«