121327.fb2 Bringt mir den Kopf des M?rchenprinzen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 22

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»Es freut mich, daß euch die Sache gefällt«, sagte Ylith. »Aber es gibt da ein Problem. Azzie ist verschwunden. Irgend jemand hat ihn beschworen.«

»Also, Schwester, du weißt, daß wir nichts dagegen unternehmen können«, erwiderte Poldarge. »Es ist uns verboten, uns in die Angelegenheiten von Menschen oder Dämonen einzumischen, es sei denn, es liegen ganz besondere Umstände vor, was hier aber nicht der Fall ist.«

»Ich bitte euch nicht, Azzie zu suchen«, stellte Ylith klar. »Das werde ich selbst tun. Aber es könnte lange dauern, und in der Zwischenzeit liegen seine Schauspieler für die Rollen des Märchenprinzen und der Prinzessin Rosenrot unbelebt in ihren Särgen. Und da das Gletschereis aufgebraucht, kaum noch Jauche vorhanden und Azzie nicht da ist, um Nachschub zu besorgen, laufen die Körper Gefahr, in der sommerlichen Wärme zu verwesen, was Azzies großartiges Possenspiel undurchführbar machen würde.«

»Das ist ohne Zweifel sehr schade«, sagte Poldarge. »Aber warum erzählst du uns das alles? Wir haben hier kein Gletschereis.«

»Natürlich nicht«, gab Ylith zurück, »aber ihr seid Geschöpfe der Luft und sehr geübt darin, hilflose Kreaturen aus ihrer Welt zu reißen und ihrer Verdammnis zuzuführen.«

»Das ist wahr. Aber was hat das mit eurem Prinzen und eurer Prinzessin zu tun?«

»Ich dachte, ihr könntet mir vielleicht helfen, ihre Körper zu konservieren«, erklärte Ylith. »Was wir brauchen, ist Kälte, die Kälte der höchsten Luftschichten.«

Die Harpyien konferierten eine Weile. »Nun gut, Schwester«, sagte Poldarge schließlich, »wir werden uns für dich um die Körper kümmern. Wo befinden sie sich?«

»Im Anwesen des Dämons in Augsburg. Um es zu finden…«

»Keine Sorge«, fiel ihr Poldarge ins Wort. »Die Harpyien können jeden Ort auf der Erde finden. Kommt, Schwestern, folgt mir!«

Sie breitete ihre dunklen Schwingen aus und schoß in die Höhe. Zwei Harpyien schlössen sich ihr an.

Ylith sah ihnen hinterher. Es war allgemein bekannt, daß sich Harpyien sehr schnell langweilten. Ylith hatte keine Garantie, daß sie nicht schon bald der Sache überdrüssig werden und zum Fluß und ihrem endlosen Mah-Jongg zurückkehren würden. Andererseits aber besaßen sie einen traditionellen Ehrenkodex im Umgang mit Gleichgestellten. Ylith konnte nur hoffen, daß die Harpyien sie zu diesem Kreis zählten.

Sie schwang sich ebenfalls in die Luft. Sie hatte eine Ahnung, wo Azzie sein könnte.

KAPITEL 9

Niemand hatte daran gedacht, Frike Bescheid zu sagen, daß die Harpyien die Körper wegschaffen würden. Das erste, was er von der getroffenen Vereinbarung mitbekam, waren zwei der Kreaturen, die durch das Fenster schossen. Er hockte gerade auf einem niedrigen Schemel in Azzies Labor, lauschte dem Tröpfeln des schmelzenden Eises und wartete auf Yliths Rückkehr. Plötzlich klang ein lautes Flattern auf, und Gestank erfüllte die Luft.

Um besser fliegen zu können, hatten die Harpyien ihre Beine eingezogen, so daß ihre weiten bronzenen Schwingen nur einen Rumpf mit hervorstehenden Brüsten und einem Kopf trugen. Sie krächzten mit lauten rauhen Stimmen und entleerten sich über der gesamten Einrichtung.

Frike heulte auf und kroch eilig unter den Tisch. Die Harpyien kreisten schnatternd und quietschend durch den Raum. Sie entdeckten die Särge und flatterten auf sie zu.

»Weg da, ihr Ungeheuer!« schrie Frike. Er stürzte sich mit einer Feuerzange auf sie. Die Harpyien fuhren herum, griffen ihn an und trieben ihn mit ihren stahlbesetzten Flügelspitzen und ihren grünen scharfen Klauen aus dem Raum. Frike hastete davon, um Pfeil und Bogen zu suchen. Als er sie endlich fand und ins Labor zurückgeeilt war, hatten die Harpyen bereits den Prinzen und die Prinzessin ergriffen und waren verschwunden, in den Himmel aufgestiegen und durch den Riß zwischen der wirklichen und der unwirklichen Welt geschlüpft. Frike schüttelte ihnen hilflos die Fäuste hinterher und sank auf seinen Schemel. Er hoffte, daß Azzie nicht allzu viele Erklärungen von ihm verlangen würde, denn er hatte keine Ahnung, was hier eigentlich geschehen war.

Und überhaupt, wo steckte der Gebieter?

KAPITEL 10

Azzie war in seinem Labor beschäftigt gewesen, als er das vertraute Zupfen bemerkt hatte, daß man immer verspürt, wenn man beschworen wird. Es ist ein Ziehen, das in der Magengegend beginnt, kein unangenehmes Gefühl, aber die unerfreuliche Ankündigung dessen, was einem bevorsteht. Es mochte noch in Ordnung gehen, beschworen zu werden, wenn man nur so herumsaß und sowieso nicht wußte, was man tun sollte, aber die Menschen neigten dazu, einen immer gerade dann herbeizurufen, wenn man sich voll auf eine komplizierte Aufgabe konzentrierte.

»Tod und Verdammnis!« stieß er hervor. Der Zeitplan war jetzt schon überschritten, und Azzie hatte keine Ahnung, wie lange das Schloß noch stehen würde, wenn sich niemand darum kümmerte und seine altmodischen Zauber ihre Wirkung verloren. Außerdem mußten sein Prinz und seine Prinzessin so schnell wie möglich wiederbelebt werden, bevor sie irreparable Schäden erleiden konnten.

Und hier flog er nun durch die Luft, ohne rechtzeitig seinen Gegenzauberspruch aufsagen zu können, um das zu verhindern, was mit ihm geschah. Nicht, daß es ihm mit Sicherheit gelungen wäre. Diese allgemeinen Zaubersprüche versagten häufig unter ganz speziellen Umständen.

Während des Übergangs verlor Azzie das Bewußtsein. Als er wieder zu sich kam, hatte er Kopfschmerzen. Er versuchte, sich aufzurichten, schien aber auf einem schlüpfrigen Untergrund zu liegen. Jedesmal, wenn er aufstand, fiel er sofort wieder hin. Außerdem verspürte er ein mulmiges Gefühl im Magen.

Er befand sich in einem Pentagramm. Gründlicher konnte man nicht herbeibeschworen werden.

Es war natürlich nicht das erste Mal, daß er beschworen worden war. Jeder Dämon, der den Wunsch verspürt, ein aktives Leben unter den Menschen zu führen, muß sich daran gewöhnen, daß ihm so etwas häufig zustößt, da die Menschen Dämonen ebenso hereinlegen, wie es auch umgekehrt der Fall ist. Es hat nie eine Zeit gegeben, in der Männer und Frauen nicht Dämonen heraufbeschworen haben. Viele Geschichten erzählen von solchen Vorfällen, von den Siegen und Niederlagen derjenigen, die beschlossen haben, diesen gefährlich Pfad zu beschreiten. Was dagegen nicht berichtet wird, ist, wie häufig vernünftige Abmachungen zwischen beiden Parteien getroffen werden, denn auch Seelen sind letztendlich Handelsgüter, die rechtmäßig im gegenseitigen Einverständnis erworben werden können. Es ist eine uralte Obereinkunft, daß ein Dämon verschiedene Dienstleistungen im Austausch für eine Seele erbringt. Könige sind dankbare Kandidaten für derartige Geschäfte, und etliche von ihnen hatten Dämonen als Diener. Aber das ist keine einseitige Beziehung; viele Dämonen hatten auch schon Könige als Diener.

»Siehst du, Vater, ich hab’ dir doch gesagt, daß er kommt!«

Es war Brigittes Stimme, und sie klang triumphierend. Da stand sie nun vor ihm, ein kleines Mädchen mit schmutzigem Gesicht, das das ihm abgerungene Versprechen benutzt hatte, um ihn ausgerechnet jetzt herbeizurufen.

»Sieht tatsächlich so aus, als hättest du es geschafft«, vernahm Azzie die sonore Stimme eines Mannes. Sie gehörte ihrem Vater, Thomas Scrivener. Anscheinend hatte sich der Bursche wieder vollständig erholt. Aber natürlich konnte er sich weder an seine Zeit in der Höllengrube noch an seine Begegnung mit Azzie erinnern, wofür dieser dankbar war. Menschen wurden gefährlich, sobald sie zuviel wußten.

»Oh, du bist es«, sagte Azzie und erinnerte sich daran, wie sie ihn mit einem Geistfänger mattgesetzt hatte, als er sich um ihren Vater hatte kümmern müssen. »Was willst du?«

»Mein Versprechen!« rief Brigitte.

Ja, es stimmte, Azzie schuldete ihr ein Versprechen. Er hätte es nur zu gern vergessen, aber in der Welt der Magie werden Versprechen zwischen Menschen und übernatürlichen Kreaturen als besonders gewichtige Tatsachen betrachtet. Es war ihm unmöglich, sich nicht darauf einzulassen.

»Also gut«, sagte er, »öffne eine Seite des Pentagramms und laß mich raus. Dann können wir darüber reden.«

Brigitte beugte sich vor, um eine der Linien wegzuwischen, aber ihr Vater packte sie und riß sie hastig zurück. »Laß ihn nicht frei! Sonst verlierst du deine Macht über ihn!«

Azzie zuckte die Achseln. Es war zumindest einen Versuch wert gewesen. »Meister Scrivener«, wandte er sich an den Mann. »Sag deinem kleinen Mädchen, daß es vernünftig sein soll. Wir können diese Sache schnell erledigen, und dann werde ich sofort verschwinden.«

»Hör nicht auf ihn!« beschwor Scrivener seine Tochter. »Dämonen sind reich. Du kannst alles von ihm verlangen, was du willst! Wirklich alles!«

»Ich sollte das vielleicht lieber erklären«, sagte Azzie. »Es ist zwar ein weitverbreiteter Aberglaube, daß Dämonen reich sind, aber ich kann euch versichern, daß er nicht zutrifft. Dämonen können nur Wünsche innerhalb ihrer persönlichen Möglichkeiten erfüllen. So könnte euch beispielsweise nur ein mächtiger Dämon großen Reichtum gewähren. Ich dagegen bin nur ein armer Dämon, der nach dem Regierungstarif besoldet wird.«

»Ich möchte eine neue Puppe«, sagte Brigitte zu ihrem Vater. Azzie spannte sich an und beugte sich vor. Da Brigitte nicht zu ihm gesprochen hatte, waren die Voraussetzungen für einen korrekt geäußerten Wunsch nicht ganz erfüllt. Wenn sie es aber noch einmal wiederholte –

»Eine Puppe, Brigitte?« fragte er. »Ich kann dir die schönste Puppe der ganzen Welt besorgen. Du hast doch bestimmt schon von der Königin des Nordens gehört, nicht wahr? Sie hat ein ganz besonderes kleines Puppenhaus mit winzigen Figuren, die die Hausarbeit machen, mit Kuschelmäusen, die hin und her laufen, und noch viele andere Sachen, an die ich mich jetzt nicht mehr erinnere. Soll ich es für dich holen?«

»Warte!« schrie Scrivener, der Brigitte noch immer festhielt. »Er versucht, uns zu überlisten, Tochter. Dieser Dämon kann Wunder vollbringen. Er kann dich reich oder zu einer Prinzessin machen…«

»Nichts dergleichen«, unterbrach Azzie.

»Verlange irgend etwas Großes!« befahl Scrivener. »Oder, noch besser, gib mir deinen Wunsch. Dann werde ich mir genug wünschen, damit wir beide reich sind, und ich werde dir mehr Puppenhäuser kaufen, als du dir im Traum vorstellen kannst.«

»Muß ich dann immer noch nach dem Essen abwaschen?« wollte Brigitte wissen.

»Nein, dafür werden wir einen Diener anstellen«, sagte Scrivener.

»Und muß ich dann nicht mehr die Kühe melken, die Hühner füttern und all die anderen Hausarbeiten machen?«

»Natürlich nicht!« versicherte Scrivener.

»Glaub ihm nicht, Brigitte!« warnte Azzie. »Ich sage dir, was das Beste wäre. Bitte mich einfach, dir etwas Hübsches zu bringen, und laß dich überraschen. Was meinst du dazu, hm?«

»Hör nicht auf ihn«, drängte Scrivener. »Du mußt dir wenigstens ein großes Landgut wünschen.«

»Hör nicht auf ihn«, sagte Azzie. »Er schimpft immer herum und ist grob zu dir, stimmt’s? Aber ich erinnere mich an eine Zeit, da war er sehr froh, Hilfe von mir zu bekommen.«

»Was erzählst du da?« wollte Scrivener wissen. »Ich habe dich noch nie zuvor gesehen.«