121906.fb2 Das Erbe der Phaetonen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 23

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Die Venusianer

„Ich schaffte es nicht mehr bis zu unserem Wagen“, schloß Romanow seinen Bericht. „Stanislaw Kasimirowitsch hat es anscheinend geschafft. Der Regen peitschte und prasselte. Was dann geschah, weiß ich nicht mehr. Im Wasser kam ich wieder zu mir. Weit und breit war es dunkel. Zuerst glaubte ich zu schwimmen, aber dann fühlte ich, daß mich jemand festhielt.

Dicht neben mir funkelten in der Finsternis drei riesige gelbe Augen. Ich begriff, daß es eine der ‚Schildkröten‘ war, die mich trug. Ich wußte, daß mein Funkgerät eingeschaltet war, und rief sofort um Hilfe. Das Reptil zuckte zusammen, als es meine Stimme hörte. Ich spürte es. Aber das Ungeheuer ließ mich nicht los, sondern umklammerte mich so, daß mir die Knochen krachten. Da hielt ich den Mund und horchte. Aber es kam keine Antwort. Entweder hatte mich niemand gehört, oder ich verpaßte die Antwort. Den Versuch zu wiederholen wagte ich nicht.

Das Reptil konnte mich zermalmen, ich bekam schon so kaum noch Luft. Ich wunderte mich, daß kein Wasser durch meinen Gasschutzanzug drang. Wie sich herausstellt, sind diese Anzüge also wasserundurchlässig. Auch die Sauerstoffzufuhr funktionierte normal. Aber das Atmen fiel mir immer schwerer, mir wurde schwindlig. Ich wußte, daß das vom Einatmen reinen Sauerstoffs kam. Dann erblickte ich einen sonderbaren Tunnel, dessen Wände mit rosig leuchtenden Baumstämmen verschalt waren. Ich stellte fest, daß ich wirklich von einer ‚Schildkröte‘ getragen wurde. Sie sah aus wie diejenigen, die wir Ihnen beschrieben haben, Sinowi Serapionowitsch. Ein widerwärtiges Geschöpf! Sind das etwa die Venusianer? Aus dem Tunnel wurde ich in eine riesige Höhle geschleppt und dann schließlich hierher. Keineswegs erwartete ich euch hier zu sehen.“ „Ebensowenig haben wir Sie hier erwartet“, antwortete Belopolski finster. „Schlecht, sehr schlecht! Drei Besatzungsmitglieder in Gefangenschaft und nur noch acht Mann an Bord. Ich hoffe, daß Boris Nikolajewitsch niemanden mehr weit vom Schiff fortlassen wird.“ „Bestimmt werden sie versuchen, uns oder wenigstens unsere Leichen zu finden“, sagte Balandin. „Sie werden den ganzen See absuchen und schließlich den Tunnel finden.“ „Wenn der Schwimmwagen hereinfährt, könnte das mit einer Katastrophe enden. Er würde auch gefangen werden. Ach, wenn wir doch wenigstens unsere individuellen Sprechfunkgeräte bei uns hätten! Ich würde ihnen alle diesbezüglichen Versuche kategorisch verbieten! Erlauben Sie“, rief Belopolski plötzlich, „Sie haben ja ein Gerät bei sich, Wassili Wassiljewitsch!“ „Ich sagte doch schon, daß es aus irgendeinem Grund nicht funktioniert.“ „Sehr einfach“, sagte Balandin ruhig, „es funktioniert nicht, weil es nicht da ist.“ „Wieso?“ Das kleine schwarze Futteral des transportablen Funkgerätes j war tatsächlich nicht mehr vorhanden. Verwaist baumelte die abgerissene Leitung herab.

„Die verdammte ‚Schildkröte‘!“ sagte Romanow. „Die war es.“ Das Futteral mußte abgerissen worden sein, als das Tier den Geologen ergriff.

„Nun ist Melnikow unsere einzige Hoffnung“, sagte Belopolski, „er muß sich darüber klarwerden, daß seine einzige Aufgabe jetzt lautet: Die Forschungsarbeiten einstellen und auf die Erde zurückkehren. Mit den Venusianern wird sich die nächste Expedition bekannt machen.“ Konstantin Jewgenjewitsch sprach in einem Ton, als beträfen ihn die Folgen dieses Planes, den er Melnikow „nahelegte“, überhaupt nicht. Kein Zweifel — Belopolski hielt sich und seine beiden Genossen für hoffnungslos verloren.

„Gibt es keine Möglichkeit, von hier zu fliehen?“ fragte Romanow. „Unsere Anzüge eignen sich ohne weiteres für eine Wanderung unter Wasser. Schlösser gibt es in diesem Gebäude wohl nicht.“ „Sinowi Serapionowitsch kann nicht laufen“, entgegnete Belopolski.

„Nehmt nur keine Rücksicht auf mich“, sagte Balandin hastig.

„Ich kann nicht laufen, aber ihr könnt es doch! Werdet nicht sentimental. Lieber soll einer sterben, als daß drei zugrunde,!

gehen.“ „Das geht auf keinen Fall. Wir brauchen bloß im Tunnel oder im See zu erscheinen, und schon sehen uns die Reptilien. Sie werden uns sofort ergreifen und vielleicht auch umbringen.

Nein! Wenn wir nicht sinnlos sterben wollen, müssen wir es ganz anders anfangen. Wir müssen beobachten, möglichst viel erkunden und alles aufschreiben. Vielleicht bietet sich doch eine Gelegenheit, eine Flaschenpost abzuschicken. Wenn klar ist, daß unsere Stunden gezählt sind, unternehmen wir einen Versuch, durch den Tunnel auszubrechen und sie aufzugeben.“ „Wenn Boris Nikolajewitsch so handelt, wie Sie es ihm gerade als besonders vernünftig geraten haben, wird keiner unsere Flaschenpost finden“, erklärte Balandin.

Belopolski sah den Professor an, und über sein strenges Gesicht huschte der Schatten eines Lächelns.

„Eben wenn er so handelt“, sagte er. „Leider werden in dieser Frage Sie und nicht ich recht haben. Ich fürchte, daß die Genossen uns suchen werden. Aber selbst wenn sie es nicht tun, bleibt uns noch die Hoffnung, daß die nächste Expedition die Flasche findet.“ „Eine schwache Hoffnung!“ sagte Romanow. „Ich würde den Versuch sofort unternehmen.“ Sie verstummten. Ein und derselbe unerfreuliche Gedanke beschäftigte die Hirne aller. Eine tragische Situation. Von ihren Genossen getrennt, waren sie als Gefangene der rätselhaften Venusianer völlig hilflos. Was hatten diese mit den Menschen im Sinn? Was wollten sie mit ihnen tun?

Belopolski sagte: „Nichts Gutes!“ Aber die Venusianer hatten den Menschen bislang kein Haar gekrümmt, und das ließ unwillkürlich immer noch hoffen. Und jeder klammerte sich aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz an diese winzige Hoffnung. So ist es nun einmal Menschenart.

Eine Stunde verging, eine zweite, eine dritte…

Belopolski erneuerte noch einmal Balandins Verband. Mit stoischer Geduld ertrug der Professor die Schmerzen.

Niemand kam.

Die drei Männer wechselten hin und wieder einige kurze Worte. Ihr Gesprächsstoff versiegte. Alles war klar und scheußlich genug.

„Wenn uns ein wilder Stamm auf der Erde gefangengenommen hätte“, sagte Balandin, „so hätte er in jedem Fall dafür gesorgt, daß wir etwas zu essen bekommen. Die Venusianer können doch nicht wissen, daß wir Verpflegung bei uns haben. Das will mir gar nicht gefallen.“ Weder Romanow noch Belopolski antworteten ihm.

Die Sorgen, die sie voreinander zu verbergen suchten, wuchsen. Die Stille ringsumher wurde unerträglich. Was sie auch erwarten mochte — sie wollten nur das eine: Die Lösung sollte so schnell wie möglich eintreten.

Abermals verging eine Stunde, noch eine…

Auf einmal zuckte Belopolski zusammen und lauschte.

„Es kommt jemand!“ sagte er. „Das ist kein Reptil, die Schritte sind anders!“ Durch die offene Wagentür hörten sie schlürfende Geräusche.

Sie drangen aus der Ecke, in der sich der Eingang befand. Kein Zweifel, es stieg jemand die Baumstammtreppe herauf. Dem schweren Gestampf der mächtigen Schildkrötenbeine glichen die Geräusche nicht. Die Stämme knarrten kaum.

Belopolski schloß die Tür. Die Wände des Geländewagens waren ihr einziger Schutz.

Stumm warteten die drei Männer.

Da traten zwei Geschöpfe ein, die derart sonderbar wirkten, daß die Sternfahrer im ersten Augenblick zu träumen glaubten.

Nein, es waren keine „Schildkröten“.

Den Kopf vorgereckt, sahen sie sich mit ihren drei schwarzen Augen, die nicht an den Seiten, sondern vorn nebeneinandersaßen, im Raum um. Von weitem wirkten die Augen wie eine schwarze Binde. Ihre rosigen Leiber waren in der rosigen Dämmerung kaum zu erkennen.

Die seltsamen Geschöpfe, die geradewegs aus einem Zaubermärchen zu kommen schienen, hüpften auf zwei Beinen und stießen sich mit dem Schwanz ab. Der eine trug eine steinerne Schale in den Händen, der andere eine Art hölzerne Schüssel.

Starr vor Staunen, folgten Belopolski, Balandin und Romanow schweigend den Bewegungen der phantastischen Gestalten.

Sie sahen, daß deren Hände in langen, biegsamen Fingern endeten und daß sich über ihren Augen Stirnen wölbten. Da wußten sie: Dies waren die wahren Herren des Planeten!

Die Venusianer traten dicht an den Geländewagen heran. Sie verspürten offenbar keine Angst, sich den Menschen zu nähern, obwohl sie nur zu zweit, die Menschen aber zu dritt waren.

Vielleicht dachten sie nicht einmal an eine mögliche Gefahr.

„Endlich!“ flüsterte der Professor.

Die beiden Venusianer zuckten merklich zusammen. Offenbar hatten sie durch die Wagenwand hindurch das Flüstern gehört.

Sie blickten sich an, als wollten sie ihre Meinung darüber austauschen. Aber ihre Lippen blieben unbeweglich.

Der Venusianer, der die Schüssel trug, stellte sein Mitbringsel auf den Boden und klopfte ans Fenster. Dann traten sie beide einen Schritt zurück, das heißt — sie sprangen zurück.

Die sechs dunklen Augen schienen jede Bewegung der Gefangenen zu verfolgen.

„Sie bitten uns auszusteigen“, sagte Balandin.

„Gut, ich werde zu ihnen gehen.“ Belopolski griff nach der Klinke. „Ich verbiete aber kategorisch, von der Waffe Gebrauch zu machen!“ Er sah Romanow an. „Was auch geschehen mag!“ Er öffnete die Tür und trat hinaus. Im selben Augenblick sprang der Venusianer mit der Schale vor. Er war nicht größer als einen Meter, und Belopolski wirkte neben ihm wie ein Riese.

Sie standen sich nah gegenüber.

Der Venusianer reichte dem Fremden die Schale. Sie war leer. Belopolski ergriff sie. Sie war sehr schwer, und er staunte, wie ein so kleines und zerbrechlich wirkendes Geschöpf sie hatte ttagen können.

Der Venusianer wartete auf etwas. Er wich nicht von der Stelle und schien den Menschen forschend anzublicken. Der zweite Venusianer rührte sich ebenfalls nicht.

Worauf — warteten sie?

Belopolski hielt die Schale in der Hand und wußte nicht, was er tun sollte. Er fühlte, daß von seinem Verhalten viel abhing, aber die Sekunden jagten einander, und ihm fiel kein rettender Gedanke ein.

Die Lage war schwieriger denn je. Wie sollte er erraten, was die Venusianer von ihm wollten?

Die steinerne Schale zog seine Arme nach unten. Es war schwierig, sie im Gleichgewicht zu halten. Eine Minute verging, und Belopolskis Arme sanken unwillkürlich immer tiefer. Die Schale war nun in Brusthöhe des Venusianers. Er nahm sie zuluck.

Der zweite Venusianer reichte dem Menschen die Holzschüssel. Als dieser sie ergriff, drehten sich beide um, sprangen zum Ausgang und verschwanden mitsamt der geheimnisvollen Schale.

Verständnislos und die Schüssel immer noch in Händen hallend, wandte sich Belopolski seinen Genossen zu.

Was war hier vor sich gegangen? Was bedeutete diese unverständliche Zeremonie mit der steinernen Schale? Hatte er gelan, was er tun mußte?

„Jedenfalls haben die beiden uns die Schüssel überlassen“, sagte Balandin, „also ist alles in Ordnung. Sie haben uns etwas zu essen gebracht. Niemals würden sie uns Nahrung anbieten, wenn sie feindliche Absichten hegten.“ Das Holzgefäß war seltsam rhombenförmig und hatte nach innen gestülpte Ränder. Es war mit nassen Pflanzen ausgelegt, die an die orangefarbenen Algen erinnerten. Darauf lagen rötliche Fladen.

„Wir werden sie gründlich untersuchen“, sagte Belopolski, „schließlich müssen wir etwas essen. Hunger ist in unserer Lage ein schlechter Gehilfe.“ Vor dem Erscheinen Romanows hatten sich Belopolski und Balandin zwar schon stärken wollen, es aber dann doch nicht getan.

Belopolski schloß die Tür und schaltete den Desinfektor ein.

Nach einer halben Stunde hatte sich die Luft im Wageninnern‘ von Kohlensäure und Formaldehyd gereinigt. Da hier nur ein transportabler Desinfektor arbeitete, dauerte es so lange.

Die Männer freuten sich, endlich die Helme abnehmen zu können.

Balandin ergriff einen der Fladen und hielt ihn dicht vor seine Nase.

„Riecht wie roher Fisch. Trotzdem würde ich nicht empfehlen, davon zu kosten.“ „Vorläufig sind wir nicht darauf angewiesen“, erwiderte Belopolski, „wir haben noch etwas Proviant. Wir werden die Speise der Venusianer nur im Notfall angreifen.“ Die Schüssel wurde unter dem Sitz versteckt. Es wäre unvorsichtig gewesen, sie offen stehenzulassen. Die Herren des Planeten hätten denken können, die Menschen lehnten ihre Gabe ab.

„Seht euch einmal die Algen an“, sagte Balandin, „daß Gefäß ist sorgsam damit ausgelegt — ich möchte fast sagen: liebevoll.

Speisen für Gefangene, die man umbringen will, wird man nicht so garnieren. Das zeugt abermals für ihre Friedensliebe und ihre freundschaftlichen Gefühle.“ „Es könnte sein“, gab Belopolski unbestimmt zu.

Nachdem die Männer wieder die durchsichtigen Helme aufgesetzt hatten, öffneten sie die Tür. Sie mußten Sauerstoff sparen, auch konnten die Venusianer jeden Augenblick zurückkommen.

Wieder zogen sich die Stunden des Wartens in die Länge.

Die Herren der Venus hatten es offenbar nicht eilig. Bisweilen kam den Männern der Gedanke, man habe sie völlig vergessen — so langsam verging die Zeit.

Belopolskis Uhr stand auf zwölf. Sechzehn Stunden waren seit der verhängnisvollen Exkursion zum See vergangen. Die ganze Nacht über hatte niemand ein Auge zugetan. Jetzt machte sich trotz aller Erregung die Müdigkeit bemerkbar.

Abermals vergingen mehrere Stunden, ohne daß sich etwas änderte. Es wurde Abend. Niemand kam zu ihnen …

Alle drei wachten zugleich auf. Sie konnten sich nicht darauf besinnen, wie sie eingeschlafen waren, aber ein Blick auf die Uhr zeigte, daß sie zehn Stunden geschlafen hatten. Es war bereits Morgen. Der Morgen des 24. Juli.

Auf dem Boden neben dem Wagen stand eine Schüssel mit Fladen. Romanow holte sie herein und stellte sie zu der ersten.

Belopolski wechselte Balandins Verband. Dann frühstückten sie und wappneten sich wieder mit Geduld.

Stunde um Stunde verging.

Endlich gegen zwei Uhr nachmittags vernahmen sie Geräusche. Die Baumstämme knarrten, schwere Fußtritte dröhnten.

Zehn Reptile und drei Venusianer umringten das Fahrzeug.

Die Entscheidung nahte.

Warum kamen sie in so großer Zahl? Was gedachten sie zu lun?

Ein Venusianer hüpfte zum Wagen und klopfte ans Fenster.

Die Insassen wußten schon, daß sie damit aufgefordert wurden, ihr Fahrzeug zu verlassen.

Belopolski stieg, äußerlich ruhig, als erster aus. Ihm folgte Romanow.

Aber der Venusianer klopfte aufs neue. Alle sollten aussteigen.

Balandin konnte sich nicht bewegen. Seine Brandwunden bereiteten ihm bei der geringsten Bewegung heftige Schmerzen.

Wie sollte man das den Venusianern erklären?

Belopolski wies auf die Beine des Professors und schüttelte den Kopf. Aber das merkwürdige Geschöpf verstand ihn nicht und klopfte weiter. Der zweite Venusianer hob die Hand. Die Reptile traten näher, die Lage wurde bedrohlich.

Balandin versuchte mit unwahrscheinlichem Energieaufwand auszusteigen, sank aber stöhnend in seinen Sitz zurück. Große Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.

„Ich kann nicht!“ stöhnte er. „Lieber will ich sterben!“ Der Venusianer horte auf zu klopfen. Er wandte sich seinen beiden Artgenossen zu. Die sahen ihn an. Man hätte schwören mögen, daß sie miteinander sprachen, aber es war nichts zu hören, und ihre Lippen bewegten sich nicht. Wenn sie sich wirklich unterhielten, so geschah es stumm.

Ob sie Gedanken lesen können? überlegte Belopolski. — Oder sprechen sie mit Hilfe einer für uns nicht wahrnehmbaren Mimik?

Die Herren des Planeten berieten nicht lange. Der eine sprang zum Ausgang. Die übrigen blieben neben dem Wagen stehen, drangen aber nicht mehr darauf, daß Balandin ausstieg.

Sie warteten auf etwas.

Die Nähe der Riesenreptile, deren grimmige Mäuler irgendwo hoch über den Köpfen der Menschen schwebten, beunruhigte die beiden Astronauten. Sie wußten nicht, ob sie ins Fahrzeug zurückkehren dürften.

Romanow beschloß, es zu versuchen. Er drehte sich so langsam wie möglich um und klinkte die Tür auf. Weder die Reptile noch die beiden zurückgebliebenen Venusianer reagierten darauf. Da stieg er ein und setzte sich auf seinen Platz.

Keine drohende Bewegung.

Belopolski folgte dem Geologen und schloß hinter sich sogar die Tür. Niemand hinderte ihn daran.

Die Reptile ließen sich auf alle viere nieder. So sahen sie den Schildkröten der Erde, obwohl sie viel größer waren, wieder sehr ähnlich. Wie zehn rosarote Lauben auf je vier Pfählen standen sie regungslos im „Zimmer“.

Die beiden Venusianer hüpften mit kurzen Sprüngen rings um das Kettenfahrzeug herum. Sie schienen es forschend zu mustern. Der Wagen, der in dem engen Raum riesengroß wirkte, flößte ihnen nicht die geringste Angst ein. Dann traten sie zur Wand und stellten sich einander gegenüber auf. Abermals sah es aus, als sprächen sie miteinander‘. Aber die drei Männer, die ihr Gebaren beobachteten, stellten fest, daß sich ihre Lippen ebensowenig wie zuvor bewegten.

„Wenn sie Vernunft besitzen“, sagte Balandin, „und das ist offensichtlich, müssen sie auch eine Sprache entwickelt haben.

Wir wissen, daß sie Lineale, Schüsseln und steinerne Schalen herstellen können. Sie verstehen Häuser zu bauen. All das zeugt von schöpferischem Denken. Das aber kann nicht ohne Gedankenaustausch, das heißt ohne Sprache, gedeihen. Sie reden miteinander. Aber wie?“ Weder Belopolski noch Romanow äußerten sich dazu. Ihnen stand nicht der Sinn nach theoretischen Erörterungen.

Im Benehmen der Venusianer zeigte sich nichts Bedrohliches, aber die absolute Ungewißheit bedrückte die Menschen. Aus welchem Grund hatte sich der eine Venusianer entfernt? Wohin war er gegangen? Vielleicht wollten sie Balandin zum Aussteigen zwingen?

Mitleid und Barmherzigkeit sind nicht angeborene Eigenschaften aller vernunftbegabten Geschöpfe. Sie setzten sich erst mit der Zivilisation durch. Aber auf welcher Stufe der Zivilisation standen die Venusianer? Das war völlig ungewiß.

Wofür hielten die Venusianer die Menschen? Für vernünftige Wesen oder für unbekannte Tiere? Sagte ihnen ihr Äußeres und das ihres Fahrzeugs etwas? Legten sie sich Rechenschaft über das Ungewöhnliche ab, das ihnen vor Augen stand?

Weil sie die Sonne nicht sehen, können sie nicht wissen, daß es sie gibt. Weil sie die Sterne nicht sehen, wissen sie nichts vom Weltall, dachte Belopolski. Der Gedanke, daß wir Bewohner einer anderen Welt sind, wird ihnen gar nicht kommen. Was müssen sie also von unserem Besuch denken?

Zwanzig Minuten vergingen.

Der dritte Venusianer kehrte zurück. Jedenfalls glaubten die Menschen, er sei derselbe; ihrem Empfinden nach sahen die Venusianer einer wie der andere aus.

Er hoppelte auf seine beiden Artgenossen zu und schien ihnen etwas mitzuteilen. Daraufhin wandten sich alle drei an die „Schildkröten“.

Auch diesmal war kein Laut zu hören. Die Reptile jedoch erhoben sich wie auf Kommando auf die Hinterbeine, stellten sich rings um das Fahrzeug und hoben es mit ihren riesigen Pranken hoch. Scheinbar ohne sich anzustrengen, trugen sie es zum Ausgang. Die Venusianer folgten ihnen.

„Kein Zweifel“, sagte Balandin, „sie haben eine Sprache und können auch Weisungen erteilen, die von den Reptilen verstanden werden. Bloß wie machen sie das?“ Auch diesmal bekam er keine Antwort von seinen Gefährten.

Sie hörten gar nicht zu.

Man trug sie durch den unterirdischen Ausgang zurück auf die „Straße“.

Die „Schildkröten“ menge, die dem Fahrzeug Stunden zuvor das Geleit gegeben hatte, war nicht mehr da. Die „Stadt“ schien verödet. Kein einziger Einwohner ließ sich blicken.

Die „Schildkröten“ gingen schnell. Nach zwei, drei Minuten stapften sie durch einen unterirdischen Gang wieder in ein Haus hinein, und die Menschen gelangten auf diese Weise in ein „Zimmer“, das zehnmal so groß wie das erste war. Es besaß ebenfalls keine Fenster. Fußboden und Wände strahlten auch hier rosiges Licht aus.

An der Wand, die dem Eingang gegenüberlag, standen etwa zwanzig Venusianer.

Die Reptile trugen den Geländewagen in die Mitte des Raumes und stellten ihn auf den Boden. Dann entfernten sie sich. Die drei Venusianer, die den Menschen das Geleit gegeben hatten, kamen ebenfalls ins Haus. Der eine von ihnen klopfte an das Wagenfenster.

Belopolski und Romanow stiegen sofort aus. Balandin blieb.

Die Venusianer protestierten nicht dagegen. Verstanden sie etwa, daß dieser Mensch bei bestem Willen nicht aussteigen konnte? Was bisher geschehen war, sprach für eine solche Vermutung.

Die Venusianer sprangen ein Stück voraus, blieben dann stehen und wandten sich zu den Menschen um. Der Sinn dieser Bewegung war klar — sie wollten sich davon überzeugen, daß die Fremden ihnen folgten.

Die Kosmonauten unterdrückten mit Macht ihre Unentschlossenheit. Es blieb ihnen ohnehin nichts anderes übrig, als das auszuführen, was die Herren des Planeten verlangten.

Die Venusianer begaben sich zu der an der Wand stehenden Gruppe. Etwa drei Meter vor ihr blieben sie abermals stehen und drehten sich um. Der eine machte eine abwehrende Handbewegung, die nur heißen konnte: „Stehenbleiben!“ Als er sah, daß die Menschen ihn verstanden und nicht weitergingen, traten die drei zu den anderen. Jetzt hätte man beim besten Willen nicht mehr sagen können, welcher von diesen Venusianern die Kosmonauten soeben aufgesucht und begleitet hatte.

Genau gegenüber von Belopolski und Romanow standen etwas abseits von den übrigen zwei Venusianer. Sie sahen aus wie alle.

Der eine drehte sich nach hinten um. Im selben Augenblick wurde ihm eine steinerne Schale gereicht.

Wieder erschien also das geheimnisvolle Symbol, aber die Menschen wußten nun schon, was sie zu tun hatten.

Es wiederholte sich alles wie beim ersten Male. Der Venusianer sprang vor und reichte Romanow, der ihm zufällig gegenüberstand, die Schale. Der junge Gelehrte nahm die Gabe entgegen und reichte sie zurück. Dabei verbeugte er sich. Der Venusianer ergriff die Schale wieder und übergab sie dem, der sie ihm zuerst gegeben hatte. Die Zeremonie schien so verlaufen zu sein, wie es der Sitte entsprach.

Mit einer Handbewegung wie ein Mensch forderte der Venusianer die beiden Astronauten auf, ihm zu folgen.

Die an der Wand Stehenden traten auseinander, und die Männer erblickten einen Eingang. Eine quadratische Öffnung, vor der nicht einmal ein Vorhang hing. Dahinter war ein zweites Zimmer zu sehen.

Die beiden Venusianer gingen in dieses Zimmer hinein. Die Menschen mußten sich bücken, weil die Tür nur knapp einen Meter hoch war. Die übrigen Venusianer blieben in dem ersten Kaum.

Die Wände des zweiten Zimmers, das klein und ebenfalls deckenlos war, hingen voller langer orangefarbener, gelber und roter Zweige, zwischen denen rosiges Licht schimmerte. Es sah schön aus.

In der Mitte befand sich eine höchstens sechzig Zentimeter hohe Erhebung, die aus Balken gefertigt war. Ihre sorgfältig Gearbeitete Oberfläche war glatt und eben. Die Erhebung sah ms wie ein Tisch ohne Beine. Darauf stand die steinerne Schale, die die Menschen bereits kannten.

Neben dem Tisch standen drei Venusianer. Der eine lud die Kosmonauten mit einer Handbewegung ein, an den Tisch herin zutreten.

Belopolski und Romanow folgten dem Wunsch der Gastgeber und setzten sich neben dem Tisch auf den Fußboden. Sie begriffen, daß ihnen ein langes Gespräch bevorstand, konnten sich aber nicht vorstellen, wie es vonstatten gehen sollte. Eine gemeinsame Sprache zwischen ihnen gab es doch offenbar nicht.

Die Venusianer machten es sich stehend bequem. Der Schwanz ersetzte ihnen den Stuhl.