121906.fb2 Das Erbe der Phaetonen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 32

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Der fünfte Planet

Schon hat die Wissenschaft gewaltige Gipfel erstürmt, von denen sich weite Blicke auftun. Wir „sehen“ unzählige Welten, die wie die Erde von vernünftigen Wesen bewohnt sind und auf denen sich, wie bei uns, das Leben langsam und allmählich, aber unaufhaltsam höher entwickelt.

So wie der Tod des Einzelmenschen nicht das Dasein der Menschheit beendet, kann auch der Tod der Menschheit nicht das Ende des Lebens auf anderen Welten bedeuten. Selbst wenn wir annehmen wollten, im ganzen uns sichtbaren Weltall würde das Leben ausgelöscht, bliebe es doch immer noch dort erhalten, wo der Blick des Menschen nicht (oder besser, noch nicht) hindringt.

Es gab eine Zeit, da unser Sonnensystem nicht neun, sondern zehn Planeten umfaßte. Zwischen Mars und Jupiter kreiste, von der Sonne aus gerechnet, ein fünfter Planet. Er ging zugrunde.

Wie und weshalb, weiß niemand. Doch was heute noch unbekannt ist, wird morgen bekannt sein.

Die Bewohner des fünften Planeten verschwanden aus dem Weltall. Ihr Geist jedoch, der einen langen und beschwerlichen Entwicklungsweg zurückgelegt hatte, war bereits mächtig genug, um anderen Welten, anderen vernünftigen Wesen von seiner einstigen Existenz Kunde zu hinterlassen. Die Bewohner des zum Untergang verurteilten Planeten verstanden Raumschiffe zu bauen, um mit ihnen die sterbende Heimat zu verlassen. Daß eins dieser Raumschiffe auf der Venus lag, zeugte davon, daß sie es wirklich getan hatten.

Doch war dies ihr einziges Raumschiff? Wohin hatten sich die anderen gerettet? Wo hatten die verwaisten Bewohner des Planeten Asyl gefunden? Auch das wird einmal erforscht werden.

Eines der Raumschiffe hatte jedenfalls die Venus erreicht und war nun entdeckt worden. Seine Erbauer hatten sehr wohl gewußt, daß ihr Heimatplanet nicht die einzige von vernunftbegabten Wesen bewohnte Welt war. Sie glaubten fest daran, daß früher oder später die Bewohner anderer Planeten auf der Venus erscheinen würden. Sie wußten auch, daß ihr Raumschiff Jahrtausende überdauern konnte, und glaubten, daß der Verstand der ihnen noch unbekannten Weltraumfahrer dem ihren gleichen würde. Und da sie dies alles wußten und glaubten, hatten sie sich auf die Ankunft jener vorbereitet, die das von ihnen hinterlassene Wissenserbe in der endlosen Abfolge der Entwicklung des Geistes empfangen, erweitern und weiterentwickeln sollten.

Wissen und Technik werden nicht nur in den Grenzen eines Planeten von Generation auf Generation vererbt. Sie können als Beweis der engen Verbundenheit aller denkenden Wesen auch von einem Planeten auf den anderen übergehen.

Jene, die mit dem ringförmigen Raumschiff zur Venus gefahren waren, hatten das gewußt.

Das erste, was Melnikow und Wtorow sahen, als sie die dritte Abteilung des Raumschiffes betraten, war ein Schema des Sonnensystems, das ihnen genau gegenüber an der Wand hing. Es war ein großer Bogen bläulichen Papiers, jedenfalls sah es genauso wie Papier aus.

Die beiden Raumfahrer bemerkten sofort eine Besonderheit dieses Schemas, die es von analogen Schemata der irdischen Astronomie unterschied, und sie begriffen, daß es eigens für sie aufgehängt worden war.

Hier erhielten sie den ersten Hinweis auf das — wie sich bald herausstellen sollte — gewaltige Erbe, das ihnen die Wissenschaft eines aus dem Weltall verschwundenen Planeten hinterlassen hatte.

Das Schema zeigte die Umlaufbahnen von zehn Planeten.

Zehn, nicht neun! Jeder Planet war als kleiner Kreis im richtigen Größenverhältnis und mit den Umlaufbahnen seiner Trabanten dargestellt.

Schon von der Tür aus erblickten Melnikow und Wtorow den „überzähligen“ Planeten, und sie wußten sofort Bescheid.

„Da haben wir endlich den untrüglichen Beweis, daß tatsächlich ein fünfter Planet existiert hat“, sagte Melnikow. „Und von dort sind sie gekommen.“ „In unserer Astronomie wird er ja wohl Phaeton genannt?“ fragte Wtorow.

„Ja, den Namen gibt es.“ Sie traten näher. Diese Abteilung war bedeutend kürzer als die beiden anderen, rund fünfzehn Meter lang. Vor Aufregung achteten sie nicht auf die eigenartige Ausstattung und bemerkten nicht einmal, daß sich die Tür wieder hinter ihnen schloß.

Die Entdeckung des fünften Planeten nahm ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Das war eine Neuigkeit von ungeheurer wissenschaftlicher Bedeutung.

Aus der Nähe erkannten sie, daß die Darstellung außer den Planetenbahnen, wenn auch viel schwächer, noch die Bahnen von drei Asteroiden zeigte. Das Schema bestand nicht aus Papier, sondern aus einer Art von farbigem Plexiglas. Und es hing nicht an der Wand, sondern davor, als sei es überhaupt nicht befestigt.

Was sie jetzt erlebten, übertraf alles Bisherige an Bedeutung und Erstaunlichkeit. Aus dem Dunkel ferner Zeiten „berichteten“ die Herren des Raumschiffes von allem, was ihnen auf der Venus und zuvor widerfahren war. Das konnte als ein erneuter Beweis dafür gelten, daß sie die Vorbereitungen für die Ankunft von Bewohnern anderer Planeten bewußt getroffen hatten und daß sie bestrebt gewesen waren, ihnen soviel Wissen wie möglich zu hinterlassen. Im voraus eingestellte, programmgesteuerte Automatik hatte die Gäste bis hierher, in diesen Raum „geführt“. Nirgendwo sonsthin hätten sie gelangen können, weil die Türen verschlossen geblieben wären. Das erkannten sie, nachdem alles vorüber war. Hier aber sollten sie sich einen knappen, doch aufschlußreichen Bericht anhören, um vieles, was bis dahin unter dem Schleier des Geheimnisses verborgen gewesen war, besser zu verstehen. Was dennoch unverständlich blieb, würde sich in der Folge aufklären, denn man gab ihnen deutliche Hinweise, wo der Schlüssel zu den Geheimnissen zu rinden sei. Die Herren des Raumschiffes hatten alles vorausgesehen!

In das Schema kam „Leben“. Langsam bewegten sich die Planeten mit ihren Trabanten von der Stelle und kreisten auf ihren Bahnen. Die Sonne in der Mitte blitzte auf wie ein kleiner Brillant. Zugleich mit allen anderen setzte sich auch der Planet Phaeton in Bewegung. Ihn umkreiste ein winziger Trabant.

Plötzlich löste sich ein leuchtender kleiner Punkt vom fünften Planeten. Für einen Augenblick vergrößerten sich seine Proportionen, und die Raumfahrer erkannten drei Ringe, die miteinander verbunden waren. Das war eine Darstellung des Raumschiffes, in dem sie sich befanden. Nachdem es wieder zum Punkt geworden war, flog es auf den Mars zu, verschmolz für eine Sekunde mit ihm und bewegte sich dann weiter zur Erde.

So wurde ihnen der in sagenhafter Vorzeit unternommene Flug des Weltraumschiffes demonstriert.

Gerade als der Punkt mit der Erde verschmolz, was auf die Darstellung einer Landung schließen ließ, flammte an der Stelle, wo sich der Planet Phaeton befand, ein greller Blitz auf, als habe sich Magnesium entzündet. Der blendende Feuerschein erlosch sofort wieder, doch der Phaeton war aus dem Schema verschwunden. Auch sein Trabant war nicht mehr da. Über die Bahn des Planeten huschten winzige Funken. Dann erloschen auch sie, und gleich darauf zeichneten sich die Bahnen der Asteroiden ab.

Melnikow und Wtorow stockte buchstäblich der Atem. Soeben hatte sich vor ihren Augen noch einmal jene Katastrophe abgespielt, die den fünften Planeten vernichtete, war das Geheimnis der Asteroiden im Sonnensystem gelüftet worden. Sie waren „Zeugen“ des tragischen Schicksals der Raumschiffbesatzung geworden, die den Untergang ihres Heimatplaneten zweifellos mit angesehen hatte. Was war weiter mit ihr geschehen?

Was war die Ursache der schrecklichen Katastrophe des Phaeton?

Die Vorführung ging weiter. Der Punkt — das Raumschiff vom Phaeton — löste sich wieder von der Erde und steuerte auf eines der Bruchstücke des einstigen Planeten zu. Er umkreiste es, wandte sich dann dem zweiten und schließlich dem dritten zu. Ein stummes und doch so beredtes Bild! Die beiden Menschen glaubten die Gesichter der Raumschiffbesatzung deutlich vor sich zu sehen, wie sie mit Tränen in den Augen auf die Überreste ihres Heimatplaneten und die Trümmer all dessen starrten, was sie beim Abflug zurückgelassen hatten.

Das Raumschiff der Phaetonen schoß auf die Venus zu und verschmolz mit ihr. Das Schema erlosch, und die beiden Menschen hatten nur noch eine leere glatte „Plexiglasfläche“ vor sich.

Dann rollte das Ganze erneut in derselben Reihenfolge vor ihnen ab.

Diesmal vergaß Wtorow nicht, zu fotografieren. Er knipste Bild auf Bild und legte dann in fieberhafter Eile einen neuen Film ein. Jeden Augenblick konnte sich wieder irgend etwas ereignen.

Dieses Irgendetwas ließ nicht lange auf sich warten. Sie wußten schon, was kommen würde, als die „Plexiglasfläche“ plötzlich verschwand und in dem entstandenen leeren Raum das Gesicht eines Phaetonen auftauchte.

Es folgte ein Bericht über den Raumflug der letzten Überlebenden des untergegangenen Planeten.

Nicht nur Melnikow, auch Wtorow, Fachmann auf dem Gebiet der Fototechnik, vermochte hinterher nicht zu erklären, was technisch vor sich gegangen und wie dieser erstaunliche „Film“ aufgenommen und vorgeführt worden war.

Der „Film“ lief bei dem hellblauen Licht, das die Abteilung füllte, doch das beeinträchtigte die Erkennbarkeit des Bildes nicht. Er war plastisch und farbig. Es gab keine Leinwand. Eine Szene nach der anderen rollte, verblüffend real und wie echtes Leben wirkend, an jener Stelle ab, wo die „Plexiglasfläche“ geschwebt hatte.

Die Vorführung dauerte eine halbe Stunde. Wtorow machte so viele Aufnahmen, daß er fünfmal den Film wechseln mußte.

Der „Bericht“ war unzusammenhängend und auch nicht abgeschlossen. Am ehesten waren das ohne besonderen Plan gedrehte Filmfragmente, eine Art Reiseskizzen.

Hinterher äußerte Melnikow die Vermutung, die Phaetonen hätten wohl nicht von Anfang an beabsichtigt, diesen Film den Bewohnern anderer Planeten zu zeigen, sondern ihn zunächst für sich selbst aufgenommen. Erst später hätten sie sich entschlossen, ihn den Menschen der Zukunft als Vermächtnis zu hinterlassen.

Viele Dinge auf der Venus, aber auch auf der Arsena und dem Mars, die den Menschen rätselhaft und unbegreiflich erschienen waren, erhielten jetzt endlich eine glaubwürdige Erklärung.

Doch seltsam! In den Szenen des „Films“ tauchte kein einziges Mal die Erde auf, obschon das Raumschiff sie doch, wie im Schema gezeigt worden war, besucht hatte. Keine einzige Aufnahme von irdischer Landschaft. Und, was noch schlimmer war, keine einzige Aufnahme vom fünften Planeten selbst.

Nichts, was einen Eindruck von der Oberfläche des Phaeton und vom Leben seiner Bewohner hätte vermitteln können.

Das bewies, daß der „Film“ während des Raumflugs gedreht worden war, um nach der Rückkehr auf dem Phaeton gezeigt zu werden. Die Raumschiffbesatzung hatte also zurückzukehren beabsichtigt und nichts von der drohenden Katastrophe geahnt.

Zuerst war in Großaufnahme der Kopf eines Phaetonen zu sehen. Es war aber nicht jener, der sie am Eingang zu dieser Abteilung begrüßt hatte. Langes weißes Haar umrahmte sein eigentümlich schönes Gesicht mit blaßblauen Augen, die fast fünfmal so groß waren wie die der Erdenmenschen, mit einer kleinen Nase und schmalen Lippen. Tiefe Runzeln durchfurchten Stirn und Wangen. Er war offensichtlich hochbetagt.

Melnikow erinnerte sich, daß auch der erste Phaetone keineswegs mehr jung gewesen war. Man konnte jedoch kaum annehmen, daß die Mannschaft des Raumschiffes nur aus Greisen bestanden hatte. Am nächsten lag noch die Vermutung, daß diese Menschen, der Heimat beraubt, lange Jahre auf der Venus gelebt hatten und hier alt geworden waren. Die folgenden Szenen bestätigten die Richtigkeit dieser Vermutung.

Der Phaetone sprach einige Worte. Wieder vernahmen die beiden Männer die melodischen Laute der unbekannten Sprache.

Dann verschwand der Kopf, und zum drittenmal tauchte das Schema des Sonnensystems auf. Es schien nach der Methode der Zeichentrickfilme hergestellt. Das gelbgraue Raumschiff flog vom Phaeton zum Mars.

Und nun erblickte Melnikow wie durch ein offenes Fenster das ihm wohlbekannte Bild der Marswüste. Im Laufe der Jahrtausende hatte sie sich nicht im geringsten verändert. Die gleichen Pflanzen, die gleichen Seen, der gleiche blauviolette Himmel mit Sonne und Sternen. Am Ufer eines Sees lag das ringförmige Raumschiff. Davor bewegten sich Phaetonen, standen seltsame Apparate — halb Auto, halb Flugzeug. Ein Mitglied der Besatzung kam unmittelbar auf das „Fenster“ zu; das junge energische Gesicht des dem Aussehen nach zierlichen und kleinen Phaetonen war gut zu erkennen. Er trug einen Anzug mit durchsichtigem Helm, der den Raumanzügen der Erdenmenschen sehr ähnelte.

Jetzt bekommen wir wahrscheinlich bald die „Echsen“ und die „Kaninchen“ zu sehen, dachte Melnikow.

Tatsächlich wurden sie ihnen gezeigt, aber ganz anders als erwartet Wieder enthüllte sich ein Geheimnis.

Nach der Rückkehr des Raumschiffes „SSSR-KS 2“ waren unter den Wissenschaftlern, insbesondere den Biologen, heftige Diskussionen entbrannt. Das Vorhandensein zweier hochentwickelter Tierarten auf dem Mars bei völligem Fehlen aller — anderen und bei der Artenarmut der Flora schien rätselhaft, widersprach strikt den unumstößlichen und logischen Gesetzen der Biologie. Eine der Hauptaufgaben der Marsexpedition William Jenkins‘ hatte deswegen darin bestanden, dieses Rätsel zu lösen.

Nun erfuhren Melnikow und Wtorow hier auf der Venus, worin das Geheimnis bestand. Vor ihren Augen ließen die Phaetonen mehrere „Echsen“ und einige hundert „Kaninchen“ aus dem Raumschiff. Die rätselhaften Tiere waren also gar keine „Marsbewohner“, sondern „Phaetonen“.

Weshalb hatte man sie auf den Mars gebracht? Die Antwort drängte sich von selbst auf. Es war ein wissenschaftliches Experiment gewesen. Man hatte feststellen wollen, ob sich Tiere auf dem Mars akklimatisieren könnten. Offenbar hatten sich die Wissenschaftler des Phaeton dafür interessiert. Ihnen selbst waren die Ergebnisse unbekannt geblieben, doch Melnikow wußte, daß das Experiment gelungen war. Mit eigenen Augen hatte er die Nachkommen der Tiere gesehen, die sich auf dem fremden Planeten fleißig vermehrt hatten.

Welch eine Sensation für die Biologen! dachte er.

Der Zeit nach zu urteilen, die das Vorführen der Bilder vom Marsaufenthalt beanspruchte, waren die Phaetonen nicht lange dort gewesen. Die beiden Menschen sahen nur noch, wie sie mit Hilfe merkwürdiger Maschinen ein Denkmal errichteten: einen riesigen Dodekaeder auf einem Granitsockel. Schwerlich würden sich die Mitglieder von Jenkins‘ Expedition, wenn sie diesen steinernen Zeugen entdeckten, den Ursprung erklären können.

Danach erschien wieder das Schema. Das ringförmige Raumschiff flog zur Erde.

Melnikow hoffte, sie würden einen Blick in die ferne Vergangenheit ihres Heimatplaneten tun können. Doch es gab eine Enttäuschung. Die Phaetonen hielten es nicht für nötig, die Erde zu zeigen. Vielleicht hatten sie gewußt, daß es Menschen der Erde sein würden, die in der Zukunft ihr Raumschiff besuchten.

Erneut war das Schema zu sehen. Das Raumschiff verließ die Erde und steuerte auf einen der Asteroiden zu.

Melnikow und Wtorow bot sich ein ebenso wüster Anblick wie auf der Arsena: ein Chaos aus Felsen, Abgründen und Schluchten.

Auf dem zweiten Asteroiden sah es nicht anders aus. Die Phaetonen waren aber offensichtlich weder auf dem ersten noch auf dem zweiten gelandet. Sie hatten die Aufnahmen während des Fluges von Bord des Raumschiffes aus gemacht.

Doch dann erschien auf der „Leinwand“ der ihnen wohlbekannte runde Talkessel der Arsena. Diesmal landeten die Phaetonen und verließen ihr Raumschiff. Wieder tauchten eigenartige, komplizierte Maschinen auf. Sie brachen Felsen, schliffen sie glatt und stellten sie auf künstlich geebnetem Grund auf.

Die Maschinen arbeiteten augenscheinlich selbständig, denn keiner der Phaetonen hielt sich in ihrer Nähe auf. Es entstand ein merkwürdiges Bauwerk: ein riesiges Quadrat mit granitenen Darstellungen der Körper eines einfachen kubischen Systems.

Weshalb hatte man sie auf dem wüsten, unbewohnten Asteroiden aufgestellt? Auch auf diese Frage gab der „Film“ Antwort. Unter den Granitfiguren wurden Metallbehälter eingemauert.

So bestätigte sich die von Belopolski gleich nach dem Start von der Arsena ausgesprochene Hypothese vollauf. Auf dem Bruchstück des Phaeton war ein ungeheurer wissenschaftlicher Schatz für die Menschen hinterlassen worden. Unter den vorläufig noch unverständlichen symbolischen Figuren lagen seit Jahrtausenden die Dokumente des wissenschaftlichen und technischen Wissens einer untergegangenen Welt verborgen. Sie galt es zu finden, zutage zu fördern und auszuwerten. Da die Phaetonen nicht gewußt hatten, was sie auf der Venus erwartete, hatten sie ihr Archiv auf der Arsena deponiert.

Einen besseren Safe hätte man schwerlich finden können, dachte Melnikow.

Dann erblickten die beiden Männer die Landschaft der Venus.

Sie sahen acht junge Phaetonen aus dem ringförmigen Raumschiff, das am Ufer desselben Sees lag, an dem jetzt die „SSSRKS 3“ ankerte, aussteigen — alle in Raumanzügen. Ein Beweis dafür, daß die Venusluft für sie ebenso unverträglich war wie für den Erdenmenschen.

Den Wald, der jetzt das Raumschiff umschloß, hatte es damals noch nicht gegeben. Vom See bis zu den Bergen erstreckte sich eine mit dichtem und hohem gelbbraunem Gras bedeckte Ebene.

Das Raumschiff der Phaetonen blieb sehr lange an ein und derselben Stelle der Venus liegen. Das konnte man an den Gesichtern der Besatzung erkennen, die immer älter wurden. Die Phaetonen bereisten den Planeten mit ihren merkwürdigen Fahrzeugen, die halb wie ein Auto, halb wie ein Flugzeug aussahen.

Melnikow und Wtorow erlebten mit, wie das erste Mitglied der fremden Besatzung starb, und wohnten seiner Bestattung bei. Und wieder enthüllte sich ihnen ein Geheimnis. Der Körper des Toten wurde in eine steinerne Schale gelegt, eine Flamme loderte auf und verzehrte den Leichnam restlos. Die Leichen der anderen wurden später auf die gleiche Weise bestattet.

Die Zahl der Phaetonen nahm ab. Nach jeder Bestattungszeremonie erlosch die Flamme in der Schale wieder. Sie wurde gelöscht, aber wie, zeigte man den beiden Menschen nicht. Nun war auch klar, weshalb die Flamme im Raumschiff immer noch brannte. Es war schließlich niemand mehr dagewesen, sie zu loschen. Der letzte Phaetone hatte sich selbst verbrannt.

Seine Grabesflamme hatte sie an der Schwelle des Raumschiffes als Ewiges Licht begrüßt — Symbol ewig lebendigen Geistes!

Der größere Teil des „Films“ war der Venus gewidmet. Eines ihrer Rätsel nach dem anderen wurde gelöst.

Die Phaetonen lehrten die Venusbewohner, schwach leuchtende Bäume anzupflanzen, deren Heimat offensichtlich der Phaeton war. Sie bauten an diesem und anderen Flüssen Staudämme und brachten den Venusianern das Flößen bei. Sie versahen sie mit vielen Werkzeugen, darunter auch mit Linealen, die als einzige bei den Venusbewohnern bis heute in Gebrauch geblieben waren. Alles andere hatten sie offensichtlich im Laufe der Zeit vergessen oder verloren. Die Phaetonen halfen ihnen, in einer Höhle eine Stadt zu bauen. Sie lehrten sie, die „Schildkröten“ zu fangen und abzurichten, sie zu Haustieren für schwere Arbeiten zu machen. Auch wurde deutlich, daß sich die Phaetonen mit den Venusianern in deren Sprache verständigt hatten, wofür sie besondere Apparate mit einer Art von Kopfhörern verwendeten.

Nur verschwindend wenig von dem, womit die Phaetonen sie ausgerüstet hatten, war den Venusianern erhalten geblieben — armselige Spuren der ungeheuren, geduldigen Arbeit jener, die von einem anderen Planeten zugewandert waren. Aber hätte es denn anders sein können? Zu kurz war der Auf enthalt der Phaetonen auf der Venus gewesen. Ihre Saat war nur unvollständig aufgegangen.

Am Ende des „Films“ wurde klar und einfach gezeigt, wie die Türen im Raumschiff zu öffnen waren. Melnikows Vermutung, sie reagierten auf Gesten, bestätigte sich nicht. Es existierten Knöpfe, und der „Film“ zeigte, wo sie zu finden waren.

Daß sich die fünfeckigen Öffnungen vor ihnen wie von selbst aufgetan hatten, gehörte zu den Vorbereitungen der Phaetonen auf die Ankunft der Menschen. Man hatte sie auf einem vorher festgelegten Weg durch das Schiff „geführt“.

Nachdem der „Film“ abgelaufen war, begann er wieder von vorn. Anscheinend hatten die Herren des Raumschiffes angenommen, die ihnen unbekannten Zuschauer könnten bei einer einzigen Vorführung nicht alles erfassen und sich merken.

Doch Wtorow und Melnikow sahen sich den „Film“, obschon sie es gern getan hätten, nicht noch ein zweites Mal an. Sie hatten es eilig, zum eigenen Raumschiff zurückzukehren, um dort zu berichten, was sie gesehen hatten.

Die erhaltenen Hinweise befolgend, kehrten sie auf demselben Wege wie zuvor ins Zentrum zurück, wo nach wie vor die hellblaue Flamme brannte und die spitzwinkeligen Facetten der Wände, sich gegenseitig spiegelnd, vielfarbig schimmerten.

Wie auf Verabredung verneigten sich beide vor der steinernen Schale und dem darin brennenden Feuer, dem Grab des letzten Menschen vom untergegangenen Phaeton und älteren Bruders des Erdenmenschen.

Melnikow nahm sein Notizbuch wieder vom unsichtbaren Sockel herunter. Hätte er gewußt, was diese Schale vorstellte, hätte er es niemals dorthin gelegt.

Dann streckte er die Hand nach dem unauffälligen Knopf aus, um die Außentür zu öffnen, doch sie verschwand ganz von selbst. Im ersten Augenblick glaubten sie, das sei eine liebenswürdige Abschiedsgeste der Herren des Raumschiffs, aber dann erblickten sie auf der anderen Seite der fünfeckigen Öffnung Paitschadse und Korzewski. Über das lange Schweigen der Kundschafter beunruhigt, wollten sie ihnen gerade zu Hilfe kommen.

„Was habt ihr gesehen?“ fragten beide wie aus einem Munde.

„Es würde zu lange dauern, das jetzt zu erzählen“, antwortete Melnikow. „Wartet, bis wir an Bord unseres Schiffes sind.“ „Können wir rein?“ „Besser nicht. Wir haben einen unbekannten Geruch wahrgenommen. Da drin ist keine Venusluft. Es wäre unverantwortlich, auch euch der Gefahr auszusetzen.“ Belopolski schloß sich Melnikows Argumenten an und befahl allen, zum Raumschiff zurückzukehren.