121906.fb2 Das Erbe der Phaetonen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 34

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Der letzte Start

„Für mich steht außer Zweifel, daß die Phaetonen mittels eines besonderen Apparates mit den Venusianern gesprochen haben“, schloß Melnikow seinen Bericht. „Leider gibt es keinerlei Hinweise, was das für ein Apparat war.“ „Da kann ich Ihnen Auskunft geben“, sagte Toporkow, „Genauso einen oder zumindest einen ähnlichen haben Konstantin Wassiljewitsch und ich nämlich konstruiert. Die Venusianer geben zweifellos Laute von sich, allerdings im Bereich der Ultraschallwellen, deshalb können wir sie nicht hören. Um mit ihnen sprechen zu können, brauchen wir einen Schalltransformator.

Wie gesagt, es ist schon einer fertig. Er transformiert den Ultraschall auf eine für unser Ohr wahrnehmbare Frequenz. Sobald die Venusbewohner in der Nacht zum Vorschein kommen, werden wir sie sprechen hören.“ „Wie sind Sie denn darauf gekommen?“ fragte Belopolski.

„Ohne Biologe zu sein?“ fragte Toporkow verschmitzt. „Ich bin eben drauf gekommen, wie Sie sehen. Ein Zufall ist mir zu Hilfe gekommen. Als Sie vom Grund des Sees zu uns zurückkehrten, beobachtete ich auf dem Bildschirm die Venusianer; dabei bemerkte ich plötzlich auf der Mattscheibe des Schalllokators ganz bestimmte Linien. Sie entstanden jedesmal, wenn die Venusianer etwas durch Gesten zu erklären versuchten. Der Lokator,hörte‘ etwas. Sie wissen, er arbeitet mit Ultraschall. Da kam mir die Idee. An den Stromschnellen habe ich dann, während die Venusianer arbeiteten, die Probe aufs Exempel gemacht. Es gelang mir sogar festzustellen, daß die Frequenz der von ihnen ausgehenden Schallwellen an der Schwelle unseres Hörbereichs liegt. Konstantin Wassiljewitsch hat mir geholfen, und nun steht der Apparat zu Ihrer Verfügung.“ „Damit haben Sie uns einen großen Dienst erwiesen“, sagte Belopolski. „Sobald wir die Venusbewohner hören können, ist das Erlernen ihrer Sprache nur noch eine Zeitfrage. Was die Phaetonen konnten, können wir auch.“ „Wenn doch bloß bald Nacht wäre!“ rief Korzewski aus.

Aber bis zum Sonnenuntergang war es noch weit. Am nächsten Tag, dem achten August, würde gerade „Mittag“ sein. Tagsüber jedoch war auf ein Zusammentreffen mit den Venusianern nicht zu rechnen. Soviel stand bereits fest, die Planetenbewohner kamen bei Tageslicht nicht hervor.

„Wann haben denn die Phaetonen mit den Venusbewohnern verkehrt?“ fragte Belopolski.

„Nur nachts“, antwortete Melnikow. „Ihrem,Film‘ nach zu urteilen, sind sie tagsüber nicht mit den Bewohnern dieses Planeten zusammengetroffen. Wahrscheinlich wollten sie sie nicht im Schlaf stören.“ „Wir müssen es genauso halten.“ „Um so mehr“, pflichtete Korzewski ihm bei, „als die,Schildkröten‘ womöglich nicht schlafen. In Abwesenheit der Venusianer könnten sie über uns herfallen.“ „Warten wir die Nacht ab“, entschied Belopolski endgültig.

Unter Anleitung Saizews gingen Knjasew, Romanow und Paitschadse daran, einen Hangar für die Montage des Flugzeugs zu errichten. Belopolski beabsichtigte, eine ganze Reihe von Erkundungsflügen über den Bergen und der Umgebung des Sees in einem Umkreis von tausend Kilometern durchzuführen.

Die Bäume konnten sie zum Bauen nicht verwenden — sie waren zu groß.

So errichteten sie den Hangar neben dem Raumschiff aus Stahlträgern und Reserveplatten. Saizew verdroß es, daß sie keine zerlegbaren Hangars von der Erde mitgenommen hatten.

„Um wieviel einfacher wäre jetzt die Arbeit!“ sagte er.

„Daran zu denken wäre Ihre Sache gewesen“, hielt Belopolski ihm vor.

„Man kann schließlich nicht alles vorhersehen“, sagte der Chefingenieur seufzend.

Begreiflicherweise stand das Raumschiff der Phaetonen die ganze Zeit über im Mittelpunkt des Interesses der Besatzung von „SSSR-KS 3“. Alle wollten gern mit eigenen Augen seine ungewöhnlichen Räumlichkeiten, die merkwürdigen, durchsichtig werdenden „Metallwände“ der Röhren und das wunderbare Schema des Sonnensystems mit den sich bewegenden zehn Planeten sehen. Die von Wtorow gemachten Fotografien gingen mehrmals durch alle Hände, und Melnikow mußte immer wieder vom Aufenthalt in dem geheimnisvollen Schiff berichten.

Doktor Andrejew untersuchte die beiden Kundschafter gründlich, entdeckte jedoch keinerlei Anzeichen einer Vergiftung durch die Luft im Raumschiff. Offenbar war sie für den Menschen unschädlich. Mikroorganismen aber konnten die Jahrtausende kaum überdauert haben.

„Der Aufenthalt dort ist ungefährlich“, meldete er Belopolski.

Die Mitglieder der Expedition baten, der Reihe nach das Raumschiff besuchen zu dürfen, doch nach kurzer Beratung mit Melnikow schlug Belopolski es ihnen ab. Ihm war zwar klar, daß sie eigentlich eine Untersuchung vornehmen müßten, aber ebenso wie Melnikow befürchtete er unliebsame Überraschungen.

„Das beste ist“, sagte er, „bis zur nächsten Expedition die Finger davonzulassen. Hier sind erstklassige technische Fachkräfte nötig.“ Dagegen ließ sich nichts einwenden. Das Raumschiff vom fünften Planeten gab in technischer Hinsicht Rätsel über Rätsel auf. Niemand wußte, wo die Triebwerke untergebracht und welcher Art sie waren, wie das Steuerungssystem funktionierte und vor allem, wie die Triebwerke zu betätigen waren. Daß sie noch funktionstüchtig waren, stand so gut wie außer Zweifel.

Die Technik des Raumschiffs war offensichtlich noch völlig intakt.

Trotz allem kamen sie nicht umhin, das Schiff noch einmal zu untersuchen. Melnikow und Wtorow hatten zuwenig gesehen.

Sie mußten Aufnahmen von all seinen Teilen zur Erde mitbringen, damit sich die Fachwissenschaftler eine genauere Vorstellung von ihm machen und sich über seine Konstruktion klarwerden konnten. Belopolski wußte, daß man ihm, falls das nicht geschah, Vorwürfe machen würde, und mit Recht.

Schweren Herzens entschloß er sich zu einem zweiten Besuch.

„Du und Gennadi Andrejewitsch, ihr wart bereits im Raumschiff, und ihr wißt, wo die Türknöpfe sind“, sagte er zu Melnikow. „Außerdem habt ihr schon die Luft dort geatmet. Sollte sie trotz allem schädlich sein, wäre es unsinnig, auch die anderen noch der Gefahr auszusetzen. Ihr beide müßt noch einmal hin und alles, jede kleinste Einzelheit, von außen und von innen fotografieren. Daß ihr vorsichtig sein müßt, brauche ich nicht zu betonen. Das weißt du selbst recht gut. Außer euch lasse ich keinen dorthin. Auch ich gehe nicht.“ „Ich verstehe“, antwortete Melnikow. „Die Entscheidung ist richtig, Konstantin Jewgenjewitsch. Wir werden sehr vorsichtig sein und außer den Türknöpfen nichts anrühren.“ Am achten August um elf Uhr vormittags brach der Geländewagen in Richtung Wald auf. Außer Melnikow und Wtorow saß niemand in dem Fahrzeug.

Es war der zweite Tag des Aufenthalts der Expedition auf der Venus. Die Besatzungsmitglieder mußten sich beeilen, um die vorgesehenen Arbeiten in vollem Umfange durchzuführen.

„Vier Mann sind mit dem Bau des Hangars beschäftigt“, hatte Belopolski gesagt. „Die anderen vier müssen ständig an Bord bleiben. Du siehst ein, daß ich dir niemand weiter mitgeben kann.“ „Ist auch nicht nötig“, hatte Melnikow erwidert. „Den Weg kennen wir, und in unserer Abwesenheit wird keiner den Wagen stehlen. In etwa fünf Stunden sind wir wieder zurück.“ Der Geländewagen verschwand im Wald.

Melnikow und Wtorow hatten einen dreifachen Sauerstoffvorrat bei sich, um das Raumschiff, in dieser Hinsicht unbesorgt, gründlich untersuchen zu können.

Der Tag war erstaunlich klar. Seit dem frühen Morgen hatte sich keine einzige Gewitterfront dem See genähert. Der Wind war abgeflaut und die Oberfläche des riesigen Bergsees spiegelglatt. Vom Wasser stieg durchsichtiger Nebel auf, der sich langsam in der Luft verflüchtigte. Das Thermometer zeigte dreiundsiebzig Grad über Null. Das war weniger als am vorhergehenden Mittag in der Ebene — die Höhenlage machte sich bemerkbar. Die Raumfahrer arbeiteten in Kühlanzügen.

Um drei Uhr nachmittags versammelten sich alle an Bord wie gewöhnlich im Speiseraum. Zu dieser Zeit war Mittagspause.

„Sie müssen bald zurückkommen“, sagte Saizew und nahm am Tisch Platz. Andrejew hatte alles Notwendige bereits hingelegt und die „Gerichte“ aufgetragen.

Belopolski sah auf die Uhr, obwohl er ganz genau wußte, wie spät es war.

„Sie sind schon vier Stunden dort.“ Alle merkten seiner Stimme an, daß er sich Sorgen machte.

„Sie werden viel Neues mitbringen“, bemerkte Korzewski.

„Die Glücklichen!“ seufzte Knjasew.

Weiter wurde kein Wort gesprochen. Nicht nur Belopolski machte sich Sorgen, auch alle anderen waren beunruhigt, bemühten sich jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen. Die Mittagspause endete früher als sonst, in völligem Schweigen.

„Auf!“ sagte Saizew, sich als erster erhebend. „Der Hangar muß heute noch fertig werden. Morgen früh geht‘s gleich an die Montage des Flugzeugs.“ Als vier der Männer gerade die Luftschleuse betreten und die übrigen das Observatorium aufgesucht hatten, um dort an den Instrumenten Vorbereitungen zu treffen, erhob sich plötzlich ein durchdringendes Pfeifen. Es war so laut, daß sich alle trotz der dicken Stahlwände, die sie von der Außenwelt trennten, unwillkürlich die Ohren zuhielten. In der Tiefe beginnend, stieg das Pfeifen bis zu schmerzhafter Höhe an und brach dann unvermittelt ab.

Belopolski und Paitschadse befanden sich in diesem Augenblick gerade am Fenster des Observatoriums. Nur sie beide sahen, wie sich etwas Gelbgraues aus dem Waldesdickicht losriß, in die Luft schoß und in den Wolken verschwand.

Einen Augenblick standen sie starr und benommen da, nicht begreifend, was sich vor ihren Augen abspielte.

Dann stürzte Belopolski mit unterdrücktem Aufschrei zum Ausgang.

Gleich danach schrillten im ganzen Raumschiff die Alarmglocken, flammten über allen Türen und Luken die roten Lämpchen auf.

„An die Plätze!“ scholl es aus allen Lautsprechern.

Schon ließen die arbeitenden Triebwerke den Rumpf des Raumschiffs leise erzittern. Die „SSSR-KS 3“ erhob sich in die Lüfte und gewann rasch an Geschwindigkeit.

Der plötzliche Start kam für die Besatzung völlig überraschend. Jeder ließ sich dort fallen, wo ihn das Alarmsignal gerade erreichte. Das Gefühl erhöhter Schwere zeigte an, daß das Raumschiff nicht als Düsenflugzeug, sondern als Rakete flog. Es verließ eindeutig die Venus, aber außer Paitschadse und Belopolski kannte niemand den Grund. Vier der Männer lagen auf dem Boden der Luftschleuse oder vielmehr auf der zum Boden gewordenen Seitenwand, drei im Observatorium.

Belopolski saß am Steuerpult. Ohne die Ausführung seines eigenen Kommandos abzuwarten, war er mit hoher Beschleunigung gestartet.

Ohne sich zu rühren, lagen die Männer geduldig und warteten, daß die Triebwerke zu arbeiten aufhörten und sie sich zum Steuerpult begeben könnten, um zu erfahren, was geschehen war.

Dreiunddreißig Minuten lang schwebten sie in völliger Ungewißheit. Jeder stellte die unwahrscheinlichsten Vermutungen an und verwarf sie wieder als völlig irreal.

Sobald der Zustand der Schwerelosigkeit eingetreten war und das Raumschiff, wie sie wußten, mit voller Geschwindigkeit durch den Weltraum jagte, fragten sie einander wie aus einem Munde: „Was wird aus Melnikow und Wtorow?“ Die beiden waren, so mußte man annehmen, auf der Venus zurückgeblieben. Andrejew glaubte schon, Belopolski habe den Verstand verloren. Doch da tönte aus dem Lautsprecher die Stimme des Kommandanten: „Arsen, ans Teleskop! Toporkow, an die Radargeräte! Wir müssen das Raumschiff um jeden Preis finden!“ Jetzt war allen klar, was das Pfeifen bedeutet hatte. Das Raumschiff der Phaetonen hatte die Venus verlassen. Und mit ihm Melnikow und Wtorow.

Auch der eigene unter Verletzung aller Regeln erfolgte Blitzstart erhielt damit seine Erklärung: Die „SSSR-KS 3“ hatte die Verfolgung des Raumschiffs der Phaetonen aufgenommen. Vielleicht konnte man es einholen und so Melnikow und Wtorow retten. Aber mit welcher Geschwindigkeit flog das andere Schiff?

Niemand wußte es.

Belopolski beobachtete aufmerksam die Geräte am Steuerpult. Er schien ruhig wie immer. Doch als Saizew „zufällig“ den Kommandoraum betrat, erkannte er seinen Kommandanten nicht wieder. Vor ihm saß ein Greis, aber nicht der Mann, den er noch vor einer halben Stunde gesehen hatte.

Belopolski wandte sich um und blickte den Ingenieur an.

Tränen liefen ihm über die Wangen, und er versuchte nicht einmal, es zu verbergen.

„Was soll ich machen, Konstantin Wassiljewitsch?“ fragte er.

„Außer mir kann keiner das Raumschiff zur Erde zurückbringen. Aber ich … wage nicht zurückzukehren.“ In seiner Stimme lag eine solche Verzweiflung, daß Saizew heftiges Mitleid verspürte.

„Ihnen macht ja keiner einen Vorwurf“, sagte er so sanft wie möglich.

„Meinen Sie? O nein, ich bin schuld! Ich hätte sie nicht in dieses verdammte Raumschiff schicken dürfen!“ „Wenn hier einer schuld ist, dann nur die beiden selbst. Sie sind Opfer ihrer eigenen Unvorsichtigkeit geworden.“ „Opfer?“ Belopolski war zusammengezuckt. „Ja, Sie haben recht! Sie sind umgekommen. Wo ist das Raumschiff?“ schrie er und streckte beide Arme gegen den Bildschirm aus. „Welche Richtung hat es eingeschlagen? Wenn wir nun genau entgegengesetzt fliegen?“ „Vielleicht entdecken wir es doch. Verzweifeln Sie nicht!“ Belopolski preßte beide Hände gegen den Kopf.

„Nein! Wir werden sie nicht finden. Unmöglich! Es war zwecklos zu starten. Noch ein Fehler, und es ist unser letzter.

Vier Opfer! Vier Opfer auf einem Flug!“ Saizew bemerkte, daß der Autopilot nicht eingeschaltet war.

Aber konnte Konstantin Jewgenjewitsch in diesem Zustand denn überhaupt steuern? Der Ingenieur ging hinaus, um Andrejew zu holen.

„Belopolski sieht aus, als ob er den Verstand verloren hat“, berichtete er dem Arzt.

„Kein Wunder bei der ungeheuren nervlichen Belastung“, erwiderte Andrejew. „Ich gehe zu ihm, kommen Sie eine Weile nicht rein. Schade, daß Arsen Georgijewitsch das Observatorium nicht verlassen darf.“ Drei Stunden lang suchten sie, ohne die Hoffnung aufzugeben, in den Weiten des Kosmos das verschwundene Weltraumschiff.

Vergebens. Es war nicht aufzufinden.

Wohin flog es, steuerlos, ohne den lenkenden Verstand des Menschen? Wo und wann würde sein letzter Flug enden? Wohin würde es die Leichname der beiden von ihm entführten Menschen tragen? Vielleicht geradewegs in die Glutarme der Sonne!

Aber wenn es ihnen nun doch noch gelungen ist, aus dem Raumschiff herauszukommen? dachte unwillkürlich jeder an Bord der „SSSR-KS 3“. Wenn unser überstürzter Start sie dem Verderben ausgeliefert hat, statt sie zu retten?

Doch niemand wagte diesen schrecklichen Gedanken auszusprechen.

Belopolski verließ das Steuerpult kaum. Tage, oft auch Nächte, saß er im Sessel, allem gegenüber teilnahmslos.

„Ich bringe das Schiff noch bis zum Kosmodrom zurück“, sagte er einmal zu Arsen Georgijewitsch.

Alle waren überzeugt, daß hinter diesen einfachen und natürlichen Worten ein unheildrohender Sinn steckte.

Belopolski wußte, daß er all das, was — wie er meinte — durch seine Schuld geschehen war, nicht überleben würde. War nicht er es gewesen, der Balandin zum See mitgeschleppt hatte? Hatte nicht er auch Melnikow und Wtorow in den Tod geschickt? Einzig das Pflichtgefühl gegenüber den sieben Männern, deren Leben allein in seiner Hand lag, hielt ihn noch aufrecht.

„Wir müssen scharf auf ihn aufpassen“, sagte Paitschadse.

„Vor allem bei der Ankunft. Haben wir ihn erst einmal Kamow übergeben, ist alles gut. Sergej Alexandrowitsch staucht ihn schon wieder zurecht.“