121906.fb2 Das Erbe der Phaetonen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 42

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Die Katastrophe

Ja, Melnikow hatte recht gehabt! Das phaetonische Raumschiff war weitaus schwerer zu steuern als die „SSSR-KS 3“. Das kleine Teleskop und das selbstgebaute Kommandopult bildeten Belopolskis einzige Hilfsmittel, sie waren völlig unzureichend. Vor allem fehlte eine elektronische Rechenmaschine, Belopolski mußte sich allein auf seine mathematischen Kenntnisse und keine Erfahrungen verlassen. Dabei barg die Aufgabe, die Ceres zu erreichen, große Schwierigkeiten in sich.

Belopolski wußte recht gut, von welchen Überlegungen sich Kamow hatte leiten lassen, als er seine Zustimmung dazu gab, daß er, Belopolski, auf den „Phaetonen“ überwechselte.

Einmal hatte ihn Belopolskis Verhalten nach dem Start von der Venus aufgebracht. Es war für einen Raumschiffkommandanten — wirklich unverzeihlich und hatte nur dank der hochentwickelten Technik der Phaetonen nicht tragisch geendet. Seine Absetzung als Expeditionsleiter und Melnikows Ernennung waren vollauf gerechtfertigt. Das Alter konnte kein Entschuldigungsgrund sein.

Zum anderen hatte Kamow offensichtlich gewußt, wie schwer sich der „Phaetone“ lenken ließ. Ohne Einzelheiten zu kennen, hatte er gespürt, worin die Schwierigkeiten bestanden, und Belopolskis profunde Kenntnisse und seine mathematischen Fähigkeiten dabei in Rechnung gestellt. Melnikow konnte es in dieser Hinsicht nicht mit ihm aufnehmen. Er hatte ja selbst gesagt, daß Belopolski der schwierigen Aufgabe „besser gewachsen“ sei.

Alles war also in Kamows Sinne wohlbegründet, logisch und durchdacht.

Belopolski nahm die „Bestrafung“ mit gewisser Erleichterung hin. Er war froh, daß seine Rückkehr zur Erde dadurch aufgeschoben wurde und er die Möglichkeit erhielt, seine Fehler wenigstens teilweise wiedergutzumachen.

So richtete er alle seine Kenntnisse und Verstandeskräfte darauf, das gesteckte Ziel zu erreichen.

Die Geschwindigkeit und den Kurs des Raumschiffes vermochte nach wie vor nur Wtorow zu verändern. Weder dem Willen Belopolskis noch Korzewskis, den sie als Arzt mitgenommen hatten, wollte die phaetonische Technik gehorchen. Nur auf die Biostrome des jungen Ingenieurs sprachen die Mechanismen an. Wenn ihm etwas zustieß, waren Belopolski und Korzewski völlig hilflos.

Gleich nachdem die „SSSR-KS 3“ im All verschwunden war, bat Belopolski Wtorow, er möge den „Phaetonen“ auf Höchstgeschwindigkeit bringen.

Der Versuch gelang, und das Ergebnis überstieg selbst die kühnsten Erwartungen.

Gehorsam flog das Raumschiff mit einer Beschleunigung, die Belopolski auf vierundzwanzig Meter pro Sekundenquadrat berechnete. Sie dauerte eine Stunde und neunundvierzig Komma vierzehn Sekunden. Dann trat wieder Schwerelosigkeit ein. Die Geschwindigkeit des Raumschiffs hatte sich also auf einhundertzwanzig Kilometer in der Sekunde gesteigert.

Offenbar war das die Höchstgeschwindigkeit. Sie betrug mehr als das Doppelte derjenigen des irdischen Raumschiffes. Jetzt würden sie die Ceres, wenn nichts dazwischenkam, in weniger als einem Monat erreichen. Das bedeutete eine enorme Zeiteinsparung.

Belopolski zweifelte nicht daran, daß alle Observatorien der Erde den „Phaetonen“ weiterhin beobachteten. Auch Kamow verfolgte bestimmt ihren Weg. Er würde somit bald erfahren, daß das ringförmige Raumschiff seine Geschwindigkeit erhöht hatte, und daraus die notwendigen Schlußfolgerungen ziehen.

Mehrere Tage brachte Belopolski mit der Berechnung des Kurses zu. Er konnte die Ceres mit seinem verhältnismäßig schwachen Instrument zwar nicht sehen, wußte aber genau, wo sie sich befunden hatte, als sie sich von der „SSSR-KS 3“ trennten. Er kannte alle Daten ihrer Umlaufbahn sowie seine eigene Position im Kosmos. Das genügte vollauf.

Am vierten Tag forderte er Wtorow auf, die Flugrichtung geringfügig zu ändern, und der nun schon geübte Ingenieur führte seinen Befehl sicher aus.

Der „Phaetone“ gehorchte Wtorow „widerspruchslos“.

„Ich glaube, wir könnten auch gleich auf dem Mond landen, statt erst auf der Ceres“, meinte Wtorow. „Das Raumschiff gehorcht mir aufs Wort.“ „Lassen Sie sich nicht täuschen“, erwiderte Belopolski. „Im leeren Raum zu manövrieren ist etwas ganz anderes als eine Landung. Hier kann man ruhig einen Fehler machen, aber dort fuhrt er zur Vernichtung des Schiffs.“ Das gleiche hatte Melnikow gesagt. Die fast wörtliche Übereinstimmung verblüffte Wtorow.

Unter den Dingen, die auf den „Phaetonen“ geschafft worden waren, entdeckten sie mehrere Bücher. Die Freude war groß.

Wer hatte dafür gesorgt?

Der Flug verlief ermüdend einförmig. Da waren Bücher hochwillkommen. Um nicht zu schnell mit ihnen fertig zu werden, lasen Wtorow und Korzewski abwechselnd laut daraus vor.

Belopolski brauchte keinen Zeitvertreib. Stunden- und tagelang hing er am Teleskop und führte Beobachtungen durch oder stellte Berechnungen an. In der Welt der Astronomie und der Mathematik führte er sich wohl.

So vergingen die Tage.

Schon hatten sie die Umlaufbahn des Mars hinter sich gelassen. Der Gürtel der Asteroiden war nahe. Dreimal innerhalb von zwei Tagen änderte das Raumschiff seine Flugrichtung, um kleinen Asteroiden, die jedoch groß genug waren, um ihnen gefährlich werden zu können, auszuweichen. Offenbar raste eine ganze Menge dieser Planetentrümmer auf den Astronomen unbekannten Bahnen dahin. Von der Erde aus waren ja hinter der Umlaufbahn des Mars Körper mit einem Durchmesser von wenigen Dutzend Metern nicht mehr zu erkennen.

Für Belopolski begann jetzt eine anstrengende Zeit. Wie sehr vermißte er eine Rechenmaschine. Aber sein mathematischer Verstand ersetzte sie. Ununterbrochen errechnete er den Kurs und korrigierte mit Hilfe Wtorows die Flugbahn.

Ja, man konnte mit vollem Recht sagen, daß von der ganzen Besatzung der „SSSR-KS 3“ er allein imstande war, den „Phaetonen“ unter solchen Umständen zu führen.

Die Ceres war schon gut zu sehen. Selbst mit unbewaffnetem Auge war der winzige Stern wahrzunehmen, dessen Schein buchstäblich mit jeder Stunde zunahm.

Das Raumschiff näherte sich seinem Ziel.

Eine Neujahrsüberraschung besonderer Art hatte einst der sizilianische Astronom Piazzi der Wissenschaft bereitet. In der Nacht zum ersten Januar achtzehnhundertundeins entdeckte er den ersten Kleinplaneten, die Ceres, die sich später als der größte der Asteroiden erwies. Ihr Durchmesser beträgt siebenhundertsiebzig Kilometer und ihre Masse ein Achttausendstel der Erdmasse. Der Planet leuchtet sehr hell, was darauf schließen läßt, daß er aus Mineralien, die das Licht gut reflektieren, oder vielleicht auch aus Metallen besteht. Die Ceres bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa zwanzig Kilometern in der Sekunde auf einer fast kreisrunden Bahn.

Belopolski entschloß sich, der Landung auf der Ceres den-, selben Plan zugrunde zu legen wie der Landung der „SSSRKS 3“ auf der Venus: er wollte dem Planeten auf seiner Umlaufbahn folgen und ihn einholen. Bei diesem Manöver konnten sie endgültig feststellen, wie weit der „Phaetone“ Wtorow gehorchte und wie genau er seine Gedankenbefehle ausführte.

Wenn es ihnen gelang, an die Ceres heranzukommen, konnten sie auch hoffen, wohlbehalten auf ihr zu landen.

Selbst mit dem ausgezeichneten Steuerpult der „SSSR-KS 3“ erforderte solch ein Manöver viel Arbeit und höchste Präzision.

Hier aber steuerte Belopolski nicht selbst. Er mußte jedesmal durch Wtorow handeln, mußte ihm die gewünschte Kurve so erklären, daß der junge Ingenieur sie sich deutlich vorstellen und in Gedanken, ohne den geringsten Fehler, vom Raumschiff vollführen lassen konnte.

Belopolski kamen unwillkürlich Bedenken. Daß die Mechanismen exakt arbeiteten, bezweifelte er nicht; er hatte ja schon wiederholt erlebt, wie sie auf „Befehle“ reagierten. Aber wie stand es um die Exaktheit von Wtorows Denken?

Wenn ich meine Entscheidungen doch unmittelbar selbst in die Tat umsetzen könnte! dachte er.

Aber das war unmöglich.

Ihm war klar, daß sie ihr Leben aufs Spiel setzten. Sollte der Rumpf des Raumschiffes beim Aufprall auf der Ceres Risse bekommen, würde bei ihnen augenblicklich der Tod eintreten, da es auf der Ceres keine Atmosphäre gab.

Indessen, das Los war bereits einen Monat zuvor an Bord der „SSSR-KS 3“ gefallen, jetzt blieb ihnen nichts weiter übrig, als in der Praxis zu erproben, ob „Adler“ oder „Bild“ oben lag.

„Bild“ — das waren Leben und Rettung des Raumschiffes, „Adler“ — Tod und Zerstörung des „Phaetonen“.

Belopolski teilte Korzewski seine Gedanken mit. „Das weiß ich“, entgegnete der Biologe kurz. Mit Wtorow unterhielten sie sich über derartige Themen nicht — seine Ruhe und sein Selbstvertrauen waren jetzt das all erwichtigste. Belopolski glaubte, Wtorow sei sich der Größe der Gefahr nicht bewußt, aber er täuschte sich.

Wtorow hatte die ganze Schwere der ersten Tage des gemeinsamen Fluges mit Melnikow im „Phaetonen“ miterlebt. Er wußte auch längst, daß hinter der scheinbar spielerischen Leichtigkeit, mit der die „SSSR-KS 3“ auf der Arsena und dann auf der Venus gelandet war, harte Arbeit, große Geschicklichkeit und tödliche Gefahr gesteckt hatten. Die Lektion des Sturzes in Richtung Venus war nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Er hatte begriffen, daß der Kosmos nicht mit sich spaßen ließ. Und er wußte ganz genau, worauf sie sich jetzt einließen und was sie riskierten. Auf der Venus war er noch ein Neuling gewesen, der vieles nicht verstand und manches auf die leichte Schulter nahm; inzwischen aber war er ein echter Kosmonaut geworden. Zehn unvergeßliche Tage — und von dem früheren Wtorow war nichts mehr geblieben. Er hatte die Schule des Weltraums absolviert.

Und da sich Wtorow vollauf bewußt war, daß das Leben seiner Kameraden und die Rettung des Raumschiffs einzig und allein von ihm abhingen, zwang er sich zu äußerster Konzentration, war er entschlossen, alles, was Belopolski ihm befehlen würde, wie ein Automat auszuführen. Für ihn gab es weder Furcht noch Zweifel. Er sagte sich: Ich muß!

Er und Korzewski waren von Wissen und Erfahrung ihres Kommandanten überzeugt.

So schien alles für einen günstigen Ausgang des schwierigen Manövers zu sprechen.

Alles, nur nicht das Wichtigste, Entscheidendste. Die Männer ahnten nicht einmal, wie nahe die Gefahr war.

Der verhängnisvolle Fehler war einen Monat zuvor begangen worden, und zwar von Melnikow und Belopolski gemeinsam.

Konnte man ihnen einen Vorwurf daraus machen? Ein Mensch ist eben nur ein Mensch und keine Maschine; er ist Irrtümern unterworfen, seine Entscheidungen werden von vorgegebenen Tatsachen und Eindrücken beeinflußt. Die scheinbare Allmacht der phaetonischen Technik hatte Melnikow und Belopolski „hypnotisiert“. Dabei ließen sie außer acht, daß auch die Phaetonen nichts weiter als Menschen gewesen waren. Ihre Technik war eine Technik von Menschen, denn es gibt keine andere in der Natur, und ihre Macht ist daher nicht grenzenlos.

Das hatten sie vergessen.

Auf der Erde wirkte die „phaetonische Hypnose“ nicht so stark, weil man um die Einzelheiten der zehntägigen Odyssee Melnikows und Wtorows nicht wußte. Daher erkannte man dort auch sofort die Gefahr.

Aber da war es bereits zu spät und nichts mehr zu ändern.

Auf Melnikows Mitteilung vom Flug des „Phaetonen“ zur Ceres antwortete Kamow mit einem kurzen Funkspruch, der Belopolski, hätte er seinen Inhalt gekannt, zur sofortigen Umkehr bewogen hätte. Er lautete: „Woher wollen Sie wissen, daß die Energievorräte des,Phaetonen‘ für einen solchen Flug ausreichen? Kamow.“ Tatsächlich, woher? Wie hatten sie diesen entscheidenden Umstand außer acht lassen können?

Melnikow raufte sich vor Verzweiflung die Haare. Das ringförmige Raumschiff jagte mit einer Geschwindigkeit von einhundertzwanzig Kilometern in der Sekunde dahin. Es gab kein irdisches, das es hätte einholen können. Und durch Funk war es auch nicht zu erreichen.

Man konnte es nicht mehr zurückholen. Der Fehler war nicht wiedergutzumachen! Es blieb nur noch zu hoffen, daß die Befürchtungen grundlos waren und alles gut ausgehen würde.

Ein sehr schwacher Trost, aber einen anderen gab es nicht.

Die Besatzung des ringförmigen Raumschiffs steuerte währenddessen nichtsahnend, ohne auch nur im geringsten daran zu zweifeln, daß ihre Energievorräte ausreichen würden, auf die Ceres zu.

Belopolskis Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet.

Sicher dirigierte Wtorow das Raumschiff. Die Phaetonen hätten es nicht besser machen können. Der junge Ingenieur beherrschte die Kunst der Vorstellung vollkommen, seine Gedankenbilder waren exakt wie nie zuvor.

Gehorsam schwenkte der „Phaetone“ hinter dem Planeten auf dessen Umlaufbahn ein. Die Ceres einzuholen war nicht mehr schwer. Das Raumschiff verringerte seine Geschwindigkeit.

Schon erblickten sie durch die Wandung das Panorama des größten der Asteroiden.

Eine von Rissen durchzogene, unfruchtbare, kahle Ebene mit spärlichen Ketten spitzer Hügel. Aus der Höhe erschien der Horizont noch sehr weit. Beim Niedergehen aber würde er sich stark verengen.

„Ich hatte befürchtet, die Oberfläche sei genauso beschaffen wie die der Arsena“, sagte Belopolski. „Gut, daß das nicht der Fall ist. Nun ans Werk, Gennadi Andrejewitsch. Bringen Sie uns heil zur,Erde‘.“ Wtorow kehrte in den Steuerraum zurück. Das fortwährende Abbremsen schuf eine Schwerkraft im Schiff, und er konnte bequem im Sessel Platz nehmen.

Er erinnerte sich, daß der „Phaetone“ beim Sturz auf die Venus von selbst wieder abgedreht hatte. Jetzt tat er das nicht. Dabei war die Ceres ganz nahe. Komisch: Die Mechanismen des Raumschiffs ‚merkten‘ also, daß dies kein Sturz war, sondern ein absichtliches Manöver, und warteten auf Kommandos.

Wtorow ließ das Schiff sich dem Planeten immer langsamer nähern. Von Zeit zu Zeit bremste er stärker. Ob es dieses Bremsen war, was den Automaten anzeigte, daß die Nähe des großen Himmelskörpers diesmal nicht gefährlich war, daß alles demWillen des Menschen gemäß erfolgte?

Wtorow schloß die Augen — so konnte er sich leichter konzentrieren — und stellte sich vor, wie das ringförmige Raumschiff langsam und vorsichtig auf der Ceres niederging.

Er war überzeugt, alles sei in Ordnung, und der „Phaetone“ werde wie immer seinen Befehl genau ausführen.

Zunächst geschah es auch so. Als er die Augen wieder öffnete und durch die Wand blickte, sah er, daß das Raumschiff niederging. Bis zur Oberfläche des Planeten waren es nur noch zwei Kilometer.

Plötzlich aber flammte unmittelbar vor ihm auf der einen Facette des Pultes ein grellgrünes Dreieck auf. Verschwand, flammte nochmals auf und erlosch. Zugleich erloschen auch die Funken in der Tiefe der Facette, und diese selbst wurde trüb, als überziehe sie sich mit einem grauen Belag.

Das Raumschiff sank merklich schneller, die Ceres kam unaufhaltsam auf sie zu. Stürzten sie etwa ab?

Noch einmal glommen die Funken am Pult auf, wurde das grüne Dreieck sichtbar. Ein heftiger Ruck schleuderte Wtorow vom Sessel und gegen die Wand.

Er begriff, daß die Triebwerke den Sturz auffingen.

Das wiederholte sich noch einmal.

Was war geschehen? Weshalb verhielt sich das Raumschiff so merkwürdig? Wtorow war es ein Rätsel; er glaubte, er selbst sei schuld, weil er den Befehl nicht richtig gegeben habe.

Auch Korzewski und Belopolski, die im Nebenraum gespannt das Näherkommen der Ceres beobachteten, begriffen nicht, daß sie Zeugen der letzten Zuckungen des aus dem Raumschiff weichenden Lebens wurden. Die von den Menschen bedenkenlos verbrauchte Energie war erschöpft. Die sterbenden Mechanismen versuchten noch ein letztes Mal, den verhängnisvollen Sturz abzuwenden.

Es gelang ihnen nur zum Teil. Ein neuer Ruck ging durch das Raumschiff, es bremste noch einmal kurz, dann stürzte es aus einer Höhe von hundert Metern ab.

Die Ceres ist nicht die Erde, ihre Anziehungskraft neunundzwanzigmal geringer. Das rettete die drei Männer.

Ein heftiger Stoß! Ganz in Wtorows Nähe ging etwas in Trümmer — es hörte sich an, als schütte jemand einen Korb voll Schraubenmuttern auf eine Metallplatte aus. Er sah, wie quer über die glatte Fläche des Steuerpults ein breiter Riß aufklaffte, wie alle vier Sessel losgerissen wurden und Glassplittern gleich durch die Luft flogen.

Er begriff, daß das Steuerpult zerstört war, und erschrak; aber immer noch ahnte er nicht, daß selbst ein völlig intaktes Pult ihnen jetzt nichts mehr nützen konnte.

Wir sind verloren, durch meine Schuld! Aber was habe ich denn falsch gemacht? Boris Nikolajewitsch hatte recht: Eine Landung ist die schwerste Prüfung. Ich habe sie nicht bestanden.

Jetzt ist uns der Tod sicher. Gedankenfetzen schossen Wtorow durch den Sinn.

Das Raumschiff war tief in den silbrigen Staub eingedrungen, der die Ebene der Ceres bedeckte. Ganz in der Nähe ragte ein 2ackiger Felsen auf, wie die Spitze eines in der Erde versunkenen Kirchturms. Ringsum erhoben sich in verschiedener Entfernung regellos ebensolche Felsen. Nacktes Gestein und silbriger Staub. Nichts weiter. Eine fremde “Welt.

Wtorow stand auf. Er fühlte sich fast schwerelos. Ein Schritt, und er war an der Tür. Ob sie sich öffnete?

Im Raumschiff war noch Leben. Es konnte zwar nicht mehr fliegen, aber die inneren Mechanismen hatten nicht gelitten — sie waren nicht so empfindlich wie das Steuerpult. Die Tür öffnete sich wie immer.

„Was ist los, Gennadi Andrejewitsch?“ fragte Belopolski sofort.

Er hatte den gleichen Gedanken wie Wtorow. Ein Fehler!

„Ich weiß es beim besten Willen nicht, Konstantin Jewgenjewitsch. Ich gab den Befehl. Alles ging gut, aber plötzlich flammte ein grünes Dreieck auf …“ „Was für ein Dreieck?“ unterbrach Belopolski ihn hastig.

Wtorow erzählte ausführlich.

Da war Belopolski alles klar. Noch ein Fehler! Diesmal unwiderruflich der letzte.

„Sie trifft keine Schuld, Gennadi Andrejewitsch“, sagte er.

„Die Energievorräte für die Triebwerke sind erschöpft. Zu sorglos haben erst Melnikow und Sie und nun wir drei sie verbraucht. Sie waren natürlich begrenzt. Wir Wahnwitzigen! Wie kleine Kinder haben wir uns benommen, die mit dem Feuer spielen. Und wir haben uns verbrannt. Ich bin schuld. Ich habe Sie beide ins Verderben geführt Verzeihen Sie mir, wenn Sie können. Übrigens ist es auch dazu schon zu spät.“ Er wandte sich ab, und zum drittenmal während dieses unseligen Fluges liefen ihm die Tränen über die Wangen.

Korzewski lehnte mit geschlossenen Augen gegen die Wand.

Wtorows Gedanken waren klar geblieben. Er spürte weder Angst noch Verzweiflung. Das, wovon er immer geträumt hatte — so zu sein wie Melnikow —, schien sich erfüllt zu haben. Selbst Melnikow hätte nicht kaltblütiger sein können.

„Keiner ist schuld“, sagte er. „Wer konnte das ahnen? Ich halte unsere Lage auch für gar nicht so hoffnungslos. Von der Erde aus hat man uns beobachtet. Dort wissen sie bereits von unserer Landung auf der Ceres. Sie werden darauf warten, daß“ wir wieder im Raum auftauchen. Geschieht das nicht, werden sie merken, daß etwas passiert ist, und Hilfe schicken. Lebensmittel haben wir genug, auch Sauerstoffmangel brauchen wir nicht zu befürchten. Also können wir beruhigt abwarten.“ Belopolski drehte sich wieder um.

„Immer der gleiche Fehler“, sagte er. „Erst dachten wir, wir brauchten keinen Energiemangel zu befürchten, und jetzt sagen Sie das gleiche vom Sauerstoff. Wer weiß, vielleicht liegen auch die Automaten, die den Sauerstoff erneuern, in den letzten Zügen. Die von der,KS 3‘ übernommenen Sauerstoffbehälter aber sind nur für die Raumanzüge bestimmt; bei ununterbrochener Benutzung reichen sie knapp zwei Tage. Und was das schlimmste ist, unsere Raumschiffe benötigen von der Erde bis zur Ceres mindestens drei Monate. Sie sind nicht so schnell wie der,Phaetone‘. Außerdem stehen Erde und Ceres jetzt nicht so günstig zueinander wie bei unserm Flug hierher. Für drei Monate langen unsere Lebensmittelvorräte nicht, selbst wenn der Sauerstoff reichen sollte.“ „Sie reichen.“ Korzewski erwachte aus seiner Erstarrung. „Ich habe sie selbst eingeladen. Bei herabgesetzter Ration können wir sie auf über drei Monate strecken.“ „Ich verstehe nicht, warum wir uns streiten“, sagte Wtorow.

„Ob sie reichen oder nicht — wir können ja doch nichts weiter tun, als auf Hilfe warten. Oder schlagen Sie Selbstmord vor?“ „Davon kann nicht die Rede sein“, entgegnete Belopolski.

„Natürlich werden wir warten. Unser Schicksal liegt in der Hand der Phaetonen oder vielmehr ihrer Technik. Hoffen wir, daß sie uns nicht ein zweites Mal im Stich läßt.“ Wtorow und Korzewski schien es, als sage Belopolski das mit einem bedauernden Unterton. Offensichtlich hätte er den Tod der Rückkehr auf die Erde vorgezogen. Sie aber hatten keinen Grund, sich den Tod zu wünschen.

„Im Laufe von drei Monaten können wir hier nützliche Arbeit leisten“, sagte Wtorow. „Wir müssen ein großes Stück der Ceresoberfläche gründlich erforschen. Der,Phaetone‘ bleibt ja sowieso für immer hier. Jetzt kann man ihn untersuchen, ohne befürchten zu müssen, etwas zu verderben.“ „Gerade das dürfen wir auf keinen Fall“, entgegnete Belopolski. „Wir könnten die Luftautomaten beschädigen. Wir wissen ja nicht, wo sie sich befinden. Und was noch schlimmer wäre: wir könnten die Türautomaten außer Betrieb setzen. Nein, wir dürfen nichts anrühren.“ Die Türautomaten! Bei diesen Worten hatten alle drei ein und denselben Gedanken: Ginge die Energie, die die inneren Mechanismen des Raumschiffs antrieb, plötzlich ebenso zu Ende wie die der Triebwerke, waren sie in diesem Raum eingeschlossen ohne die geringste Möglichkeit hinauszugelangen.

„Ich denke“, sagte Korzewski, „wir sollten das Schiff überhaupt nicht verlassen. Was wollen wir machen, wenn wir draußen sind und kommen plötzlich nicht mehr rein?“ „Nein, das hieße, drei Monate eingeschlossen und in völliger Untätigkeit dasitzen“, sagte Belopolski. „Da nehme ich lieber die Gefahr auf mich, auf der Stelle umzukommen. Ich bin für Exkursionen.“ „Ich auch“, pflichtete Wtorow ihm bei. „Wenn die Türen versagen, müssen wir damit rechnen, daß auch die Luftautomaten versagen. Ist es dann nicht gleich, ob wir draußen oder drinnen sind? Das Ergebnis ist dasselbe.“ „Stellen wir also einen Aktionsplan auf. Wie wollen wir das Schiff verlassen: gemeinsam oder einzeln, der Reihe nach?“ fragte Korzewski gleichmütig.