121906.fb2 Das Erbe der Phaetonen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 46

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Im Eis der Antarktis

Vier völlig gleiche Behälter!

Sie enthielten, wenn man dem Film der Phaetonen glauben durfte, den Melnikow und Wtorow zweimal gesehen hatten, etwas außerordentlich Wichtiges. Wichtig für wen? Für die Menschen oder für die Phaetonen selbst? Es war anzunehmen, für die Menschen. Davon zeugte die sorgfältige Vorbereitung.

Alles war getan worden, um den Menschen zu berichten, wieso das Raumschiff auf die Venus gekommen war, und zum Schluß war genau die Stelle bezeichnet worden, an der die Behälter versteckt lagen.

Mehr noch. Die Phaetonen hatten viele Jahre auf der Venus gelebt. Neben dem Raumschiff aber hatte man nichts Ähnliches gefunden, wie es von ihnen auf der Arsena zurückgelassen worden war. Dabei schien es doch natürlicher und logischer, sie hätten die Granitfiguren auf der Venus errichtet und ihren „Schatz“ dort vergraben. Oder auf der Erde.

Warum gerade auf der Arsena? Sie mußten doch damit rechnen, daß die Menschen der Erde oder irgendeines anderen Planeten eher die Venus als den kleinen Asteroiden besuchen würden.

Die Handlungsweise der Phaetonen entbehrte scheinbar der Logik. Die Annahme, daß sie die Arsena nur deshalb gewählt hatten, weil sie ein Bruchstück ihres eigenen untergegangenen Planeten war, entfiel. Bei einer so ernsten und schwerwiegenden Angelegenheit wie diesem Appell an künftige Generationen vernunftbegabter Wesen war kein Platz für Sentimentalität.

Antwort auf all diese Fragen erbrachte Melnikows Expedition zur Venus.

Tatsächlich befand sich auch auf der Schwester der Erde ein „Schatz“. Nahe der Stelle, an der seit undenklichen Zeiten das ringförmige Raumschiff gelegen hatte, entdeckte man eine steinerne Figur in Form eines Pyramidenwürfels. Genauer gesagt, die Überreste dieser Figur. Die Venusnatur war schonungslos mit ihr verfahren. Hätten die Kosmonauten nichts von der Existenz solcher Figuren gewußt, hätten sie dem regellosen Steinhaufen im Urwald niemals Beachtung geschenkt. Aber sie hatten ja genau so etwas gesucht.

Unter dem Fundament der Figur befand sich ein Betongewölbe. Die Anwendung von Beton auf der Venus war vollauf berechtigt. Bekanntlich wird Beton durch Feuchtigkeit nur noch fester.

Nachdem das Gewölbe mit großer Mühe durchstoßen war, kam eine kleine Nische mit einer Metallplatte darin zita Vorschein. Es handelte sich um das gleiche graugelbe Metall, aus dem das Raumschiff der Phaetonen bestand.

Mit einem scharfen Instrument war eine Zeichnung in die Platte eingeritzt worden. Sie stellte einen Teil unseres Sonnensystems dar, einschließlich der Umlaufbahn des Jupiter. Deutlich bildete eine tief eingeritzte Linie in Form einer Ellipse den Mittelpunkt. Es war die Umlaufbahn der Arsena.

Von zwei winzigen Kreisen, die Venus und Erde bezeichneten, wiesen Pfeile auf sie. Neben dem Kreis der Arsena schimmerte matt ein buntes Mosaik, das einen blauen Ring mit einem x-förmigen Kreuz darin darstellte.

Nichts weiter. Wieder deuteten die Phaetonen auf etwas hin, was sie auf der Arsena hinterlassen hatten. Der blaue Ring, das wußte man bereits, mahnte zur Vorsicht.

Vielleicht lagen auch auf der Erde noch irgendwo die Überreste einer solchen steinernen Figur? Gab es doch auf unserem Planeten nicht wenige Orte, die noch keines Menschen Fuß betreten hatte.

Die „SSSR-KS 3“ war daraufhin zur Arsena geflogen und hatte die vier Behälter geborgen.

Nun standen sie im Laboratorium der Akademie der Wissenschaften, einem Spezialgebäude, weitab von bewohnten Orten.

Es galt vorsichtig zu sein — die Phaetonen selbst hatten es verlangt. Niemand wußte, was geschah, wenn die Behälter geöffnet würden.

Aber wie sollte man sie öffnen?

Sie besaßen eine ungewöhnliche Form. Es waren facettierte Kugeln, deren zwölf fünfeckige Facetten nicht erkennen ließen, daß sie irgendwo zusammengesetzt waren. Die Behälter schienen aus einem einzigen Stück eines unbekannten Metalls zu sein. Die Farbe war schwer zu bestimmen, sie wechselte bei der geringsten Änderung der Lichtverhältnisse. Betrachtete man solch eine Facette aufmerksam, kam es einem so vor, als sei unter einer dünnen Haut eine bodenlose Tiefe verborgen.

Solch ein Behälter hatte einen Durchmesser von einem Meter, wog jedoch über zwei Tonnen. Dabei konnte er keineswegs massiv sein, mußte er doch etwas enthalten.

Die Beförderung dieser Kugeln war gar nicht so einfach gewesen. Die Männer hatten sie wie zerbrechliches Porzellan behandelt. Ins Raumschiff wurden sie mit bloßen Händen verladen. Zwei irdische Tonnen wogen auf der Arsena ja nur wenig. Auf der Erde aber wog eine Tonne wirklich eine Tonne.

Mit dem Ausleger eines Krans reichte man nicht ins Raumschiff hinein. So mußte ein Loch durch die Wandung gebrochen werden. Danach brauchte man sechs Tage, um die Geschenke der Phaetonen vom Kosmodrom zum Laboratorium zu schaffen.

Mit einer Geschwindigkeit von zwei Kilometern in der Stunde beförderte man sie einzeln auf Lastkraftwagen. Vor der Kolonne fuhr eine mächtige Walze, die den Weg ebnete. Es wurde alles getan, damit kein Stoß den Inhalt der Kugeln erschütterte.

Alles ließ sich ersetzen, die Facettenkugeln der Phaetonen aber waren einmalig.

Endlich war es soweit. Im zentralen Saal des Laboratoriums stand auf einer weichen Unterlage eine der Kugeln, die man aufs Geratewohl ausgewählt hatte.

Aber wie kam man an den Inhalt heran? Von welcher Seite?

Womöglich ließ sie sich überhaupt nicht öffnen? Vielleicht war sie doch massiv?

Gründlich untersuchten drei Ingenieure, die es unternommen hatten, das Rätsel zu lösen, mit optischen Hilfsmitteln alle zwölf Facetten.

Aber die Facetten waren ganz glatt, nichts war an ihnen zu erkennen. Die Lösung des Rätsels mußte im Innern verborgen sein.

Die Ingenieure übereilten nichts. Grobe Eingriffe mit Schneidwerkzeugen waren hier nicht angebracht. Das konnte nur das letzte Mittel sein. Vorerst galt es, nach einer einfachen und logischen Methode zu suchen, zu überlegen und sich an die Stelle der Phaetonen zu versetzen.

Aber sie fanden die Lösung nicht.

Da sahen sie sich die anderen Kugeln an. Vielleicht gab es bei ihnen Anhaltspunkte. Wieder entdeckte man nichts. Alle vier glichen sich wie ein Ei dem anderen.

Die Ingenieure waren Angehörige des Kosmischen Instituts, das die besten Kräfte zu seinen Mitarbeitern zählte. Alle drei — Wladimir Sergejewitsch Semjonow, Nikolai Alexandrowitsch Gotowzew und Wsewolod Andrejewitsch Mazkewitsch — galten als Männer mit enormem technischem Wissen. Sie kannten sich auf allen Gebieten aus. Sollte es ihren gemeinsamen Anstrengungen wirklich nicht gelingen, hinter das Konstruktionsprinzip der Phaetonen zu kommen?

Sie stellten sich die Frage, wie sie selbst vorgehen würden, ständen sie vor der Aufgabe, den Inhalt der Behälter über Jahrzehntausende zu erhalten.

Sie gingen alle erdenklichen Methoden durch, solche Facettenkugeln hermetisch abzuschließen. Alle! Selbst jene, die die Möglichkeiten der irdischen Technik überstiegen.

Aber sie verwarfen eine nach der anderen. Sie fühlten, daß die Lösung sehr einfach war. Sie lag in der Luft, aber.

„Nur die Logik kann uns helfen“, meinte Mazkewitsch.

„Nichts weiter!“ Wer war zuerst auf den richtigen Gedanken gekommen?

Wahrscheinlich Semjonow. Jedenfalls war er der erste, der ihn aussprach. Einen ganz einfachen Gedanken. Kein Wunder, daß sie solange nicht darauf gekommen waren. Auf das Einfache kommt man immer am schwersten.

„Der blaue Ring mit dem gelben Kreuz“, sagte er, „ist kein Warnsignal. Er bedeutet dasselbe wie das entsprechende Zeichen im Raumschiff der Phaetonen.“ Nun wurde Wtorow in das einsame Laboratorium geholt, das inmitten dichten Waldes stand.

Zweifellos gab es auf der Erde noch viele Menschen, deren Bioströme denen der Phaetonen entsprachen. Aber man kannte sie vorläufig noch nicht. Nur von Wtorow wußte man es zuverlässig.

„Lassen Sie die Kugel sich öffnen“, forderte Semjonow ihn auf.

Voller Spannung wartete die ganze Welt auf das Ergebnis des Versuchs.

Aber auch Wtorow erlebte ein Fiasko. Die Facettenkugel veränderte ihre Form nicht. Keine Öffnung kam zum Vorschein.

Ein Anzeichen jedoch gab es, daß die geäußerte Vermutung richtig war.

Sobald Wtorow seine Gedanken konzentrierte, glommen in der Tiefe der Facetten die ihm wohlbekannten Funken auf. Es bestand kein Zweifel, die Kugel war „empfangsbereit“. In das tote Stück Metall war Leben gekommen.

Was erwartete die Kugel von dem Menschen? Was für einen „Befehl“?

Das Suchen begann. Tag für Tag saß Wtorow stundenlang vor der Kugel und erteilte ihr alle möglichen Befehle. Er strengte seine Einbildungskraft bis zum äußersten an. Alles vergebens. Ihm schien, die flimmernden Funken machten sich über seine Anstrengungen lustig. Die widerspenstige Kugel gehorchte nicht.

Dann kam der fünfundzwanzigste Oktober 19..

Den vier Männern blieb dieses Datum für immer im Gedächtnis haften. Und nicht nur ihnen.

Das Geheimnis offenbarte sich.

Nachdem Wtorow alle Möglichkeiten erschöpft zu haben glaubte, stellte er sich, über seine fruchtlosen Bemühungen verzweifelt, beinahe unbewußt vor, die Kugel … fange an zu sprechen.

Im selben Augenblick vernahmen die vier eine Stimme. Ringsum herrschte vollige Stille. Kein Laut drang von außen ins Laboratorium. Aber jeder einzelne von ihnen vernahm deutlich eine bekannte Stimme. Und sie sprach russisch.

Das schien phantastisch! Aber natürlich war alles sehr einfach. Einfach vom Standpunkt der Phaetonen aus. Ihre Biotechnik hatte ein hohes Niveau besessen. Dabei war sie ihnen so zur Gewohnheit geworden, daß sie meinten, auch für andere müsse sie ohne weiteres zugänglich sein.

Hinter jedem Wort steht ein Gegenstand oder ein Begriff.

Wenn wir einen Satz hören, stellen wir uns, ohne daß wir es merken, den entsprechenden Gegenstand oder die entsprechende Handlung vor. Das Wort an und für sich, ohne diese Umsetzung, ist nur leerer Schall.

Aber Worte können nicht nur eine Vorstellung erzeugen, auch das Umgekehrte ist möglich: eine Vorstellung kann sich in Worte umsetzen und somit wahrgenommen werden. Jeder „hört“ dann diese Worte in seiner gewohnten Sprache, als ob er das Wahrgenommene selbst ausspräche.

Die Phaetonen hatten alles, was sie übermitteln wollten, in Form von Vorstellungen, Begriffen und Bildern in die Facettenkugeln eingeschlossen. In welcher Sprache der künftige Hörer auch dachte, er mußte die chiffrierte Sprache der Phaetonen in seiner Muttersprache wahrnehmen.

In den einzelnen Sprachen klingen die Wörter verschieden, aber sie bedeuten ein und dasselbe. Einen Stuhl kann man mit Hilfe von Lautgruppen bezeichnen, die einander überhaupt nicht ähnlich sind, aber letzten Endes bezeichnen sie alle ein und denselben Begriff: Stuhl, den Gegenstand, auf dem man sitzt. Genauso ist es mit allem anderen.

Eine andere Frage ist, wie die Phaetonen ihre Mitteilungen fixierten. Wir haben uns daran gewöhnt, daß man Sprache auf Schallplatten und Tonbändern aufzeichnen kann. Wir wundern uns nicht, wenn sie lebendig aus einem toten Apparat ertönt.

Aber Vorstellungen verstehen wir noch nicht aufzuzeichnen.

Schon gar nicht so, daß sie auf gedanklichen Befehl zu „ertönen“ beginnen. Das ist eine Technik der Zukunft. Für uns. Für die Phaetonen aber war das eine Technik der Gegenwart, und sie bedienten sich ihrer. Das war einfach, logisch und rationell.

Die „Aufzeichnung“ war sehr kurz. Sie bestand aus knapp zwei Dutzend Sätzen, mitunter auch nur einzelnen Wörtern.

Gelegentlich kam es vor, daß sich die Gedanken plötzlich verwirrten und die Männer ihren Sinn nicht erfaßten. Offenbar hatte sich der Phaetone, der dem Apparat „diktierte“, in solchen Augenblicken Bilder und Begriffe vorgestellt, die das Hirn des Erdenmenschen nicht zu fassen vermochte. Das „Wesentliche“ der Botschaft aber verstanden alle vier ausgezeichnet.

Die Menschen der Erde bekamen neue Hinweise. Nicht diese Kugeln enthielten das Erbe der Phaetonen. Sie waren nur dazu bestimmt, den Weg zum Lagerplatz des tatsächlichen „Schatzes“ anzugeben.

Auch als die Männer die drei anderen Kugeln befragten, vernahmen sie immer dasselbe — die Phaetonen hatten ihre Worte viermal aufgezeichnet.

Vieles wurde nun verständlich. Der „Schatz“ war zwar auf der Erde verborgen, aber wegen seines Wertes hatten die Phaetonen nicht gewagt, ihn den Menschen anzuvertrauen, bevor deren Entwicklungsstand hoch genug war, um ihn vernünftig verwenden zu können. Deshalb hatten sie einen zuverlässigen und unzugänglichen Aufbewahrungsort gefunden. Die näheren Angaben darüber verbargen sie auf der Arsena in der berechtigten Annahme, daß nur die mit einer leistungsfähigen Wissenschaft und Technik ausgerüstete Menschheit dorthin gelangen würde.

Auch zum irdischen Lagerplatz selbst konnte der Mensch unmöglich ohne die Hilfe einer solchen Technik gelangen.

Der Aufbewahrungsort befand sich nämlich in der Tiefe des antarktischen Festlandes, unmittelbar am Pol.

Dabei war interessant, daß die Botschaft der Phaetonen nicht ausdrücklich den Südpol nannte. Offenbar kannten sie diesen Begriff nicht. Im Gehirn der Menschen entstand lediglich der generelle Begriff Pol. Doch nur der Südpol liegt bekanntlich auf dem Festland, der-Nordpol dagegen im Meer.

Auch darüber, was die Menschen am Pol erwartete, ob es sich um neue „Behälter“ oder um etwas anderes handelte, wurde nichts ausgesagt. Die Phaetonen ließen die Menschen lediglich wissen, wie wertvoll das Versteckte sei. Das war alles.

Im übrigen sollte sich dort im Versteck, noch genauso eine Facettenkugel wie die von der Arsena befinden. Offenbar würden die Menschen durch sie erfahren, was mit dem „Schatz“ zu geschehen hatte; daß jedoch nicht diese Kugel die Hauptsache war, wurde deutlich zu verstehen gegeben.

Was mochte in der Tiefe des antarktischen Festlandes verborgen sein?

Die gesamte Erdbevölkerung rätselte herum. Die Zeitungen waren voll von allen möglichen Prophezeiungen.

Als erster hatte der berühmte Roald Amundsen den Südpol erreicht. Das war im Jahre 1911. 1912 gelangte der Engländer Scott zum Pol. Im November 1929 überflog der Amerikaner Byrd ihn mit dem Flugzeug. Danach setzte die planmäßige Erforschung der Antarktis ein, die von der Sowjetunion eingeleitet wurde. Nach der Siedlung „Mirny“ entstand eine weitere unmittelbar am Pol. Zu der Zeit, als die Menschen zum erstenmal von den Phaetonen horten, existierte hier bereits eine ziemlich große Wissenschaftlerstadt.

Auf einem kleinen Platz im Zentrum der Stadt erhob sich ein Obelisk. Er stand genau auf dem Pol. Seine schlanke Spitze bildete gleichsam das sichtbare Ende der gedachten Erdachse.

Man bohrte auf dem antarktischen Festland schon lange nach wertvollen Bodenschätzen. Wie leicht hätte man dabei auf das Versteck der Phaetonen stoßen können. Was wäre dann geschehen? Vielleicht hatten die Menschen in ihrer Unkenntnis den kostbaren Schatz unwiederbringlich zerstört. Nie hätte die Menschheit dann erfahren, weshalb der Phaeton untergegangen war.

Im November 19.. begaben sich Flugzeuge der UdSSR, Englands und der USA zum Südpol. Sie schafften Wissenschaftler und Ingenieure dorthin sowie alles, was notwendig war, um in den Schoß der Hochebene eindringen zu können.

Selbstverständlich war auch Wtorow unter den Ankömmlingen.

Man hütete ihn wie eine große Kostbarkeit. Konnte man doch nur mit seiner Hilfe die hier irgendwo verborgenen Kugeln „befragen“. Die Antwort dagegen — das wußte man nun bereits aus Erfahrung — konnten auch andere vernehmen.

Die Frage drängte sich auf, weshalb sich die Phaetonen darauf verlassen hatten, daß vielleicht nur ein einziger Mensch ihrer Technik befehlen könnte. Weshalb hatten sie sich nicht Methoden ausgedacht, die allen denkenden Wesen zugänglich waren? Sie hatten dach auch dafür gesorgt, daß alle die-Antworten verstehen konnten. Das war unbegreiflich.

Aber wie dem auch sei, helfen konnte nur Wtorow.

Alle Vorbereitungen waren abgeschlossen. Am zwanzigsten November senkte der erste Bohrer seinen spitzen Stachel in den gefrorenen Boden.

Das Denkmal beschloß man nicht anzurühren. Das Versteck der Phaetonen nahm wahrscheinlich einen ziemlich großen Raum ein. So bohrte man an vier Punkten rings um den Obelisken.

Die Bohrer drangen immer tiefer in den Boden der Hochfläche ein. Sie hatten bereits fünfzig Meter Tiefe erreicht.

Alles wartete auf den Augenblick, wo sie auf ein unüberwindliches Hindernis stoßen würden. Das hieße, daß das Gesuchte gefunden war. Wenn der Aufbewahrungsort aber eine Betondecke hatte wie auf der Venus, würden sich die Bohrer hindurcharbeiten und ins Leere stoßen. Die empfindlichen Geräte würden das sofort melden.

Bis zu einer Tiefe von sechzig Metern fraßen sich die Bohrer.

Alle vier.

„Wie tief sie ihren Schatz vergraben haben!“ sagte Semjonow, der die Arbeiten leitete. „Und wie positionsgenau!“ Die Bohrer wurden hochgeholt und eingehend untersucht. Die diamantene Krone war stumpf geworden. An einem der Diamanten entdeckte man winzige Spuren eines gelbgrauen Metalls.

Die Erfolgsnachricht ging mit Windeseile um die ganze Erde.

Eine von Kamow geführte wissenschaftliche Kommission traf am Südpol ein. Zu ihr gehörten unter anderen Woloschin, Melnikow und Paitschadse. Wer anders als die Kosmonauten war würdig, das Erbe der Phaetonen in Empfang zu nehmen!

Nun begann das zweite Stadium der Arbeiten. Ein Schacht mußte in den Boden getrieben werden.

Mit Radiosonden bestimmte man die Form des metallenen Hindernisses, auf das die Bohrer gestoßen waren. Es stellte sich als seitenrund heraus. Aber alle Bohrer waren in ein und derselben Tiefe stehengeblieben. Das bedeutete, daß es sich nicht um eine Kugel, sondern um einen zylinderförmigen Gegenstand handelte. Der Durchmesser betrug zwölf Meter.

Semjonow hatte recht: Der Zylinder befand sich geometrisch exakt unter dem Pol. Die Erdachse ging durch seinen Mittelpunkt.

Auch die Voraussicht der Phaetonen erwies sich als richtig.

Es wäre unmöglich gewesen, einen Schacht von sechzig Metern in den Boden zu treiben, wenn man nicht über leistungsfähige Maschinen am Pol verfügte. Der geistige Entwicklungsstand der Menschheit war also offensichtlich hoch genug, daß sie das „Erbe“ antreten konnte.

Man beschloß, den Schacht unmittelbar neben dem Obelisken anzulegen, um auf den Mittelpunkt des Zylinderdaches zu stoßen. War ein Einstieg vorhanden, mußte er sich logischerweise dort befinden.

Generatoren begannen zu arbeiten. Eine Grabmaschine, „Maulwurf“ genannt, wühlte sich in den Boden. Automatische Förderbänder brachten in ununterbrochenem Strom die losgebrochenen Schollen — Gneis, Diorit und Sandstein — an die Oberfläche.

Der Schacht wurde zusehends tiefer. Die Arbeit ging ohne Menschenkraft, allein mit Maschinen vonstatten.

Schließlich schimmerte tief unten im Licht der Scheinwerfer das gelbgraue Dach des phaetonischen Verstecks. Das Ziel war erreicht.

An einer Strickleiter kletterte Semjonow hinab. Bevor man Wtorow hinunterschickte, mußte geklärt werden, ob ein Einstieg vorhanden war oder nicht.

Semjonow entdeckte ihn auf den ersten Blick. Von dem gelbgrauen Dach hob sich deutlich ein blaues Fünfeck ab. Der Schacht war jedoch nicht genau auf den Mittelpunkt gestoßen, so daß noch nicht einmal die Hälfte des Fünfecks freilag.

Den „Maulwurf“ nochmals anzusetzen war sinnlos. Mit Vibratoren ausgerüstete Ingenieure machten sich ans Werk.

Einst war der Boden des Pols von den Phaetonen aufgelockert worden. Aber im Laufe der Jahrtausende (wer weiß, vielleicht waren sogar Jahrzehntausende darüber vergangen, manche Wissenschaftler vertraten auch die Meinung, es handele sich um Jahrmillionen) hatte sich der ursprüngliche Zustand wieder herausgebildet. Alles war erneut fest „zusammengewachsen“. Die Elektrovibratoren hatten Mühe, in die harten Schichten einzudringen. Sie kamen buchstäblich nur millimeterwetse vorwärts.

Dann war das Fünfeck ganz freigelegt.

Hätten die Menschen nichts von der Existenz der Phaetonen gewußt und hatten sie nicht ihre Erfahrungen mit dem ringförmigen Raumschiff gehabt, wären sie sicher nie darauf gekommen, wie der Einstieg zu öffnen war. So aber trafen sie auf Altvertrautes. Die Tür erwartete den gedanklichen Befehl der Menschen.

Wtorows Stunde war gekommen. In Begleitung Kamows, Melnikows und Semjonows kletterte er in den Schacht.

Der entscheidende Moment nahte.

Es war ein langer Weg gewesen bis zu diesem Augenblick.

Vor Wtorows innerem Auge tauchten noch einmal die Felsen der Arsena auf, der runde Talkessel, die steinernen Schalen der Venusianer, das ringförmige Raumschiff der Phaetonen und schließlich seine und Melnikows lange qualvolle Odyssee. Dann die vier Kugeln im Laboratorium, die geheimnisvolle Stimme — und nun standen sie hier, am Südpol, sechzig Meter unter der Erdoberfläche, und sahen die schmale Linie vor sich, die den Eingang bezeichnete.

Was befand sich dahinter?

Die Zeitungen und Zeitschriften der ganzen Welt hatten in diesen Tagen Tausende von Vermutungen und Spekulationen geäußert. In dem sorgfältig verborgenen Aufbewahrungsort der Phaetonen, am unzugänglichsten Punkt des Erdballs, erwartete man alles mögliche zu finden. Die überwiegende Mehrheit aber meinte, man werde dort „sprechende Maschinen“ und „Filme“ entdecken. Wahrscheinlich ebensolche Apparate, wie man sie von der Arsena mitgebracht hatte, nur noch größer, die alles enthielten, was die Phaetonen für notwendig erachtet hatten, den Menschen als Erbe zu hinterlassen. Und „Filme“ in der Art desjenigen, den Melnikow und Wtorow in dem fremden Raumschiff gesehen hatten.

Durch die Kombination von Film und Sprechapparat ließ sich sehr viel erklären und vermitteln.

Dabei vergaßen die Menschen freilich den gewaltigen Unterschied zwischen der Wissenschaft des Phaeton und derjenigen der Erde, besser gesagt, sie kannten ihn überhaupt noch nicht.

Alle wußten zwar, daß die Phaetonen den Menschen weit voraus gewesen waren, aber niemand hatte auch nur einen annähernden Begriff davon, wie groß die Kluft in Wahrheit war, die sie voneinander trennte.

Wtorow öffnete nicht zum erstenmal durch gedanklichen Befehl phaetonische Türen. Jetzt war er besonders aufgeregt.

Von oben strahlte ein Scheinwerfer in den Schacht. Das blaue Fünfeck war deutlich zu erkennen. Wtorow starrte es an — er wollte abwarten, bis sich sein Herz beruhigt hatte.

Semjonow, Kamow und Melnikow erschien die Zeit endlos.

Wurde Wtorow mit der Aufgabe nicht fertig?

Er schloß die Augen, beschwor das Fünfeck in seiner Vorstellung.

Und gehorsam vollzog sich das Wunder der phaetonischen Technik.

Das Metall innerhalb des Fünfecks trübte sich, verschwand zusehends, als löse es sich in einer unsichtbaren Säure auf. Schon erglänzten die gelbgrauen Stufen einer schmalen Treppe im Scheinwerferlicht. Sie führten in eine dunkle Tiefe.