121913.fb2 Das Herz der Schlange - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 7

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„Welch ein Glück aber ist es für uns, daß unsere Atmosphäre aus den am häufigsten im All vertretenen Elementen aufgebaut ist und wir deshalb auf ein Zusammentreffen mit Vertretern eines dem unsrigen ähnlichen Planeten berechtigt hoffen dürfen!“ sagte Afra.

„Vorläufig sind wir erst einmal mit Bewohnern eines Planeten zusammengetroffen, der unserer Erde leider alles andere als ähnlich ist!“ meinte Tei trocken.

Afra errötete und schickte sich eben zu einer Erwiderung an, als der Chemiker erschien und berichtete, daß die durchsichtige Schutzwand fertig sei.

„Können wir denn einfach in unserer kosmischen Tracht in ihr Raumschiff gehen?“ erkundigte sich Jaß Tin.

„Wahrscheinlich ebensowenig, wie sie in ihrer Kleidung in das unsrige kommen können. Aber es handelt sich ja jetzt gar nicht darum, sich gegenseitig Besuche zu machen. Wir werden die Bekanntschaft zunächst damit eröffnen, daß wir uns ihnen vorstellen“, antwortete der Kommandant.

Die Raumfahrer befestigten die durchsichtige Wand am Ende des Verbindungskanals, und die weißen Gestalten der Fremden begannen mit der gleichen Arbeit in ihrem Hohlgang. Dann fand die erste Begegnung von Erdbewohnern mit fremden Wesen im kosmischen Räume statt, wobei sie sich gegenseitig halfen, die Verbindungsseile und — streben im Zwischenraum anzubringen. Ein leichtes Streichen über den Ärmel oder die Schulter des Schutzanzuges wurde hüben wie drüben als eine Geste der Sympathie und der Freundschaft verstanden und erwidert.

Mit den stachligen Ansätzen der Kopfmuscheln wie mit Hörnern drohend, versuchten die Fremden hin und wieder, die Gesichter der Erdmenschen durch die rauchfarbenen Helme hindurch zu erspähen. Die Köpfe der Erdbewohner waren verhältnismäßig deutlich hinter den Fenstern der Schutzhelme zu sehen, während die schwach gewölbten Schutzschilde der Helme der Fremden für die Augen der Erdmenschen undurchdringlich blieben. Nur ein untrüglicher Instinkt sagte den Erdmenschen, daß sie und jede ihrer Bewegungen aus jener Finsternis heraus mit gespannter, aber auch wohlwollender Aufmerksamkeit verfolgt würden.

Die Einladung, die „Tellur“ zu betreten, erwiderten die weißen Gestalten mit entschiedenen Gesten der Ablehnung. Einer von ihnen berührte seinen Schutzanzug und machte dann eine hastige Bewegung, als nähme er etwas vom Material des Anzuges weg und schleuderte es fort.

„Sie befürchten, ihre Schutzanzüge könnten in unserer Sauerstoffluft gefährdet sein“, deutete Tei die Gebärde.

„Sie wollen mit der Begegnung im Durchgang beginnen“, sagte der Kommandant.

Beide Weltraumschiffe, das fremde und das irdische, bildeten jetzt ein Ganzes, das in der Unendlichkeit des Kosmos schwebte. Die „Tellur“ hatte eine Spezialheizung eingeschaltet. So war es ihrer Besatzung möglich, sich in ihrer gewohnten Arbeitskleidung, den dicht anliegenden blauen Kombinationen aus Kunstwolle, in den röhrenförmigen Verbindungsgang zu begeben.

Auf der anderen Seite des Durchganges flammte eine bläulichweiße Beleuchtung auf, deren Farbton dem Licht ähnelte, das auf hohen Bergesgipfeln der Erde herrscht. Die beiden verschiedenartigen Beleuchtungen ließen die an ihrer Übergangsstelle befindlichen durchsichtigen Zwischenwände in einem aquamarinen Licht erscheinen.

Die geheimnisvolle Stille, die in dem Durchgang herrschte, wurde nur durch das beschleunigte Atmen der stark erregten Erdmenschen unterbrochen. Tei berührte unabsichtlich mit seinen Ellenbogen Afras Schulter, und er fühlte, wie sie am ganzen Körper bebte. Beruhigend legte er der Biologin die Hand auf den Unterarm, und Afra dankte ihm mit einem raschen Blick.

Im Hintergrund des Verbindungsganges tauchte eine Gruppe von acht Fremden auf. Aber waren das wirklich „Fremde“? Die Menschen trauten ihren Augen nicht. Jeder von ihnen hatte im tiefsten Innern etwas Unerhörtes, nie Dagewesenes zu sehen erwartet. Die große Ähnlichkeit der Fremden mit den Erdmenschen kam ihnen deshalb wie ein Wunder vor.

Das bläuliche Licht verschwand, man hatte auch auf der anderen Seite des Ganges eine Beleuchtung eingeschaltet, wie sie auf der Seite der „Tellur“ brannte. Die durchsichtigen Zwischenwände verloren ihren bläulichgrünlichen Schimmer und wurden farblos, sie waren fast nicht mehr zu sehen. Hinter der unauffälligen Trennwand standen Menschen. Man konnte es einfach nicht glauben, daß sie ein Giftgas — nach den auf der Erde geltenden Begriffen — zum Atmen brauchten und sich in Meeren des alles verzehrenden Fluorwasserstoffs badeten! Die Größe der Fremden entsprach in allen Proportionen etwa einem mittelgroßen Erdbewohner. Ihre Hautfarbe war eigenartig grau, im Farbton von Gußeisen, mit etwas silbriger Schattierung und einem versteckten blutroten Abglanz, wie er bei poliertem Roteisenstein aufzutreten pflegt.

Auf den rundlichen Köpfen trugen sie dichtes blauschwarzes Haar. Besonders auffällig in ihrem Gesicht waren die Augen. Sie waren unwahrscheinlich groß und länglich, nahmen die ganze Breite des Gesichts ein und zogen sich mit ihren äußeren Winkeln bis zu den Schläfen hin. Der Augapfel war nicht weiß wie bei den Erdmenschen, sondern von satter türkisblauer Farbe. Er erschien im Vergleich zu der dunklen Iris und der Pupille unverhältnismäßig langgezogen.

Den Ausmaßen und der Lage der Augen entsprachen die geraden, stark ausgeprägten dunklen Augenbrauen. Sie trafen oben an den Schläfen mit dem Kopfhaar zusammen und reichten fast bis zu der schmalen Nasenwurzel, mit der sie einen, stumpfen Winkel bildeten. Da das Haar vom Scheitel aus nach beiden Seiten in einer ebenso geraden und deutlich hervortretenden Linie, und zwar vollkommen symmetrisch zu den Augenbrauen, verlief, hatte der sichtbare Teil der Stirn die Gestalt eines gestreckten horizontalen Rhombus. Die Nase war kurz und wenig vorspringend und hatte, wie bei den Erdbewohnern, nach unten gehende Nasenlöcher. Der kleine Mund mit den violetten Lippen ließ eine fehlerlose Zahnreihe von derselben reinen himmelblauen Farbe erkennen, wie sie die Augenhaut hatte. Die obere Gesichtshälfte erschien gegenüber der Gesichtsgestaltung bei den Erdmenschen wesentlich verbreitert. Unterhalb der Augen zum Kinn hin wurde das Gesicht jedoch erheblich schmaler und trug dort beinahe eckige Züge.

Unter den Fremden waren offenbar Frauen und Männer. Die Frauen ließen sich an der schlanken, hohen Form des Halses, dem gleichmäßigeren und volleren Gesicht und der üppigen Fülle des Kopfhaares erkennen. Die Männer dagegen waren etwas größer, hatten einen stämmigeren Körperbau und ein breiteres Kinn. Im großen und ganzen waren somit dieselben Unterschiedsmerkmale zwischen beiden Geschlechtern vorhanden wie bei den Erdmenschen.

Afra schien es, als hätten die Fremden an jeder Hand nur vier Finger.

Sie gewann ferner den Eindruck, daß die Menschen des Fluorplaneten in den Fingern keine Gelenkt haben konnten, wenn man schon menschliche Begriffe auf ihre Beschaffenheit anwenden wollte: Die Finger krümmten sich leicht und fließend, ohne daß sich eckige Vorsprünge zeigten.

Den Fuß konnte man leider nicht studieren; denn die Fußsohlen versanken tief in dem weichen Fußbodenbelag. Die Kleidung erschien in dem für die Augen der Erdmenschen natürlichen Licht in einem dunklen Rot, fast ziegelfarben.

Je länger die Raumfahrer die Bewohner des fernen Fluorplaneten betrachteten, desto weniger fanden sie deren Äußeres unnatürlich, und um so mehr kam ihnen die eigenartige exotische Schönheit der Fremden zum Bewußtsein. Von ganz besonderem Zauber waren dabei die wundersamen übergroßen Augen, die sehr aufmerksam und dabei doch gutmütig, beinahe liebevoll, zu den Erdmenschen hinüberblickten und die Wärme der Weisheit und der Freundschaft ausstrahlten.

Einer der Fremden trat vor und machte eine höfliche, auffordernde Handbewegung. In demselben Augenblick erlosch die Erdbeleuchtung auf der anderen Seite des Durchgangs.

„Oh!“ rief Mut Ang erschrocken aus. „Das hatte ich nicht vorausgesehen.“

„Ich habe schon damit gerechnet“, erwiderte Karil ruhig, „und ich habe deshalb unser gewöhnliches Licht abgeschaltet und zwei starke Lampen mit Filtern 430 angebrannt.“

„Nun werden wir wohl wie Tote aussehen“, sagte Taina ärgerlich, „da erscheint die Menschheit nicht gerade im besten Lichte!“

„Ihre Befürchtungen sind unbegründet“, entgegnete Mut Ang. „Ihr Spektrum des wahrnehmbaren Lichts ist größer als unseres und reicht weit in das Violett hinein, vielleicht sogar in das Ultraviolett. Dadurch können sie auch viel feinere Schattierungen erkennen und aufnehmen als wir. Ich kann mir nur nicht vorstellen, wie das vor sich geht.“

„Wir werden ihnen wohl viel gelber erscheinen, als wir in Wirklichkeit sind“, sagte Tei nachdenklich.

„Das wäre immerhin weit besser als diese bläuliche Farbe. Blicken Sie sich nur einmal im Kreise um!“ meinte, nur halb beruhigt, Taina.

Karil Ram schob jetzt das Oberton-Tongerät durch die schmale Schleuse zwischen beiden Scheidewänden hinüber. Die Fremden nahmen es und stellten das Gerät auf einem Dreifuß auf. In der Fluoratmosphäre des fremden Raumschiffes erklang jetzt die Sprache und die Musik der Erde. Auf dem gleichen Wege wurde ein Gerät zur Analyse der Luft übergeben, das es ermöglichte, Temperatur, Druck und Zusammensetzung der Atmosphäre des unbekannten Planeten festzustellen. Wie zu erwarten war, zeigte sich, daß die Innentemperatur des weißen Raumschiffes unter der des Erdschiffes lag und 7 Grad nicht überschritt. Der atmosphärische Druck war größer als der Erdluftdruck.

„Ihre Körpertemperatur ist wahrscheinlich höher“, sagte Afra, „wie ja auch unsere Körpertemperatur höher ist als die uns gewohnte Normaltemperatur unserer Umgebung von etwa 20 Grad. Ich nehme an, daß ihre Körpertemperatur bei etwa 14 Grad — unserer Gradeinteilung — liegt.“

Auch die Fremden schickten auf dem Weg über die Schleuse Geräte herüber. Sie waren in zwei Kästchen von feinem Netzwerk verborgen, und es war nicht möglich, ihre Bedeutung zu erraten.

Aus dem einen Kästchen waren hohe, reine Töne zu vernehmen, die aber teilweise abgerissen klangen, als verschwänden sie in der Ferne. Die Erdbewohner erkannten daran, daß die Fremden viel höhere Töne aufnehmen konnten als sie selbst. Wenn der Bereich der für ihr Gehör erfaßbaren Töne etwa die gleiche Breite hatte wie beim Menschen, so mußte ein Teil der unteren Töne der menschlichen Sprache und Musik für die Bewohner des Fluorplaneten nicht hörbar sein.

Die Fremden brannten nun wieder die Erdbeleuchtung an, und die Erdbewohner schalteten das blaue Licht ein. Zwei Gestalten näherten sich der durchsichtigen Wand, ein Mann und eine Frau. Sie legten ihre dunkelrote Kleidung ab und blieben still stehen, sich gegenseitig an den Händen haltend. Dann begannen sie, sich langsam um sich selbst zu drehen, um den Erdmenschen Gelegenheit zu geben, ihre Körper von allen Seiten zu betrachten. Es zeigte sich, daß die Körper denen der Erdmenschen weit ähnlicher waren als die Gesichter. Das harmonische Ebenmaß aller Körperteile der Fluormenschen entsprach voll und ganz dem Schönheitsbegriff auf der Erde. Einige schroffere Übergänge in den Umrissen der Linien, etwas ausgeprägtere Formen bei den Vertiefungen und Wölbungen ließen den Eindruck einer gewissen Eckigkeit entstehen. Oder besser noch: Man glaubte, gut ausgeführte Skulpturen vor sich zu haben. Die graue Hautfarbe, die in den Falten und Vertiefungen noch dunkler erschien, verstärkte diesen Eindruck.

Schön und stolz erhoben sich die Köpfe über den hohen Hälsen. Der Mann hatte die breiten Schultern eines Menschen der Arbeit und des Kampfes, die Frau die breiten Hüften der Mutter eines denkenden Wesens, aber keineswegs wurde dadurch der Eindruck von der intellektuellen Kraft der Menschen des unbekannten Planeten beeinträchtigt.

Als sich die Fremden mit der schon bekannten Gebärde der Aufforderung, es ihnen nachzutun, zurückzogen, stellten sich auf die Bitte des Kommandanten hin Tei Eron und Afra Dewi Hand in Hand vor der durchsichtigen Trennwand auf. Trotz der unirdischen Beleuchtung, die den Körpern der jungen Menschen die kalte Tönung von hellblauem Marmor verlieh, war dieser Anblick der nackten Schönheit ihrer Gefährten für die Erdbewohner eindrucksvoll und überwältigend. Ähnlich erging es auch den Fremden. Ihren Gesten und Bewegungen nach waren sie offensichtlich stark beeindruckt.

„Jetzt habe ich keinen Zweifel mehr, daß sie die Liebe kennen“, sagte Taina, „die echte, herrliche und erhabene Liebe, wenn ihre Männer und Frauen so schön und klug sind!“

„Sie haben völlig recht, Tairya, und das ist aus dem Grunde besonders erfreulich, weil sie uns dadurch in allem richtig verstehen werden“, entgegnete Mut Ang dem jungen Mädchen.

Inzwischen hatten die Fremden eine grüne Filmleinwand nach vorn geschoben. Auf ihr begannen sich kleine Gestalten zu bewegen. Es war ein ganzer Zug Leute, die einen steilen Hang hinaufkletterten. Auf ihrem Rücken trugen sie schweres Gepäck. Nachdem sie das Gipfelplateau erreicht hatten, warf jeder seine Last ab und fiel, mit dem Gesicht nach unten, nieder.

Der kleine Film sollte wahrscheinlich dartun, wie ermüdet die Fremden seien und daß sie das Bedürfnis nach einer Erholungspause hätten. Auch die Erdbewohner fühlten sich nach dem anstrengenden Warten und nach den ersten starken Eindrücken der Begegnung recht angegriffen. Die Menschen vom Fluorplaneten hatten anscheinend schon damit gerechnet, mit anderen Menschen zusammenzutreffen, und sich darauf vorbereitet, indem sie solche „sprechenden Filme“ hergestellt hatten.

Die Besatzung der „Tellur“ war auf diese Begegnung nicht vorbereitet gewesen, aber sie wußte sich zu helfen. Sie brachte eine Leinwand herbei, und Jaß Tin begann damit, eine Reihe Skizzen zu zeichnen. Zuerst stellte er mehrere ebenso ermattete Menschen dar, wie man sie in dem Film gesehen hatte. Die nächste Skizze zeigte die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne. Der Zeichner teilte die Umlaufbahn in 365 gleiche Teile und die Eigendrehung der Erde in 24 Teile, von denen er die Hälfte schwarz machte. Schnell antworteten die Fremden mit einem ähnlichen Schema. Dann wurden auf beiden Seiten Metronome geholt und eingeschaltet. Mit ihrer Hilfe gelang es, die Dauer der kleinen Zeiteinheiten zu bestimmen und dann die größeren abzuleiten. Die Raumfahrer erfuhren, daß sich der Fluorplanet innerhalb von etwa 14 Erdstunden einmal um seine Achse drehte und daß die Umlaufszeit um seine blaue Sonne neunhundert Tage betrug. Auf diese Weise gelang es, die Dauer der Ruhepause, welche die Fremden vorgeschlagen hatten, auf fünf Erdstunden festzusetzen. Noch ganz benommen von dem Erlebten verließen die Menschen den Verbindungstunnel. Die Lampen in dem Durchgang erloschen, auch die Außenbeleuchtung der „Tellur“ wurde ausgeschaltet. Beide Raumschiffe lagen finster und bewegungslos nebeneinander, als sei alles Leben in ihnen zugrunde gegangen, erstarrt in der eisigen Kälte und der undurchdringlichen Finsternis des unendlichen kosmischen Raumes.

Und doch ging im Innern des Schiffes das Leben weiter, mit heißem Herzschlag, erfüllt von Wissensdurst und Schaffenskraft. Das ewig erfinderische menschliche Hirn forschte nach neuen Wegen, wie man den wesensgleichen Brüdern und Schwestern, geboren und herangewachsen auf Planeten endlos ferner Sterne, das Wissen und die Zukunftshoffnungen übermitteln könne, die sich in tausendjährigen unermeßlichen Mühen, Gefahren und Leiden auf der Erde angesammelt hatten. Das zweite Treffen im Durchgang begann mit der Vorführung von Sternkarten. Sowohl die Erdmenschen als auch die Bewohner des Fluorplaneten erkannten nicht die von der anderen Seite vorgeführten Skizzen jener Sternbilder, an denen der Kurs ihres Schiffes vorbeigeführt hatte. (Erst auf der Erde gelang es später den Astronomen, die genaue Lage des blauen Himmelskörpers festzustellen.)

Im Durchgang der Fremden war eine Art Rost mit Lamellen aus einem roten Metall aufgestellt. Er hatte die Höhe eines Menschen. Dahinter begann sich etwas zu drehen, wie man durch die Zwischenräume erkennen konnte. Plötzlich schoben sich die Lamellen zusammen, stellten sich auf die Kante und waren verschwunden. An der Stelle des Rostes gähnte ein gewaltiger leerer Raum, in dem man in weiter Ferne bläuliche Kugeln, Sputniks des Fluorplaneten, vorüberziehen sah. Allmählich kam der Planet selbst näher. Um seinen Äquator herum verlief ein breiter Gürtel undurchdringlicher Wolken, über den Polen und den Polarzonen lag ein graurötlicher Widerschein. Zwischen dem Äquator und den Polen aber liefen Streifen von der gleichen reinweißen Farbe um den ganzen Planeten herum, wie sie die Außenfläche des fremden Raumschiffes zeigte. Hier konnte man durch den Dunst der nicht völlig gesättigten Atmosphäre hindurch, wenn auch undeutlich, die Konturen von Meeren, Kontinenten und Gebirgen unterscheiden, die in unregelmäßigen vertikalen Gürteln aufeinanderfolgten. Der Planet war sichtlich größer als die Erde und schien ein riesiges Magnetfeld zu haben. Er verbreitete ein starkes fliederfarbenes Leuchten um sich, das sich über den Äquator hinzog und weit in die Schwärze des kosmischen Raumes hineinreichte.

Staunend und ganz überwältigt von dem, was sie zu sehen bekamen, saßen die Erdmenschen Stunde um Stunde vor der durchsichtigen Wand und wurden des Schauens nicht müde. Das wunderbare Gerät, das auf der Erde unbekannt war, vermittelte Bilder und Eindrücke vom Fluorplaneten mit einer so starken Wirklichkeitstreue, daß jeder der Raumfahrer glaubte, alles das, was jenseits der Trennwand vorgeführt wurde, selbst mitzuerleben. Da wogten die vom Winde bewegten Wellen eines gewaltigen Ozeans, aber sie waren nicht grünlichgrau wie auf der Erde, sondern lilafarben, denn es war ein Ozean von Fluorwasserstoff. Sie umspülten hier „Sand“-ufer, dort rote Felsenklippen und steil ins Meer abfallende Hänge vielgezackter Gebirge.

Die Gebirge gingen in Polnähe in runde Kuppen, Wälle und flache Erhebungen mit hellem opalfarbenem Glanz über. Die bläulichen Schleier der Dämmerung lagen über den tief eingeschnittenen Tälern, die sich von den Polarhöhen zu dem eingebuchteten Meeresgürtel am Äquator hinzogen. Gigantische Bauten, aus rotem Metall und irgendwelchen grasgrünen Steinen errichtet, umsäumten die Küsten der Meere und folgten in endlos langen Reihen den vertikal gerichteten Tälern nach den Polen hin. Diese ins Riesenhafte gehenden Ansammlungen von baulichen Anlagen, die man auch aus der sehr großen Entfernung deutlich wahrnehmen konnte, waren durch breite Streifen einer üppigen Vegetation mit grünlichblauem Laubwerk oder durch flache Bergkuppen voneinander getrennt. Diese Berge strahlten ein aus dem Innern kommendes funkelndes Licht aus, wie man es auf der Erde an Opalen kannte. Dagegen glichen die runden Eiskappen aus gefrorenem Fluorwasserstoff, die die beiden Pole trugen, edlen Saphiren.

Blaue und lila Farben in allen möglichen Tönungen beherrschten überall das Bild der Landschaft. Selbst die Luft war durchdrungen von einem zarten hellblauen Leuchten, ähnlich dem Lumineszenzleuchten beim Durchgang des elektrischen Stromes durch Argongas in Gasentladungslampen. Aber der bläuliche Schimmer, der über der Welt des fremden Planeten lag, machte diese zugleich kalt und leidenschaftslos, sie lag da wie eine Erscheinung in einem Kristall: klar, verlockend und doch unfaßbar. Es war eine Welt, der die Wärme fehlte, die erquickende Wärme der Erde, hervorgerufen durch die Vielfalt der belebenden Farben, der roten, der orangefarbenen, der gelben.

Lange Reihen von Städten waren sowohl auf der „nördlichen“ als auch auf der „südlichen“ Halbkugel zu erkennen. Sie befanden sich in Gebieten, die den polaren und den gemäßigten Zonen der Erde entsprachen. Die Berge wurden nach dem Äquator zu immer spitzer und dunkler. Scharfzackige Bergspitzen ragten hoch heraus aus dem Dunst, der von der Oberfläche des Meeres aufstieg und einen dichten Schleier über die heiße Zone breitete. Umsäumt wurden die tropischen Gebiete durch die Grate großer Gebirgszüge, die sich parallel zum Äquator ausdehnten.

Dort, in Äquatornähe, ballten sich die blauen Dämpfe zu dichten Massen zusammen: Der unter der Einwirkung der intensiven Strahlung des blauvioletten Sterns verdunstete Fluorwasserstoff sättigte die Atmosphäre, drang dann in riesigen Wolkenwänden nach den gemäßigten Zonen vor, kühlte sich dabei ab und ging in flüssiger Form wieder zur Oberfläche des Planeten nieder. In breiten Strömen kehrte er dann in die heiße äquatoriale Zone zurück. Staudämme von so gewaltigen Ausmaßen, wie sie auf der Erde noch nicht gebaut worden waren, bändigten die urwüchsige Kraft dieser dahinflutenden Fluorwasserstoffmassen und zwangen sie, der Menschheit des Fluorplaneten als ergiebige Energiequellen wertvolle Dienste zu leisten.

Ausgedehnte Felder ungeheurer Quarzkristalle glitzerten so stark, daß die Augen den funkelnden Glanz kaum ertragen konnten. Anscheinend nahm das Silizium in den Fluorwasserstoffmeeren die Stelle des Salzes im Meerwasser der Erde ein.

Die Städte und Siedlungen auf dem Gerät rückten jetzt näher heran. Scharf zeichneten sich ihre Umrisse in dem kalten blauen Licht ab. überall, wohin auch das Auge blickte, war innerhalb der bewohnbaren Gebiete des Planeten jeder noch so kleine Fleck durch der Hände Arbeit und die schöpferische Kraft des Denkens bebaut, umgestaltet oder verschönert worden. Nur die geheimnisvollen Gebiete am Äquator, die eingehüllt waren in die brodelnden Massen blauer, milchiger Dämpfe, trugen keine Spuren menschlicher Tätigkeit. Aber hiervon abgesehen, war die Umgestaltung des Planeten durch seine Bewohner offenbar viel durchgreifender erfolgt, als dies auf der Erde geschehen war, wo die Ursprünglichkeit an vielen Stellen erhalten geblieben war, so in den weitreichenden Naturschutzparks, in altertümlichen Ruinen und in nicht mehr benutzten früheren Erzabbaugebieten.