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»Ich fürchte doch«, antwortete Trautman düster. Er hatte damit begonnen, wie ein gefangener Tiger in der Kabine auf und ab zu gehen, und er sah Chris auch nicht an, als er ihm antwortete, sondern starrte kopfschüttelnd ins Leere. Selbst seine Hände bewegten sich unentwegt, als könnte er sie nicht mehr still halten. »Ich habe geahnt, daß er etwas Verrücktes vorhat, schon als ich die Karten an seinen Wänden gesehen habe. Aber das –«
»Ist vollkommener Unsinn!« behauptete Stanley. »Kein Mensch auf der Welt ist in der Lage, eine neueEiszeitauszulösen. «
Trautman hielt in seinem ruhelosen Herumgehen inne und sah Stanley fast feindselig an. »Sie haben doch gehört, was er gesagt hat«, sagte er. »Sind Sie wirklich so dumm, oder haben Sie einfach nur Angst davor, zuzugeben, daß er recht haben könnte?« »Vielleicht gelingt es ihm ja nicht, eine neue Eiszeit heraufzubeschwören, «, sagte Brockmann, »aber auf jeden Fall wird er eine unvorstellbare Katastrophe hervorrufen, bei der Tausende von Menschen ums Leben kommen können. Wir müssen ihn aufhalten. « »Ein famoser Plan«, sagte Stanley hämisch. »Und wie?« »Das weiß ich nicht«, gestand Brockmann. »Aber irgendwiemußes gelingen. «
»Wir könnten zum Schein auf sein Angebot eingehen«, schlug Juan vor. »Ihr habt gehört, was er gesagt hat. Er braucht die NAUTILUS. Und ich glaube ihm kein Wort, wenn er behauptet, selbst damit zurechtzukommen. « »Winterfeld ist seit dreißig Jahren Seemann«, sagte Brockmann.
»Das spielt keine Rolle«, antwortete Juan überzeugt. »Die NAUTILUS ist mit nichts zu vergleichen, was Sie kennen. Sie ist viel komplizierter als irgendein anderes Schiff auf der Welt. Er braucht uns. Wenn das nicht so wäre, würde er sich keine
solche Mühe geben, uns zur Mitarbeit zu überreden. «
Trautman schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ich muß dich enttäuschen, Juan«, sagte er. »Sicherlich wird er die NAUTILUS niemals so beherrschen wie wir. Aber das muß er auch nicht. Er muß nur ein einziges Mal auf den Meeresgrund hinuntertauchen – und das ist sogar relativ einfach. Vergiß nicht, daß die NAUTILUS sich zum Großteil selbst steuert. «
»Dann ist es um so wichtiger, daß jemand von uns an Bord ist!« sagte Ben. »Juan hat recht – wir gehen zum Schein auf sein Angebot ein, und im richtigen Moment –« »Winterfeld ist kein Dummkopf«, unterbrach ihn Mike. »Er wird ganz genau damit rechnen und entsprechende Vorkehrungen treffen. «
»Das stimmt«, sagte Brockmann.»Ichwürde jedenfalls so handeln. «
»Na wunderbar«, sagte Stanley. »Dann können Sie uns ja vielleicht auch sagen, wie wir diesen Verrückten aufhalten?«
Brockmann würdigte ihn keiner Antwort. Er spürte wohl, daß Stanleys Feindseligkeit nicht ihm galt, sondern nur ein Ausdruck seiner Hilflosigkeit war. Und trotz allem, was Stanley ununterbrochen versicherte, wußte er wohl im Grunde ganz genau, daß Winterfelds Vorhabennichtso aussichtslos und verrückt war, wie er es gerne gehabt hätte.
»Aber erkanndoch keinen Erfolg haben, oder?« fragte Chris noch einmal. Seine Stimme zitterte ein bißchen, und seine Augen waren groß vor Angst. Er blickte Trautman an, und es war klar, daß er diese Frage nur gestellt hatte, damit Trautman sie verneinte. »Ich weiß es nicht«, gestand Trautman, nachdem er Chris wortlos und sehr ernst angesehen hatte. »So wie die Dinge liegen, ist alles möglich. Im besten Fall gibt es nur einen großen Knall und sonst nichts. Aber im schlimmsten könnte sein Plan aufgehen. Und das würde eine unvorstellbare Katastrophe bedeuten. « »Und welche?« erkundigte sich Serena. Sie war die einzige, die kaum Anzeichen von Schrecken gezeigt hatte, und ihre Frage klang auch jetzt eher interessiert als ängstlich.
»Genaukann das niemand voraussagen«, antwortete Trautman. »Wenn der Golfstrom abreißt, würde es in Europa eisig kalt werden. Und das ist nicht einmal das schlimmste. Hinzu käme die Rauch-und Aschewolke des Vulkans, den Winterfeld zum Ausbruch bringen will. Unter Umständen könnte monatelang die Sonne nicht scheinen. Es wäre möglich, daß ganz Europa einen zehn Jahre langen Winter erlebt. Den härtesten Winter, den du dir nur vorstellen kannst. England, Irland, ganz Skandinavien und vielleicht sogar ein Teil des europäischen Festlandes würden im wahrsten Sinne des Wortes unter einem Eispanzer verschwinden. Die Nordsee würde zufrieren und die meisten Flüsse ebenso. « Er seufzte. »Ja, Winterfeld könnte sein Ziel erreichen – der Krieg wäre zu Ende. « »Und wenn er nun recht hat?« fragteSerena. »Ich meine, wenn es wirklich das kleinere Übel wäre?« Alle starrten sie bestürzt an, aber Serena fuhr in nachdenklichem Ton fort. »Ich weiß noch immer nicht viel von eurer Welt und euren Sitten, aber das, was ich bisher erlebt habe, das erschreckt mich manchmal. Die Menschen töten sich gegenseitig und
nicht nur einige wenige, sondern Tausende. In meiner Welt wäre das
unvorstellbar gewesen. Wäre es so schlimm, sie daran zu
hindern?«
»Auf diese Weise, ja«, antwortete Trautman ernst. »Wenn geschieht, was Winterfeld hofft, wäre nicht nur der Krieg beendet. Millionen Menschen würden erfrieren und verhungern, Serena. Unsere Kultur mag weit entwickelt sein, aber sie ist auch sehr empfindlich. Manchmal reicht schon ein einziger harter Winter, um die Versorgung eines Landes zusammenbrechen zu lassen. Eine einzige schlechte Ernte führt bereits zu Hungersnöten, und manchmal kostet ein einziges Unwetter schon Hunderte von Menschenleben. Wir halten uns nur zu gerne für die Herren der Welt, aber die Wahrheit ist, daß wir den Naturgewalten kaum weniger ausgesetzt sind als unsere Vorfahren. « »Sie würden nicht aufhören, sich zu bekämpfen«, sagte Mike. »Die Menschen würden nicht mehr aufeinander schießen, weil man es ihnen befiehlt. Aber sie würden es tun, weil sie Hunger haben. Selbst wenn Winterfeld Erfolg hat, macht er alles nur noch schlimmer. Es gibt nur eine andere Art von Krieg – nicht mehr Nation gegen Nation, sondern Nachbar gegen Nachbar und Bruder gegen Bruder. Auch wenn er recht hat und es nur fünf Jahre dauert – Europa würde hinterher nicht mehr existieren. «
Serena sah ihn an. Sie antwortete nicht, aber Mike konnte regelrecht sehen, wie es hinter ihrer Stirn zu arbeiten begann. Sie wirkte plötzlich sehr traurig, aber da war noch etwas anderes in ihrem Blick, etwas, was Mike seltsam berührte und ihn mit einem Gefühl der Scham erfüllte, das er im ersten Moment nicht verstand.
Es war nicht das erste Mal, daß er sich fragte, wie Serena seine Welt wirklich sah. Sie waren jetzt so lange zusammen, daß er manchmal zu vergessen begann, was Serenawirklichwar, aber in Augenblicken wie diesen wurde es ihm immer wieder bewußt und meist auf sehr schmerzhafte Weise. Ganz plötzlich begriff er, daß das wenigste, was er Serena bisher von seiner Welt gezeigt hatte, gut gewesen war. Sie war als Prinzessin und zukünftige Herrscherin einer Welt des Friedens und der Eintracht in ihren gläsernen Sarg gestiegen, und sie hatte sich in einer Zukunft wiedergefunden, die fast ausschließlich aus Gewalt, aus Haß, aus Furcht und Neid bestand – zumindest war es das, was sie im Laufe des vergangenen Jahres immer wieder erlebt hatte. »Aber wenn das so ist, warum tut er es dann?« fragte Serena. »Er muß doch wissen, was geschieht!« »Ich fürchte, in einem Punkt hatte Kapitän Stanley recht«, sagte Mike. »Winterfeld hat den Verstand verloren. Ich glaube, daß Pauls Tod ihn innerlich zerbrochen hat. Er will nur noch den Krieg beenden, weil er ihm seinen Sohn genommen hat, und es ist ihm völlig egal, um welchen Preis. «
Ungefähr eine Stunde vor Sonnenuntergang erreichte die LEOPOLD die Position, an der die anderen Schiffe auf sie warteten. Es waren sieben vollkommen unterschiedliche Schiffe
– zwei gewaltige Frachter, die beinahe die Abmessungen der LEOPOLD selbst hatten, aber auch eine Anzahl kleinerer Schiffe, alle deutscher, britischer und französischer Abstammung. Winterfeld hatte sie wieder aus ihrer Unterkunft holen lassen, empfing sie aber jetzt nicht in seiner Kabine, sondern an Deck. Angesichts der Kälte und des schneidenden Windes hatten sie sich alle in die warmem Felljacken gehüllt, die ihnen Winterfelds Soldaten ausgehändigt hatten, und auch ihre Bewacher waren der Witterung angemessen gekleidet. Nur Winterfeld selbst trug nichts als eine weiße Paradeuniform, von der er, ebenso wie von allen anderen Kleidungsstücken, die er besaß, seine militärischen Rangabzeichen entfernt hatte.
Er mußte in dem dünnen Stoff erbärmlich frieren, aber er ließ sich nichts davon anmerken, sondern empfing sie in tadelloser Haltung und stand fast eine Minute vollkommen reglos da, während sein Blick aufmerksam über das Gesicht jedes einzelnen glitt. Und schon ein einziger Blick in seine Augen machte Mike klar, daß ihre Diskussion von soeben vollkommen sinnlos gewesen war: Es hätte überhaupt keinen Zweck, Winterfeld belügen zu wollen. Er würde es sofort erkennen. »Nun?« begann er. »Haben Sie sich entschieden? Mister Stanley?«
»Gehen Sie zum Teufel«, sagte Stanley grob. Winterfeld lächelte, deutete ein Achselzucken an und wandte sich an seinen deutschen Kameraden, um ihm dieselbe Frage zu stellen. Von ihm bekam er erst gar keine Antwort. Er ging auch darauf mit keinem Wort ein, sondern drehte sich zu Trautman herum. »Ich hoffe, Sie sind etwas vernünftiger als meine geschätzten Kollegen«, sagte er. »Bitte bedenken Sie, daß Sie nicht nur überIhrLeben entscheiden, sondern auch über das der Kinder. « »Lassen Sie sie gehen«, sagte Trautman, ohne dabei direkt auf Winterfelds Frage zu antworten. »Ich beschwöre Sie, Winterfeld – verschonen Sie sie! Ich bleibe hier, und Sie können mit mir machen, was Sie wollen, aber lassen Sie die Kinder gehen!«
»Alswasbleiben Sie hier?« erkundigte sich Winterfeld. »Als mein Gefangener oder als Steuermann der NAUTILUS?«
»Nein«, sagte Serena, ehe Trautman antworten konnte. »Diese Aufgabe werde ich übernehmen. « Mike starrte sie ungläubig an. Ein Gefühl, das beinahe an Entsetzen grenzte, begann sich in ihm breitzumachen. Für einen Moment weigerte er sich einfach, zu glauben, was er gehört hatte. Und auchdie anderen blickten Serena mit einer Mischung aus Überraschung, Staunen und Erschrecken an. Selbst Winterfeld verlor für einen Augenblick seine Fassung. »Wie?« fragte er.
»Ich werde die NAUTILUS steuern«, wiederholte Serena. »Unter der Bedingung, daß Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß Mike und den anderen nichts geschieht. « »Nie und nimmer!« sagte Mike impulsiv. »Das lasse ich nicht zu! Nicht du!«
Und das war das Falscheste, was er in diesem Moment überhaupt hatte sagen können. Er begriff es im selben Moment, in dem er die Worte aussprach, aber es war zu spät. Winterfelds Blick wanderte von ihm zu Serena und wieder zurück, und Mike konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirnklickmachte. »So ist das also«, sagte er und lächelte. »Ja, ich hätte eigentlich schon von selbst darauf kommen müssen. Die Art, wie ihr euch anseht und miteinander umgeht... « Er lächelte noch breiter, wandte sich wieder an Serena und schüttelte den Kopf.
»Dein Angebot freut mich, aber ich fürchte, ich kann es nicht annehmen. « »Wieso?« fragte Serena.
»Weil ich dir nicht traue«, antwortete Winterfeld offen. »Siehst du, ich weiß sehr wohl, was du bist – und wozu dufähigbist. Immerhin hast du es mir schon einmal auf sehr drastische Weise bewiesen. Ich möchte wirklich nicht gerne allein mit dir auf einem Schiff sein. « »Aber Serena ist gar nicht mehr –« begann Chris, wurde aber sofort von Trautman unterbrochen: »Nicht mehr so unbeherrscht wie früher. « Er warf Chris einen beschwörenden Blick zu. Winterfeld glaubte ja noch immer, daß Serena im Besitz ihrer magischen Kräfte war, mit denen sie einst in der Lage gewesen war, ganze Stürme zu entfesseln. Und sie waren übereingekommen, ihn in diesem Glauben zu belassen. »Das glaube ich gerne«, antwortete Winterfeld. »Trotzdem – ich selbst weiß am besten, wozu verzweifelte Menschen imstande sind. Nein, ich fürchte, ich kann dein Angebot nicht annehmen. Aber du wirst an ihrer Stelle auf die NAUTILUS gehen. « Er deutete auf Mike.
»Was?« machte Mike überrascht. »Ich? Niemals!«
»O doch«, antwortete Winterfeld. »Du wirst es tun, weil du das Leben deiner Freunde retten willst. «
Er trat einen Schritt zur Seite und deutete auf die kleine Flotte, die in einer Reihe neben der LEOPOLD lag. »Es ist alles vorbereitet. Alles, was ich von dir verlange, ist, ein einziges Mal mit der NAUTILUS auf den Meeresgrund hinabzutauchen. Sobald wir zurück sind, übergebe ich euch euer Schiff, und ihr könnt euch in Sicherheit bringen. Deine Freunde werden inzwischen hier auf uns warten. «
»Und wenn ich mich weigere?« fragte Mike herausfordernd.
Winterfeld zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Das wirst du nicht«, sagte er. »Und selbst wenn – es würde nichts ändern. Die Schiffe werden in zehn Stunden, von jetzt an gerechnet, versenkt und gesprengt – ob die NAUTILUS zurückkehrt oder nicht. Deine Freunde würden sich dann allerdings in einem kleinen Rettungsboot wiederfinden, von dem ich, ehrlich gesagt, nicht glaube, daß es die Katastrophe heil übersteht. Du siehst also, es liegt ganz bei dir. « »Das ist Erpressung«, sagte Mike. »Wenn du es so nennen willst. « Winterfeld zuckte abermals mit den Schultern. »Ich nenne es ein Geschäft. Und nun würde ich vorschlagen, daß wir nicht noch mehr kostbare Zeit verlieren, sondern uns an die Arbeit machen. «
»Jetzt?« fragte Mike überrascht.
»Warum nicht? Es gibt keinen Grund mehr, länger zu warten. Im Gegenteil. Unsere Zeit ist reichlich knapp. « Mikes Gedanken überschlugen sich – obwohl er im Grunde bereits wußte, daß ihm gar keine andere Wahl mehr blieb, als auf Winterfelds Forderung einzugehen. Verzweifelt wandte er sich an Serena. »Warum hast du das getan?« fragte er. »Er hätte uns niemals zwingen können, ihm zu helfen!« »Aber das kann er doch auch jetzt noch nicht«, antwortete Serena verwirrt. »Wo ist denn der Unterschied?« »Der Unterschied ist«, sagte Winterfeld, »daß dein Freund jetzt auf jeden Fall überleben wird. Ich glaube, ihr wärt in der Lage gewesen, alle zusammen in den Tod zu gehen, nur um mich aufzuhalten, aber nun... « »Das können wir immer noch!« sagte Ben entschlossen. »Nein«, widersprach Winterfeld. »Ihr vielleicht – aber er nicht. Und genau aus diesem Grund wird er mir helfen. « Er wandte sich mit einem grausamen Lächeln wieder an Mike. »Oder?« fragte er. »Ich müßte mich sehr in dir täuschen, wenn du wirklich mit dem Wissen weiterleben könntest, schuld am Tod deiner Freunde zu sein. «
»Sie... Sie Ungeheuer«, sagte Trautman. »Ich dachte bisher, daß Sie vielleicht verrückt sind, aber trotzdem noch einen Funken Anstand im Leib haben. Aber ich scheine mich getäuscht zu haben. «
»Ja, das scheint wohl so«, sagte Winterfeld gelassen. »Also – gehen wir. «
Trotz allem war es ein beruhigendes und sehr wohltuendes Gefühl, wieder an Bord der NAUTILUS zu sein. Wie seine Freunde hatte Mike die letzten anderthalb Jahre zum größten Teil auf dem Tauchboot verbracht, und das Schiff war für ihn die Heimat geworden, die er niemals gehabt hatte. Das leise Surren der Motoren, das Rauschen des Wassers, das am stählernen Rumpf der NAUTILUS vorbeiglitt, und das beständige leise Knistern und Knacken, mit dem das Schiff auf den allmählich ansteigenden Wasserdruck reagierte, das waren für ihn vertraute Geräusche, mit denen das Schiff ihn nach tagelanger Abwesenheit zu begrüßen schien. Nicht einmal Winterfelds Männer, die allgegenwärtig zu sein schienen, konnten daran etwas ändern. Ganz langsam glitt die NAUTILUS in die Meerestiefe hinab. Vor dem großen Aussichtsfenster war noch ein blasser Schimmer von dunkelgrünem Licht zu sehen, der aber allmählich schwächer wurde. Das Schiff näherte sich den Bereichen des Meeres, in die das Sonnenlicht nicht mehr hinuntertraf. Unter ihnen lag nichts als ein schwarzer, Tausende von Metern tiefer Abgrund, in dem ewige Nacht herrschte – aber keineswegs Ruhe.
Noch merkte man es dem Schiff nicht an, aber die Werte, die Mike auf den Instrumenten des Kontrollpultes ablas, machten ihm klar, daß Winterfelds Theorie stimmte – sie näherten sich einem Bereich, in dem ein enormer Sog herrschte. Rings um sie herum stürzte das Wasser regelrecht in die Tiefe. Und die Gewalt dieser unterseeischen Strömung nahm rasch zu. Mike machte sich keine Sorgen um die NAUTILUS – sie waren schon auf viel heftigere Strömungen und Wirbel gestoßen und würden auch damit fertig werden – aber er begann zu ahnen, daß Winterfelds Plan, so verrückt er ihm auch immer noch vorkam, vielleicht aufgehen mochte. Zumindest einTeilseiner Theorie stimmte. Und wenn der Rest auch zutraf...
Nein, daran wollte er lieber gar nicht erst denken.
Solltest du aber,sagte eine Stimme in seinen Gedanken.Ehrlich gesagt habe ich nur die Hälfte von dem, was du mir erzählt hast, kapiert. Aber wenn es tatsächlich das bedeutet, von dem ich annehme, daß es es bedeutet, dann habt ihr Probleme.
Mike löste seinen Blick kurz von den Steuerinstrumenten und sah Astaroth an. Der einäugige schwarze Kater hatte es sich auf seinem Schoß bequem gemacht und schnurrte wohlig; vor allem, weil Mike von Zeit zu Zeit eine Hand von den Kontrollinstrumenten löste und ihn zwischen den Ohren kraulte. Von Astaroths penetranter Weigerung, sich wie ein Haustier behandeln undstreichelnzu lassen, war nicht mehr viel geblieben. Ganz im Gegenteil – der Kater war regelrecht über Mike hergefallen, als dieser an Bord gekommen war, und hatte nicht eher Ruhe gegeben, bis er ihn ausgiebig gestreichelt und begrüßt hatte. Mike hütete sich, eine entsprechende Frage zu stellen, aber er nahm an, daß Winterfelds Leute ihn nicht besonders gut behandelt hatten – oder daß er schlichtweg einsam gewesen war. Zwar war er zusammen mit Isis in einer Kabine eingesperrt gewesen, aber Isis war trotz allem nur eine ganz normale Katze, während Astaroth zweifellos ein denkendes, hochintelligentes Wesen war, das nuraussahwie eine gewöhnliche Katze.
Dashaben wir,antwortete Mike auf dieselbe lautlose Weise. Er war nicht allein im Salon der NAUTILUS, und bisher hatte offenbar noch niemand hier gemerkt, was Astaroth wirklich war. Und das sollte nach Möglichkeit auch so bleiben.
Vor allem ich. Ich verstehe Serena nicht. Warum hat sie das nur getan? Vielleicht, um am Leben zu bleiben?schlug Astaroth vor.
Kaum,antwortete Mike.Sie weiß ebensogut wie ich, was geschieht, wenn Winterfeld Erfolg hat. Sie würde niemals Millionen von Menschenleben opfern, um sich zu retten.
Aber vielleicht, um dich zu retten, Dummkopf,sagte Astaroth.
»Wie meinst du das?« Mike starrte den Kater überrascht an. Zwei der Männer neben ihm sahen auf und runzelten verwirrt die Stirn, denn Mike hatte die Worte laut ausgesprochen, so daß er hastig und noch lauter hinzufügte: »Wenn du das noch einmal machst, fliegst du runter. Ich lasse mich nicht beißen. «Gut reagiert,sagte Astaroth.Abgesehen davon, daß sie dich jetzt für verrückt halten, mit einer Katze zu sprechen.
Was hast du damit gemeint?beharrte Mike, nun wieder lautlos, aber mit noch größerem Nachdruck.