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Als Krista lachte, fühlte sich Scott wie ein Glückspilz.
»Ich liebe dich, Scott.«
»Ich dich auch.«
Als sie auflegten, stand Scott immer noch draußen auf der Veranda im kühlen, erfrischenden Regen.
Als sich das Telefon erneut meldete, fuhr Scott zwar zusammen, empfand das Läuten aber nicht mehr als beängstigend, sondern nur noch als ganz normales, angenehmes Geräusch. Er trat von der Veranda ins Haus und nahm mit fröhlichem Hallo ab.
»Scott?« Es war Gerry. »Hör zu, wir haben die beiden gefunden, es geht ihnen gut Allerdings hat Krista eine Stinkwut«
»Tja, das weiß ich, sie hat gerade eben angerufen. Danke, Mann, ich schulde dir einiges und werd dir einen ausgeben.« Scott lachte leise. »Kannst du mir jetzt auch noch aus dieser Patsche helfen? Wenn Krista herausfindet, dass ich hinter all dem stecke — ganz abgesehen von dem verrückten Grund dafür -, dann gnade mir Gott.«
»Das ist die leichtere Übung.«
»Danke, Kumpel. Du musst ja denken, dass ich allzu lange in der Sonne gewesen bin und einen Stich habe.«
»Naja, du weißt doch, was man sich über Seelenklempner erzählt... Nein, ganz im Ernst, deine Sorge um die beiden hat mich echt gerührt. Du kannst von Glück sagen, Menschen um dich zu haben, an denen du so hängst.«
»Tja, ich weiß.« Scott gab es einen leichten Stich ins Herz, als er die eigene Situation mit der seines Freundes verglich. Gerrys Frau Steffie hatte ihren Ehemann vor zwei Jahren sitzen lassen - mit einer leer geräumten Wohnung und einem Abschiedsbrief auf dem Küchentisch.
»Kannst du mir jetzt auch den verrückten Grund für all das verraten oder muss ich warten, bis die's im Fernsehen bringen?«
»Das ist ja wohl das mindeste, was du verdienst. Allerdings nicht jetzt. Vielleicht nächste Woche bei einem Bier und einem Essen in der Pizza Hut. Ich möchte Krista gleich zurückrufen. Ich fliege noch heute nach Boston und treffe mich am Abend mit ihr.«
»Okay, José. Aber lass mir noch zehn, fünfzehn Minuten Zeit, damit ich das Missverständnis in den Staaten aufklären kann, ehe du sie anrufst... Und meide die Sonne.«
»Auf bald«, sagte Scott lachend. »Ich ruf dich wieder an.«
Er legte den Hörer auf die Gabel und machte sich auf den Weg nach oben. Lautlos vor sich hin pfeifend, ging er ins Bad, entledigte sich seiner durchnässten Sachen und hüpfte unter die Dusche. Er fühlte sich großartig, besser als seit Tagen. Und dennoch konnte er, während das heiße Wasser Wunder wirkte, untrüglich spüren, wie die Erschöpfung ihn überwältigte. Er steuerte auf einen regelrechten Kollaps zu, das war ihm klar. Wahrscheinlich wurde er den ersten Tag in Boston einfach durchschlafen.
Eine Kuh, dachte er wieder. Keine schlurfenden Zombies aus dem Tal der Toten. Nicht, dass er auch nur einen Augenblick geglaubt hätte ...
Es war dieser Moment, in dem ihm klar wurde, dass der Zeichner trotz allem Recht behalten hatte. In seiner Erleichterung war Scott so zerstreut gewesen, dass er den wahren Kern der Prophezeiung missachtet hatte. Es war tatsächlich eingetroffen: Seine beiden Frauen hatten abends einen Autounfall gehabt, waren auf der Straße mit einem Lebewesen zusammengestoßen. Und das heißt, dass sie jetzt außer Gefahr sind... oder nicht? Er trat aus der Dusche, rubbelte sich energisch trocken und trottete ins Schlafzimmer hinüber. Immer noch ein wenig wackelig auf den Beinen, griff er nach dem Telefon und rief den Reservierungsschalter der Air Canada an. Das Bestmögliche, das man für ihn tun könne, sei die Reservierung eines Fluges nach Montreal samt eines Anschlussfluges nach Boston, wurde ihm mitgeteilt. Mit Air Canada könne er abends um acht aus Ottawa abfliegen und eine Stunde später in Montreal in eine Delta-Maschine umsteigen, um am späteren Abend um fünf vor elf in Boston zu landen. Das passte ihm gut: Der späte Flug würde ihm Zeit lassen, die Dinge in der Klinik zu regeln.
Als Nächstes wählte er die Nummer, die Krista ihm gegeben hatte.
Die Frau, die abnahm, sprach mit einem schleppenden Nordstaader-Akzent, der Scott affektiert vorkam. »Morgen, hier Nomad's Notch.«
»Hier Dr. Bowman«, erwiderte er mit so viel Autorität, wie er aufbringen konnte. »Bitte geben Sie mir Krista Bowman.«
Der Hörer schepperte, als er gegen irgendetwas Hartes stieß. Scott hatte dabei einen Kunststoff-Tresen voller Kaffeeflecken vor Augen. »Is' für Sie«, hörte er die Frau sagen. »Scott?«
»Hi, ich hab Gerry erreicht...«
»Ja, ich weiß.« Krista klang munter und erleichtert. »Diese Gangster sind abgezogen, ohne jede Entschuldigung oder sonst was. Haben nur gesagt: Hier ist Ihr Führerschein, Lady, Sie können jetzt fahren. Schweine. Na ja, wenigstens können wir jetzt los. Kath hält das alles für einen Mordsspaß. Ich hab Caroline schon angerufen. Sie hat gelacht, aber ich weiß, dass sie sich genau wie du Sorgen gemacht hat.«
Sie dachte einen Augenblick nach. »Mir geht's jetzt wieder gut, weißt du, du musst also nicht unbedingt nach Boston fliegen. Ich fände es zwar schön, aber ...«
Scott warf erneut einen Blick auf die Zeichnungen, die er vor dem Duschen aufs Bett geworfen hatte. »Sorg einfach dafür, dass der Harem heute Abend um elf am Delta-Ausgang versammelt ist.«
Krista kreischte leise auf, was sie nur tat, wenn sie sich sehr freute.
»Krista?« Scotts Stimme war fast ein Flüstern.
»Ja, Liebling?«
»Kannst du mir einen Gefallen tun?« Er sah die Angst im Gesicht des Kindes auf der Zeichnung und merkte, dass an seinem Haaransatz Schweiß perlte.
»Spuck's schon aus, Kumpel.«
»Fahr heute Abend nicht mehr nach Einbruch der Dunkelheit, ja?«
»Was? Warum denn nicht?«
»Bitte, Liebes. Tu einen Abend lang einfach das, was deinen bekloppten Ehemann beruhigt.«
»Und wie soll ich dich dann am Flughafen abholen?«
»Fahr mit Caroline, dann muss ich mir keine Sorgen machen, okay?«
»Okay.« Krista war zu erschöpft, um weiter nachzuhaken oder mit ihm herumzustreiten. »Bis heute Abend also.« Absichtlich ließ sie in diesen Abschiedsworten ein erotisches Versprechen mitschwingen.
»Alles klar«, erwiderte Scott, der das Signal erkannte. »Ich bin der Mann mit der Prawda unter dem Arm und der unreifen Chiquita-Banane, heimlich festgeklebt im Schritt« Krista lachte. »Bowman, du bist wirklich ein Blödmann ... Aber ich liebe dich trotzdem. Und tschüss.« Sie legte auf.
Ehe Scott am späten Vormittag zur Klinik aufbrach, faltete er die Zeichnungen zusammen und verstaute sie in der Reisetasche. Er wollte sie Krista zeigen, vielleicht würden sie dann beide herzhaft über diese ganze dämliche Sache lachen. In ein anderes Taschenfach stopfte er Jeans und Jinnie, Kaths Flickenpuppe.
Er war schon auf dem Weg nach draußen, als ihm die Weihnachtsfotos einfielen, die er hatte entwickeln lassen. Er schob sie als Letztes in die Tasche.