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Als Dr. Holley am Mittwochmorgen auf die Intensivstation kam, fand er Scott zusammengerollt auf dem Liegesessel vor. Mit leerem Blick starrte er auf sein Kind, das noch nicht wieder bei Bewusstsein war. Es war ihm anzusehen, dass er kaum geschlafen hatte. So behutsam wie möglich wies der Untersuchungsbeamte Scott auf die unangenehmen Pflichten hin, um die er sich würde kümmern müssen, da sie keinen Aufschub duldeten.
»Sie werden entscheiden müssen, was mit dem Leichnam geschehen soll«, sagte er in einem Ton, den Scott sofort einordnen konnte. Dr. Holley und seine Kollegen wandten diesen Ton gegenüber den verlorenen Seelen an, die man gemeinhin als die trauernden Hinterbliebenen bezeichnete.
»Normalerweise kümmert sich das Beerdigungsinstitut um alle Formalitäten, die Abholung des Leichnams, die Überführung und all das. Sie müssen dort nur anrufen und Bescheid sagen. Außerdem müssen Sie sowohl für Ihre Frau als auch für Ihre Tochter einige Formulare ausfüllen und das Auto abholen oder abholen lassen. Soweit ich weiß, hat es den Wagen zwar ziemlich erwischt, aber es ist keineswegs ein Totalschaden.« Holley seufzte. »Haben Sie schon irgendwelche Verwandten benachrichtigt?«
Scott schüttelte den Kopf. Es war ihm nicht einmal in den Sinn gekommen, irgendwo anzurufen. Klara würde er als Erstes benachrichtigen müssen, danach Kristas Mutter... Vielleicht konnte er das aber auch Klara überlassen ... Ja, das würde das Beste sein. Er sollte auch Gerry anrufen ... und einige der anderen engsten Freunde, aber das konnte warten.
Holley stand auf. »Die Schwestern haben alle Formulare, die Sie brauchen.« Er deutete auf die Computerkonsole hinter der seitlichen Wand aus Plexiglas. »Sie können sie ausfüllen, sobald Sie sich dem gewachsen fühlen.« Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. »Ich habe hier noch etwa eine Stunde zu tun, dann muss ich in die Stadt. Wenn Sie möchten kann ich Sie bei der Werkstatt absetzen, wo die Polizei Ihr Auto abgestellt hat. Inzwischen müssten die uns auch mitteilen können, ob möglicherweise irgendwelche technischen Probleme den Unfall verursacht haben. Sie können dann gemeinsam mit denen entscheiden, was mit dem Wagen am besten geschehen soll.«
Scott setzte sich auf und rutschte zum Rand des Liegesessels. Während er sich mit kraftlosen Händen das Gesicht rieb, spähte er durch die Finger auf Kath, deren Augen halb offen standen und hoffnungslos leer wirkten. Vage merkte er, was Holley gerade tat: Ebenso behutsam wie bestimmt versuchte der Untersuchungsbeamte, ihn dazu zu bewegen, sich mit den Realitäten zu befassen - vielleicht weil ihm klar war, dass Scott nahe dran war, jeden Bezug dazu zu verlieren.
»Ich weiß nicht, ob ich meine Tochter allein lassen soll«, erwiderte Scott. In seinem Kopf hatte es schmerzhaft zu pochen begonnen, und es schien schlimmer zu werden, nachdem er sich aufgesetzt hatte. »Vielleicht sollte ich noch eine Weile hier bleiben.« Er massierte seine Schläfen. Im Mund hatte er einen widerlichen Geschmack, außerdem war sein Gaumen wie ausgedörrt. Einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, ihm werde sich gleich der Magen umdrehen, aber es ging vorbei.
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Holley tippte auf den Funkrufempfänger, der an seinem Gürtel klemmte. »Ich habe einen Beeper mit großer Reichweite dabei und werde dafür sorgen, dass man uns benachrichtigt, falls sich am Zustand Ihrer Tochter irgendetwas ändert.« Holleys sachtes Drängen nahm mehr und mehr einen vorsichtigen Befehlston an. »Wie wär's, wenn Sie sich ein bisschen frisch machen, duschen, vielleicht auch Kaffee trinken? Ich bin in einer Stunde zurück. Dann können Sie damit anfangen, einige der nötigen Dinge hinter sich zu bringen, einverstanden?«
Unsicher nickend, wandte sich Scott wieder seiner Tochter zu.
»Sie kommt schon wieder hin«, bemerkte Holley und bediente sich dabei erneut aus dem Repertoire wohltönender Floskeln, zu denen Mediziner in solchen Situationen greifen. »Sie werden's bald merken.« Gleich darauf verschwand er.
Zwar hatte Scott sich seit vierundzwanzig Stunden nicht rasiert, auch nicht geduscht oder die Kleidung gewechselt, dennoch verzichtete er aufs Frischmachen. Er lehnte auch den Kaffee ab, den eine Krankenschwester ihm anbot. Stattdessen blieb er am Bett der kleinen Gestalt sitzen, die sich nicht rührte, während sein eigener Körper jede Verbindung zur Realität verlor und sein Gehirn auf Leerlauf schaltete.
Ehe er eine Stunde später mit Holley aufbrach, sah er noch bei Caroline herein, die immer noch schlief, dabei etwas murmelte und sich unruhig hin und her warf.