122089.fb2 Der rote Henker - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 9

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Dann trat er in den Raum mit der Guillotine.

Das Mordwerkzeug Louis de Lavornes stand auf einem erhöhten Podest. In einem Anflug von makabrer Gefühlsduselei hatte sein Sohn das Instrument hinterher in den Keller seines Schlosses schaffen lassen. William fröstelte unwillkürlich, als er auf die Guillotine zuging, auf der drei Tage vorher sein Vater das Leben lassen mußte, von unbekannten Kreaturen bestialisch hingerichtet.

Die frischen Blutspuren waren auch hier nicht zu übersehen. Niemand hatte es für nötig gefunden, sie zu beseitigen. William Corry wandte sich ab.

Er wunderte sich nur, daß die Polizisten das Fallbeil wieder hochgezogen und den Strick gespannt hatten. Die Guillotine war einsatzbereit.

„Kann ich jetzt wieder gehen?“ fragte der Gärtner in die plötzliche Stille.

„Ich komme auch gleich mit. Wir gehen den Weg zurück, den wir gekommen sind. Bevor ich mich weiter um die Gewölbe kümmere, möchte ich erst einen Plan studiert haben. Weiß der Teufel, wohin die Gänge alle führen.“

Er folgte Cranisse in den Nebenraum zurück. Sorgfältig schob er den Riegel wieder vor. Er würde sich um dessen Geheimnis zu einem anderen Zeitpunkt kümmern.

Nach fünf Minuten standen sie wieder im Treibhaus.

„Noch etwas“, sagte William, schon fast an der Tür. „Wer weiß eigentlich etwas von diesem Gang, den Sie mir eben gezeigt haben?“

„Alle im Haus wissen es. Ich habe seine Entdeckung nicht verschwiegen.“

„Wie viele Leute vom alten Personal sind noch hier?“

„Nur Richard und ich. Und meine Tochter natürlich. Aber die können Sie nicht ganz dazurechnen. Sie hilft nur ab und zu aus, wenn die Arbeit überhandnimmt. Die anderen Leute hat der Marquis alle mitgenommen.“

„Ich habe einen jungen Mann im Schloß gesehen. Er hat Pickel im Gesicht. Wer ist das?“

Die Miene des alten Gärtners verdüsterte sich.

„Ein Herumtreiber und Tunichtgut. Alan ist der Sohn von Richard. Er taugt nichts. Er kommt immer nur, um dem Vater den Lohn abzuknöpfen. Dann verschwindet er wieder. An meine Tochter hat er sich auch schon herangemacht. Aber ich habe ihn mit der Sense vertrieben.“

Jean Cranisse nickte zufrieden.

„Wann bekommt Richard eigentlich sein Gehalt? Heute ist doch erst der Zwanzigste dieses Monats.“

„Seltsam“, räumte der Gärtner ein. „Geld gibt es erst am Fünfundzwanzigsten. Sonst taucht er eigentlich nie vorher auf. Vielleicht meint er, Richard hätte noch Geld versteckt. Dabei ist er arm wie eine Kirchenmaus. Diese jungen Leute…“

Jean Cranisse schüttelte noch mal trübsinnig seinen Kopf. Er merkte gar nicht, daß William Corry schon gegangen war.

William ging zielstrebig zum Schloß zurück. Einige Ungereimtheiten waren aufgetaucht. Zuerst würde er diesen Marquis anrufen. William hatte seine Telefonnummer im Sekretär des Zimmers seines Vaters gesehen. Und anschließend wollte er mit Inspektor Truffaut sprechen. Vielleicht hatte der in der Zwischenzeit mehr herausbekommen.

In seinem Zimmer angekommen, ließ er sich gleich mit der Villa Lucienne in St. Tropez verbinden. Es dauerte eine ganze Weile, bis man ihm den Marquis an das Telefon brachte. Seine Stimme krächzte wie die eines Papageis.

„Der junge Corry sind Sie? Beileid. Was wollen Sie von mir? Ich habe mit der Angelegenheit nichts zu tun. Ich bin ausgestiegen und will meine Ruhe haben.“

„Nur eine kleine Frage, Marquis. Sie haben doch Ihre Angestellten aus Chateau Brumbeau mitgenommen.“

„Alle bis auf den Butler und den Gärtner. Sie erinnerten mich ständig daran, wie alt ich schon bin.“

„Hat einer von Ihren Angestellten in den letzten Tagen frei gehabt?“

„Während Ihr Vater umgebracht wurde?“

„Ja.“

„Nein. Da waren alle hier.“

„Können Sie mir sagen, wo sich die Pläne für die Gewölbe unter dem Schloß befinden?“

„Wollen Sie auf Schatzsuche gehen?“ fragte der Marquis kichernd zurück. „Sie werden nichts finden. Aber die Pläne sind in der Bibliothek. Ich habe sie dort in die oberste Schreibtischschublade gesteckt. Sie liegen in einer schwarzen Mappe mit weiterem Papierkram über das Schloß. Würden Sie mich jetzt bitte entschuldigen? Ich habe Gäste.“

„Natürlich, Marquis de Lavorne. Ich wollte Sie nicht stören. Haben Sie vielen Dank.“

William Corry legte auf und wählte sofort wieder. Das Fräulein vom Amt verband ihn mit dem Polizeipräsidium in Orleans. Inspektor Truffaut war nicht zu erreichen. Er trieb ihn schließlich in seiner Wohnung auf.

„Hier ist Corry“, sagte William in die Muschel. „Tut mir leid, wenn ich in Ihr Privatleben eindringe. Aber ich habe etwas für Sie, das unter Umständen wichtig sein könnte.“

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Monsieur Corry. Seit das mit Ihrem Vater passiert ist, habe ich ohnehin kein Privatleben mehr. Ich hatte mich nur ein wenig aufs Ohr gelegt. Was gibt es Neues?“

„Sie wußten nichts von einer Geheimtür zu der Kammer, in der die Guillotine stand?“

„Erzählen Sie.“

William Corry erklärte kurz, was er vom Gärtner erfahren hatte. „Außenstehende wußten nichts von diesem Gang“, schloß er.

„Interessant“, kommentierte Inspektor Truffaut. „Ich mache mich sofort auf die Socken. In etwa zwei Stunden kann ich bei Ihnen sein.“

„Noch etwas, Monsieur Inspecteur. Könnten Sie vorher noch Auskünfte über eine gewisse Chantal Valet einholen? Ich glaube, sie stammt aus Paris und ist gestern abend hier auf dem Schloß angekommen. Angeblich wollte sie meinen Vater besuchen. Ich glaube, sie will mich vom Schloß weglocken.“

„Bon. Ich erkundige mich.“

„Zum Schluß noch eine Frage, Inspecteur. Warum haben Ihre Beamten das Fallbeil eigentlich wieder hochgezogen? Die Guillotine ist wieder betriebsbereit. Sollte das ein makabrer Scherz sein?“

Zuerst kam nichts als Stille aus dem Telefonhörer.

„Haben Sie sich bestimmt nicht getäuscht?“ fragte Truffaut schließlich.

„Meine Sinnesorgane sind intakt.“

„Dann verstehe ich das nicht. Meine Beamten haben das nicht gemacht. Sie haben sogar den Schnurzug ausgebaut.“

William Corry hatte eben aufgelegt, als es an der Tür zum Nebenzimmer klopfte. „Come in“, sagte William.

Chantal Valet hatte sich umgezogen. Sie hatte sehr viel Geschmack und wußte genau, was sie kleidete. Für den fortgeschrittenen Nachmittag hatte sie ein enggeschnittenes Cocktailkleid gewählt. Es war vorn hochgeschlossen und gab den Rücken frei. Der schillernde Stoff lag wie eine zweite Haut an ihrem Körper.

„Gefalle ich Ihnen?“ fragte Chantal, jetzt wieder ganz schnurrendes Kätzchen.

„Sie würden sogar einem Blinden gefallen“, gab William artig zurück. „Ich freue mich schon darauf, daß Sie mir - äh - Frankreich zeigen.“

Chantal lächelte belustigt. „Es scheint, Sie sind mit Macht dabei, auf andere Gedanken zu kommen.“