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»Schwester Annegret, rufen Sie die Polizei«, sagte der Arzt kühl.
Johannes atmete hörbar ein. »Das ist nicht nötig«, sagte er, nun in resignierendem Tonfall. »Ich gehe. Bitte entschuldigen Sie mein Eindringen. Und – Herr Brenner, bitte versuchen Sie, sich an das Mädchen zu erinnern. Es ist sehr wichtig.«
Brenner hörte, wie er um das Bett herumging und mit schnellen Schritten das Zimmer verließ. Eine Frauenstimme, die er bisher noch nicht gehört hatte, fragte: »Soll ich die Polizei rufen, Herr Professor?«
»Nein«, antwortete der Arzt nach kurzem Überlegen. Jetzt erinnerte sich Brenner auch an den Namen: Schneider. Professor Schneider. »Der kommt nicht wieder. Das ganze Aufheben lohnt sich sowieso nicht.«
Er drehte sich geräuschvoll wieder zu Brenner herum und kam näher, so daß er von einer körperlosen Stimme wieder zu einem weißen Schemen ohne erkennbares Gesicht wurde. Im ersten Moment dachte Brenner, er spräche direkt zu ihm, aber als er es tat, bewegten sich Ausläufer des weißen Schemens nach oben; er hantierte an seinen elektronischen Wächtern, während er weiterredete:
»Ich hoffe, der Kerl hat Sie nicht zu sehr aufgeregt. Ich werde den Leuten am Empfang gehörig den Kopf waschen – so was kommt nicht noch mal vor, das verspreche ich Ihnen.«
»Ich … ich verstehe überhaupt nicht, was los ist«, antwortete Brenner verwirrt. »War er denn kein Pater?«
Der Professor schnaubte abfällig. »Ich weiß nicht, wer dieser Kerl ist, aber ich kann Ihnen sagen, wofür ich ihn halte.« »Und für wen?« erkundigte sich Brenner. »Höchstwahrscheinlich ein Reporter«, antwortete Schneider. »Sie glauben nicht, auf welche Ideen diese Kerle kommen, wenn sie hinter einer Story her sind. Denen ist absolut nichts heilig. Was haben Sie ihm erzählt?«
»Nichts«, sagte Brenner. »Die meiste Zeit hat er geredet, um ehrlich zu sein.«
»Dann sind wir ja gerade noch rechtzeitig gekommen. So … das hätten wir.« Er hörte auf, an den Geräten neben Brenners Bett zu spielen, und beugte sich nun doch direkt über ihn. »Und wie fühlen wir uns heute?«
Brenner konnte sich gerade noch einen abgedroschenen Kalauer verkneifen: Mir geht es gut, Herr Doktor, aber Ihnen … ? Statt dessen zuckte er mit den Achseln und sagte: »Nicht viel besser als gestern, um ehrlich zu sein. Ich kann immer noch nichts sehen.«
»Ja, das habe ich schon gehört. Der Augenarzt ist morgen nicht im Haus, aber übermorgen werde ich gleich noch einmal mit ihm reden, das verspreche ich Ihnen.«
Brenner erschrak. Noch zwei Tage als Gefangener in dieser Welt, die nur aus grauen Schemen und Ungewißheit bestand? »Ist das denn … notwendig?« fragte er stockend.
Seiner Stimme mußte wohl sehr viel mehr Erschrecken anzuhören sein, als ihm selbst bewußt gewesen war, denn der Arzt beeilte sich plötzlich, zu versichern: »Sie werden wieder sehen können, keine Angst. Der Kollege hat mir versichert, daß Ihre Sehnerven keinen bleibenden Schaden davongetragen haben. Aber Sie müssen sich noch ein wenig gedulden.«
»Und was heißt ein wenig?« fragte Brenner. »DreiTage? Drei Wochen? Drei Monate?«
Eine Sekunde lang, die durch das graue Zwielicht, in dem er trieb, auf das Zehnfache ihrer normalen Länge gedehnt wurde, herrschte lastendes Schweigen, das Schneider mit einem kurzen und kein bißchen überzeugend klingenden Lachen beendete. »Seit wann bekommt man von einem Arzt eine konkrete Auskunft?« fragte er.
»Manchmal geschehen eben noch Zeichen und Wunder.« »Vielleicht – aber dafür wäre dann wohl eher der Herr zuständig, der gerade gegangen ist … Im Ernst: ich bin kein Spezialist auf diesem Gebiet, und ich will dem Kollegen auch nicht vorgreifen, aber ich denke, in den nächsten Tagen müßte sich eine spürbare Besserung einstellen. Und jetzt haben Sie, glaube ich, genug Aufregung für einen Tag gehabt. Versuchen Sie ein bißchen zu schlafen.«
Brenner ersparte es sich, zu antworten. Wenn er in den gut drei Tagen, die er jetzt hier war, eines begriffen hatte, dann, daß es vollkommen sinnlos war, mit den Ärzten diskutieren zu wollen.
Also ließ er sich zurücksinken und schloß die Augen obwohl es nahezu überflüssig war – , während sich die Schritte des Professors und der Schwester entfernten, und gegen seine eigene Erwartung schlief er ein, noch ehe er das Geräusch der Tür hörte.
Er hatte wieder einen Alptraum, aber diesmal träumte er nicht von Skorpionen, die aus den Rissen einer verblassenden Welt krochen, um die Menschen zu quälen, sondern von einem Mädchen ohne Gesicht.
Zumindest am Anfang.
Nach allem war es am Schluß beinahe schon zu leicht gewesen. Wäre Salid noch der Mann gewesen, als der er vor einer Weile in dieses Land gekommen war, dann hätte er höchstwahrscheinlich sogar so etwas wie Enttäuschung empfunden; denn was ihm als die größte Herausforderung seines bisherigen Lebens erschienen war, entpuppte sich nach drei Tagen als Kinderspiel.
Salid liebte Herausforderungen. Mehr: er brauchte sie, so dringend wie ein Süchtiger seine Droge und ebenso regelmäßig und in steigender Dosierung. Übrigens auch mit dem gleichen, unvorhersehbaren Ende.
Er streckte die Hand nach demTürgriff aus, zog sie aber dann noch einmal zurück, um einen letzten, sichernden Blick in die Runde zu werfen; ein Verhalten, das ihm so sehr in Fleisch und Blut übergegangen war, daß er schon gar nicht mehr anders konnte – selbst wenn es vollkommen überflüssig war, wie jetzt. Er hatte den Wagen auf einem Parkplatz schräg gegenüber der Klinik abgestellt, den er bei seiner ersten Erkundung heute nachmittag entdeckt hatte. Er war ideal – Salid konnte die Straße in beiden Richtungen überblicken, ohne selbst gesehen zu werden. Es gab zwar eine doppelte Reihe modern gestylter Laternen, die die Straße auch nachts fast taghell erleuchteten, aber dazwischen auch eine noch dichter gestaffelte Doppelreihe ebenso sorgfältig gestylter Platanen, die hinlänglich Schatten spendeten, um den Wagen nahezu unsichtbar zu machen. Auch in anderer Hinsicht war die Straße ideal: mit Ausnahme des Krankenhauses selbst gab es nur mittlere bis große Einfamilienhäuser, meist hinter gepflegten Vorgärten oder halbhohen Hecken gelegen und mit großem Abstand zu ihren Nachbarn. Somit hatte er buchstäblich Dutzende von Fluchtwegen zur Auswahl.
Nicht, daß er sie brauchte.
Was vor ihm lag, war vielleicht der schwerste Kampf, den er in seinem ganzen Leben würde ausfechten müssen, und er hatte bisher nicht einmal eine Ahnung, wie er ihn bestehen sollte,
aber eines wußte er mit Sicherheit: er würde nach vollkommen anderen Spielregeln ablaufen als alles, was er kannte. Trotzdem: Salid konnte nun einmal nicht aus seiner Haut. Er ließ weitere fünf Sekunden verstreichen, in denen er die Straße aufmerksam beobachtete, dann stieg er aus dem Wagen und überquerte mit schnellen Schritten die Straße. Er war dunkel gekleidet – nicht schwarz, das wäre zu auffällig gewesen – , und er bewegte sich gerade schnell genug, um nicht wirklich zu hasten; ein Passant, der es eilig hatte, aber nicht so eilig, daß er aufgefallen wäre. Niemand würde sich später an den Mann in dunklen Flanellhosen und blauem Cordsakko erinnern, selbst wenn es der Zufall wollte, daß jemand zu dieser Uhrzeit aus dem Fenster sah. Ein weiterer Reflex aus seinem früheren Leben, der vollkommen sinnlos geworden war. Er wurde nicht gejagt. Der Gegner, mit dem er es diesmal zu tun hatte, hatte es nicht nötig, seine Opfer zu hetzen. Er wartete, bis sie zu ihm kamen.
Salid sah auf die Uhr, während er die Straße überquerte und sich im spitzen Winkel dem Krankenhaus näherte; der Pförtner in seiner trübgelb erhellten Loge würde ihn so nicht sehen können. Die Videokamera, die er während seiner Patrouillenfahrt am Tage entdeckt hatte, bereitete ihm etwas größere Sorgen, aber auch damit würde er fertig werden. Vermutlich war sie nicht permanent eingeschaltet oder zumindest nicht mit einem Recorder gekoppelt. Wer würde schon einen harmlosen nächtlichen Spaziergänger aufnehmen?
Er näherte sich dem Eingang und blieb im Schatten eines Strauches stehen. Der Pförtner sah genau in seine Richtung, aber Salid wußte, daß er ihn nicht sehen konnte; die Pförtnerloge war hell erleuchtet, während die Lampen hier draußen allenfalls zur Dekoration gut waren. Trotzdem erstarrte er für einen Moment zur Reglosigkeit, bis der Pförtner den Blick wieder auf die Zeitschrift senkte, mit der er sich die Langeweile vertrieb.
Salid wartete. Er hatte noch keinen konkreten Plan – in das Krankenhaus hineinzukommen stellte kein Problem dar, aber er wußte weder, in welchem Zimmer sich die Person befand, nach der er suchte, noch, in welchem Zustand er sie antreffen würde. Er würde improvisieren müssen.
Das Klingeln einesTelefons drang gedämpft an sein Ohr. Salid sah, wie der Pförtner nach dem Hörer griff und einige Sekunden lang lauschte, dann aber heftig und ganz offensichtlich nicht besonders gut gelaunt zu gestikulieren begann. Schließlich hängte er ein, stand auf und verließ die Loge. Salid sah, daß er stark humpelte – das war von Vorteil, denn es bedeutete, daß er sich nicht besonders schnell bewegen konnte. Es sah so aus, als hätte er Glück; zumindest eines seiner Probleme schien sich gerade von selbst erledigt zu haben.
Er wartete, bis der Mann verschwunden war, zählte in Gedanken dann noch einmal langsam bis fünf und betrat das Krankenhaus. Der Pförtner war so leichtsinnig gewesen, wie Salid gehofft hatte: Die Kabine war nicht abgeschlossen. Salid schlüpfte rasch durch die Tür, trat an den Schreibtisch und stellte ohne besondere Enttäuschung fest, daß es keine Patientenliste gab. Der Schreibtisch war leer bis auf eine aufgeschlagene Auto-Zeitschrift und einen halbvollen Aschenbecher. Auf einem kleinenTischchen daneben stand ein Computerterminal; der Monitor war ausgeschaltet, aber das Gerät selbst befand sich im Stand-by-Modus. Salid kannte sich hinlänglich mit Computern aus, um das System zu starten und auf diese Weise herauszubekommen, in welchem Zimmer sich der Gesuchte befand, aber er zögerte trotzdem. Er wußte nicht, wohin der Pförtner gegangen war, geschweige denn, wie lange er wegbleiben würde. Es bestand die Gefahr, daß der Mann ihn überraschte, während er noch mit dem Terminal beschäftigt war, und Salid hätte es bedauert, ihn töten zu müssen.
Er wollte sich gerade herumdrehen und die Pförtnerloge wieder verlassen, als er eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Jemand kam auf das Krankenhaus zu. Ein Schatten, der geduckt an der Fassade entlangschlich und dabei versuchte, die spärliche Deckung auszunutzen, die die Architektur des Ge'' bäudes und die wenigen, lieblos aufgestellten Pflanzenkübel bo= ten. Er stellte sich dabei nicht einmal besonders geschickt an, aber er bewegte sich mit einer Art natürlicher Eleganz, die ihn vor den Blicken eines etwas weniger aufmerksamen Beobachters, als es Salid war, geschützt hätte.
Die meisten anderen Männer wären jetzt vielleicht erschrocken zusammengefahren oder hätten hastig versucht, sich hinter die nächstbeste Deckung zu ducken. Salid nicht. Er erstarrte zur Salzsäule. Wer immer dort draußen heranschlich, beobachtete die Pförtnerloge zweifellos ebenso aufmerksam, wie er selbst es vorhin getan hatte. Wenn er sich bewegte, würde der andere ihn entdecken; wenn nicht, hatte er eine gute Chance, nur ein Schatten unter Schatten zu sein. Das menschliche Auge war das eines Jägers, das auf Bewegung reagierte, weniger auf das, was es sah. Salid stand mit angehaltenem Atem da und beobachtete die sich nähernde Gestalt aus den Augenwinkeln.
Nach einigen Momenten revidierte er seine Meinung über den Fremden – der Mann stellte sich sogar ausgesprochen ungeschickt an. Selbst der Pförtner, der sich eindeutig mehr für seine Lektüre als seine eigentliche Aufgabe interessiert hatte, hätte ihn unweigerlich entdecken müssen. Von der Videokamera über dem Eingang ganz zu schweigen.
Die Gestalt wurde immer langsamer, je weiter sie sich dem Eingang näherte. Salid konnte jetzt erkennen, daß es ein Mann in einem dunklen und offenbar viel zu weiten Mantel war. Er blieb immer wieder stehen, duckte sich, richtete sich wieder auf, bewegte sich nach rechts, links – es waren die typischen Bewegungen eines Mannes, der etwas tat, was er eigentlich nicht wollte. Und er war nicht nur kein Profi, dachte Salid abfällig, sondern eindeutig ein Dilettant. Aber das war immer noch keine Antwort auf die Frage, was der Fremde hier eigentlich tat.
Die Gestalt kam näher, und für einen Moment richtete sich ihr Blick direkt auf Salid. Das schwache Sternenlicht glitzerte auf dunklen Pupillen, deren Blick sich unmittelbar in Salids Augen zu bohren schien. Vollkommen still stehend und darauf vertrauend, daß seine Reglosigkeit bewirkte, wozu die Dunkelheit in der Pförtnerloge allein vielleicht nicht ausgereicht hätte, wurde Salid wieder zu dem, was er für einen großen Teil seines Lebens gewesen war: ein Schatten.
Was so oft funktioniert hatte, verfehlte seine Wirkung auch diesmal nicht. Es gab keine Reaktion; kein Stocken im Schritt, kein erschrockenes Zusammenfahren; nichts. Der Mann ging rasch weiter und trat durch die auseinandergleitenden Glastüren, während sein Blick aufmerksam weiter abwechselnd die Vorhalle und das Innere der Pförtnerloge taxierte.
Salid begann nun doch allmählich nervös zu werden. Er wußte nicht, wohin der Pförtner gegangen war, aber er hätte hier bestimmt nicht alles offengelassen, hätte er vor, länger als ein paar Minuten wegzubleiben. Trotzdem verharrte Salid weitere fünf Sekunden in vollkommener Reglosigkeit, ehe er sich herumdrehte und dem Mann folgte.
Professor Schneider legte denTelefonhörer auf, starrte den Apparat einige Sekunden la ng mit verhaltener Wut an und richtete seinen Blick dann mit noch weniger verhaltenem Zorn auf sein Gegenüber.
Der Mann erwiderte das wütende Funkeln in seinen Augen auf die gleiche Weise, auf die er bisher auf alles reagiert hatte: mit einem angedeuteten Lächeln, das keines war. Dieses Lächeln war es, was Schneider am meisten provozierte. Dieser sonderbare – nein, sonderbar war das falsche Wort: sonderbar war er Schneider am Anfang vorgekommen; mittlerweile war er Schneider eindeutig unheimlich geworden – , dieser unheimliche Mann mit dem dünnen grauen Haar und der kleinen Narbe über dem linken Auge hatte etwas geschafft, was der Professor noch vor drei Tagen für unmöglich gehalten hätte. Schneider war alles andere als ein gewalttätiger Mensch, aber während der letzten Stunden hatte er immer öfter das Bedürfnis, diesen alten Mann zu packen und so lange zu schütteln, bis er ihm endlich sagte, was hier überhaupt gespielt wurde.
»Ich nehme an, Sie haben erfahren, was Sie wissen wollten?« fragte Alexander mit einer Kopfbewegung auf dasTelefon. Jedenfalls hatte er sich Schneider als »Alexander« vorgestellt. Schneider war sich nicht sicher, ob es sich dabei um einen Voroder Zunamen handelte – geschweige denn, ob es überhaupt sein richtiger Name war.
»Ich habe erfahren, daß ich alles weiß, was ich im Moment wissen muß, und daß es darüber hinaus nichts gibt, was ich wissen sollte«, antwortete Schneider betont. Sein Gegenüber lächelte über diesen verschlungenen Satz, so wie er über alles lächelte, aber diesmal blieben seine Augen noch ernster als sonst. Schneider hatte bis auf einige »Ja« und »Nein« und einige angefangene Halbsätze, bei denen er jedesmal unterbrochen worden war, nicht sehr viel gesagt, aber für einen so aufmerksamen Beobachter, wie Alexander es war, mußte das Telefongespräch trotzdem sehr aufschlußreich gewesen sein.
»Ich kann Ihre Verärgerung verstehen, Herr Doktor«, sagte er nach einer Weile. »Aber bitte glauben Sie mir, es – «
»Ich bin nicht verärgert«, unterbrach ihn Schneider. »Ich bin stinkwütend! Ich bin es nicht gewöhnt, einen Maulkorb verpaßt zu bekommen.«
»Sie sind verbittert«, sagte Alexander mit einem verständnisvollen Nicken. »Ich kann das verstehen, Herr Doktor, aber bitte glauben Sie mir, daß – «
»Das bezweifle ich«, sagte Schneider, womit er Alexander erneut unterbrach; wenigstens ein kleinerTriumph, wenn auch ein sehr billiger. Er schlug mit der flachen Hand neben demTelefon auf den Schreibtisch. Das Geräusch klang in der nächtlichen Stille, die auch in Schneiders Büro gekrochen war, wie ein Pistolenschuß, aber Alexander zuckte nicht einmal mit den Lidern. »Es macht mir nichts aus, Anweisungen entgegenzunehmen. Aber es macht mir sehr wohl etwas aus, gegen meine innere Überzeugung zu verstoßen.«
»Gibt es auch eine äußere?« fragte Alexander lächelnd. Schneider überging den Einwand. Er hatte nicht vor, sich auf rhetorische Spitzfindigkeiten einzulassen. »Nennen Sie es Gewissen, wenn Sie wollen. Oder den Eid des Hippokrates. Es bleibt sich gleich. Ich habe geschworen, Menschen zu heilen. Nicht, sie krank zu machen.«
Alexanders Lächeln erlosch für einen Augenblick. Der Moment verging zu schnell, als daß Schneider sicher sein konnte, aber vielleicht war es ihm jetzt zum erstenmal gelungen, seine vermeintlich unerschütterliche Ruhe zu durchdringen.