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Das Geräusch, das die ganze Katastrophe letztendlich ausgelöst hatte, erscholl zum zweitenmal, und Weichsler fuhr erneut und fast ebenso erschrocken hoch. Hastig stand er aufnahm das Gewehr vollends von der Schulter und entsicherte es; erst dann durchquerte er mit raschen Schritten die Halle und ging zurTür. Seine Hand zitterte, als er sie nach der Klinke ausstreckte und sie vorsichtig herunterdrückte.
Wenigstens wollte er es. Aber er hatte den Griff kaum berührt, als die Tür auch schon von einer gewaltigen Windböe erfaßt und mit solcher Wucht nach innen gedrückt wurde, daß er ein paar Schritte zurücktaumelte und beinahe schon wieder das Gleichgewicht verloren hätte.
Sturm und Kälte fielen wie eine Meute heulender Wölfe über ihn her. Der Wind peitschte ihm eiskalten Regen ins Gesicht, und er konnte kaum noch etwas sehen, obwohl er schützend die Hand über die Augen hob. Die Temperatur fiel im Bruchteil einer Sekunde so sehr, daß er die Kälte wie einen schneidenden Schmerz im Gesicht und auf den nackten Händen fühlen konnte.
Weichsler fand fluchend sein Gleichgewicht wieder, drehte das Gesicht aus dem Wind und arbeitete sich schräg nach vorne geneigt auf die Tür zu, die ihm aus der Hand gerissen worden war. Er brauchte tatsächlich seine ganze Kraft dazu; denn was vorhin noch ein starker Wind gewesen war, das schien sich mittlerweile zu einem Orkan ausgewachsen zu haben. Der Sturm peitschte den Regen fast waagerecht über den Schulhof, und selbst die hellerleuchteten Fenster auf der anderen Seite waren nicht mehr zu sehen. Er brauchte nicht mehr zu fragen, was gegen die Tür gepoltert war. Was immer dieser Sturm ergriff und mit sich riß, mußte mit der Wucht einer Kanonenkugel herangeflogen kommen.
Er erreichte die Tür und versuchte sie zu schließen, aber sie wurde ihm sofort wieder aus der Hand gerissen. Erst als er sich mit der Schulter dagegenstemmte und mit aller Kraft schob, gelang es ihm, sie wieder zuzudrücken. Das Heulen des Sturmes sank schlagartig wieder auf ein erträgliches Maß herab.
Weichsler lehnte sich mit dem Rücken gegen dieTür, schloß für einen Moment die Augen und atmete hörbar auf. Sein Gesicht prickelte vor Kälte, und seine Jacke war völlig durchnäßt, obwohl er dem Regen allerhöchstens für ein paar Sekunden ausgesetzt gewesen war. Zumindest konnte er sicher sein, daß niemand versucht hatte, hier einzudringen, nicht einmal die Journalisten, vor denen Nehrig ihn gewarnt hatte. Niemand würde sich bei diesem Wetter hierher wagen, und selbst wenn, würde er wahrscheinlich im Regen ersaufen, noch bevor er der Schule auch nur nahe kam.
Weichsler lehnte das Gewehr, nachdem er den Sicherungshebel wieder umgelegt hatte, neben derTür an die Wand, fuhr sich mit gespreizten Fingern durch das nasse Haar und sah sich kopfschüttelnd um. DieTür hatte nur ein paar Sekunden offen, gestanden, aber der Bereich davor glich trotzdem einem flachen See, der glitzernde Tentakel bis weit in die Halle hinein erstreckte. Von seinen gesammelten Zigarettenstummeln war nichts mehr zu sehen, und die vorderen zwei oder drei Reihen der schwarzen Plastiksäcke glänzten vor Nässe. Wahrscheinlich konnte er noch von Glück sagen, daß die Sturmböen die wackeligen Feldbetten nicht einfach umgeblasen hatten. Wie stabil sie waren, das hatte er ja gerade mit eigenen Augen gesehen. Was ihn auf ein anderes, im Moment viel drängenderes Problem brachte. Die Pfütze vor der Tür würde er nicht erklären müssen. Die umgeworfene Liege und den heruntergefallenen Leichensack schon. Er konnte sich Nehrigs Kommentar vorstellen, wenn der die Bescherung sah. Besser, er versuchte den Schaden wiedergutzumachen. Mit ein bißchen Glück konnte er die Liege notdürftig reparieren und den zerrissenen Sack so hinlegen, daß niemand auf den ersten Blick etwas sah.
Er hängte sich das Gewehr wieder über die Schulter, überzeugte sich mit einem raschen Blick davon, daß die Tür auch sicher verschlossen war und nicht etwa beim nächsten Windstoß wieder auffliegen würde, und machte sich auf den Weg. Seine Stiefel erzeugten platschende Geräusche in der zentimeterhohen Pfütze auf dem Boden. Der Wassermenge nach zu schließen, die der Wind in den wenigen Augenblicken hereingeweht hatte, mußte draußen allmählich die Welt untergehen. Und jemand war hier drinnen bei ihm.
Weichsler blieb mitten in der Bewegung stehen und starrte die feuchten Fußabdrücke an, die vor ihm auf dem Betonboden glänzten. Es waren nicht wirklich die Abdrücke menschlicher Füße, dazu waren sie zu verwischt und zu undeutlich, aber der Abstand stimmte, sie waren gleichmäßig und gegeneinander versetzt: Es waren Spuren. Sie führten aus der Pfütze hinter ihm heraus und verschwanden zwischen den Bettenreihen. jemand war durch die Tür gekommen, durch die Pfütze gegangen und dann irgendwo in der Halle verschwunden.
Weichsler spürte, wie sich jedes einzelne Haar auf seinem Kopf sträubte, als er begriff, was diese Beobachtung wirklich bedeutete. Die Pfütze war nicht dagewesen, bevor er die Tür geöffnet hatte, und das bedeutete nicht weniger, als daß wer immer auch hereingekommen war unmittelbar an ihm vorbeigegangen sein mußte. Und das war vollkommen unmöglich.
Er schloß die Augen, zählte in Gedanken bis fünf und sah noch einmal hin. Die Spuren waren noch da. jemand war hier drinnen.
Und letztendlich spielte es keine Rolle, wie er hereingekommen war. Weichslers Befehle für diesen Fall waren eindeutig. Er nahm das Gewehr von der Schulter, entsicherte es erneut und drehte sich einmal um seine Achse. Er sah nichts, aber das hatte er auch nicht erwartet. Wahrscheinlich kauerte der Mistkerl hinter irgendeiner Liege und lachte sich halb tot über sein ratloses Gesicht und noch mehr über den Schreck, den er ihm eingejagt hatte. Nun, sie würden sehen, wer als letzter lachte. Weichsler sparte sich die Mühe, den Eindringling zum Aufgeben aufzufordern. Statt dessen zog er das Funkgerät aus dem Gürtel und drückte die Sprechtaste. »Hier Weichsler. Hauptstelle, bitte kommen.«
Nichts. Aus dem kleinen Gerät drang nur statisches Rauschen. Weichsler wiederholte seinen Ruf insgesamt dreimal. Er schaltete das Walkie-Talkie aus und wieder ein, wechselte zweimal den Kanal und drückte schließlich wahllos auf alle Knöpfe, aber es änderte nichts. Das Gerät war tot oder das Wetter schlug solche Kapriolen, daß es eine Verbindung unmöglich machte. Weichsler hielt das für unwahrscheinlich. Er verstand nicht viel von Funkgeräten, aber die Gegenstelle war keine fünfzig Meter entfernt. Wahrscheinlich war das Ding einfach kaputtgegangen – und Murphys Gesetz zufolge natürlich im ungünstigsten aller nur denkbaren Momente. Weichsler steckte es ein, ergriff statt dessen das Gewehr wieder mit beiden Händen und drehte sich erneut einmal im Kreis. Die Halle war immer noch leer, aber das bedeutete nichts. Zwischen den gut dreihundert Liegen war genügend Platz, um eine ganze Armee zu verstecken.
»Also gut! « rief er mit so lauter, fester Stimme, wie er nur konnte. »Du hast deinen Spaß gehabt, aber jetzt reicht es! Komm raus! «
Nichts rührte sich. Weichsler hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, eine Antwort zu bekommen, aber er wiederholte seine Aufforderung trotzdem noch einmal: »Das hat doch keinen Sinn mehr. Du machst es nur schlimmer! Komm raus, und wir reden über alles. Wer weiß, vielleicht lasse ich dich sogar laufen. Ich habe eigentlich keine Lust, eine Meldung zu machen und dann stundenlang Formulare ausfüllen zu müssen! «
Er bekam immer noch keine Antwort, und trotzdem hatte er das Gefühl, daß sich in der Dunkelheit vor ihm etwas regte. Es war das unheimliche Gefühl, angestarrt zu werden, und das aus Augen, die alles andere als freundlich waren. Seine Hände schlossen sich fester um das Gewehr, aber das Gefühl der Sicherheit, das ihm das vertraute Gewicht der Waffe eigentlich vermitteln sollte, blieb aus. Ganz im Gegenteil begann sich mit einem Male eine Beklemmung in ihm breitzumachen, und ganz plötzlich kam ihm zu Bewußtsein, wie unwirklich die ganze Szenerie war. DieTurnhalle war hellerleuchtet; trotzdem schien sie mit einem Male voller schwarzer, bodenloser Schatten zu sein, in denen alles mögliche lauern konnte. Aus dem seidigen Geräusch des Regens war längst ein hämmerndes Prasseln geworden, das selbst das Heulen des Windes übertönte, und die Temperatur war weiter gefallen. Es war jetzt so kalt hier drinnen, daß er seinen eigenen Atem als grauen Dampf vor dem Gesicht erkennen konnte. Kein Wunder, daß er allmählich durchdrehte.
Weichsler wandte sich zum drittenmal den vermeintlichen Fußspuren zu und besah sie sich genauer. Er war jetzt nicht mehr ganz sicher, daß es wirklich Fußabdrücke waren. Sie sahen so aus, sicher, aber im Grunde nur auf den ersten Blick. Möglicherweise waren es auch nur ein paar nasse Flecke, die rein zufällig die richtige Anordnung hatten, daß sie wie Fußabdrücke aussahen. Logisch betrachtet, war es nicht möglich. Niemand konnte an ihm vorbei durch dieTür gegangen sein, ohne daß er es merkte.
Normalerweise hätte er nach dem Ausfall des Funkgeräts zum Schulhaus hinüberlaufen und Alarm schlagen müssen. Aber das hätte bedeutet, in den Regen und den immer heftiger tobenden Sturm hinaus zu müssen, und außerdem: wenn er tatsächlich mit einem Dutzend Männer zurückkam und sie die Turnhalle auf den Kopf stellten und nichts fanden … nein, danke! Er hatte wenig Lust, nach allem, was er durchgemacht hatte, auch noch zum Gespött der ganzen Einheit zu werden.
Weichsler beschloß, einen Kompromiß mit sich selbst zu schließen. Er hatte sich selbst zwar schon fast davon überzeugt, daß er nur einerTäuschung und dem Zustand seines überstrapazierten Nervensystems aufgesessen war, aber er ging trotzdem zurTür zurück, schloß sie sorgfältig ab und begann dieTurnhalle dann gründlich zu durchsuchen. Zweimal schritt er jede Bettenreihe ab, wobei er sich dann und wann überraschend herumdrehte oder in die Hocke sinken ließ, um einen Blick durch den Wald aus dünnen hölzernen Beinen zu werfen, der sich unter der schwarzen Plastiklandschaft erhob. Die einzige Bewegung, die er sah, war die seines eigenen Schattens.
Allmählich hatte er das Gefühl, sich lächerlich zu machen. Gottlob war ja niemand hier, der über ihn lachen konnte; aber wie es aussah, war es wirklich eine gute Idee gewesen, keinen Alarm zu schlagen.
Trotzdem brachte er seine Inspektion sorgsam zu Ende und kontrollierte am Schluß auch noch die beiden einzigenTüren, die es außer dem Eingang gab. Die eine führte zu einem kleinen Raum, in dem Matten, Bälle und all die anderen Sportgeräte aufbewahrt wurden, die man in einerTurnhalle vorzufinden erwartete. Weichsler hatte ihn zu Beginn seiner Wache inspiziert und die Tür dann abgeschlossen, und das war sie auch jetzt noch. Der Schlüssel befand sich in seiner rechten Jackentasche.
Die andere führte zu den Umkleideräumen und den Toiletten. Weichsler durchsuchte beides gründlich und scheute auch nicht die Mühe, wahllos einige der Spinde zu öffnen und hineinzusehen. Als er mit seiner Inspektion fertig war, hatte er noch zwanzig Minuten Zeit bis zur Wachablösung, aber er war jetzt wenigstens sicher, daß außer ihm keine lebende Seele in derTurnhalle weilte.
Niemand bis auf den Mann, der in der zweiten Reihe links neben der Tür stand und sich über einen der Leichensäcke beugte, hieß das.
Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Weichsler war für eine Sekunde vollkommen schockiert; so sehr, daß er einfach dastand und die Gestalt anstarrte, ohne überhaupt zu begreifen, was er sah. Aber dann gewannen seine über lange Jahre antrainierten Reflexe die Oberhand. Er war immer noch schockiert und auf eine Weise erschrocken, die ihm allein durch ihre Beschaffenheit Furcht einflößte, aber er riß trotzdem in einer einzigen, fließenden Bewegung die Waffe von der Schulter und richtete sie auf den Fremden.
»Keine Bewegung! Wenn Sie sich auch nur rühren, schieße ich! «
Der Fremde rührte sich tatsächlich nicht, aber Weichsler hatte das sonderbare Gefühl, daß das weniger an seinen Worten lag, sondern vielmehr daran, daß er viel zu sehr auf das konzentriert war, was er tat. Weichsler hatte laut genug gesprochen, um fast zu schreien, aber er schien ihn gar nicht gehört zu haben.
»Sie da! Weg von der Liege! Zurück! Und drehen Sie sich herum – ganz langsam! «
Diesmal hatte er geschrien, aber der Bursche zuckte nicht einmal. Weichsler spürte, wie jeder einzelne Nerv in seinem Körper zu vibrieren begann. Sein rechter Zeigefinger hatte sich um den Abzug der Waffe gekrampft und ihn fast bis zum Druckpunkt durchgezogen. Was, wenn der Bursche seine Worte einfach ignorierte? Er konnte ihn doch nicht über den Haufen schießen!
Aber er würde es tun, wenn kein Wunder geschah. Es war eine jener Katastrophen, die man ganz deutlich kommen sieht, ohne auch nur das Geringste tun zu können, um sie aufzuhalten; und das, obwohl man ganz genau weiß, wie. Noch ein Sekundenbruchteil, und er würde abdrücken und den Mann erschießen, und
–genau in diesem Moment richtete sich der Fremde auf, trat einen halben Schritt von der Liege zurück und drehte sich zu ihm herum.
Weichsler riß erstaunt die Augen auf. Bisher hatte er im Grunde nur einen hellen Schemen gesehen, der sich über die Liege beugte, aber jetzt konnte er den Fremden deutlich erkennen. Es war ein Mann von unbestimmbarem Alter vielleicht dreißig, vielleicht auc h Mitte vierzig oder noch älter. Die ganze Gestalt wirkte … bizarr. Ein anderes Wort fiel Weichsler dafür nicht ein.
»Wer sind Sie?« fragte Weichsler nervös. »Wie kommen Sie hier herein, und was tun Sie hier?« Obwohl er drei Fragen auf einmal gestellt hatte, gab er dem anderen nicht einmal die Gelegenheit, auf eine davon zu antworten, sondern trat auf ihn zu und winkte herrisch mit der Waffe.
»Zurück da! Treten Sie von der Liege zurück, und ganz vorsichtig! Ich will Ihre Hände sehen!
Der andere rührte sich nicht. Er sah Weichsler sehr aufmerksam, aber ohne eine Spur von Schrecken oder gar Furcht an. Seine Augen waren seltsam: dunkel und auf eine beunruhigende Weise klar, aber zugleich auch irgendwie verschleiert, als hätte er auf eine Art zu sehen gelernt, die anders war als die Weichslers, zugleich aber beinahe verlernt, Dinge wirklich wahrzunehmen.
Wer war dieser Kerl? So eine Art verrückter Hare-KrishnaBruder?
»Verdammt noch mal, du sollst einen Schritt zurücktreten! « sagte Weichsler gepreßt. »Du mußt lebensmüde sein! Das hier ist militärisches Sperrgebiet, ist dir das klar? Wir haben Schießbefehl! «
Er unterstrich seine Worte mit einer weiteren drohenden Bewegung mit dem Gewehr, und diesmal erreichte er zumindest eine Reaktion, wenn auch nicht unbedingt die, die er gewollt hatte.
Der Blick der beunruhigenden dunklen Augen folgte der Bewegung und blieb schließlich auf der Waffe hängen. Aber er wirkte immer noch nicht erschrocken, sondern allenfalls neugierig-interessiert. Der Kerl nahm ihn entweder nicht ernst, oder er hatte noch nie im Leben eine Waffe gesehen.
Dann sah Weichsler etwas, das ihn diese Frage schlagartig vergessen ließ.
Der Leichensack, über den sich der Fremde gebeugt hatte, war offen. Der Kunststoff-Reißverschluß war heruntergezogen, so daß er Gesicht und Schultern des Mannes erkennen konnte, der darin lag.
»Was, zumTeufel – ?« Weichsler fuhr wieder zu dem Fremden herum und richtete den Gewehrlauf nun direkt auf sein Gesicht. Eine jähe Woge heißer Wut kochte in ihm empor und für einen winzigen, aber furchtbaren Moment mußte er sich mit aller Macht beherrschen, um dem Kerl nicht den Gewehrkolben ins Gesicht zu schlagen.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte er mit zitternder Stimme. »Was soll das alles hier? Wofür hältst du dich? Für jemanden, der keinen Respekt vor denToten zu haben braucht?«
Er bekam auch jetzt keine Antwort, aber in den Augen des anderen glomm etwas auf, das vielleicht ein Lächeln sein konnte, möglicherweise aber auch das genaue Gegenteil. Dann verschwand er.
Er lief nicht etwa davon oder verblaßte oder verging in Rauch und Feuer. Er war einfach weg, von einem Sekunden Bruchteil zum anderen, lautlos und vollkommen undramatisch, und vielleicht gerade deshalb um so beeindruckender. Weichsler starrte die Stelle, wo der Fremde gestanden hatte, eine geschlagene halbe Minute lang an, ehe er auch nur fähig war zu blinzeln. Er war nicht einmal wirklich erschrocken. Und er war nicht im geringsten überrascht, als er sich schließlich umwandte und sah, daß der schwarze Plastiksack hinter ihm geschlossen war.
Er mußte sich gehörig den Schädel angeschlagen haben, denn das erste, was er nach seinem Erwachen spürte, waren rasende Kopfschmerzen. Das nächste war etwas in letzter Zeit Wohlbekanntes, von dem er allerdings gehofft hatte, es nicht so bald wieder zu spüren: den Einstich einer Nadel in die linke Armvene, dem ein kurzes, heftiges Brennen folgte. Dann hörte er die Stimme der Krankenschwester: »Ich glaube, er wacht auf.«
»Irrtum. Er ist wach und spielt nur noch den Schlafenden.« Die Nadel wurde mit einem Ruck aus Brenners Vene gezogen, der seiner Auffassung nach viel zu heftig ausfiel, und er öffnete widerwillig die Augen, um direkt in das Gesicht des behandelnden Arztes zu blicken.
»Hat wenig Sinn, den Jungs da etwas vormachen zu wollen«, fuhr dieser mit einer Geste auf den Instrumententisch und einem reichlich humorlosen Lächeln fort. »Sie merken so ziemlich alles, wissen Sie? Wie fühlen Sie sich?«
»Ich habe Kopfschmerzen«, antwortete Brenner.
»Gut. Der Größe der Beule an Ihrer Schläfe nach zu schließen, dürften sie ziemlich heftig sein.«