122098.fb2
»Ich kenne die Bibel nicht so gut wie Sie«, antwortete Brenner, »aber ich vermute, daß für jede Situation irgendwo die passende Prophezeiung zu finden ist.«
Johannes wirkte nun eindeutig wütend, zugleich aber auch sehr enttäuscht. »Was ist los mit Ihnen, Brenner?« fragte er. »Haben Sie Angst, daß ich Sie überzeugen könnte, oder – «
»Hört auf!« sagte Salid. Er hatte nicht einmal besonders laut gesprochen, aber wieder in jenem scharfen, alarmierten Ton, der sowohl Brenner als auch Johannes auf der Stelle verstummen ließ. Brenner wandte den Kopf und sah erst jetzt, daß Salid die Tür erneut einen Fingerbreit geöffnet hatte und offenbar angespannt auf den Flur hinauslauschte.
»Was ist los?« fragte er.
Salid brachte ihn mit einer nur angedeuteten Geste zum Verstummen, verharrte drei, vier weitere Sekunden lang reglos an der Tür und schloß sie dann wieder. Rasch drehte er sich herum, eilte zum Fenster und zog die Gardinen einen Spaltbreit auseinander.
»Was haben Sie?« fragte Brenner erneut. »Ist irgend etwas nicht in Ordnung?«
Salid lugte angespannt auf die Straße hinaus, und obwohl Brenner sein Gesicht deutlich im Profil erkennen konnte, war ihm keine Regung anzumerken. Nach einigen weiteren Augenblicken trat Salid wieder vom Fenster zurück.
»Nichts«, sagte er. »Ich habe mich wo hl getäuscht. Es ist alles ruhig.«
Aber das war nur das, was er sagte. Sein Gesichtsausdruck und seine Gesten bewiesen das genaue Gegenteil. Er schüttelte heftig den Kopf, legte den Zeigefinger über die Lippen und wies mit der anderen Hand über die Schulter zurück auf das Fenster. Brenner setzte dazu an, eine verwirrte Frage zu stellen, aber Salid brachte ihn mit einem hastigen Wink zum Schweigen und fuhr laut fort:
»Ich bin nervös. Offenbar sehe ich bereits Gespenster. Aber das ist ja kein Wunder.« Gleichzeitig ging er zumTisch, zog ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber aus der Tasche und begann mit hastigen, ineinanderfließenden Großbuchstaben darauf zu schreiben.
SIE SIND DA. EIN WAGEN AUF DER STRASSE. VIELLEICHT MEHR.
Brenner sog erschrocken die Luft zwischen den Zähnen ein, was Salid zu einem neuerlichen, erschrockenen Gestikulieren veranlaßte. »Wir sollten ein paar Stunden schlafen«, sagte er. »Sobald es hell wird, besorge ich uns einen Wagen, und wir verlassen die Stadt.«
Gleichzeitig schrieb er:
ES KANN SEIN, DASS WIR ABGEHÖRT WERDEN. SEID VORSICHTIG!
»Und wohin?« fragte Brenner. Die Worte überraschten ihn fast selbst, und sie veranlaßten auch Salid zu einem erstaunten Stirnrunzeln. Brenner hätte selbst nicht sagen können, warum er das gesagt hatte. Er spielte Salids Spiel mit, aber daß er es tat – daß er es überhaupt konnte – , überraschte ihn von allen hier vielleicht am meisten.
»Darüber denke ich nach, sobald wir aus der Stadt heraus sind«, sagte Salid und schrieb gleichzeitig:
ZWEI ODER DREI SIND AUF DEM DACH. KOMMT MIT! LEISE!
»Legt euch hin und schlaft«, fuhr er fort. »Ich passe eine Stunde auf und wecke dann den ersten.« Er richtete sich wieder auf, ging langsam zur Tür und gab Johannes und Brenner mit Gesten zu verstehen, daß sie ihm folgen sollten. Während er die Klinke herunterdrückte, sagte er:
»Ich gehe noch einmal hinunter. Vielleicht kann ich unserer Zimmerwirtin noch eine Tasse Kaffee abschwatzen. Laßt niemanden herein. Ich klopfe dreimal. «
Er öffnete die Tür, trat auf den Korridor hinaus und zog gleichzeitig seine Waffe. Plötzlich war er ein völlig anderer Mensch, und die Veränderung geschah so schnell und war so radikal, daß sie Brenner fast mehr erschreckte als das, was er
gerade gesagt und geschrieben hatte. Er konnte sein Gesicht nicht einmal sehen, aber Salid, der gerade noch in dem zu kleinen Anzug und mit übermüdetem Gesicht einfach nur bemitleidenswert ausgesehen hatte, war plötzlich der Mann, als den ihn die ganze Welt kannte und fürchtete. Er duckte sich leicht und drehte sich dabei in einem Halbkreis nach links und rechts und wieder zurück, und jede noch so winzige Bewegung strahlte eine Kraft und Schnelligkeit aus, die Brenner erschauern ließ. Es war nichts, was wirklich zu sehen gewesen wäre, aber dafür um so deutlicher zu spüren. Brenner wußte plötzlich einfach, daß er niemals einem Menschen gegenübergestanden hatte, der gefährlicher gewesen wäre als dieser Palästinenser, und er mußte mit einem Male wieder an ihre Flucht aus dem Krankenhaus denken. Er hatte miterlebt, wie Salid zu kämpfen verstand, aber sein noch getrübtes Sehvermögen, vielleicht auch der Schock, hatten dafür gesorgt, daß er gar nicht wirklich begriffen hatte, was geschah. Erst jetzt, im nachhinein, wurde ihm klar, wie nahe die beiden Pfleger und der Arzt dem Tod gewesen waren. Plötzlich, und vielleicht zum erstenmal wirklich, hatte er Angst vor Salid.
Salid hob die linke Hand, legte den Daumen über die Lippen und bedeutete ihnen mit der anderen, nachzukommen. Johannes stand gehorsam auf, aber Brenner zögerte. Seine Gedanken rasten. Wenn er überhaupt noch eine Chance hatte, irgendwie halbwegs unbeschadet aus dieser Geschichte herauszukommen, dann jetzt. Salid würde nicht auf ihn schießen. Er konnte hierbleiben und ihn und diesen verrückten Priester einfach ihrem Schicksal überlassen; oder er konnte mitgehen und mit ziemlicher Sicherheit erschossen werden, wenn sie versuchten, aus dem Hotel zu fliehen. Es war gar keine Entscheidung. Es war so klar, daß er sich fragte, warum er auch nur eine Sekunde darüber nachdachte. Er mußte hierbleiben, wenn er am Leben bleiben wollte.
Seine Knie zitterten noch immer – jetzt allerdings wohl mehr vor Furcht – , aber sie hatten trotzdem die Kraft, seinen Körper zu tragen, und sein Herz hämmerte so laut, daß er glaubte, man müsse es durch das ganze Haus hören, als er dieTür erreichte. Salid war zwei, drei Schritte weit auf den Korridor hinausgetreten und wieder stehengeblieben, und die schlechte Beleuchtung sorgte dafür, daß er nun vollends zu einem drohenden tiefenlosen Schatten geworden war. Er hatte die linke Hand auf das Treppengeländer gelegt und lauschte mit schräggehaltenem Kopf ins Erdgeschoß hinab; die Pistole in seiner Rechten deutete auf das Ende des Korridors und dieTreppe, die hinauf ins Dachgeschoß führte.
»KeinenTon mehr jetzt«, flüsterte Salid. »Wenn wir draußen sind, lauft ihr mir nach. Ganz egal, was passiert, rennt einfach.« Johannes nickte nervös. So deutlich, wie Brenner die Gefahr spürte, die Salid umgab, konnte er die Furcht spüren, die Johannes ausstrahlte; und er spürte auch, daß es eine gänzlich andere Art von Angst war als die, die er empfand. Er hatte Angst um sein Leben, Angst davor, verletzt oder getötet zu werden, und all das empfand Johannes sicherlich auch. Aber da war noch mehr. Da war eine Furcht vor etwas, dessen wahres Ausmaß Brenner nicht einmal erahnte. Ob der Priester nun verrückt war oder nicht, er glaubte das, was er gerade erzählt hatte.
Salid hob den Fuß, um ihn auf die oberste Treppenstufe zu setzen, und im gleichen Sekundenbruchteil erscholl aus dem Erdgeschoß ein gedämpfter, abrupt wieder abbrechender Schrei. Salid erstarrte mitten in der Bewegung. Seine rechte Hand mit der Pistole schwenkte herum und in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war, und im gleichen Sekundenbruchteil, in dem sie nicht mehr auf das hintere Ende des Korridors zielte, flog dort eineTür auf, und ein geduckter Schatten sprang auf den Flur hinaus. Ein einzelner, peitschender Schuß fiel.
Salid ließ sich nach hinten fallen, hielt sic h aber weiter mit der linken Hand amTreppengeländer fest und nutzte die Hebelwirkung, um aus seinem Sturz einen komplizierten Drehschwung zu machen, bei dem seine Waffe sich wieder der Dunkelheit am Ende des Flures zuwandte. Er schoß, prallte schwer auf den Rücken und feuerte noch einmal, während er bereits herumrollte und den Schwung seiner eigenen Bewegung nutzte, um wieder auf die Füße zu kommen.
Noch während er aufsprang, feuerte er ein zweites Mal. Die Gestalt, die aus der Tür herausgesprungen war, wurde zurückund in die Höhe gerissen und prallte hilflos gegen die Wand, und noch während sie nach vorne kippte und schließlich zu Boden fiel, erschienen ein zweiter und dritter Schatten unter derTüröffnung.
Salid schrie irgend etwas, aber die Worte gingen im hämmernden Stakkato einer MPi-Salve unter. Alles geschah gleichzeitig, praktisch im selben Bruchteil einer Sekunde, aber zugleich schien die Zeit auch stehenzubleiben, als hätte sie sich auf magischem Wege geteilt, so daß Brenner auf der einen Seite überhaupt keine Zeit fand, auch nur richtig zu begreifen, was geschah, geschweige denn, irgendwie darauf zu reagieren, gleichzeitig aber auch mit brutaler Klarheit sah, was geschehen würde. Die MPi-Salve stanzte eine schnurgerade Reihe ovaler, rauchender Löcher in den Holzfußboden, verfehlte Salid um eine knappe Handbreite und raste mit phantastischer Geschwindigkeit weiter, Flammen und Rauch und Millionen winziger qualmender Holzsplitter wie eine bizarre Kielspur hinter sich herziehend. Sie lief mit tödlicher Präzision auf Brenner zu.
»Irgendwas stimmt nicht«, sagte Heidmann. Er schüttelte den Jackenärmel hoch und sah auf die Uhr. Vor gut fünf Minuten hatten sie Smith durchgegeben, daß das Hotel mit ziemlicher Sicherheit keine anderen Gäste hatte; zumindest nicht in den Zimmern, die sie mit dem Richtmikrofon erreichen konnten. Seither hatten sie nichts mehr von dem CIA-Mann und seiner Truppe gehört.
Und das würden sie auch nicht. Wenigstens nicht über Funk. Heidmann war noch nicht soweit, es auszusprechen, aber der Verdacht war nicht von der Hand zu weisen, daß er sich doch hatte täuschen lassen. Smith hatte niemals vorgehabt, ihn und seine Leute wirklich an dieser Aktion zu beteiligen.
»Soll ich sie noch einmal rufen?« fragte der Mann am Funkgerät.
Heidmann sah ihn eine Sekunde lang nachdenklich an, dann schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er. »Wir gehen raus. Sie, Sie und Sie« – er deutete nacheinander auf drei der fünf uniformierten Beamten, die auf der schmalen Bank auf der anderen Seite des Wagens saßen, wobei er den jungen Polizisten, der so nervös an seiner Waffe herumgespielt hatte, bewußt ausließ – »kommen mit. Die anderen bleiben hier und warten auf den Einsatzbefehl.«
Während er die hintere Wagentür öffnete und in die Nacht hinaustrat, zog er seine Waffe. Es war kein angenehmes Gefühl. In mehr als fünfundzwanzig Dienstjahren hatte er die Pistole nur dreimal ziehen müssen, und nur einziges Mal, um wirklich zu schießen. Er hatte nicht einmal getroffen, aber es war trotzdem der entsetzlichste Moment in seinem Leben gewesen, sowohl vor-als auch hinterher, und er hatte nichts mehr gehofft, als es nie wieder tun zu müssen. Allein dafür, daß er nun gezwungen war, die Waffe wieder benutzen zu müssen und möglicherweise auf einen Menschen zu schießen und ihn zu töten! – , haßte er Smith.
Die drei Beamten verließen hinter ihm den Wagen und entsicherten ebenfalls ihre Waffen. Sie wirkten nervös; mehr, als Heidmann lieb war, aber er konnte sie verstehen. Ein weiterer Posten auf der länger werdenden Minusliste, die er für Agent Smith angelegt hatte: Seine Worte mochten als Warnung gedacht gewesen sein, aber alles, was er erreicht hatte, war, die Männer noch nervöser zu machen, als sie es ohnehin waren.
Heidmann sah sich aufmerksam um. Es war noch eine gute Stunde bis Sonnenaufgang, aber die Nacht war trotzdem nicht mehr so dunkel wie noch vorhin, als Smith und sein Kollege gekommen waren. Das Schwarz des Himmels war einem stumpfen Asphaltgrau gewichen, und wie oft in der Dämmerung war die Sicht jetzt schlechter als bei richtiger Dunkelheit. Das Hotel ragte als bedrohlicher Schatten auf der anderen Straßenseite in den Himmel, massiger, schwärzer und dunkler, als es aus dem Wageninneren heraus ausgesehen hatte. Nur hinter zwei Fenstern brannte Licht: hinter dem in der ersten Etage, auf die das Richtmikrofon und die Videokamera zielten, und einem schmalen Fenster im Erdgeschoß, gleich neben der Tür. Ihre Spionagetechnik – und eine entsprechende Anfrage auf dem Revier – hatte ihnen verraten, daß dort die Inhaberin des Hotels wohnte. Heidmann hoffte, daß sie tief und fest schlief. Er war mittlerweile ziemlich sicher, daß es in dieser NachtTote geben würde.
Er hatte seine Leute vorher instruiert, so daß keine weiteren Befehle notwendig waren. Sie bewegten sich ein gutes Stück in der entgegengesetzten Richtung vom Wagen und dem Hotel fort, ehe sie die Straße überquerten und sich dem Gebäude wieder näherten. Der tote Winkel aus dem Fenster im ersten Stock war nicht groß genug, um sie wirklich zu verbergen, aber vielleicht entgingen sie so doch einer zufälligen Entdeckung, falls Salid oder einer der beiden anderen einen beiläufigen Blick auf die Straße werfen sollten.
Die Kälte fiel Heidmann auf. Trotz der Jahreszeit war es in den letzten Tagen immer empfindlich kalt gewesen, aber nun war der Wind, der ihnen in die Gesichter schlug, geradezu eisig und zudem sehr viel heftiger als noch vor einer Stunde, als sie hier Stellung bezogen hatten. Obwohl die Straße auf der rechten Seite unbebaut war und es dort nur einige Bäume und spätwinterlich-blattloses Buschwerk gab, brach sich der Wind wimmernd an der Häuserfront zur Linken; ein Geräusch wie von Wölfen, die in der Nacht heulten.
Während sie sich dem Stundenhotel näherten, dachte Heidmann fast krampfhaft über sein weiteres Vorgehen nach. Er war mittlerweile davon überzeugt, daß Smith niemals vorgehabt hatte, mit ihm zu kooperieren, und das scheinbare Eingehen auf seine Forderung nur dem Zweck diente, einen unnötigen Streit zu vermeiden und ihn zu beruhigen, bis alles gelaufen war. Wahrscheinlich waren die CIA-Leute längst in Stellung gegangen, und vielleicht griffen sie in genau diesem Moment bereits zu.
Aber das war nur das, was Heidmann glaubte. Er war sich durchaus der Möglichkeit bewußt, daß er sich irrte. Wenn er vorschnell handelte und dadurch die ganze Aktion in Gefahr brachte …
Nein, darüber dachte er lieber nicht nach. Sein Instinkt sagte ihm, daß er recht hatte, und dieser Instinkt hatte ihn in dem vergangenen Vierteljahrhundert eigentlich nur sehr selten getrogen.
Sie erreichten das Hotel. Heidmann näherte sich mit klopfendem Herzen der Tür und versuchte, durch das buntfarbene Bleiglas des kleinen Fensters einen Blick nach drinnen zu werfen, sah aber nichts außer einer verzerrten Spiegelung seines eigenen Gesichts. Er preßte das Ohr gegen das Glas, lauschte. Stille.
Seine linke Hand glitt in die Manteltasche und zog das Funkgerät heraus. »Irgendwas von den Amerikanern?« fragte er, ohne sich zu melden oder Zeit mit irgendwelchem anderen Schnickschnack zu vertrödeln.
»Nichts«, dröhnte es aus dem Gerät. Heidmann fuhr erschrocken zusammen und drehte am Lautstärkeregler, so daß die nächsten Worte nur noch als rauschendes Flüstern zu vernehmen waren. »Soll ich sie noch einmal rufen?«
»Nein«, sagte Heidmann grimmig, verbesserte sich aber dann hastig. »Oder doch. Versuchen Sie es. Aber melden Sie sich nur, wenn sie sich melden.«
Er schaltete ab, steckte das Gerät wieder ein und sah sich nervös um. Die Straße war menschenleer und so verlassen, wie eine Straße in einem Gebiet nur sein konnte, das im Umkreis von drei Blocks abgeriegelt war. Nirgends rührte sich etwas. Selbst das Heulen des Windes hatte nachgelassen, und obwohl sich der Himmel jetzt zusehends aufhellte, schien es eher noch dunkler geworden zu sein. Und trotzdem hatte er das Gefühl, daß irgend etwas da war; eine Bewegung, die er nicht im einzelnen erkennen konnte, die es aber trotzdem gab. Etwas … Lebendiges war hier. Etwas, das nicht gut war. »Unsinn«, murmelte er. Ihm fiel zu spät auf, daß er das Wort laut ausgesprochen
hatte. Zwei der drei Beamten hinter ihm sahen ihn verwirrt und fragend an, während der Blick des dritten fast verbissen auf der Tür verharrte. Heidmann hinderte sich gerade noch im letzten Augenblick selbst daran, es noch schlimmer zu machen, indem er sich in ein verlegenes Lächeln flüchtete oder irgendeine entsprechende Bemerkung machte. Die Frage, was er als nächstes tun sollte, wurde allmählich brennend. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, hierherzukommen. Indem er von sich aus die Initiative ergriff, zwang er sich auch, sie zu behalten. Er hatte einmal angefangen und konnte nun ohne triftigen Grund nicht mehr aufhören.
Heidmann legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben. Der Himmel hing wie eine Decke aus geschmolzenem Blei über der Straße, tiefer und stumpfer, als er sein durfte, und trotzdem hatte Heidmann erneut dieses unheimliche Gefühl von Präsenz. Irgend etwas war hier, das nicht hier sein sollte. Diesmal sprach er den Gedanken nicht laut aus.
Heidmann wechselte die Pistole von der rechten in die linke Hand, streckte die Finger nach der Türklinke aus und drückte sie herunter. Sie bewegte sich nicht. Obwohl ihn dieser Umstand einerseits erleichterte, verschlimmerte er seine Bredouille eher noch. Sie kamen nicht ins Haus, ohne anzuklopfen oder gleich die Tür einzuschlagen – und beides würde diesen verrückten Massenmörder dort oben wahrscheinlich gleichermaßen alarmieren. Es war ein Fehler gewesen, herzukommen. Wo blieb Smith?
Er drehte sich halb herum und suchte die Straße ab. Der Wagen der Amerikaner stand dreißig oder vierzig Meter entfernt; vor einer halben Stunde noch weit genug, um vollkommen in der Dunkelheit zu verschwinden und unsichtbar zu bleiben. jetzt konnte er ihn als verschwommenen farblosen Schemen erkennen. Etwas bewegte sich dahinter. Smith?