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„Sie müssen sich eben anpassen, dazu erziehen. Nicht jeder muß arbeiten, bis er umfällt. Außerdem steht ein erstrebenswertes Ziel am Ende dieser Plagerei. Die Mechanisierung Ihrer Kultur wird Ihr Volk von körperlicher Arbeit und der Abhängigkeit von wechselnden Ernteerträgen befreien, Vahino! Und eine technische Zivilisation kann man einfach nicht mit Aberglauben, Riten, Gebräuchen, zeremonieller Tradition belasten, auf die man hier auf Ihrem Planeten auf Schritt und Tritt stößt! Wir haben keine Zeit dazu. Das Leben ist viel zu kurz. Außerdem ist da alles paradox. Sie gleichen in vielen Punkten den Skontaranern, die immer noch mit ihren altmodischen Speeren herumlaufen, obwohl sie jeden Sinn und Zweck verloren haben.“
„Tradition ist Leben, macht seinen Sinn, seinen Wert aus…“
„Die Maschinenkultur hat ihre eigene Tradition. Sie werden das schon noch begreifen. Sie hat ihre eigene Bedeutung, und es ist die Bedeutung der Zukunft. Falls Sie darauf bestehen, an alten Gebräuchen kleben zu bleiben, werden Sie die Geschichte nie einholen können. Ihr Münzsystem zum Beispiel…“
„Es ist praktisch.“
„Auf seine Weise, ja. Aber wie wollen Sie mit Sol Handel treiben, wenn Sie Ihren Kredit immer noch in Silber berechnen und die Solarier in abstrakten Begriffen und Größen? Sie müssen sich unserem System anpassen, wenn Sie mit uns Handelsbeziehungen anknüpfen wollen. Was Sie nach außen hin tun müssen, können Sie auch gleich im Inneren vollziehen. Sie müssen das metrische System einführen, wenn Sie unsere Maschinen verwenden und unsere Wissenschaft begreifen wollen. Sie müssen — oh, alles muß geändert werden. Ihre Gesellschaft zum Beispiel… Kein Wunder, daß Sie sogar die Planeten Ihres eigenen Sonnensystems noch nicht erforscht haben, solange jeder Cundaloaner darauf besteht, an seinem Heimatort begraben zu werden. Eine hübsche Sitte, ohne Zweifel. Aber außer sentimentalem Wert sehe ich keinen Sinn darin. Wenn Sie nach den Sternen greifen wollen, müssen Sie diese Sentimentalitäten aufgeben. Sogar Ihre Religion — entschuldigen Sie —, aber Sie werden einsehen, daß sie viele Elemente enthält, die die moderne Wissenschaft widerlegt hat.“
„Ich bin Agnostiker“, erwiderte Vahino leise. „Doch die Religion des Mauiroa bedeutet sehr viel für die meisten von uns.“
„Wenn das Große Haus es erlaubt, können wir ein paar Missionare als dem Solaren Commonwealth kommen lassen. Wir können Ihre Landsleute zum Beispiel zum Neopantheismus bekehren. Welche Religion meiner Ansicht nach viel mehr Überzeugungskraft, Trost und Zuversicht für das Individuum und wissenschaftliche Wahrheit enthält als Ihre Religion. Falls Ihre Landsleute auf den Glauben angewiesen sind, braucht er nicht unbedingt mit Tatsachen zu kollidieren, die sich in einer modernen Technologie bald bemerkbar machen werden.“
„Mag sein. Und natürlich ist Ihnen auch das System der familiären Beziehungen viel zu kompliziert und eng geknüpft, nicht wahr?
Unbrauchbar in einer modernen Industriegesellschaft… Ja, ja, ja… Uns neue Maschinen zu bringen, genügt eben nicht.“
„Genau! Der Geist muß sich umstellen“, stimmte ihm Lombard zu und fuhr dann verbindlicher fort: „Aber Sie werden das schon schaffen. Sie haben ja schon früher Raumschiffe und Atomkraftwerke gebaut. Ich schlage lediglich vor, diesen Prozeß etwas zu beschleunigen…“
„Und was die Sprache anlangt…“
Lombard ließ sich auch über dieses Thema aus: „Richtig. Ich will keinem Chauvinismus das Wort reden — weit gefehlt —, doch ich halte es für richtig, daß alle Cundaloaner die Sprache der Solarier lernen sollten. Sie werden sie gut gebrauchen können. Und Ihre Wissenschaftler und Techniker müssen diese Sprache ja sowieso beherrschen. Die Mundarten von Laui und Muara klingen wirklich schön; doch für wissenschaftliche Begriffe sind sie nicht zu gebrauchen. Und was die Philosophie betrifft — nun, die Lehrbücher scheinen mir nichts anderes als blumenreiches Kauderwelsch zu enthalten. Schön, doch ohne Substanz. Ihre Sprache entbehrt der — Präzision.“
„Arakles und Wranamaui wurden jedoch seit Jahrhunderten als klassische Beispiele kristallklarer Logik gefeiert“, erwiderte Vahino niedergeschlagen. „Und ich muß gestehen, daß ich Ihren Kant, Russell und Kozybiski auch nicht ganz verstehe. Nun, ich bin in diesen Kategorien natürlich nicht geschult. Zweifellos haben Sie recht. Die jüngeren Generationen werden mir zustimmen. Ich werde mit dem Großen Haus sprechen. Vielleicht läßt sich sofort eine Regelung treffen. Auf jeden Fall werden Sie nicht Jahre warten müssen, bis Reformen durchgeführt werden. Alle unsere jungen Leute sehnen sich danach, Ihren Idealen zu folgen. Es sind die Leitbilder des Erfolges.“
„Genau“, erwiderte Lombard und fügte dann verbindlich hinzu: „Manchmal wünschte ich mir, der Fortschritt verlange nicht einen so hohen Preis. Doch Sie brauchen sich nur Skontar anzusehen, um zu begreifen, wie notwendig man den Erfolg braucht.“
„Nun, die Skontaraner haben Erstaunliches geleistet in den letzten drei Jahren. Nach der großen Hungersnot haben sie sich wieder gefangen. Sie bauen alles aus eigener Kraft wieder auf. Sie haben sogar Forscher ausgeschickt, die sich nach Sonnen mit Planeten umsehen, wo sie Kolonien gründen können.“ Vahino lächelte dünn. „Ich liebe unsere ehemaligen Feinde nicht, aber die Bewunderung kann ich ihnen nicht versagen.“
„Sie haben Mut“, gab Lombard zu. „Doch was ist Mut ohne Beistand? Sie verstricken sich in ein Gestrüpp von Rückständigkeit. Schon jetzt ist das Sozialprodukt von Cundaloa dreimal so hoch wie das der Skontaraner. Die interstellare Kolonisation ist nur eine bedeutungslose Geste — getragen von ein paar hundert Individuen. Skontar wird weiterexistieren, doch nur als Macht zehnter Ordnung. Es wird nicht lange dauern, und Skontar wird ein Satellit der Cundaloaner sein. Schuld daran ist nicht, daß sie etwa keinen Erfindungsgeist oder keine Ausdauer besäßen. Nein. Sie verfügen über Bodenschätze, über praktische Veranlagungen. Doch indem sie unser Hilfsangebot arrogant von sich gewiesen haben, haben sie sich vom Stamm der galaktischen Zivilisation abgetrennt. Zum Beispiel versuchen sie, wissenschaftliche Theorien und Apparate weiterzuentwickeln, die wir schon vor hundert Jahren gekannt und verworfen haben. Sie entfernen sich immer weiter von den Gleisen des Fortschritts, daß man nur darüber lachen könnte, wäre es nicht ein so tragischer Anblick. Ihre Sprache — so wie eure — ist für wissenschaftliche Zwecke ungeeignet. Und dazu schleppen sie noch die rostigen Ketten ihrer Tradition mit sich herum. Ich habe zum Beispiel einige ihrer Raumschiffe gesehen, die sie selbst entwickelten, statt irdische Modelle zu übernehmen. Sie sind einfach lächerlich. Ein halbes Hundert neuer Ansätze, keine klare Grundkonzeption. Kugeln, eiförmig, würfelförmig — ja, ich hörte neulich, daß sie sogar Raumschiffe in Doppelpyramidenform bauen wollen!“
„Es könnte sogar funktionieren“, überlegte Vahino laut. „Die Riemannsche Geometrie, auf der die interstellare Raumfahrt aufbaut, würde erlauben…“
„Nein, nein! Die Erde hat diese Konzepte ausprobiert und dabei festgestellt, daß es nicht funktioniert. Nur ein Narr — und die Wissenschaftler von Skontar in ihrer selbstgewählten Isolation müssen sich ja dazu entwickeln — könnte so etwas für brauchbar halten. Wir Menschen hatten eben Glück, das war alles. Selbst wir mußten einen langen Weg zurücklegen, ehe unsere Mentalität reif für die wissenschaftliche Zivilisation wurde. Davor gab es keine technologische Entwicklung. Doch danach — danach erreichten wir die Sternenwelten. Natürlich können andere Rassen dasselbe schaffen wie wir, aber zuerst müssen sie die geeignete Zivilisation dafür schaffen, die richtige Grundlage erarbeiten. Und ohne unsere Anleitung wird weder Skontar noch irgendein anderer Planet die Basis besitzen, um nach den Sternen zu greifen. — Sie brauchen Jahrhunderte, bis sie das erreichen.“ Lombard nickte heftig.
„Ah, das bringt mich auf einen Gedanken“, setzte Lombard seine Erläuterungen fort und griff in seine Jackentasche. „Ich habe hier eine Fachzeitschrift, eine Broschüre, die von einer der skontaranischen philosophischen Gesellschaften herausgegeben wird. Die Nachrichtenverbindungen sind ja nicht ganz abgerissen, wie Sie wissen. Es besteht kein Embargo. Die Solarier haben Skang lediglich aufgegeben, weil es sich nicht lohnt, dort Geld und Intelligenz zu investieren. Nun“ — er zog eine Zeitschrift aus der Tasche —, „hier habe ich jedenfalls eine Denkschrift von einem ihrer Philosophen, Dyrin, der an einer neuen Bedeutungslehre arbeitet, die dort ziemlich viel Staub aufgewirbelt haben soll. Sie verstehen doch Skontaranisch, nicht wahr?“
„Ja“, erwiderte Vahino. Ich habe im Krieg in der militärischen Abwehr gedient. Lassen Sie mich sehen…“ Er blätterte in der Broschüre, bis er den bewußten Artikel fand, und übersetzte vom Blatt:
„Die Arbeiten des Verfassers haben bisher gezeigt, daß der Nonelementalismus nicht als solcher ein Umfassendes ist, sondern bestimmten psychomathematischen Einschränkungen unterworfen. Diese Einschränkungen rühren von dem broganar — ein Wort, das ich leider nicht verstehe — Feld her, das sich mit den elektronischen Wellenkernen verbindet, und…“
„Was ist das für ein Kauderwelsch?“ unterbrach Lombard an dieser Stelle.
„Keine Ahnung“, sagte Vahino hilflos. „Der skontaranische Geist ist mir ebenso fremd wie Ihnen.“
„Blödsinn“, sagte Lombard, „vermischt mit der sattsam bekannten Arroganz der Skontaraner.“ Er warf die Zeitschrift in das kleine, mit Kohlen gefüllte Bronzebecken. Die Flammen verzehrten die dünnen Blätter. „Vollkommener Blödsinn, wie jeder sofort erkennen wird, der etwas von Bedeutungslehre versteht — oder auch nur einen Atomkern Verstand im Kopf hat.“ Er lächelte, sogar ein bißchen traurig, und schüttelte dabei den Kopf. „Eine Rasse von Verrückten!“
„Ich wünschte, du könntest mir morgen ein paar Stunden widmen“, sagte Skorrogan.
„Hm, das ließe sich einrichten“, erwiderte Thordin XI., der gegenwärtige Valtam des Imperiums von Skontar. Er nickte. „Obgleich mir nächste Woche besser passen würde.“
„Morgen — bitte!“
Dieses Drängen mußte einen tieferen Sinn haben. „Also gut“, meinte Thordin. „Was ist los?“
„Ich möchte dich auf einen kleinen Ausflug nach Cundaloa mitnehmen.“
„Weshalb ausgerechnet dorthin? Und warum muß es gerade morgen sein?“
„Das werde ich sagen, wenn wir dort sind.“ Skorrogan neigte den Kopf, der zwar noch dichtbemähnt, aber schon weiß war. Dann schaltete er den Fernsehkommunikator aus. Thordin lächelte. Skorrogan war schon ein eigenartiger Mann — in vieler Hinsicht. Doch — nun —, die Alten mußten zusammenhalten. Eine neue Generation drängt heran, und dahinter bereits wieder eine, die den Platz an der Sonne für sich erobern will.
Ohne Zweifel, das Leben in der Verbannung hatte den früher so heiter-zuversichtlichen Skorrogan stark verändert. Kein Wunder, hatte diese innere Emigration doch über dreißig Jahre gedauert. Doch sie hatte ihn wenigstens nicht verbittert. Als sich der langsame, aber stetige Fortschritt auf Skontar abzeichnete und sein eigenes Versagen in den Schatten der Vergessenheit gedrängt wurde, hatte der Kreis der früheren Freunde ihn wieder aufgenommen. Skorrogan lebte immer noch sehr zurückgezogen, doch er war jetzt wieder willkommen, wo er sich sehen ließ. Thordin selbst hatte entdeckt, daß ihre alte Freundschaft nie erloschen war, und weilte oft drüben in der Zitadelle von Kraakahaym, dem Palast Skorrogans. Er hatte sogar dem alten Adeligen wieder einen Sitz im Hohen Rat angeboten; doch Skorrogan hatte abgelehnt. Und inzwischen waren weitere zehn Jahre — oder waren es zwanzig? — verflossen, in denen Skorrogan nichts anderes getan hatte, als seine Pflichten als Herzog zu erfüllen. Heute bat er zum erstenmal um einen Gefallen. — Ja, ich werde morgen mitfliegen. Zum Teufel mit der Arbeit. Auch Monarchen haben Recht auf Urlaub! Thordin stand von seinem Sessel auf und ging, das eine Bein nachziehend, hinüber zum breiten Söller. Er fröstelte, als er dem Schneetreiben zusah. Der Winter kam wieder einmal ins Land.
Die Geologen prophezeiten, daß Skontar erneut in eine Eiszeitepoche eintrat. Doch sie würde sich nicht voll entfalten können. Im Gegenteil. In zehn Jahren würden die Klimaingenieure ihr technisches Können so sehr erweitert haben, daß sie das Vordringen der Gletscher aufhalten konnten. Doch bis dahin war es kalt und weiß draußen, und ein schneidender Wind heulte um die Türme des Palastes.
Auf der südlichen Halbkugel herrschte jetzt Sommer. Die Felder wurden grün, und Rauch aus den Schornsteinen der Höfe der Freisassen kräuselte sich in den blauen Himmel. Wer hatte eigentlich das wissenschaftliche Team angeführt? Ach ja, Aesgayr Haastings’ Sohn. Seine Arbeiten auf dem Gebiet der Agronomie und Vererbungslehre hatte es einem Volk von Freisassen ermöglicht, auf eigener Scholle so viel Getreide und landwirtschaftliche Produkte zu erzeugen, daß die heranwachsende Generation der wissenschaftlichen Zivilisation nicht zu hungern brauchte. Der alte Freibauer, das Rückgrat der Welt von Skontar in seiner ganzen Geschichte, hatte nicht auszusterben brauchen.
Andere Dinge hatten sich natürlich ebenfalls verändert. Thordin lächelte still vor sich hin, wenn er daran dachte, wie sehr sich das Valtamat in den letzten fünfzig Jahren gewandelt hatte. Das hatten sie Dyrins Arbeiten auf dem Gebiet der allgemeinen Bedeutungslehre zu verdanken, die als Grundlage aller Wissenschaften so wichtig war. Sie hatte zu dem gegenwärtigen psychosymbologischen Charakter der Regierungsform geführt. Skontar war nur dem Namen nach noch ein Reich, ein absolutistisch regiertes Imperium. Dyrin hatte den Widerspruch zwischen der Bedeutung des Begriffs Willensfreiheit und einer nichtgewählten, leistungsfähigen Regierungsform gelöst. Natürlich nur zum Vorteil von Slontar — und auf dieses Ziel hatte sich der schmerzhafte Entwicklungsprozeß der skontaranischen Geschichte hinbewegt. Die neue Wissenschaft hatte den Prozeß beschleunigt, hatte den Fortschritt von Jahrhunderten auf die Zeitspanne zweier Generationen zusammengedrängt. Und dann hatten Physik und Biologie ungeahnte Erkenntnisse vermittelt… Seltsam, daß die schönen Künste darunter kaum gelitten hatten, Literatur, Musik, und Architektur. Auch die alten Kunsthandwerke standen in Ansehen und Blüte, und man pflegte die Bardensprache des Hoch-Naarhaym.
Nun, so war das Leben. Thordin kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Die Arbeit drängte. Er mußte Entscheidungen fällen, die die Kolonien auf dem Aesric-Planeten betrafen. Man konnte nicht erwarten, daß es ohne Schwierigkeiten möglich war, mehrere hundert interstellare Kolonien, die alle blühten und gediehen, zu regieren. Doch Fehlentwicklungen waren äußerst selten. Das Imperium war gesichert und stark. Und es wuchs immer mehr.
Sie hatten einen langen Weg zurückgelegt seit dem Tage der Verzweiflung vor fünfzig Jahren. Ein langer, langer Weg. Thordin fragte sich, ob er überhaupt noch übersehen konnte, wie lang der Weg tatsächlich gewesen war.
Thordin kam aus dem Höhlengang unterhalb der Zitadelle. Skorrogan hatte sich dort mit ihm verabredet, weil er den Ausblick von dieser Stelle besonders schätzte. Das Panorama war geradezu majestätisch, dachte der Valtam, doch auch schwindelerregend. Eine langgezogene Kette hoher grauer Gipfel und windgepeitschter Wolken, die sich bis zur fernen grünen Ebene ausdehnten. Über ihm ragten die alten Befestigungsanlagen auf.
Die Wachen hoben grüßend die Speere. Bis auf diese waren sie unbewaffnet. Die Vortex-Kanonen auf den Wällen verrotteten allmählich. Die Hauptstadt eines Reiches, das nur noch dem Solaren Commonwealth an Macht und Bedeutung nachstand, brauchte keine Waffen mehr. Skorrogan stand im äußeren Hof. Fünfzig Jahre hatten seinen Rücken nicht gebeugt oder den Glanz der goldenen Augen getrübt. Und doch kam es Thordin so vor, als trage der Alte eine innere Unruhe mit sich herum, eine Erwartung, als könne er die vor ihnen liegende Reise nicht rasch genug hinter sich bringen.
Skorrogan vollzog die traditionelle Begrüßung und deutete auf das Flugfeld. „Mein Schiff ist startbereit.“ Es stand hinter den Wällen, ein elegantes kleines Roboterschiff mit den verwirrenden Konturen der Doppelpyramidenkonstruktion.
Sie stiegen ein und nahmen in der Mitte Platz, von wo aus sie in allen Richtungen gleich gute Aussicht hatten.
„Nun“, sagte Thordin, „verrate mir, weshalb du unbedingt heute nach Cundaloa fliegen willst.“ Skorrogan sah in an. Alter, längst vergessener Schmerz sprach aus diesem Blick. „Heute“, sagte er leise, „ist es genau fünfzig Jahre her, daß ich von der Erde nach Hause zurückkehrte.“
„Ja — und?“ fragte Thordin, etwas verwirrt. Es war nicht die Art des schweigsamen Alten, vergangene Niederlagen wieder zur Sprache zu bringen.
„Vielleicht erinnerst du dich nicht mehr“, erwiderte Skorrogan, „aber wenn du dein Unterbewußtsein durchforschst, wirst du es wieder ins Licht des Bewußtseins heben. Damals sagte ich zu euch, in fünfzig Jahren könnt ihr wiederkommen und mich um Verzeihung bitten.“
„Also willst du dich heute rechtfertigen.“ Für Thordin war das keine Überraschung — es war typisch für die skontaranische Psychologie; doch wußte er immer noch nicht, was es hier zu entschuldigen gab.
„Das stimmt. Damals konnte ich es niemandem sagen oder erklären. Niemand hätte mir damals zugehört, und auch ich fühlte noch kleine Zweifel, ob ich auch richtig gehandelt hatte.“ Skorrogan lächelte. „Doch jetzt weiß ich es. Die Zeit hat mir recht gegeben. Und ich will mir heute die Ehre zurückholen, die ich damals verloren habe, indem ich dir zeige, daß ich damals auf meiner Mission nicht so versagte, wie ihr alle geglaubt habt.“
Er nickte nachdenklich. „Im Gegenteil, meine Mission war erfolgreich. Ich stieß die Solarier absichtlich vor den Kopf.“ Skorrogan drückte auf den Antriebsknopf, und der Raumkreuzer legte die Strecke eines halben Lichtjahres durch den Raum zurück. Die große blaue Kugel von Cundaloa hing vor ihnen im All.
Thordin saß ganz still da, ließ diese einfache, ungeheure Feststellung durch alle Ebenen seines Geistes wandern. Seine erste Gefühlsreaktion war die Erkenntnis, daß er, im Unterbewußtsein, schon immer auf so eine Erklärung gewartet hatte! Er hatte nie glauben können, daß Skorrogan damals so plötzlich sein diplomatisches Gespür verloren haben sollte.
Doch dann wäre er ja ein Verräter — nein, keinesfalls! Was dann? Was hatte er damit gemeint? War er während all der Jahre geistesgestört gewesen…?