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DIE HERREN DER TIEFE

WOLFGANG HOHLBEIN

KAPITÄN NEMOS KINDERDIE HERREN DER TIEFE

UEBERREUTER

Die Deutsche Bibliothek – CIP Einheitsaufnahme

Hohlbein, Wolfgang: Kapitän Nemos Kinder/Wolfgang Hohlbein. - Wien: Ueberreuter Die Herren der Tiefe. – 1994 ISBN 3-8000-2387-3 J 2078/1 Alle Rechte vorbehalten Umschlagillustration von Doris Eisenburger Copyright (c) by Verlag

Carl Ueberreuter, Wien Printed in Germany 1357642

Autor:

Wolfgang Hohlbein,geboren in Weimar, lebt heute mit seiner Familie in der Nähe von Düsseldorf. Für sein Erstlingswerk »Märchenmond«, ein phantastischer Roman, den er gemeinsam mit seiner Frau Heike schrieb, erhielt er 1982 den ersten Preis des vom Verlag Ueberreuter veranstalteten Wettbewerbs zum Thema Science Fiction und Phantasie. Außerdem erhielt dieser Titel 1983 den »Phantasie-Preis der Stadt Wetzlar« und den »Preis der Leseratten«.

In der Reihe »Kapitän Nemos Kinder« bisher erschienen:

Die Vergessene Insel

Das Mädchen von Atlantis

Die Herren der Tiefe

Im Tal der Giganten Das Meeresfeuer Die Schwarze Bruderschaft Die Stadt unter dem Eis Weitere Bände in Vorbereitung.

Kurzbeschreibung:

Mike wird mit den magischen Kräften der letzten Prinzessin von Atlantis konfrontiert. Um einen Kampf zu verhindern, muß er die Stadt aus schwarzem Stein betreten, in der ein unheimliches Wesen haust.

Der Anblick war seit einer

Woche immer der gleiche, und trotzdem ähnelte kein Augenblick dem anderen. Der Himmel war ein silberner Spiegel, zerbrochen in Millionen und aber Millionen winziger sichelförmiger Splitter, die in ununterbrochener Bewegung waren, jeder für sich und doch alle gemeinsam einem großen, nicht ganz klar erkennbaren Rhythmus folgend.

Mike war in den letzten Tagen oft hierhergekommen, und manchmal stand er lange an dem fast mannsgroßen Bullauge und sah in den wogenden Himmel hinauf. Der Anblick erschreckte und faszinierte ihn zugleich. Das Bild war von großer Schönheit, aber zugleich spürte man auch die unvorstellbare zerstörerische Kraft, die hinter diesem vermeintlich sanften Gleiten und Wogen stand; eine Kraft, die alles Vorstellbare überstieg und ihn sich jedes Mal aufs neue klein und verwundbar fühlen ließ.

Das Geräusch von Schritten auf der metallenen Treppe, die in den Turm der NAUTILUS hinaufführte, riß ihn aus seinen Gedanken. Mike drehe sich herum und erkannte Trautman, der gebückt und mit schleppenden Schritten die Treppe heraufkam. Seine rechte Hand lag dabei fest auf dem Geländer, und seine Schultern waren weit nach vorne gebeugt. Er sah sehr alt aus. Nein, korrigierte sich Mike in Gedanken – er sah so alt aus, wie erwar.Sie waren jetzt so lange mit Trautman zusammen, und sie hatten so sehr gelernt, sich auf seine Umsicht und Stärke zu verlassen, daß er manchmal einfach vergaß, daß Trautman sein Großvater sein könnte. »Hallo, Mike.« Das Lächeln, das auf Trautmans Gesicht erschien, als er Mike ansah, war freundlich und voller Wärme. Mike erwiderte es, und dann fiel ihm siedendheiß ein, warum Trautman gekommen war. Mike war schon ziemlich lange hier oben. Seine Wache unten im Kontrollraum hatte wahrscheinlich schon längst begonnen. »Ich sollte schon im Kontrollraum sein«, sagte er in schuldbewußtem Ton.

Trautman winkte ab. »Das macht nichts«, sagte er. »Deine Wache fällt heute aus. Ich übernehme das Ruder selbst.« Er schwieg einen Augenblick, dann fuhr er mit leiser Stimme fort: »Wir müssen auftauchen. Unsere Sauerstoffvorräte gehen zur Neige.«

»Aber der Sturm«

»hat vor einer Woche begonnen und nicht mehr aufgehört und wird es vermutlich auch so schnell nicht«, unterbrach ihn Trautman. »Jedenfalls hat es keinen Sinn, darauf zu warten. Aber es könnte ziemlich ungemütlich werden. Ich möchte dich bitten, nach Serena zu sehen, solange wir noch nicht aufgetaucht sind.«

»Jetzt gleich?« fragte Mike.

»Es gibt keinen Grund zu warten«, antwortete Trautman. »Im Gegenteil. Es sieht so aus, als ob der Sturm gerade ein bißchen abflauen würde.« Mike blickte zur Wasseroberfläche hoch. Das unablässige Hin und Her der silbernen Lichtsplitter hatte sich nicht verändert. Der Sturm tobte seit nunmehr acht Tagen mit ungebrochener Kraft. Sie hatten den größten Teil dieser Zeit unter Wasser zugebracht, um ihm zu entgehen, aber ein paarmal hatten sie eben doch auftauchen müssen, und Mike wußte nur zu gut, welche Gewalten dort oben herrschten. Er wußte aber nicht, warum. Dies war kein natürlicher Sturm. Nicht nur, daß er die ganze Zeit mit ungebrochener Kraft gewütet hatte – erfolgteihnen. Die NAUTILUS war während der letzten Tage mit Höchstgeschwindigkeit gefahren, und das war um einiges schneller, als jedes andere Schiff auf der Welt sich fortzubewegen imstande war, aber der Sturm war nicht hinter ihnen zurückgeblieben.

An diesem Punkt seiner Überlegungen angelangt, zog Mike es vor, den Gedanken nicht weiter zu verfolgen. Er gab sich einen Ruck.

»In Ordnung. Ich gehe gleich zu ihr.«

Trautman und er verließen hintereinander den Turm und gingen die Treppe hinab, die tiefer in den stählernen Leib der NAUTILUS hinunterführte. Der alte Steuermann und Singh, der sich als erstaunlich geschickter Mechaniker herausgestellt hatte, hatten die Tage, die der Sturm sie unter die Wasseroberfläche getrieben und zur Untätigkeit verdammt hatte, dazu genutzt, das Schiff gründlich durchzuchecken und auf Vordermann zu bringen. Und sie hatten dabei wahre Wunder vollbracht. Wie ein großes, mächtiges Tier, das allmählich aus dem Winterschlaf erwachte und die Kontrolle über seinen Körper langsam zurückgewann, gewannen die geheimnisvollen Maschinen und Geräte der NAUTILUS immer mehr an neuem Leben.

Mike lächelte, als ihm klar wurde, wie passend dieser Vergleich war. Die NAUTILUS trug nicht nur den Namen eines Meeresbewohners, mit ein bißchen Phantasie betrachtet, ähnelte sie ihm auch. Und nicht nur das: Das Schiff war tatsächlich vor noch nicht allzu langer Zeit aus einem Schlaf erwacht, der länger als ein Jahrzehnt gedauert hatte. Und wie immer, wenn Mike daran zurückdachte, überkam ihn eine Mischung aus Staunen und Ehrfurcht, das gleiche Gefühl, das er auch gehabt hatte, als er die NAUTILUS zum ersten Mal sah, und das er nie mehr verloren hatte.

Es war noch nicht lange her, da war Mike ein ganz normaler Schüler eines ganz normalen Internats in London gewesen. Aber dann, an jenem schicksalhaften Tag kurz vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1913, hatte er erfahren, daß er nicht der war, für den er sich bis zu jenem Tag gehalten hatte. Er hatte erfahren, daß sein Vater ihn unter einem falschen Namen und mit einer geschickt gefälschten Lebensgeschichte in jenem Internat in England untergebracht hatte, um seinem Sohn das Schicksal zu ersparen, das sein eigenes Leben bestimmt hatte: das Schicksal des Gejagten, des ewig Gehetzten, der immer auf der Flucht war und nirgendwo auf der Welt wirklich Ruhe zu finden vermochte. Denn Mikes Vater, den er selbst bis zu diesem Zeitpunkt für einen wohlhabenden indischen Fürsten gehalten hatte, der zusammen mit seiner englischen Frau kurz nach Mikes Geburt ums Leben gekommen war, war in Wahrheit niemand anders als der legendäre Kapitän Nemo gewesen.

Aber das Schicksal läßt sich nicht betrügen. Mike hatte nicht nur das Vermögen und den Titel seines Vaters geerbt, sondern anscheinend auch den Fluch, der auf dessen Leben gelastet hatte. Nach einer Reihe ungewöhnlicher und gefährlicher Abenteuer hatte es ihn und seine Freunde schließlich auf eine winzige Insel verschlagen, auf der sie das Wrack der NAUTILUS fanden, das vom letzten noch lebenden Freund seines Vaters – Trautman nämlich – bewacht und beschützt wurde. Und seither befanden sie sich ununterbrochen auf der Flucht. Sie hatten nicht nur Abenteuer erlebt, die er sich vor ein paar Monaten nicht einmal hätte vorstellen können, er hatte auch einen guten Freund verloren, unddieseErinnerung tat weh. Er schob die Gedanken beiseite, denn nun hatte er Serenas Kabine – die vor ein paar Tagen noch seine eigene gewesen war – erreicht.

Er klopfte an, wartete aber nicht, ob jemand antwortete, sondern trat sofort ein. Das war keine Unhöflichkeit; der einzige Bewohner, den die Kabine im Moment mit Ausnahme des schlafenden Mädchens hatte, konnte ihm nicht antworten. Wenigstens nicht laut.

Mike näherte sich dem Mädchen auf dem Bett sehr leise, obwohl er genau wußte, daß selbst der größte Lärm Serena nicht geweckt hätte. Aber es war mit diesem Mädchen ein bißchen so wie mit dem Schiff: Jedesmal, wenn er sie sah, überkam ihn eine Art…Ehrfurcht.Ein merkwürdiges Gefühl, ein Mädchen anzusehen, das weit über zehntausend Jahre zählte und außerdem eine leibhaftige Prinzessin war.

Na und? Du bist ein leibhaftiger Prinz. Wo ist der Unterschied? Die paar Jährchen!

Mike fuhr zusammen. Obwohl Astaroth genauso lange wie Serena an Bord war, erschrak Mike noch immer, wenn er unvermittelt dessen Stimme hörte. Es war wirklich nicht jedermanns Sache, eine Stimme direkt in seinem Kopf zu vernehmen. Noch viel weniger, wenn man bedachte, wem diese Stimme gehörte… »Dasistein Unterschied«, sagte er laut. »Ich bin nur

auf dem Papier ein Prinz. Wenn überhaupt noch, dann gehört

mir ein winziges Stück von Indien. Nicht ganz Atlantis.«

Aber dein Königreich ist wenigstens nicht mit Mann und Maus im Meer versunken.Astaroth hab den Kopf, blickte Mike einen Moment lang aus seinem einzig sehenden Auge an und gähnte dann ungeniert und sehr ausgiebig. Der schwarze Kater hatte sich neben Serena auf dem Kopfkissen zusammengerollt. Sein buschiger Schwanz lag wie eine Stola um Serenas Hals und bildete so einen deutlichen Kontrast zur Blässe ihrer Haut. Serenas Gesicht war so bleich, daß es sich kaum von dem Kissen abhob, auf dem es lag. Es war die Blässe eines Menschen, der noch niemals die Sonne gesehen hatte.

Mike ging langsam weiter, setzte sich auf die Bettkante und griff nach Serenas Hand. Astaroths Blick folgte der Bewegung, aber er erhob keine Einwände. Mike war der einzige an Bord, der Serena berühren durfte, ohne daß der Kater ihn anfauchte oder gleich mit den Krallen nach ihm schlug.

»Wir tauchen bald auf«, sagte Mike. Er ergriff Serenas Hand fester. Ihre Haut fühlte sich so kalt und glatt wie weißes Porzellan an, und Mike überlief ein Schaudern. »Wir müssen die Sauerstofftanks auffüllen.«

Ich weiß,antwortete Astaroth auf seine lautlose Art.

Mike blickte den Kater vorwurfsvoll an.

»Du hast schon wieder meine Gedanken gelesen«, sagte er. »Ich hatte dich gebeten, das nicht mehr zu tun.«

Habe ich nicht,behauptete Astaroth.

»Lüg nicht auch noch!« sagte Mike scharf.

Ich lüge nicht,erwiderte Astaroth beleidigt.Menschen lügen.

Katzen niemals.

»Ja, das Problem ist nur, daß du keine Katze bist!« erwiderte Mike. Astaroth hielt seinem Blick noch eine Sekunde lang stand, dann rollte er sich wieder auf dem Kissen zusammen und begann wohlig zu schnurren. Abgesehen von seiner Größe hätte man ihn so wirklich für ein harmloses kleines Kätzchen halten können, an dem absolut nichts Ungewöhnliches war. Aber das stimmt nicht. Er sah zwar aus wie eine Katze, aber er war mehr als das.

»Du liest also doch meine Gedanken!« wiederholte Mike laut.