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»Ich hatte Recht«, murmelte der Belgier. Seine Stimme war fast nur ein Flüstern. Der Ausdruck maßlosen Schreckens war von seinem Gesicht verschwunden und hatte dem der Faszination Platz gemacht, die Mike noch mehr erschreckte als das Entsetzen zuvor. Vielleicht zum ersten Mal gewahrte Mike auf seinem Gesicht den Ausdruck, den man auf dem eines Wissenschaftlers erwarten mochte, der kurz vor einer
sensationellen Entdeckung stand; allerdings war Mike der Meinung,dass Delamere sich einen höchst unpassendenMomentausgesucht hatte um seinem Forscherdrang so
nachzugeben. »Der Lavafluss«, fuhr der Vulkanologe fort. »Ich hatte Recht! Meine Theorie stimmt! Das ist die Verbindung zwischen den Vulkanen, nach der ich gesucht habe!« Er deutete mit zitternder, unsicherer Hand nach draußen. »Seht ihr die Strömungen? Wir müssen ganz dicht davor sein.«
Mike konnte beim besten Willen keinerleiStrömungenin der Oberfläche des Lavaflusses erkennen, auf dem die NAUTILUS dahintrieb, sondern nur ein Durcheinander von Flammen, halb erstarrter und wieder schmelzender Lava, gelbem Feuer und spritzender Glut. Er kam aber auch nicht dazu, eine entsprechende Frage zu stellen, denn Trautman fragte: »Wie heiß ist die Lava?«
Delamere hob die Schultern, antwortete aber trotzdem: »Nicht sehr heiß«, sagte er. »Jedenfalls nicht für Lava. Es ist Basaltschmelze ... vielleicht achthundert, allerhöchstens neunhundert Grad.« »Und das nennen Sienicht sehr heiß?«,krächzte Ben. »Sie kann bis zu dreitausend Grad heiß werden«, sagte Delamere. »Ungefähr. Es ist noch nie jemand dicht genug an einen Vulkan herangekommen um das genau zu messen.« Er drehte sich halb zu Trautman herum. »Hält das Schiff das aus?« »Nicht lange«, sagte Trautman. »Im Moment sind wir wohl nicht in Gefahr, aber ich weiß nicht, wie lange dieser Moment noch anhält. Wie kommen wir hier wieder heraus?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Jacques. Auf diese Worte hin breitete sich ein tiefes, unangenehmes Schweigen im Salon des Schiffes aus.
Endlos lang trieb die NAUTILUS auf dem gelb lodernden Lavafluss dahin. Trautman schien mit seiner Behauptung Recht zu haben, dass das Schiff selbst diesen gewaltigen Temperaturen, die dort draußen herrschten, trotzen konnte, aber was für das Schiff galt, musste nicht auch für seine Besatzung zutreffen. Beharrlich und unaufhaltsam begannen die Temperaturen im Salon zu steigen. Die Luft wurde bald warm, dann stickig und schließlich heiß und alles, was aus Metall bestand, begann sich ebenfalls zu erhitzen, sodass Mike und die anderen aufpassen mussten, wo sie hingriffen, um sich nicht zu verbrennen. Und die NAUTILUS wurde eindeutig schneller; die Strömung des unterirdischen Lavaflusses nahm zu.
»Es wäre vielleicht an der Zeit, dass Sie sich etwas einfallen lassen, Monsieur Delamere«, sagte Juan nach einer Weile.
»Aber was soll ich denn tun?«, antwortete dieser mit einem unglücklichen Achselzucken. »Niemand hat so etwas je erlebt. Niemand weiß, was zu tun ist -ob man überhaupt etwas tun kann.« Ben deutete mit einer Kopfbewegung zur Decke des steinernen Tunnels. »Können wir uns nicht freisprengen?«
»Wenn ich wüsste, wie dick die Felsschicht dort oben ist, vielleicht«, antwortete Delamere, schüttelte aber schon in der nächsten Sekunde den Kopf. »Aber das hätte auch keinen Sinn. Das eindringende Wasser würde sofort zu Dampf werden und die Explosion würde uns zerreißen.«
»Das ist vielleicht immer noch besser als hier allmählich gegrillt zu werden«, antwortete Ben mürrisch.
Mike lächelte flüchtig über seine Worte, aber im Innersten gab er Ben Recht. Das Kontrollpult, an dem er hantierte, war mittlerweile so heiß, dass er Mühe hatte, es noch berühren zu können, und die Wärme kroch selbst durch seine Schuhsohlen. Die Luft wurde immer heißer und schmeckte bitter und jeder Atemzug schien ein bisschen mühsamer zu sein als der davor. Sie würden die Hitze so oder so nicht mehr allzu lange ertragen. Vielleicht war es besser, das Risiko in Kauf zu nehmen, bei einer Explosion getötet zu werden als einem sicheren und sehr qualvollen Tod entgegenzusehen.
Trautman schien wohl ebenso zu denken wie er, denn nach wenigen Augenblicken, die er weiter aus dem Fenster gesehen hatte, deutete er ein Nicken an und sagte: »Riskieren wir es. Wir haben nichts zu verlieren. Suchen Sie eine geeignete Stelle, Jacques.« Der Belgier erschrak wieder. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war jetzt der vollkommener Hilflosigkeit und Mike begriff mit neuem Entsetzen, dass Delamere nicht die geringste Ahnung hatte, was er tun sollte. Woher auch? Die Felsdecke über ihnen konnte wenige Meter, ebenso gut aber auch eine halbe oder eine ganze Meile dick sein. Sie hatten keine Möglichkeit, das festzustellen. Plötzlich begann sich draußen etwas zu verändern. Das Licht flackerte stärker, änderte seine Farbe und schien jetzt mehr rot als gelb zu sein und die NAUTILUS wurde noch einmal etwas schneller, begann zugleich aber auch spürbar zu beben und zu stampfen. Irrte er sich oder stieg die Temperatur nun rascher? Plötzlich stieß Chris einen überraschten Schrei aus und deutete nach draußen, und als Mikes Blick der Geste folgte, konnte auch er einen erschrockenen Ausruf kaum noch unterdrücken. Nicht weit vor der NAUTILUS begann sich der Tunnel zu einer gewaltigen, nahezukreisrunden Kuppelhöhle zu verbreitern. Aus mindestens zwei oder drei Öffnungen in den Wänden ergossen sich träge, zähflüssige gelbe und rote Lavaströme in ihr Inneres und vor ihnen brodelte und kochte ein gigantischer, dunkelrot glühender Strudel. Meterhohe Wellen aus geschmolzenem Gestein, das so dünnflüssig wie Wasser war, brachen sich an den Wänden. Immer wieder stürzten große Felsbrocken von der Decke und verschwanden in der aufspritzenden Lava oder brachen aus den Wänden heraus, aber das glutflüssige Gestein erstarrte auch fast ebenso schnell wieder, wie es unter der höllischen Hitze schmolz, sodass die riesige Höhle scheinbar ununterbrochen ihre Form zu verändern schien.
Die NAUTILUS schwankte jetzt wild hin und her wie ein Segelschoner eines vergangenen Jahrhunderts, der in einen Sturm geraten war, und zu dem Chor beunruhigender Laute und Geräusche, die sie hörten,gesellte sich ein neuer, noch schlimmerer Ton: das Ächzen und Knarren bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit beanspruchten Metalls. Mike ahnte, dass das SchiffdieserBelastung nicht mehr lange standhalten konnte. Die NAUTILUS war ein fantastisches Fahrzeug, wie es sie auf der ganzen Welt kein zweites Mal gab, aber auch sie
hatte ihre Grenzen, und diese Grenzen hatten sie jetzt ganz offensichtlich erreicht.
»Wartet!«, sagte Jacques plötzlich. Er deutete aufgeregt nach draußen, in das tobende Inferno aus Hitze, rotem Licht und geschmolzenem brodelndem Gestein hinaus. »Das könnte es sein!«
»Was?«, fragte Trautman. Seine Stimme klang gepresst und sein Gesicht glänzte von Schweiß. Auch hier drinnen im Salon war die Hitze längst unerträglich. Mike fragte sich, wie lange es noch dauern mochte, bis einer von ihnen einfach umkippte. »Das, wonach wir gesucht haben«, antwortete Delamere, während er sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte, damit er ihm nicht in die Augen lief. »Seht ihr die beiden anderen Stollen dort drüben? Hier treffen mehrere Lavaströme aufeinander.«
»Wie interessant«, keuchte Ben. »Erklären Sie uns lieber, wie wir hier rauskommen!« Der Belgier ignorierte ihn. »Wenn wir die Abflüsse sprengen, dann müsste der Druck sehr schnell ansteigen. Vielleicht löst das die große Eruption aus.« »Mit uns mittendrin?«, keuchte Ben.
»Wahrscheinlich kommen wir sowieso nicht mehr heraus«, murmelte Juan. Nicht nur Ben sah ihn erschrocken an, aber niemand sagte etwas. Trautman blickte gebannt auf seine Kontrollinstrumente. Auch sein Gesicht glänzte von Schweiß und Mike fiel auf, dass seine Hände zitterten. Die NAUTILUS wurde schneller, je mehr sie sich der Mitte des Lavasees näherte. Mike wagte es nicht, Jacques eine entsprechende Frage zu stellen, war aber ziemlich sicher, dass die Lava hier sehr viel heißer war als die Basaltschmelze, auf der die NAUTILUS bisher gefahren war. Die Lava brodelte und zischte, bewegte sich jetzt aber nicht mehr scheinbar willkürlich und Mike erkannte voller Schreck, dass sie sich langsam, aber unbarmherzig auf einen gewaltigen Strudel zubewegten, der sich in der Mitte des riesigen Felsendomes drehte.
Auch Trautman hatte die Gefahr erkannt und versuchte verzweifelt den Kurs der NAUTILUS zu beeinflussen allerdings mit nicht sehr viel Erfolg. Das Schiff war nicht dafür konstruiert, in geschmolzenem Gestein zu schwimmen. »Delamere!«, sagte Trautman scharf. »Der große Tunnel auf der anderen Seite«, murmelte Delamere. »Das scheint der Abfluss zu sein. Können Sie ihn sprengen?«
»Am besten,nachdemwir ihn passiert haben«, fügte Ben nervös hinzu.
»Ich kann es versuchen«, antwortete Trautman leise. »Wenn wir Gesteinschmelze in die Turbinen bekommen, explodiert das ganze Schiff. Ist der Sprengstoff bereit?«
Die letzte Frage galt Juan, der nur mit einem nervösen Nicken darauf antwortete. Sie hatten allen Sprengstoff, den sie in Lemura an Bord genommen hatten, in feuerfeste Behältnisse gepackt und in der Tauchkammer deponiert. Wenn Trautman die äußere Schleusentür öffnete, würden sie automatisch aus dem Schiff geschwemmt werden. Theoretisch. Mike zog es vor, nicht über alles nachzudenken, was bei diesem wahnwitzigen Plan schief gehen konnte. Die NAUTILUS zitterte immer heftiger, wurde aber auch gleichzeitig schneller, weil sie mehr und mehr in den Sog des Lavastrudels geriet. Trautman versuchte jedoch nicht dagegen anzukämpfen, sondern korrigierte den Kurs des Tauchbootes nur sehr behutsam. Erst als sie den Ausgang schon fast erreicht hatten, entfesselte er die ganze Kraft der Maschinen und versuchte den Bug der NAUTILUS auf den gewaltigen Stollen auszurichten. Das Schiff reagierte mit qualvoller Langsamkeit. Ganz allmählich nur näherte sich das Schiff dem Stollen. Das Motorengeräusch klang schrecklich in seinen Ohren; es war kein gleichmäßiges Dröhnen mehr, sondern ein Laut, als würden Glaskugeln in einer gewaltigen Mühle zerrieben. Trotzdem gelang es Trautman nach und nach, die NAUTILUS auf den Stollen zuzumanövrieren, und Mike atmete innerlich schon halbwegs auf.
Als sie den Zufluss zur Hälfte passiert hatten, löste sich ein gewaltiger Lavabrocken von der Höhlendecke und stürzte unmittelbar neben der NAUTILUS in das flüssige Gestein. Die Druckwelle ergriff das Tauchboot und schmetterte es mit furchtbarer Gewalt gegen die Wand.
Mike wurde regelrecht von seinem Stuhl katapultiert, flog gegen das Kartenregal auf der anderen Seite und stürzte benommen zu Boden. Trotzdem blieb er nur eine Sekunde lang liegen. Der Boden war so heiß, dass er vor Schmerz aufschrie und sich wunderte, dass die Karten und Bücher nicht auf der Stelle Feuer fingen.
Er hatte allergrößte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Die NAUTILUS schrammte unter enormem Getöse an der Wand entlang und nahm dabei eine so starke Schräglage ein, dass es Mike kaum gelang, sich zu seinem Platz zurückzukämpfen.
Auch den anderen erging es nicht viel besser. Juan und Ben waren übereinander gestürzt. Delamere hockte auf den Knien und starrte aus schreckgeweiteten Augen aus dem Fenster und von Chris war im Augenblick überhaupt nichts zu sehen. Trautman stolperte mit fast komisch wirkenden Schritten und wild rudernden Armen zu seinem Kommandopult zurück, überwand das letzte Stück Weg mit einem verzweifelten Satz und schlug mit der flachen Hand auf einen Schalter.
Die NAUTILUS fand nun mühsam in die Waagerechte zurück. Sie schepperte immer noch an der Felswand entlang und Mike fragte sich nicht zum ersten Mal, wie viel das Schiff noch aushalten würde, ehe die Panzerplatten des Rumpfes Hitze und Druck endgültig nachgaben und geschmolzenes Gestein in das Schiffsinnere eindrang.
»Der Sprengstoff ist draußen«, keuchte Trautman. »Jetzt können wir nur hoffen, dass -« Der Rest seiner Worte ging in einem gewaltigen Krachen unter. Ein noch gleißenderes Licht löschte für einen Moment das flackernde Rot und Gelb draußen aus, sodass sie alle geblendet die Blicke abwandten. Die nächste gewaltige Explosion zerriss die Lava. Weißes Licht und glutflüssiges Gestein spritzten bis zur Decke des Tunnels hoch und eine noch heftigere Druckwelle traf die NAUTILUS und ließ sie abermals erzittern.
»Trautman, sind Sie verrückt?«, keuchte Delamere. »Die Zeitzünder -«
»- waren auf fünf Minuten eingestellt!«, unterbrach ihn Ben. »Ich habe es selbst getan.« »Dann hast du wahrscheinlich Minuten mit Sekunden verwechselt!«, giftete Delamere.
»Genug!«, sagte Trautman zornig. »Was soll denn das? Wahrscheinlich hat die Hitze die Explosion verfrüht ausgelöst. Haltet euch lieber fest!« Seine Warnung war nur zu berechtigt. Der zweiten Explosion waren eine dritte, vierte und fünfte gefolgt und nun begann der gesamte Stollen zu wanken. Die Decke senkte sich, schien sich für einen Moment wie etwas Lebendiges zu bewegen und brach dann unter gewaltigem Getöse zusammen. Eine riesige Flutwelle aus geschmolzenem Gestein raste auf die NAUTILUS zu, riss sie mit sich und schleuderte sie immer wieder gegen die Wände, drohte sie sogar einmal gegen die Decke des Stollens zu schmettern. Rings um sie herum waren nur noch Feuer, flackerndes rotes und gelbes Licht und unvorstellbarer Lärm. Alle schrien, stürzten hilflos hin und her oder versuchten sich irgendwo festzuklammern und Mike erkannte voller Entsetzen eine neue, schreckliche Gefahr: Wenn die Springflut aus verflüssigtem Gestein die NAUTILUS untertauchte, würde sie nie wieder auftauchen.
Doch es kam nicht so weit. Plötzlich zerbarst die Felsendecke über ihnen wie unter einem Hammerschlag. Wasser stürzte herein und verwandelte sich fast augenblicklich in kochenden Dampf. Die NAUTILUS wurde von der gewaltigen Explosion ergriffen und mitgerissen. Das Schiff war über hundert Meter lang und wog mehrere tausend Tonnen, aber nun war es zum Spielball der Gewalten geworden, die diesen Platz erschaffen hatten; kaum mehr als ein Blatt, das von einem Orkan herumgewirbelt wurde. Mike sah nur noch ein weißes Brodeln, Flammen und wirbelnde Schatten draußen vor dem Fenster, dann kippte die NAUTILUS zur Seite, zitterte einen Moment lang und stellte sich dann endgültig auf den Kopf. Mike fand gerade noch Zeit, schützend die Hände zu heben, ehe er mit dem Kopf gegen die Decke knallte, die sich plötzlich da befand, wo eigentlich der Fußboden sein sollte, und das Bewusstsein verlor.
In seinen Ohren war noch immer ein dumpfes, anhaltendes Grollen und Rumoren, als Mike erwachte und selbst durch seine geschlossenen Augenlider drang flackerndes, rotes Licht. Er lag auf einer weichen Unterlage, nicht mehr auf dem Boden, aber die ganze Welt schwankte und bebte weiterhin. Die Luft roch verbrannt und Mike registrierte voller Schrecken, dass das Motorengeräusch verstummt war. Mit einem Ruck öffnete er die Augen und setzte sich auf. Allerdings nur um die Lider sofort zu senken und sich wieder zurückfallen zu lassen. Sein Kopf dröhnte, als säße hinter seinen Augen ein gehässiger kleiner Zwerg, der mit großer Begeisterung auf eine Kesselpauke einschlug.
»Beweg dich ein bisschen vorsichtiger«, hörte er Bens Stimme irgendwo neben ihm. »Du hast eine mächtige Beule am Kopf.«
»Vielen Dank für die Warnung«, maulte Mike. »Auch wenn sie etwas früher hätte kommen können.« »Reg dich nicht auf. Es hat ja kein wertvolles Körperteil getroffen«, antwortete Ben. Mike verbiss sich die wütende Antwort, die ihm auf der Zunge lag, öffnete ein zweites Mal die Augen und schwang die Beine von dem Sofa, auf dem er lag. Erst dann richtete er sich abermals auf -sehr viel vorsichtiger als beim ersten Mal. Trotzdem veranlasste die Bewegung den Zwerg mit der Pauke zu einem wahren Trommelwirbel, der Mike stöhnend die Zähne zusammenbeißen ließ.
»Wie gesagt: Du hast eine gewaltige Beule am Kopf«, grinste Ben.
»Als du michHerrgenannt hast, hast du mir irgendwie besser gefallen«, knurrte Mike, während er stöhnend die Handflächen gegen die Schläfen presste und darauf wartete, dass der dröhnende Kopfschmerz ein wenig nachließ.
»Du hast wohlwirklicheins auf die Rübe bekommen, wie?«, fragte Ben fröhlich.
Mike entschloss sich, nicht mehr darauf zu antworten. Bens Anblick entschädigte ihn halbwegs für seine gehässigen Worte, denn auch er sah ziemlich ramponiert aus. Abgesehen von ihm und Mike selbst war der Salon vollkommen leer -und vollkommen verwüstet. Die Regale und Schränke hatten ihren gesamten Inhalt über den Boden verteilt, etliche Möbel und alles, was aus Glas oder anderen empfindlichen Materialien bestand, war zerbrochen. Aber wenigstens stand der Raum nicht mehr auf dem Kopf. »Was ist passiert?«, fragte Mike. »Wo sind die anderen?«
»Sie inspizieren das Schiff«, antwortete Ben, »um nach Schäden zu suchen. Ich fürchte, sie werden mehr finden, als ihnen lieb ist.« »So schlimm?«, fragte Mike.
»Schlimmer«, antwortete Ben ernst. »Wir haben tonnenweise Lava auf dem Rumpf. Die NAUTILUS ist ungefähr so manövrierfähig wie eine Badewanne voller Ziegelsteine. Es grenzt wahrlich an ein Wunder, dass wir es überhaupt geschafft haben, aufzutauchen.«
»Aufzu ...?« Mike drehte mit einem Ruck den Kopf und starrte mit weit aufgerissenen Augen aus dem Fenster. Draußen herrschte vollkommene Dunkelheit, die immer wieder von lodernden roten Lichtblitzen durchdrungen wurde.
»Mein Gott, wie ... wie lange war ich bewusstlos?«, murmelte er.
»Über eine Stunde«, antwortete Ben. »Eine Stunde?! Aber dann müsste hier heller Tag herrschen!« »Das ist der Vulkanausbruch«, sagte eine Stimme von der Tür aus. »Die Staub- und Rauchwolken verdunkeln den Himmel.«
Mike drehte den Kopf und erkannte Delamere, der zusammen mit Trautman, Chris und Ben gerade in diesem Moment hereinkam.
»Der Vulkanausbruch? Soll das heißen, wir ... Sie haben es geschafft?«
»Wirwar schon ganz richtig«, verbesserte ihn Delamere. »Ohne eure Hilfe und vor allem ohne euer fantastisches Schiff wäre es wohl nicht ganz so einfach gewesen. Ich kann es immer noch nicht fassen!
Wir sind tatsächlich auf einem Fluss ausLavagefahren!« »Ja«, knurrte Trautman und trat an sein Kontrollpult. »Aber ich möchte es ungern zu einer schlechten Angewohnheit werden lassen. Ich weiß nicht, wie oft die NAUTILUS so etwas noch mitmacht! Sorgen macht mir vor allem die Tauchkammer.« »Was ist damit?«, fragte Mike. »Sie ist voller Lava«, antwortete Trautman. »Sie ist hereingeflossen, als ich die Schleuse geöffnet habe, aber leider nicht mehr hinaus. Und mittlerweile ist sie natürlich erstarrt.« Er machte ein finsteres Gesicht. »Unsere Tauchkammer besteht im Moment aus einem kompakten Lavablock. Ich hoffe, wir bekommen das Zeug jemals wieder heraus!« Mike sah ihn noch einen Moment lang ernst an, dann stand er auf und trat an das große Aussichtsfenster heran. Nachdem sich seine Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, stellte sich die Dunkelheit als nicht mehr ganz so total heraus, wie er im ersten Moment angenommen hatte. Er konnte die dünne, gerade Linie des Horizonts erkennen, vor der sich nur manchmal im flackernden roten Feuerschein eine gezackte Silhouette abhob. Der Himmel darüber war nicht schwarz, wie er im ersten Augenblick angenommen hatte, sondern von einem sehr dunklen Braun, auf dem nicht ein einziger Stern zu sehen war. Das musste die Aschewolke sein, von der Delamere gesprochen hatte. Erst danach fragte er sich, wo sie überhauptherkam.»Ich dachte, der Vulkan bricht auf dem Meeresboden aus!«, sagte er.