122163.fb2 Die Insel der Vulkane - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 12

Die Insel der Vulkane - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 12

Es gibt große Höhlen oben im Inneren des Vulkankraters,erklärte Astaroth.Groß genug für euch alle.Delamere hatte das Wort gehört, das er versehentlich laut ausgesprochen hatte. Jetzt erschien ein verblüffter Ausdruck auf seinem Gesicht. »Die Höhlen«, murmelte er. »Natürlich! Die Höhlen!« Aufgeregt fuhr er zu Ah'Kal herum und sprudelte regelrecht los: »Die Höhlen, Ah'Kal! Wir müssen in die Höhlen, oben im Heiligen Krater!« Ah'Kal unterbrach sein gemurmeltes Gebet und sah mit undeutbarem Gesicht zu ihm hoch. Er sagte nichts, aber Jacques fuhr noch aufgeregter fort: »Ogdys Zorn wird diese Insel treffen, aber er bietet seinen Kindern auch Schutz! Wir müssen in die Höhlen hinauf! Ogdy selbst wird uns vor dem Zorn der Elemente beschützen!«

Der Pahuma dachte noch eine Sekunde lang angestrengt nach, dann kam er sichtlich zu einem Entschluss. Er stand auf, sagte einige Worte in seiner Muttersprache zu seinen Männern und wandte sich dann wieder an Mike und die anderen. »Folgt mir!« »Schnell«, fügte Delamere hinzu. Mike schenkte ihm einen bösen Blick, sagte aber nichts, sondern ergriff Serenas Arm und schloss sich Ah'Kal und den anderen an, die ein überraschend hohes Tempo vorlegten, sodass sie beinahe rennen mussten um mit ihnen Schritt zu halten.

Sie umrundeten den See zur Hälfte und schon von weitem rief Ah'Kal seinem Stamm etwas zu und gestikulierte dabei zum Gipfel des Vulkanberges hinauf, woraufhin die Pahuma ihr Gebet unterbrachen und sich ebenfalls in aller Hast auf den Weg machten. Zusammen mit Singh und den restlichen Gefangenen machten sie sich an den Aufstieg.

Wie sich zeigte, hatte sich Delamere gleich in zweifacher Hinsicht geirrt: Sie hatten sehr viel weniger Zeit als eine halbe Stunde und sie befanden sichkeineswegsin Sicherheit.

Der Aufstieg zum Krater hinauf dauerte nicht sehr lange, aber schon eine ganze Weile, bevor sie dessen Rand erreichten, stürzte ein roter Feuerball vom Himmel und schlug wie eine Bombe auf der Flanke des Berges tief unter ihnen ein. Er war weit entfernt, sodass sie nicht in Gefahr waren, aber dem ersten Lavabrocken folgte ein zweiter, ein dritter und vierter und schließlich begannen vom Himmel regelrecht brennende Steine zu regnen, die überall auf dem Berg einschlugen und dabei rot glühende Lavatropfen verspritzten. Trotz der Gefahr, auf dem schlüpfrigen Untergrund auszugleiten und zu stürzen, begannen sie zu rennen, um dem immer dichter werdenden Bombardement zu entgehen. Dann und wann stürzte tatsächlich einer von ihnen und einmal schlug ein Lavabrocken in ihrer unmittelbaren Nähe ein und explodierte in einem Funkenschauer, dem ein Chor gellender Schmerzensschreie folgte. Mike warf im Laufen einen gehetzten Blick über die Schulter zurück. Das Dorf der Pahuma brannte. Offensichtlich hatten glühende Gesteinsbrocken die einfachen Palmhütten getroffen und in Brand gesetzt, und gerade in diesem Moment schlug eines der himmlischen Geschosse in den See ein und ließ eine zwanzig Meter hohe Wassersäule aufsteigen. »Schneller!«, schrie Delamere. »Das Schlimmste kommt erst noch!«

Mike fragte sich, was denn noch schlimmer kommen konnte, versuchte aber trotzdem schneller zu laufen. Der Regen aus Lavabrocken wurde immer dichter und es kam Mike mittlerweile fast wie ein Wunder vor, dass noch niemand ernsthaft verletzt oder gar getötet worden war.

Der Kraterrand lag nur noch wenige Meter über ihnen, als Mike ein unheimliches Grollen und Rumoren hörte. Er warf erneut einen Blick über die Schulter zurück, und was er sah, das ließ ihn innerlich vor Entsetzen aufstöhnen: Der Himmel war nicht mehr vollkommen schwarz, es herrschte nun ein trübgraues, Farben fressendes Zwielicht, sodass er die gigantische Wasserwand sehen konnte, die sich der Insel von Norden her näherte.»Schnell!«,brüllte Jacques.

Mike beschleunigte seine Schritte noch einmal, setzte mit einem Sprung über den Kraterrand hinweg und schlitterte auf der Innenseite wieder hinunter. Kaum hatte er es geschafft, da war es, als ob die gesamte Insel unter einem gewaltigen Schlag erbebte. Ein unvorstellbar lautes Brüllen und Heulen hob an, und als Mike nach oben blickte, sah er, wie einer von Ah'Kals Kriegern, der den Abschluss bildete, wie von einer unsichtbaren Hand ergriffen und in die Höhe gerissen wurde. Hilflos wie ein Blatt im Sturm wurde er davongeschleudert, bis er schließlich fast in der Mitte des Kratersees ins Wasser stürzte. Die ungeheure Druckwelle, die der Vulkanausbruch verursacht hatte, hatte die Insel getroffen. Ein unvorstellbarer Sturmwind tobte über den Krater hinweg und rüttelte wie mit unsichtbaren Riesenfäusten am Fels. Sie waren nicht einmal hier drinnen in Sicherheit. Der Vulkan schützte sie vor der unmittelbaren Wucht der Druckwelle, aber trotzdem bildeten sich gefährliche, ungemein starke Wirbel und Soge, die sie alle von den Füßen fegte. Faustgroße Steine wurden in die Höhe gerissen und prasselten wie todbringender Hagel auf sie nieder und der ganze Berg zitterte und bebte immer heftiger. Mike schlitterte hilflos wie die anderen in den Krater hinab, schlug unsanft auf seinem Grund auf, schlitterte noch ein Stückchen weiter und rutschte bis über die Hüften ins Wasser, ehe es ihm endlich gelang, seinen Sturz zu bremsen.

Hastig rappelte er sich auf. Sein erster Blick galt Serena, aber sie hatte mehr Glück gehabt als er. Sie war zwar ebenso gestürzt wie alle anderen, stand aber bereits wieder auf den eigenen Beinen und schien nur ein paar harmlose Kratzer abbekommen zu haben.

Ein mehr als kopfgroßer Lavabrocken stürzte fast senkrecht vom Himmel und schlug in den Kratersee ein. Nur eine Handbreit neben Mike traf ein Spritzer rot glühenden, halbflüssigen Gesteins den Boden. Mike keuchte vor Schrecken, sprang hastig hoch und rannte geduckt los. Der Regen aus glühender Lava und Felstrümmern wurde immer dichter. Verzweifelt hielt er nach dem Höhleneingang Ausschau, von dem Astaroth und Jacques gesprochen hatten. Er war nicht einmal sehr weit entfernt, aber so schmal, dass er ihn wahrscheinlich glatt übersehen hätte, wäre er nicht einfach den Pahuma gefolgt, die einer nach dem anderen in der kaum meterbreiten Spalte verschwanden.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis auch er an der Reihe war, aber sie kamen ihm vor wie eine Ewigkeit. Der Berg unter ihren Füßen zitterte immer noch. Kreisförmige Wellen peitschten die Oberfläche des Sees in immer rascherer Folge. Die Druckwelle, die die Insel in ihren Grundfesten erschüttert hatte, war vorüber, aber nun raste ein wahrer Höllensturm über den Krater hinweg, der jede Verständigung einfach unmöglich machte, und der Regen tödlicher Lavabrocken wurde immer dichter. Aber sie hatten Glück. Zwei Pahuma und einer von Delameres Männern trugen leichtere Verletzungen davon und auch Mike musste sich einmal mit einem gewaltigen Satz in Sicherheit bringen, als ein Klumpen rot glühender Lava unangenehm nahe auseinander spritzte, aber schließlich befand auch er sich im Schutz der Höhle.

Sofort hielt er nach Serena Ausschau. Er entdeckte sie im hinteren Teil der niedrigen, aber erstaunlich geräumigen Höhle, wo sie sich mit Trautman und Singh unterhielt. Einige Pahuma hatten Fackeln entzündet, die zwar sofort die Luft zu verpesten begannen und das Atmen schwer machten, aber für hinlängliche Beleuchtung sorgten. Obwohl die Höhle recht groß war, hatte Mike alle Mühe, zu Serena und den anderen vorzudringen. Zusammen mit Delameres Leuten hielten sich über hundert Personen in der aus Lava geformten Höhle auf, von denen nicht wenige verletzt waren. Nur mit einiger Mühe gelang es Mike überhaupt, sich zu Serena und den anderen durchzukämpfen.

»Alles in Ordnung?«, fragte er. Trautman nickte. »Ja, auch wenn ich nicht weiß, wie lange noch.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe ja schon eine Menge verrückter Dinge erlebt, aber mich in einem Vulkankrater zu verstecken, um vor einem Vulkanausbruch in Sicherheit zu sein ... also das ist verrückt!«

»Hauptsache, es ist sicher«, sagte Singh. Er wirkte ein bisschen nervös. Wie um sich selbst zu beruhigen, fügte er hinzu: »Delamere wird schon wissen, was er tut. Immerhin ist er Spezialist auf diesem Gebiet.« »Wo ist er überhaupt?«, fragte Serena. Mike sah dorthin, wo sich Jacques' Frau und die übrigen Mitglieder seiner Expedition aufhielten. Delamere war jedoch nicht dort, sondern befand sich bereits wieder am Ausgang der Höhle. »Was macht er da?«, wunderte sich Trautman. Draußen schien die Welt unterzugehen. Der Sturm hatte die Wolken davongefegt und das Licht war jetzt eher rot als grau. Trümmer und Lavabrocken regneten vom Himmel und der Boden zitterte noch immer. »Sind wir hier sicher?«, fragte Mike und trat neben den Vulkanologen.

Delamere hob die Schultern, ohne ihn auch nur anzusehen. »Für eine Weile«, sagte er. »Das kommt darauf an.«

»Worauf?«, hakte Trautman nach. Delamere zuckte erneut mit den Schultern. Diesmal sagte er gar nichts.

Trautman schwieg ebenfalls und sah wie Delamere und Mike hinaus. Er wirkte nicht minder besorgt als Delamere, aber nach einigen Augenblicken erschien ein nachdenklicher Ausdruck auf seinem Gesicht. Mike konnte nicht genau sagen, wohin er blickte, aber seine Aufmerksamkeit schien nun nicht mehr allein dem Sturm und den Trümmerbrocken zu gelten, die vom Himmel regneten.

»Was haben Sie?«, fragte Mike alarmiert. »Ich weiß nicht«, gestand Trautman. »Aber irgendetwas ...« Er brach ab, zuckte mit den Schultern und trat wieder einen Schritt zurück. »Ich komme nicht darauf.«

»Das gefällt mir nicht«, murmelte Jacques. »Es müsste aufhören, aber es scheint immer schlimmer zu werden.«

»Was heißt das?«, fragte Mike erschrocken. »Dass der Vulkan ausbricht? Während wirhier drinnensind? « Bei den letzten Worten hatte seine Stimme eindeutig hysterisch geklungen, selbst in seinen eigenen Ohren.

»Wenn der Vulkan ausbricht«, sagte Delamere betont, »spielt es keine Rolle, wo wir sind. Dann bleibt nämlich von dieser Insel nichts mehr übrig. Aber das wird er nicht.«

Ogdys Zorn verschonte sie tatsächlich; zumindest für die nächste halbe Stunde. Der Sturm wurde für eine kurze Weile noch schlimmer und verlor dann allmählich an Kraft und der tödliche Steinregen hörte ebenfalls langsam, aber sicher auf. Mike hatte Delamere nicht noch einmal gefragt, wie er ihre Chancen einschätzte, lebendig hier herauszukommen, und auch von den anderen hatte keiner eine entsprechende Frage gestellt. Es war überhaupt fast unheimlich still in der Höhle geworden. Von draußen drang weiter das Heulen des Sturmes und das entfernte Grollen des Vulkans herein, aber niemand sprach. Selbst die Gebete der Pahuma waren zu einem gemurmelten Singsang herabgesunken, der sich fast wie ein natürliches Geräusch in das Heulen des Sturmes und das Grollen der protestierenden Erde einfügte.

Ob es nun Zufall war -das Ergebnis dessen, was die NAUTILUS getan hatte, oder die Antwort auf die Gebete der Insulaner -, nach und nach verebbte der Sturm. Der Lavaregen hörte auf und dann verstummte auch der Vulkan.

Schließlich wagten sie es, die Höhle am Ufer des Kratersees wieder zu verlassen und abermals zum Kraterrand hinaufzusteigen.

Es war ein unheimlicher Anblick. Mikes Herz klopfte bis zum Hals, als er neben Serena auf den Grat hinaustrat und nach unten blickte. Er wusste nicht, was er erwartet hatte -aber die Wirklichkeit war schlimmer.

Der Himmel hatte eine bleigraue, unangenehme Färbung angenommen und er schien so tief zu hängen, dass man fast meinte ihn anfassen zu können, wenn man den Arm ausstreckte. Das Meer, das noch vor einer halben Stunde in Aufruhr gewesen war, lag glatt und reglos wie ein zerkratzter matter Spiegel da und statt einer Flammenwand stieg nun im Norden eine gewaltige brodelnde Säule aus weißem Rauch in den Himmel.

Die Insel selbst hatte ihr Aussehen so vollkommen verändert, dass sich Mike im ersten Moment ernstlich fragte, ob sie den Krater vielleicht auf der falschen Seite verlassen hatten. Der Strand war buchstäblich leer gefegt. Wo vorhin noch Sand gewesen war, da erblickte er jetzt nackten, feucht glänzenden Fels, von dem die Flutwelle und der nachfolgende Vulkan auch noch den letzten Krümel Sand heruntergefegt hatten. Das Meer reichte jetzt ein gutes Stück weiter ins Innere der Insel als noch am Morgen und der Fluss und der kleine See an seinem Ende waren unter Tonnen von Sand und Felsgestein verschwunden. Der allergrößte Teil der Palmen dort unten war entwurzelt und umgestürzt; die wenigen Bäume, die stehen geblieben waren, zeigten nur noch nackte Stämme. An Dutzenden von Stellen stiegen schwarze oder graue Rauchsäulen in den Himmel, wo sich brennende Lavabrocken in den Boden gebohrt hatten. Und das Pahuma-Dorf selbst ... war verschwunden.

Mike hatte erwartet, es verwüstet oder vollkommen niedergebrannt vorzufinden, aber es wareinfach nicht mehr da.Nicht ein einziges Trümmerstück war zu sehen, kein Blatt, kein Holzsplitter, nichts. Die gesamte Flanke des Berges glänzte wie frisch poliert. »Wenigstens ist die Asche nicht mehr da«, sagte Serena.

Sie lächelte bei diesen Worten und Mike war klar, dass sie versucht hatte die Situation mit einem Scherz zu entspannen. Aber sie war nervös. Der Klang ihrer Stimme verdarb ihr den gewünschten Effekt und auch Mike war ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Und das lag nicht nur an dem furchtbaren Anblick.

Mike traute der unheimlichen Stille nicht. Es war keine normale Ruhe. In der Luft lag eine fast greifbare Spannung, so als ... als hielte die Natur selbst den Atem an.

Ganz langsam begannen sie den Abstieg zum Plateau. Auch die Pahuma verhielten sich sehr still. Vermutlich waren sie ebenso erschüttert wie Mike, ihre Heimat nicht einfach nur zerstört, sondern im wahrsten Sinne des Wortesausgelöschtzu sehen. Trotzdem registrierte Mike zugleich voller Erleichterung, dass die Insulaner ihm und den anderen Gefangenen nun keinerlei Beachtung mehr zu schenken schienen. Auf halbem Wege hinunter zum See zog Trautman das Sprechgerät unter seiner Jacke heraus und versuchte Kontakt zur NAUTILUS aufzunehmen, erntete aber nur die schon bekannten Störungen. Mike sagte nichts dazu, registrierte es aber mit einem Gefühl neuerlicher Sorge. Jacques hatte erklärt, dass die Störungen an irgendwelchen elektrischen Feldern lägen, die durch die Aktivität der Vulkane ausgelöst werden würden. Wenn sie anhielten, dann bedeutete das, dass vielleicht auch die Vulkane noch nicht ganz so erloschen waren, wie es den Anschein hatte.

Kurz bevor sie das Ufer des Sees erreichten, blieb Ah'Kal stehen und auch die anderen Pahuma hielten an und nahmen hinter ihm Aufstellung. Trautman, Mike und die beiden anderen wagten es nicht, den Häuptling anzusprechen, als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht sahen. Zum ersten Mal nach langer Zeit wieder hielt Mike nach Astaroth Ausschau, konnte ihn aber nirgendwo sehen. Delamere übrigens auch nicht.

Lange Zeit geschah gar nichts. Ah'Kal stand wie zur Salzsäule erstarrt da und blickte dorthin, wo seine Heimat gewesen war. Auf seinem Gesicht rührte sich kein Muskel. Er blinzelte nicht einmal. Schließlich räusperte sich Mike leise und sagte: »Es tut mir unendlich Leid, Ah'Kal. Ich ... ich wollte, ich könnte etwas für euch tun.«

»Es ist nicht eure Schuld«, antwortete Ah'Kal, ohne den Blick von der Stelle am anderen Ufer des Sees, an dem sein Dorf gestanden hatte, zu lösen. »Die Götter haben uns geprüft. Es war nicht das erste Mal und es wird nicht das letzte Mal sein. Sie haben uns das Leben gelassen, und das allein zählt.« Mike wusste im ersten Moment wirklich nicht, was er sagen sollte. Es lag ihm auf der Zunge, Ah'Kal zu sagen, dass das, was hier passiert war, nichts mit dem Wirken irgendwelcher Götter zu tun hatte, aber er tat es nicht. Trotz allem sprach aus den Worten des alten Mannes eine Weisheit, die ihn schaudern ließ. »Können wir euch irgendwie helfen?«, fragte Trautman.

Ah'Kal schüttelte den Kopf. »Ogdy wird uns beschützen«, sagte er überzeugt. »Wird er euch auch etwas zu essen geben?«, fragte Singh. »Es wird ein Jahr oder länger dauern, bis hier wieder irgendetwas wächst.«

»Dann wird uns das Meer ernähren«, antwortete Ah'Kal. »Ich danke euch für euer Angebot, doch wir brauchen es nicht.«

Singh setzte dazu an, erneut zu widersprechen, kam jedoch nicht dazu, weil Serena in diesem Moment wie zufällig einen Schritt zur Seite trat und ihm dabei so kräftig auf die Zehen stieg, dass sich seine Augen weiteten. Mike warf ihr einen dankbaren Blick zu und Ah'Kal, der das Manöver aus den Augenwinkeln beobachtet hatte, lächelte flüchtig. Mike sah wieder in den Himmel. Die Wolkendecke war dichter geworden und sie schien jetzt noch niedriger über der Insel zu hängen. Die Spannung, die er die ganze Zeit über schon zu spüren glaubte, hatte zugenommen; fast wie das elektrische Knistern, das manchmal vor einem besonders schweren Gewitter zu spüren war.

Ah'Kal löste sich endlich aus der Erstarrung, in der er die ganze Zeit über dagestanden hatte, und begann mit gemessenen Schritten den See zu umrunden. Mike fiel an dem Wasser des kreisrunden Sees etwas auf, aber er wusste nicht, was es war nur eben, dass etwas nicht stimmte.

Erst als sie den See zur Hälfte umrundet hatten, wurde ihm klar, was es war. Das Wasser. Es hatte seine Farbe geändert. Bisher war grau gewesen, manchmal mit einem Schimmer von Blau oder Türkis, je nachdem, welche Farbe der Himmel hatte, den es widerspiegelte. Jetzt hatte es einen intensiven, fast unnatürlichen Grünton. Ein ganz leichter Nebel schien über dem See zu hängen und plötzlich fiel ihm auch der Geruch auf: Ein schwacher, aber trotzdem durchdringender, irgendwie ... saurer Geruch, der allmählich zuzunehmen schien.

»Das Wasser ...«, murmelte er. Trautman warf ihm einen fragenden Blick zu. »Was?«

»Das Wasser!«, wiederholte Mike lauter. »Irgendetwas stimmt mit dem See nicht!« Trautman folgte seinem Blick, runzelte die Stirn -und wurde plötzlich kreideweiß. »Großer Gott!«, flüsterte er.

Gleichzeitig blieb er so abrupt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand geprallt. »Was bedeutet das?«, fragte Mike erschrocken. »Trautman!«

Trautman antwortete ihm nicht, sondern war mit einem Satz bei Ah'Kal und riss ihn fast grob an der Schulter herum. Zwei oder drei von Ah'Kals Kriegern traten drohend näher, aber Trautman ignorierte sie einfach.

»Geht nicht weiter!«, keuchte er. »Weg vom See! Wir müssen hier weg!«

Ah'Kal sah ihn verwirrt an. »Ich verstehe nicht -« »Ich erkläre es euch, aber später!«, unterbrach ihn Trautman. »Jetzt müssen wir hier weg! Schnell! Wir werden alle sterben, wenn wir dem See zu nahe kommen!«

Ah'Kal sah ihn zweifelnd an. »Dieser See ist der Spender unseres Lebens.«

»Und das wird er auch wieder«, sagte Trautman gehetzt. »Aber nicht jetzt! Er bringt den Tod, bitte glaub mir!«

Ah'Kal wirkte nicht überzeugt, doch vielleicht zum ersten Mal, seit dieses Chaos begonnen hatte, kam ihnen das Schicksal zu Hilfe.

Auf der anderen Seite des Sees erklang ein schrilles Bellen und als Mike in die entsprechende Richtung sah, erblickte er einen kleinen Hund, der kläffend am Seeufer entlang auf sie zugeeilt kam; wahrscheinlich gehörte er einem der Insulaner, war aber von ihm getrennt worden, als der Sturm losbrach.

Er kam nur wenige Schritte weit. Mike sah genau, was geschah. Der Hund rannte schwanzwedelnd auf sie zu und kam dabei dem See so nahe, dass das grün schimmernde Wasser unter seinen Pfoten aufspritzte. Kaum aber war er in den Bereich des unheimlichen Nebels eingedrungen, der von der Oberfläche des Sees aufstieg, da hörte er auf, mit dem Schwanz zu wedeln. Seine Schritte wurden unsicher. Er stolperte, fiel hin, rappelte sich mühsam wieder hoch und stolperte wieder. Aus seinem freudigen Kläffen wurde ein Jaulen, dann ein schwächer werdendes Wimmern. Er stolperte wieder, fiel hin und blieb schließlich reglos liegen. Mike wusste sofort, dass er tot war. »Ogdy!«, flüsterte Ah'Kal entsetzt. »Das hat nichts mit eurem Gott zu tun«, sagte Trautman brutal. »Aber wir werden alle sterben, wenn wir hier bleiben!«