122163.fb2
Für einen Moment breitete sich ein sehr unangenehmes Schweigen im Kommandoraum der NAUTILUS aus. Mike hätte Ben -ebenso wie alle anderen -liebend gerne widersprochen, aber es wäre nicht die Wahrheit gewesen. Gerade die Ereignisse der letzten Wochen hatten ihnen auf schreckliche Weise klargemacht, wie gefährlich es war, Fremden das Geheimnis der NAUTILUS zu enthüllen. Die Welt war einfach noch nicht reif für ein Schiff wie die NAUTILUS. Das Tauchboot war mehr als zehntausend Jahre alt und stammte aus dem sagenumwobenen Atlantis und es war der Technik der Menschen um Jahrhunderte voraus. Sie hatten es niemals ausprobiert und Mike betete zu Gott, dass sie niemals in die Situation kommen würden, es zu müssen -aber Mike war ziemlich sicher, dass die NAUTILUS allein in der Lage war, es mit einer ganzen Flotte der modernsten Kriegsschiffe aufzunehmen; vor allem nach den Umbauten, die Tarras und seine Techniker daran vorgenommen hatten. Die Bewaffnung der NAUTILUS war nichts, was Mike und die anderen -Ben vielleicht einmal ausgenommen -wirklichinteressierte. Aber sie machte das Unterseeboot zu etwas, für dessen Besitz jeder Staat auf dieser Welt ohne zu zögern einen Krieg angefangen hätte. Sie mussten unendlich vorsichtig sein.
»Wir haben keine Wahl«, sagte Trautman leise. »Es stehen zehn Menschenleben auf dem Spiel. Vielleicht sogar noch mehr.«
Mike sah erschrocken auf, doch bevor er Trautman fragen konnte, wie er diese letzte Bemerkung gemeint hatte, fragte Ben: »Warum geben wir ihm nicht einfach das Funkgerät, um das er gebeten hat, und lassen ihn Hilfe rufen?«
»Du hast Delamere doch gehört, oder?«, fragte Trautman. »Er will Soldaten anfordern. Wahrscheinlich ein Kriegsschiff. Ganz offensichtlich plant er seine Freunde mit Gewalt zu befreien. Möchtest du schuld an einem Gemetzel unter Insulanern sein?« »He, Moment!«, protestierte Ben. »Wieso bin ich schuld an irgendetwas, nur weil ich mich nicht einmischen will?«
»Wir haben uns bereits eingemischt, einfach indem wirhiersind.« Trautman beendete das Thema mit einer eindeutigen, energischen Geste. »Außerdem haben wir diese Wahl gar nicht. Wir sind ziemlich weit von der nächsten größeren Ansiedlung der so genanntenZivilisationentfernt. Es würde zwei Tage dauern, bis irgendein anderes Schiff hier ist.« Er nickte Chris zu. »Würdest du Delamere holen?« Chris stand wortlos auf und ging und auch Astaroth erhob sich und folgte dem Jungen. Ben blickte ihm stirnrunzelnd nach. Er schwieg, aber Mike fühlte sich bemüßigt zu sagen:
»Jetzt reg dich wieder ab. Astaroth würde uns sofort warnen, wenn irgendetwas nicht stimmt.« »So wie das letzte Mal?«, maulte Ben. »Es reicht«, sagte Trautman scharf. Ben hatte zwar Recht, aber die Situation war trotzdem nicht zu vergleichen. Diesmal hatten sie es nicht mit einem leibhaftigen Magier zu tun, der die Fähigkeit hatte, praktisch jede beliebige Gestalt anzunehmen und selbst seine Gedanken vor Astaroth zu verbergen. Das unangenehme Schweigen hielt an, bis sie draußen auf dem Gang Schritte hörten und Chris mit Delamere und Astaroth zurückkam, begleitet von Serena. Alle blickten dem belgischen Forscher aufmerksam entgegen, aber Delamere schien sie gar nicht wahrzunehmen. Er trug den linken Arm in einer Schlinge und hatte einen frischen weißen Verband um die Stirn. Seine verbrannten Kleider waren verschwunden und er trug nun eine der normalen Borduniformen der NAUTILUS. Und einen so vollkommen fassungslosen Gesichtsausdruck, wie Mike ihn selten gesehen hatte. Er blieb einen Moment lang unter der Tür des Salons stehen, sah sich aus weit aufgerissenen Augen um und ging dann steifbeinig auf das große Aussichtsfenster zu. Die NAUTILUS lag ziemlich tief, sodass die unteren dreißig Zentimeter der Scheibe unter der Wasseroberfläche lagen. Endlose Sekunden starrte Delamere aufs Meer hinaus, dann drehte er sich langsam um und ließ seinen Blick ein zweites Mal durch den Raum schweifen. »Wo ... wo bin ich?«, murmelte er. »Das ist ... ein Unterseeboot, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Trautman. »Allerdings ein etwas ... außergewöhnliches.«
»Außergewöhnlich?« Jacques' Stimme klang schrill.Er weiß es schon,wisperte Astaroths Stimme in
Mikes Gedanken.Er weigert sich nur noch es zu glauben. Der arme Kerl fällt gleich in Ohnmacht.
»Es ist die NAUTILUS«, sagte Mike. Als Ben und Trautman ihn erschrocken anblickten, deutete er mit einer fast unmerklichen Geste auf Astaroth. Beide nickten ebenso unmerklich. Sie hatten verstanden. »Die NAUTILUS.« Jacques versuchte zu lachen, aber es misslang. »Du ... du willst mich auf den Arm nehmen, nicht? Ich meine, es ... es ist nichtdieNAUTILUS.«
»Es ist das Schiff meines Vaters«, sagte Mike ruhig. »Kapitän Nemo.«
Jacques starrte ihn an. Er versuchte etwas zu sagen, aber seine Stimme versagte kläglich. »Ich kann mir vorstellen, was Sie jetzt fühlen«, sagte Trautman sanft. »Aber bitte glauben Sie nicht alles, was Sie über dieses Schiff und seinen Kapitän gehört haben. Nemo war kein Verbrecher. Und das hier ist kein Piratenschiff.«
»Ich ... ich habe vor allem gehört, dass ... dass die NAUTILUS gesunken ist«, stammelte der Belgier. »Das ist es, was die ganze Welt glauben sollte«, antwortete Trautman. »Niemand darf erfahren, dass die NAUTILUS noch existiert. Wenn Sie länger an Bord bleiben sollten, werden Sie verstehen, warum das so ist.«
»Und ... und wieso zeigen Sie es mir dann?«, fragte Jacques unsicher.
»Sie sind nun einmal hier«, antwortete Trautman. »Sollten wir Sie auf der Insel verbrennen lassen? Wären die Dinge anders, dann hätten Sie Serenas Kabine niemals verlassen. Wir hätten Sie in der Nähe irgendeiner menschlichen Ansiedlung an Land gesetzt, und selbst wenn Sie sich an etwas erinnert hätten, so würde Ihnen niemand glauben. Aber so, wie die Dinge liegen, geht das leider nicht mehr.« Für Trautmans Verhältnisse war das eine erstaunlich lange Ansprache, fand Mike. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass Jacques die Worte gar nicht richtig gehört hatte; und wenn doch, so zumindest nicht
verstanden.
»Wir können später über alles reden«, fuhr Trautman fort, als Jacques auch nach Sekunden nicht antwortete. »Ich werde Ihnen alle Fragen beantworten, die Sie haben, aber im Moment ist dazu keine Zeit, fürchte ich. Wenn wir Ihre Freunde retten wollen, müssen wir zu dieser Insel fahren, von der Sie uns berichtet haben. Zeigen Sie sie uns auf der Karte.« Jacques zögerte noch immer. Er hatte Mühe, mit dem Gehörten fertig zu werden und nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Erst als Trautman seine Worte wiederholte, erwachte er langsam aus seiner Erstarrung und trat an den Kartentisch heran. Sein Finger deutete nach kurzem Suchen auf einen winzigen Punkt, neben dem nicht einmal ein Name stand. »Das könnte sie sein«, sagte er, »obwohl ...« »Könnte?«, fragte Trautman.
»Hathi ist eine Vulkaninsel«, sagte Jacques nachdenklich. »Aber um so sehr zu wachsen, müsste die Karte wirklich sehr alt sein.«
»Das ist sie«, bestätigte Trautman. Nach einem neuerlichen kurzen Blick auf die Karte fuhr er fort: »Es ist weiter, als ich dachte. Wir werden eine Stunde brauchen um sie zu erreichen. Besser, wir fahren gleich los.«
»Eine Stunde?« Jacques riss ungläubig die Augen auf. »Wir waren mit dem Boot einen halben Tag unterwegs!«
»Sagte ich nicht, dass die NAUTILUS ein sehr erstaunliches Schiff ist?«, lächelte Trautman. Dann gab er Singh einen Wink. »Hilf mir den Kurs zu setzen. Wir können genauso gut reden, während wir unterwegs sind.«
Und das taten sie dann auch. Etwas mehr als eine Stunde verging, bis die Vulkaninsel am Horizont vor ihnen auftauchte, und die Zeit war noch nicht einmal zur Hälfte vorbei gewesen, da schwirrte Mike bereits der Kopf.
Sie hatten praktisch ununterbrochen geredet. Nachdem Jacques seinen Schock einigermaßen überwunden hatte, sprudelte er vor Fragen nur so über und Trautman, Mike und die anderen hatten die meisten davon auch beantwortet, aber nicht alle. Es gab ein paar Dinge, von denen sie nichts sagten. So war es nicht unbedingt notwendig, dass Delamere erfuhr, wer Serena wirklich war, und sie erzählten ihm schon gar nichts von Astaroth und seinen besonderen Fähigkeiten, die Gedanken eines Menschen zu lesen. Da Mike umgekehrt von Astaroth wusste, dass Delamere ganz ehrlich zu ihnen war, fühlte er sich nicht besonders gut dabei. Aber die Erfahrung der letzten Jahre hatte sie gelehrt, lieber einmal zu vorsichtig zu sein als zu vertrauensselig.
Als die Insel in ihre Sicht kam, drosselte Trautman die Geschwindigkeit der NAUTILUS und hielt schließlich ganz an. »Ich würde Ihnen ja gerne noch mehr über die NAUTILUS und unsere Abenteuer erzählen, Jacques«, sagte er, »aber ich fürchte, dazu ist jetzt nicht der richtige Moment. In ein paar Stunden geht die Sonne unter. Bis dahin sollten wir einen Plan haben, wie wir Ihre Freunde befreien wollen.« Delamere nickte zwar, aber sein Gesicht verdüsterte sich zusehends, während er aus dem Fenster sah und die Insel betrachtete, deren Silhouette in einiger Entfernung vor ihnen in
den Himmel ragte. »Was ist überhaupt passiert?«, wollte Ben wissen. »Was haben Sie getan?« »Getan?«
»Sie haben erzählt, dass die Eingeborenen Ihre Freunde gefangen genommen haben um sie heute Nacht zu opfern«, sagte nun auch Singh. »Dafür muss es einen Grund geben, oder?«
»Sie sind ein abergläubisches Volk«, antwortete Jacques. »Ich weiß nicht genau, was sie uns vorwerfen. Vielleicht sind sie einfach nur primitive Wilde, die auf ein paar ahnungslose Narren gewartet haben um sie ihren Göttern vorzuwerfen.« Er hob abwehrend beide Hände, als Singh widersprechen wollte. »Ich weiß, wie sich das anhört. Aber glauben Sie mir, ich habe keine Vorurteile. Und ich gehöre auch gewiss nicht zu denen, die sich für etwas Besseres halten, nur weil sie zufällig aus der so genannten zivilisierten Welt stammen. Aber vielleicht hätte ich besser daran getan, Vorurteile zuhaben.Wie es aussieht, hat meine Vertrauensseligkeit bereits zwei meiner Freunde das Leben gekostet.« »Erzählen Sie, was passiert ist«, sagte Trautman. »Da gibt es nicht viel zu erzählen«, antwortete Jacques. »Wir sind vor zwei Wochen angekommen und haben die Basislager errichtet.« »Auf der Insel, auf der wir Sie gefunden haben?« Jacques nickte. »Ja. Anfangs war alles still; abgesehen von den vulkanischen Aktivitäten natürlich. Vor ungefähr einer Woche jedoch trafen wir auf einen Eingeborenen. Er kam von hier mit einem Einbaum, wie sich herausstellte.«
»Die ganze Strecke?«, wunderte sich Singh. »Er muss Tage unterwegs gewesen sein!« »Das war er«, bestätigte Jacques.
»Ihr könnt euch vorstellen, wie überrascht wir waren. Aber auch ziemlich erleichtert, denn nachdem es uns erst einmal gelungen war, eine Art Zeichensprache zu entwickeln, stellten sich die Pahuma als sehr freundliches Volk heraus. Sie luden uns auf ihre Insel ein und wir sind der Einladung gefolgt.« »Und prompt in eine Falle getappt«, sagte Ben. »Das ist ja gerade das Seltsame«, antwortete Jacques nachdenklich. »Ich glaube nicht, dass es eine Falle war. Sie haben uns sehr freundlich aufgenommen.
Es ... es war schon fast peinlich -sie haben uns beinahe wie Götter behandelt. Jedenfalls die ersten drei Tage.«
»Und dann?«
Delamere zuckte mit den Schultern und verzog das Gesicht, als die Bewegung seinem verletzten Arm Schmerzen bereitete. »Irgendetwas ist passiert«, sagte er. »Ich weiß nicht genau, was, aber ich vermute, dass es mit dem Vulkan zusammenhängt.« »Mit dem auf der Insel, auf der Ihr Lager war?«, fragte Trautman.
»Allen«, berichtigte ihn Jacques. »Diese Insel, Hathi und noch ein paar andere sind im Grunde nur die Gipfel einer unterseeischen Bergkette, die aus dem Wasser ragen, verstehen Sie?«
Trautman nickte nur, aber Mike hatte alle Mühe, ein Schmunzeln zu unterdrücken. Trautman verstand vermutlich mehr von Ozeanologie als Delamere und alle seine Kollegen zusammen, schien es aber im Moment für besser zu halten, den Belgier einfach reden zu lassen.
»Der Vulkanausbruch, den Sie beobachtet haben, ist kein isoliertes Geschehen«, fuhr Jacques fort. Ohne dass es ihm wahrscheinlich bewusst war, nahm seine Stimme einen dozierenden Tonfall an; wie die eines Lehrers vor seiner Klasse. »Ich vermute schon eine geraume Weile, dass es in diesem Gebiet hier eine ganze Reihe zusammenhängender Vulkane gibt, einige auf Inseln wie diese hier, andere auf dem Meeresgrund. In den letzten beiden Wochen gab es eine Reihe von Unterwasserausbrüchen.« »Ich weiß«, sagte Trautman.
Jacques war überrascht. »Sie haben einen davon beobachtet?«
Trautman lächelte humorlos. »So könnte man es auch nennen«, sagte er. Darüber musste Delamere sichtlich erst eine Weile nachdenken. Dann zuckte er mit den Schultern und fuhr in seinem Bericht fort. »Es war gestern Abend ... vorgestern. Hathi hat auch einen Krater, wissen Sie? Er ist schon lange erloschen, aber vorgestern begann er plötzlich wieder Dampf und Gas zu speien. Natürlich hat es mich interessiert. Ich wollte mir den Krater ansehen, doch die Pahuma waren dagegen. Anscheinend ist der Krater so eine Art Heiligtum für sie.«
»Aber Sie sind trotzdem hingegangen«, vermutete Juan.
Jacques nickte widerwillig. »Ja. Sie waren nicht begeistert ... aber auch nicht so wütend, dass ich mir Sorgen gemacht hätte. Aber ein paar Stunden später brach dieser Krater dann wirklich aus. Es war keine große Eruption, aber zwei oder drei Eingeborene kamen dabei ums Leben.«
»Und die Pahuma geben Ihnen die Schuld«, vermutete Trautman. Er schüttelte den Kopf. »Sie haben sich nicht besonders klug verhalten, Jacques.« »Das weiß ich jetzt auch«, sagte Delamere niedergeschlagen. »Aber ich habe wirklich nicht geahnt, dass sie so reagieren würden! In einer Minute waren sie noch freundlich und haben uns regelrecht verehrt und in der nächsten fallen sie über uns her und wollen uns irgendeinem Vulkangott opfern!« »Das hätten Sie sich denken können«, sagte Ben. »Sie waren doch hier, weil Sie auf den Ausbruch gewartet haben, oder?«
»Ich bin Vulkanologe, mein lieber Junge«, sagte Jacques. »Kein Verhaltensforscher. Und außerdem -« »spielt es jetzt keine Rolle mehr,warumes passiert ist«, mischte sich Trautman ein. Sein warnender Ton galt allerdings sehr viel mehr Ben als Delamere. »Haben sie Ihren Freunden etwas getan?« »Ich glaube nicht«, antwortete Jacques. »Wenn ich sie richtig verstanden habe, dann ist es wichtig, dass die Opfer dem Vulkangott unversehrt übergeben werden. Wir haben uns nach Kräften gewehrt, als sie über uns hergefallen sind. Trotzdem hat keiner von ihnen eine Waffe benutzt. Es war ihnen offenbar sehr wichtig, uns ohne Verletzung in ihre Gewalt zu bekommen. Nur so ist es mir und den beiden anderen überhaupt möglich gewesen, zu fliehen. Hätten wir unsere Gewehre nicht gehabt ...«
»Gewehre?«, fragte Mike erschrocken. »Sie haben auf sie geschossen?«
»Natürlich haben wir geschossen«, ereiferte sich Delamere. »Was erwartest du, Junge? Dass wir uns wehrlos ergeben hätten?« »Wie viele haben Sie umgebracht?«, fragte Ben. »Ich habe sie nicht gezählt«, antwortete Jacques feindselig. »Es ging um unser Leben. Ihr hättet euch auch gewehrt, oder?« »Wir wären erst gar nicht -«
»Das reicht«, unterbrach ihn Trautman, in noch schärferem Ton. »Wir können uns später noch lange genug streiten. Jetzt schlage ich vor, dass wir uns darauf konzentrieren, Jacques' Frau und seine Freunde zu retten.«
Er bedachte Ben noch einmal mit einem finsteren Blick, dann wandte er sich in verändertem Ton an Delamere. »Wo liegt die Stadt der Pahuma?« »Auf der anderen Seite der Insel«, antwortete Jacques. »Auf halber Höhe des Berges, an einem kleinen See. Der Weg dorthin ist nicht einfach. Und ich fürchte, die Pahuma werden uns sehen. Sie sind primitiv, aber nicht dumm.«
»Wissen Sie, wo sie Ihre Leute gefangen halten?« »Nein«, antwortete Jacques. »Es ging alles viel zu schnell. Aber ich bin sicher, dass ich sie finde.«»Sie?«Trautman klang nicht begeistert. »Selbstverständlich«, antwortete Delamere. »Ich begleite Sie. Sie hätten keine Chance, sie zu finden. Die Insel ist nicht allzu groß, aber der Dschungel ist sehr dicht. Ihr würdet euch hoffnungslos verirren.« »Wahrscheinlich haben Sie Recht«, seufzte Trautman. Auch er schien von dem Gedanken, Jacques wieder mit zurück zur Insel zu nehmen, nicht begeistert zu sein. Aber ihre Zeit war nun einmal begrenzt. Selbst wenn sie davon ausgingen, dass die Eingeborenen ihr Menschenopfer erst um Mitternacht vollzogen, blieben ihnen nur ein paar Stunden. »Wie kommen wir an Land?«, fragte Singh. »Ohne gesehen zu werden, meine ich.« »Das wird schwierig«, sagte Jacques. »Es gibt eine kleine Bucht, fast einen natürlichen Hafen auf der anderen Seite der Insel. Aber sie stellen Wachen auf, die das Meer beobachten.«
»Dann nähern wir uns unter Wasser, so weit wir können«, entschied Trautman. »Und danach?«, fragte Jacques. Trautman grinste. »Können Sie schwimmen, Jacques?«
Das Glück war diesmal auf ihrer Seite. Nachdem sie die Insel umrundet hatten, lag die kleine Bucht vor ihnen, von der Jacques gesprochen hatte, aber nicht nur sie: Es gab einen breiten, überraschend tiefen Fluss, der zwischen den Bäumen hinter dem Strand verschwand und nach Delameres Worten in einem Kratersee am Fuße des Berges endete. Er war bei weitem nicht ausreichend um die gewaltige NAUTILUS aufzunehmen, aber sie konnten ihn trotzdem nutzen, um ungesehen an Land zu kommen: Trautman manövrierte das Tauchboot so dicht ans Ufer heran, wie es unter Wasser möglich war, und Mike, Singh und Delamere verließen das Schiff durch die Tauchkammer, ausgerüstet mit Schwimmflossen und Schnorcheln. Die schweren Taucheranzüge wären praktisch gewesen, um auch mit letzter Sicherheit ungesehen an Land zu kommen, aber es wäre viel zu umständlich gewesen, Jacques in die Handhabung der Anzüge einzuweisen. Darüber hinaus war Mike ganz und gar nicht sicher, ob sie das Eiland nicht in aller Hast wieder verlassen mussten, und er wollte es nicht riskieren, die unersetzliche Ausrüstung zurücklassen zu müssen.
Delamere wunderte sich nicht schlecht, als sie in die Tauchkammer stiegen und Astaroth zu ihnen hereinhuschte, kurz bevor sie die Tür schließen konnten. »Was hat denn diese Katze vor?« Das fragte sich Mike auch. Trotzdem war er auf eine Weise froh, dass Astaroth sie begleitete. Da der Kater keine Anstalten machte irgendetwas zu erklären, musste er