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„Was blieb mir anderes übrig? Wenn Cromartin Befehle erteilt, erwartet man Ergebnisse. Du warst doch jedenfalls mit deinen Sklaven hier.“
„Auf mich kannst du wegen Hilfe nicht zählen“, erwiderte Rolver abweisend. „Ich trage den Tarnvogel und gebe nicht vor, ein Held zu sein. Aber ich kann dir eine Energiepistole leihen. Ich habe sie lange nicht benutzt, kann also wegen der Ladung nicht garantieren.“
„Immerhin besser als nichts“, meinte Thissell. Rolver ging in das Büro und kam mit der Pistole wieder.
„Was willst du jetzt tun?“
„Ich versuche Angmark in Fan zu finden. Oder könnte er nach Zundar Weiterreisen wollen?“
Rolver überlegte. „Angmark könnte in Zundar überleben, doch er wird erst seine musikalische Übung auffrischen wollen. Ich nehme an, er wird ein paar Tage in Fan bleiben.“
„Wo könnte ich ihn etwa finden?“
„Das weiß ich nicht, aber besser ist, wenn du ihn nicht findest. Angmark ist ein gefährlicher Mann.“
Thissell kehrte auf dem Weg, den er gekommen war, nach Fan zurück.
Wo der Pfad von den Bergen hinabschwang zur Esplanade, stand ein niedriges Haus aus gestampfter Erde. Die Tür war aus dicken schwarzen Planken geschnitzt, die Fenster waren mit geflochtenen Eisenbändern vergittert. Das war das Büro von Cornely Welibus, Handelsfaktor, Importeur und Exporteur. Welibus saß gemütlich auf seiner plattenbelegten Veranda und trug eine bescheidene Abwandlung der Waldemar-Maske. Er schien nachdenklich zu sein, und es war nicht sicher, ob er Thissells Mondmotte erkannt hatte. Er grüßte jedenfalls nicht.
Thissell näherte sich der Veranda. „Guten Morgen, Ser Welibus.“ Welibus nickte geistesabwesend und zupfte an seinem krodatch. „Guten Morgen.“
Thissell war gekränkt. Das war ja nun wirklich nicht das Instrument für einen Freund und Außenweltkameraden, selbst wenn er nur die Mondmotte trug. „Darf ich fragen, wie lange du hier sitzest?“
Welibus überlegte eine halbe Minute und begleitete sich, als er sprach, auf dem herzlicheren crebarin. Aber den krodatch vergaß Thissell doch nicht so leicht. „Seit fünfzehn oder zwanzig Minuten sitze ich hier. Weshalb willst du das wissen?“
„Hast du einen Waldschrat gesehen, der vorbeiging?“
Welibus nickte. „Er ging die Esplanade entlang und trat, soviel ich weiß, in den ersten Maskenladen.“
Natürlich, das wäre Angmarks erster Schritt. „Wenn er die Maske wechselt, finde ich ihn überhaupt nicht mehr“, beklagte sich Thissell.
„Wer ist denn dieser Waldschrat?“ fragte Welibus uninteressiert.
„Ein berüchtigter Verbrecher, Haxo Angmark“, erklärte Thissell.
„Haxo Angmark!“ krächzte Welibus und lehnte sich zurück.
„Bist du sicher, daß er hier ist?“
„Ziemlich sicher.“
Welibus rieb sich die zitternden Hände. „Schlechte Nachricht, sehr schlechte! Er ist ein skrupelloser Schurke.“
„Kanntest du ihn gut?“
„So gut wie jeder.“ Welibus begleitete sich jetzt auf seinem kiv. „Er hatte früher den Posten, den ich jetzt innehabe. Ich kam als Inspektor hierher und fand, daß er viertausend UMIs im Monat vertrank. Er wird mir nicht sehr dankbar sein.“
Nervös schaute Welibus die Esplanade entlang. „Ich hoffe, du fängst ihn.“
„Ich versuche es jedenfalls. Du sagtest, er betrat den Maskenladen?“
„Da bin ich ganz sicher.“
Thissell ging und hörte, wie die schwarze Plankentür hinter ihm zugeschlagen wurde. Vor dem Maskenmacherladen blieb er stehen, als bewundere er die Auslage. Mindestens hundert Miniaturmasken, geschnitzt aus seltenen Hölzern und Mineralen, mit Smaragdflocken besetzt, mit Spinnwebseide verziert, auch mit Wespenflügeln, versteinerten Fischschuppen und dergleichen geschmückt. Nur der Maskenmacher befand sich im Laden, ein knorriger, verhutzelter Mann in gelber Robe, der eine trügerisch einfache Maske des Universal- Experten trug, aber sie bestand aus mehr als zweitausend Stückchen besonderer Hölzer.
Thissell überlegte sich, was er sagen wollte, wie er sich selbst dazu begleiten würde, dann trat er ein. Der Maskenmacher setzte seine Arbeit fort, als er die Mondmotte sah.
Thissell wählte das leichteste seiner Instrumente und strich über seinen strapan. Vielleicht war das nicht die glücklichste Wahl, doch ihm fiel nichts Besseres ein. Es klang ein wenig herablassend, doch er bemühte sich in warmen Tönen zu singen und sein Instrument besonders sehnsüchtig zu schlagen.
„Ein Fremder ist eine interessante Person, wenn man mit ihm handelt. Seine Gewohnheiten sind nicht vertraut, er erregt Neugier. Vor noch nicht zwanzig Minuten betrat ein Fremder diesen faszinierenden Laden, um seinen trübseligen Waldschrat gegen eine bemerkenswerte und abenteuerliche Schöpfung von dir auszutauschen.“
Der Maskenmacher streifte Thissell mit einem Seitenblick und spielte ohne Worte eine Reihe von Akkorden auf einem Instrument, das Thissell noch nie gesehen hatte. Es war dies ein flexibler Sack mit drei kurzen Röhren, die man zwischen den Fingern hielt. Drückte man auf diese Röhren, zwang man die Luft durch Schlitze, und es entstanden oboenähnliche Töne. Thissell meinte, das Instrument müsse schwer zu spielen und der Maskenmacher ein Virtuose sein, und die Musik drückte jedenfalls äußerte Interesselosigkeit aus.
Mühsam entlockte Thissell seinem strapan ein paar vergleichsweise kümmerliche Töne. Er sang dazu: „Für einen Außenweltler auf einem fremden Planeten ist die Stimme eines aus seiner Heimat wie Wasser für eine welkende Pflanze. Eine Person, die zwei solche Personen vereinen könnte, fände Befriedigung in einem solchen Akt der Barmherzigkeit.“
Der Maskenmacher fingerte beiläufig an seinem eigenen strapan, und brachte eine perlende Tonfolge zustande. „Ein Künstler“, sang er ziemlich kühl, „schätzt die Momente der Konzentration, und er legt keinen Wert darauf, Banalitäten mit Personen von höchstens bescheidenem Prestige auszutauschen.“ Thissell versuchte es mit einer Gegenmelodie, doch der Maskenmacher kam ihm zuvor; er sang: „In den Laden kommt ein Mensch, der sehnt sich nach seinesgleichen, doch seine Musik verdient Kritik. Sein riesiges strakh versteckt er hinter einer Mondmotte. Er spielt den strapan für einen Meister-Handwerker und singt mit verachtenswerter Stimme. Der feine und schöpferische Handwerker überhört diese Herausforderung. Er spielt ein höfliches Instrument, bleibt unverbindlich und hofft, der Fremde möge müde werden und gehen.“
Thissell nahm seinen kiv. „Der edle Maskenmacher hat mich nicht verstanden.“
Ein Stakkato auf des Meisters strapan unterbrach ihn. „Der Fremde macht den Verstand des Meisters lächerlich.“
Thissell kratzte heftig auf seinem strapan. „Um mich selbst vor der Hitze zu schützen, wandere ich in einen kleinen, unbedeutenden Maskenladen. Der Künstler, dem sein Werkzeug noch neu ist, verspricht jedoch einiges für die Zukunft. Er arbeitet eifrig, um seine Geschicklichkeit zu verbessern, so eifrig, daß er sich weigert, mit Fremden zu reden, egal, was sie auch wollen.“
Der Maskenmacher legte sein Schnitzmesser weg, stand auf, verschwand hinter seinem Wandschirm, um mit einer Maske aus Gold und Eisen zurückzukehren, die vom Schädel aufsteigende Flammen darstellte. In einer Hand trug er das skaranyi, in der anderen einen Krummsäbel. Zu einer Reihe wilder Töne sang er: „Selbst der geschickteste Künstler kann sein strakh erhöhen, wenn er Seeungeheuer tötet, Nachtmenschen und unwichtige Müßiggänger. Eine solche Gelegenheit ist jetzt gegeben. Der Künstler stellt seinen Angriff noch zehn Sekunden zurück, weil der Herausforderer eine Mondmotte trägt.“
Verzweifelt schlug Thissell seinen strapan. „Hat ein Waldkobold deinen Laden betreten? Ging er mit einer neuen Maske?“
„Fünf Sekunden sind vorbei“, sang der Maskenmacher düster. Thissell ergriff wütend und enttäuscht die Flucht, lief über den Platz und schaute die Esplanade auf und ab. Hunderte von Menschen liefen an den Docks herum oder standen auf den Decks ihrer Hausboote, und alle trugen Masken, die ihre Laune, ihr Prestige und besondere Eigenschaften ausdrückten, und überall zwitscherten und trillerten die Instrumente.
Thissell stand ganz verloren da. Der Waldschrat war verschwunden. Haxo Angmark konnte frei in Fan herumlaufen, Thissell aber nicht den dringenden Befehl von Castel Cromartin ausführen.
Hinter ihm erklang ein kiv. „Ser Mondmotte Thissell, du bist tief in Gedanken versunken.“
Thissell wirbelte herum und entdeckte eine Höhleneule in einem düsteren schwarzgrauen Mantel. Thissell erkannte die Maske, die Gelehrsamkeit und die geduldige Erforschung abstrakter Ideen ausdrückte. Mathew Kershaul hatte sie gelegentlich getragen.
„Guten Morgen, Ser Kershaul“, murmelte er.
„Und wie gehen die Studien? Kannst du schon die C-Dur- Plus-Tonleiter am gomapard? Ich erinnere mich, du fandest die Intervalle ziemlich verwirrend.“
„Ich habe daran gearbeitet“, erwiderte Thissell düster. „Da ich jedoch möglicherweise nach Polypolis zurückgerufen werde, ist vielleicht die ganze Zeit verschwendet.“
„Eh? Und warum dies?“
Thissell erklärte seine schwierige Lage bezüglich Haxo Angmark, und Kershaul nickte ernst. „Ich erinnere mich seiner. Kein sehr graziöser Mensch, doch ein ausgezeichneter Musiker mit raschen Fingern und einem Talent für neue Instrumente.“ Nachdenklich zwirbelte er das Ziegenbärtchen seiner Eulenmaske. „Und deine Pläne?“
„Es gibt keine.“ Thissell spielte auf dem kiv eine melancholische Weise. „Ich habe keine Ahnung, welche Maske er trägt, und wie soll ich ihn fangen, wenn ich nicht weiß, wie er aussieht?“