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Der Sklave versicherte ihm, das sei nicht schwierig, er möge nur seine Mitteilung in Blockbuchstaben aufschreiben. Das tat Thissell wie folgt:
AUSSENWELTLER TOT AUFGEFUNDEN, MÖGLICH ANGMARK, ALTER 48, MITTLERER KÖRPERBAU, BRAUNES HAAR. WEITERE IDENTIFIZIERUNGSMÖGLICHKEITEN FEHLEN. ERWARTE BESTÄTIGUNG UND/ODER WEISUNGEN.
Adressiert wurde diese Mitteilung an Castel Cromartin in Polypolis. Er reichte sie dem Obersklaven. Einen Moment später hörte er das charakteristische Knattern einer Raumsendung.
Eine Stunde verging, Rolver war noch immer nicht da.
Thissell lief unruhig auf und ab. Es ließ sich auch nicht sagen, wie lange er auf Antwort warten mußte, denn die Übertragungszeiten waren recht unterschiedlich. Manchmal kam eine Meldung in Mikrosekunden durch, manchmal dauerte es Stunden, und aus unerfindlichen Gründen gab es sogar Mitteilungen, die am Empfangsort eingingen, ehe sie überhaupt gesendet worden waren.
Endlich, nach eineinhalb Stunden, kam Rolver und trug seinen gewohnten Tarnvogel. Gleichzeitig hörte Thissell das Zischen der ankommenden Antwort.
„Was bringt dich so früh hier heraus?“ fragte Rolver erstaunt. Thissell erklärte ihm: „Es geht um die Leiche, von der du diesen Morgen sprachst. Ich habe dies meinen Vorgesetzten mitgeteilt.“
Rolver lauschte dem Geräusch der einlaufenden Antwort.
„Das ist wohl die deine? Ich kümmere mich besser darum.“
„Warum denn? Dein Sklave scheint recht tüchtig zu sein.“
„Es ist meine Arbeit“, erklärte Rolver. „Ich bin verantwortlich für die korrekte Übertragung und den Empfang aller Raumgramme.“
„Ich komme mit. Es hat mich schon immer interessiert, wie diese Geräte arbeiten.“
„Das geht nicht, fürchte ich“, widersprach Rolver und begab sich zum inneren Büro. Fünf Minuten später kam er mit einem kleinen gelben Umschlag zurück. „Keine besonders guten Nachrichten“, meldete er vorab.
Thissel riß den Umschlag auf und las:
LEICHE NICHT ANGMARK. ER HAT SCHWARZES HAAR. WARUM WARST DU NICHT BEI LANDUNG?
ERNSTE LAGE, SEHR UNZUFRIEDEN. RÜCKKEHR NACH POLYPOLIS MIT NÄCHSTER GELEGENHEIT BEFOHLEN.
Thissel schob die Mitteilung in die Tasche. „Darf ich nach deiner Haarfarbe fragen?“ bat er.
Rolver spielte einen erstaunten Triller auf seinem kiv. „Ich bin ziemlich blond. Warum willst du das wissen?“
„Ich bin nur neugierig.“
Rolver spielte einen neuen Lauf auf dem kiv. „Jetzt verstehe ich. Mein lieber Freund, du bist von sehr mißtrauischer Natur!
Schau.“ Er drehte sich um und teilte am Nacken die Falten seiner Maske. Rolver war tatsächlich blond. „Bist du jetzt zufrieden?“
„O ja. Sag mal, hättest du etwa eine andere Maske, die du mir leihen könntest? Ich habe diese Mondmotte allmählich satt.“
„Ich fürchte nein“, antwortete Rolver. „Du brauchst jedoch nur in einen Maskenmacherladen zu gehen und eine auszuwählen.“
„Ja, natürlich…“ Er verabschiedete sich von Rolver und kehrte nach Fan zurück. Als er an Welibus’ Büro vorbeikam, zögerte er, dann trat er ein. Heute trug Welibus eine erstaunliche Schöpfung aus grünen Glasprismen und Silberperlen, eine Maske, die Thissell noch nie gesehen hatte.
Welibus begrüßte ihn mit vorsichtiger Begleitung. „Guten Morgen, Ser Mondmotte.“
„Ich will dir nicht viel Zeit stehlen“, sagte Thissell, „aber ich habe dir eine ziemlich persönliche Frage zu stellen. Welche Farbe hat dein Haar?“
Welibus zögerte einen Sekundenbruchteil, dann drehte er sich um und hob die Klappe seiner Maske an. Thissell sah dicke schwarze Locken. „Ist damit deine Frage beantwortet?“ erkundigte sich Welibus.
„Völlig“, erwiderte Thissell, überquerte die Esplanade und ging weiter zu Kershauls Hausboot. Der begrüßte ihn ohne jede Begeisterung, lud ihn jedoch ein, auf das Boot zu kommen.
„Ich möchte dir eine Frage stellen“, sagte Thissell. „Welche Farbe hat dein Haar?“
„Der klägliche Rest ist schwarz. Warum willst du das wissen?“
„Aus Neugier.“
„Na, komm schon, da steckt doch mehr dahinter“, hielt ihm Kershaul voll ungewohnter Schroffheit vor. Das gab Thissell zu, weil er Rat brauchte. „Es ist so: Ein toter Außenweltler wurde diesen Morgen im Hafen gefunden. Sein Haar war braun. Ich bin nicht ganz sicher, aber es steht drei zu zwei, daß Angmarks Haar schwarz ist.“
„Wie kommst du zu dieser Annahme?“
„Diese Information erhielt ich über Rolver. Er hat blondes Haar. Wenn Angmark Rolvers Identität angenommen hätte, würde er natürlich auch alle Informationen ändern, die ich diesen Morgen bekam. Ihr beide, du und Welibus, ihr gebt zu, schwarzes Haar zu haben.“
„Hm“, meinte Kershaul. „Sehen wir mal, ob ich deiner Logik richtig folge. Du glaubst, Haxo Angmark habe entweder Rolver, Welibus oder mich getötet und des Toten Identität angenommen. Ja?“
Thissell schaute ihn erstaunt an. „Du selbst sagtest doch, Angmark würde sich selbst verraten, würde er sich einen Außenweltlerhaushalt einrichten. Erinnerst du dich?“
„Oh, gewiß. Rolver übergab dir eine Botschaft, daß Angmark dunkel sei, und sagte, er selbst sei blond.“
„Ja. Kannst du das bestätigen? Ich meine, für den alten Rolver?“
„Nein“, erwiderte Kershaul traurig. „Ich habe weder Rolver noch Welibus je ohne Maske gesehen.“
„Ist Rolver nicht Angmark, und wenn Angmark wirklich schwarzes Haar hat, so bist du ebenso im Verdacht wie Welibus.“
„Sehr interessant“, antwortete Kershaul und musterte Thissell mißtrauisch. „Auch du selbst könntest Angmark sein. Wie ist deine Haarfarbe?“
„Braun“, erwiderte Thissel kurz und hob am Hinterkopf den grauen Pelz der Mondmotte an.
„Aber du kannst mich ja wegen des Textes der Mitteilung belügen.“
„Tu ich nicht. Wenn du willst, kannst du das bei Rolver nachprüfen.“
Kershaul schüttelte den Kopf. „Nicht nötig. Ich glaube dir.
Aber noch etwas: Du hast uns doch alle gehört, ehe Angmark ankam. Gibt es in den Stimmen keine Hinweise?“
„Nein. Ihr klingt doch alle ganz verschieden voneinander, und außerdem dämpft die Maske jede Stimme.“
Kershaul zupfte an seinem Ziegenbärtchen. „Ich sehe keine sofortige Lösung dieses Problems.“ Er lachte leise. „Ist die denn auch nötig? Vor Angmarks Ankunft gab es Rolver, Welibus, Kershaul und Thissell. Und jetzt gibt es aus praktischen Gründen noch immer Rolver, Welibus, Kershaul und Thissell. Wer wollte behaupten, das neue Mitglied sei nicht eine Verbesserung gegenüber dem alten?“
„Ein interessanter Gedanke“, gab Thissell zu, „aber ich habe zufällig ein persönliches Interesse an Angmarks Identifizierung. Meine Karriere steht auf dem Spiel.“