122175.fb2 Die Riesin Arachna - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 3

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Zweiter Teil: Die defekten Tunnel

EIN MERKWÜRDIGER VORFALL

Während Arachna all diese Ereignisse durchlebte, während der Säbelzahntiger Achr und das Mädchen Ah weiter durch einen Tunnel stürzten, der sie in eine unbekannte Welt schleuderte, geschahen mit den Freunden des Zauberlandes neue, aufregende Dinge.

Das betraf vor allem Ol, den Raum- und Zeitflieger vom Planeten Irena, der noch vor kurzem Chris Tall aus Kansas, dem Seemann Charlie Black und dem Piloten Kau-Ruck aus der Klemme geholfen hatte. Nach seiner Rückkehr von der Irena war Charlie auf ein geheimnisvolles Korallenriff geraten, das ihn einfach nicht mehr freigab. Chris Tall und seine Freunde hatten sich mit einem Katamaran auf die Suche nach ihm gemacht, ihn schließlich auch gefunden, saßen am Ende aber selber fest, und wäre ihnen nicht der Irener Ol zu Hilfe gekommen, hätten sie ihr geliebtes Amerika vielleicht nie wiedergesehen.

Ol, seine Tochter Viola, die lange im Elmenland gewesen war, wo die Menschen zu durchscheinenden körperlosen Wesen wurden, und seine Frau Vi saßen an diesem Abend im Wohnzimmer ihres Hauses auf der Irena beisammen. Viola hatte das kleine Sofa vor dem Kamin mit Beschlag belegt, die Mutter gab Robby, einem lustigen Küchenroboter, letzte Anweisungen für die Zubereitung des Abendbrots, und Ol unterhielt sich mit zwei Jungs, die bei ihnen wohnten. Es waren Mo und No, vor langer Zeit von der Erde gekommen und, wie später auch das Mädchen Viola, zu Elmen geworden.

Die beiden hatten ein eigenartiges Schicksal. Sie stammten von der sagenumwobenen Insel Atlantis, die einst im Meer untergegangen war. Noch heute träumten sie von ihrer Heimat und erzählten gern davon. Vor kurzem hatten sie wieder ihre menschliche Gestalt erlangt, und Ol hatte sie bei sich aufgenommen. Im Augenblick erklärte er ihnen gerade eine noch recht neue Erfindung, mit der man Raum und Zeit überbrücken konnte: die Kristallskaphander. Mo und No waren technisch sehr interessiert, deshalb hörten sie aufmerksam zu.

Viola war ein wenig eifersüchtig auf die beiden Jungen: nicht nur, daß sie dauernd mit dem Vater zusammen waren, sie nahmen ihr auch ihre Lieblingsplätze im Haus weg. Zum Beispiel den auf dem Sofa. Ständig fläzten sie darauf herum. Deshalb machte sie sich jetzt dort so richtig breit. Sollten die beiden sich doch auf die harte Bank setzen oder auf den Teppich.

Doch den Jungs schien das nichts auszumachen, sie rückten die Bank an den warmen Kamin heran und unterhielten sich weiter mit Ol. Inzwischen ging es um den Elming, den Ausgang jenes Tunnels, der die Irena mit der Erde verband. Die Massaren, die den Planeten beherrschten, hatten ihn mit einem elektrischen Schutzschild versehen, damit nicht plötzlich unliebsame Gäste in ihrem Reich auftauchten. Dabei waren sie es, die im Gegensatz zu Ol und seinen Freunden diese Tunnel mißbrauchten. Die Massaren wollten mit ihrer Hilfe auf die Erde gelangen, sie ausspähen und eines Tages sogar unterwerfen.

No erzählte gerade von einem Vorfall, den er sich nicht erklären konnte. Er, der sich im Elming auskannte wie kein zweiter, hatte sich vorhin auf unbegreifliche Weise darin verirrt.

»Es war sehr merkwürdig«, sagte er, »denn zuerst verlief alles normal. Ich ließ den Schutzschild hinter mir, der ja auf uns nicht wirkt, weil wir sowieso nicht in die Heimat zurück können, und suchte nach unbekannten Gegenständen – vielleicht waren welche neu von der Erde dorthin gelangt. Aber mit einem Mal war alles völlig anders als sonst. Die Luft trug mich plötzlich, sie war ganz leicht, und ich hatte das Gefühl, fliegen zu können.«

»Ah, geflogen bist du«, sagte Viola spitz. »Deshalb also mußte dich mein Vater suchen, wie einen jungen Hund, der sich verirrt hat.«

Man sah No an, daß ihm dieser Spott mißfiel. Es war nicht das erste Mal, daß Viola sich über ihn lustig machte. Wenn sie jetzt auf Atlantis gewesen wären, hätte er sie bestimmt dafür bestraft. Als Sohn des ehemaligen Herrschers Wanaka hätte er sie dazu verdonnert, ihm mit einem Palmwedel die lästigen Fliegen vom Leib zu halten.

»Ja, ich bin geflogen«, erwiderte er etwas von oben herab. »Ich brauchte nur ein wenig mit den Armen zu rudern, und schon schwirrte ich ab.«

»Und dein Brüderchen hat sich inzwischen die Hacken abgelaufen, um dich wiederzufinden!«

No wurde verlegen.

»Ich versteh das ja auch nicht«, murmelte er. »Ich hatte Mo bloß für einen Moment an dem Stück Säule zurückgelassen, das aus unserer Heimat stammte. Wer konnte denn ahnen, daß so was passiert.«

»Für einen Moment, ist gut«, murrte das Mädchen. »Du warst so lange weg, daß Papa unruhig wurde und sich auf die Suche nach dir machte. Wo hat er dich überhaupt aufgetrieben, wenn du so schnell abgeschwirrt bist?«

Nun schaltete sich Ol ein.

»Mal schön langsam, das ist eine schwierige Geschichte«, sagte er. »No war nämlich viel länger unterwegs, als er glaubte, länger auch, als du annimmst, Viola. Als ich von seinem Bruder Mo erfuhr, daß er im Elming verschwunden sei, kam mir das gleich seltsam vor. Schließlich hatte er sich dort früher endlos aufgehalten, kannte jeden Stein, jeden Strauch. Nein, er konnte sich nicht so einfach verirren, das war nicht möglich, vielmehr mußte etwas Ungewöhnliches passiert sein. Wahrscheinlich war der Junge in den Tunnel geraten! Das aber konnte wiederum nur geschehen, wenn der Schacht defekt war.«

Inzwischen war Vi aus der Küche ins Zimmer gekommen. Sie hatte gespannt zugehört und fragte besorgt:

»Was heißt defekt? Saust man dort jetzt mir nichts, dir nichts in der Gegend herum? Kann man nicht mehr über sich selbst bestimmen?«

»So ungefähr«, erwiderte Ol. »Es ist eine schlimme Sache, und ich brauchte eine Weile, um dahinterzukommen. Der ganze Tunnel ist außer Kontrolle geraten, hat sich gewissermaßen selbständig gemacht. Bisher gelangten wir durch ihn und andere Schächte ja immer an das gewünschte Ziel und auch wieder zurück. Plötzlich aber geht das nicht mehr.«

»Und was passiert jetzt im Tunnel?« fragte Viola aufgeregt dazwischen.

»Ja, was…« Ol machte eine Pause, und die Spannung der Kinder wuchs. »Man wird… wie soll ich sagen… in die Zeit entführt. In die Zukunft oder in die Vergangenheit.«

Einen Augenblick lang schwiegen alle überrascht. Dann sagte Viola begeistert:

»Aber das ist ja toll, richtig abenteuerlich!«

Mo, der andere Junge, der bisher noch keinen Ton von sich gegeben hatte, murmelte:

»Na, ich weiß ja nicht. Entführt werden heißt doch, daß man nicht mehr so einfach zum Ausgangsort zurückkommt.«

»Genau das ist das Problem«, bestätigte Ol. »No war zu einem unbekannten Ziel aufgebrochen und hätte wahrscheinlich nie mehr zu uns zurückgefunden.«

»Und was hast du nun gemacht?« wollte Vi wissen.

»Ich bin, so schnell ich konnte, ins Synchronautikzentrum gerannt, wo die Flüge zur Erde koordiniert werden«, erwiderte Ol. »Ich habe Or, den Direktor, gebeten, niemanden mehr starten zu lassen, hab ihn auf die verheerenden Folgen aufmerksam gemacht, die für jeden Tunnelfahrer entstehen könnten. Und dann hab ich ihn überredet, mir diese Dinger da zu überlassen.«

Ol wies auf zwei Pakete, die No und er mitgebracht hatten. Viola hatte sie schon für einen geheimnisvollen Fund gehalten, für einen Schatz aus dem Elming oder so etwas. Sie war nur noch nicht dazu gekommen, sie zu überprüfen oder wenigstens danach zu fragen.

»Was ist das?« erkundigte sie sich hastig.

»Das sind die Kristallskaphander, über die ich vorhin mit No und Mo gesprochen habe. Or hat sie mir überlassen, weil ich am besten damit umgehen kann, schließlich hab ich sie seinerzeit als erster ausprobiert. Sie besitzen zwar nur eine Reichweite von hundert Jahren, aber in diesem Fall waren sie das einzige Mittel, No wieder einzufangen. Ich hab ihn erwischt, bevor er auf Nimmerwiedersehen in der Zukunft verschwand. Gemeinsam sind wir dann zurückgeflogen.«

»Ich habe mich dabei nicht gerade geschickt angestellt«, sagte No verlegen.

»Für das erste Mal in so einem Skaphander warst du ganz gut«, tröstete ihn Ol.

Vi dachte daran, daß ihr Mann in dem defekten Tunnel hätte verunglücken, mit No für immer in der Zukunft verlorengehen können, und ihr wurde ganz übel.

»Was in drei Stunden alles passieren kann!« sagte sie. »Das war doch sehr gefährlich. Wenn ich gewußt hätte, was ihr treibt, hätte ich nicht so ruhig zu Hause gehockt.«

Ol erwiderte:

»Nun ja, gefährlich war es vielleicht. Aber drei Stunden, das scheint uns nur hier auf der Irena so. No war mir bereits einen Tag voraus. In dem Tunnel vergeht die Zeit nämlich viel schneller.«

Über dieses Problem sprachen sie dann noch ausführlich, und als Viola später im Bett lag, konnte sie eine ganze Weile nicht einschlafen. Die Kristallskaphander gingen ihr im Kopf herum. Bestimmt würden ihr Vater und No die Fluganzüge erneut ausprobieren, um damit den defekten Tunnel zu erforschen. Wie konnte sie es nur anstellen, daß man sie mitnahm? Erst gegen Mitternacht schlief das Mädchen endlich ein. Sie war zu keiner Lösung gekommen. Aber auch Ol war noch lange wach und dachte über die Ereignisse des Tages nach. Er fragte sich, weshalb der Tunnel außer Kontrolle geraten war und was sich daraus für Folgen ergaben.

VIOLA UND MO MACHEN SICH DAVON

Am nächsten Morgen saß Ol nicht wie üblich als erster. am Frühstückstisch, sondern mußte mehrmals gerufen werden.

Zum Frühstück gab es Buletten, und Ol, der die knusprigen braunen Klopse gern aß, riß sich für eine Weile von seinen Überlegungen los. Ganz gelang ihm das freilich nicht. Gefesselt von seinen Überlegungen, führte er Selbstgespräche und gestikulierte wild mit den Händen.

»Der eine Pol ist die Erde, der andere die Irena«, sagte er laut. »No ist in die Zukunft geflogen, also führt der Tunnel von hier aus dorthin. Von der Erde aus aber geht es in die Vergangenheit. Genauso muß es sein. Nur im Elmenland, das dazwischen liegt und wo sich die unterschiedlichen Kräfte treffen, bleibt alles beim alten, dort ist die Zeit gleich null.«

Während Ol nachdachte und Schlüsse zu ziehen versuchte, gingen seiner Tochter Viola viel praktischere Dinge durch den Sinn. Auch sie beschäftigte sich innerlich mit dem Tunnel und den sonderbaren Vorgängen dort. Dabei schien ihr ein Ausflug in die Zukunft allerdings eher verlockend als gefährlich.

Das Risiko wird schon nicht so groß sein, sagte sie sich, dieser No hätte ja nur umkehren müssen, wahrscheinlich hatte er jede Orientierung verloren. Wenn er sich ein bißchen angestrengt hätte, wäre er auch wieder nach Hause gekommen. Das ist sogar mir gelungen, als ich damals im Elmenland war. Außerdem passe ich besser auf als er. Sobald ich merke, daß es schwierig wird, breche ich das Experiment ab.

Zu ihrer Überraschung fand Viola einen Verbündeten in Mo, der seinem Bruder in nichts nachstehen wollte. Mal an der Zukunft schnuppern könnte man ja, dachte er. Und da er erriet, was das Mädchen vorhatte, brauchten sie nicht viel Worte, um sich zu verständigen.

Während Ol noch in seinem Zimmer war und verschiedene Berechnungen über die umgewandelte Energie anstellte, während Vi in der Küche hantierte und No sich mit dem Roboter beschäftigte, machten sich die beiden heimlich aus dem Staub. Sie benutzten nicht die Straße, sondern schlichen durch den Garten und kletterten über den Zaun. Danach robbten sie eine Weile über freies Feld und rannten erst los, als sie merkten, daß niemand ihnen auf den Fersen war. Jetzt trennte nur noch der kleine Bach sie vom Elming. Ohne lange zu überlegen, sprangen sie hinein und wateten ans andere Ufer.

Unterwegs hatten sie sich Gedanken gemacht, wie Viola den unsichtbaren Schutzschild überwinden könnte, der den Eingang zum Schacht abschirmte. Für Mo war das kein Problem, er stammte ja von der Atlantis. Vielleicht, so sagte er sich, klappte es für das Mädchen, wenn er sie

an der Hand nahm? Doch nichts da – während er passieren konnte, prallte sie zurück wie von einer Gummiwand.

Mo kam zu Viola zurück, und sie versuchten es erneut. Sie dachten sich die unmöglichsten Varianten aus: auf allen Vieren, mit dem Hintern zuerst, mit einem gewaltigen Sprung oder eng aneinandergepreßt. Doch alles half nichts, und so setzten sie sich enttäuscht ins Gras. Wahrscheinlich würde das Mädchen unverrichteter Dinge umkehren müssen.

So schnell aber gab Viola nicht auf.

»Wenn der Tunnel einen Defekt hat«, sagte sie, »warum sollte dann der Schutzschild noch voll und ganz intakt sein. Wir müssen nach einem Loch suchen, durch das ich schlüpfen kann. Los, gehn wir langsam um den Elming herum.«

Mit dieser Hoffnung machten sie sich ans Werk, und Viola tastete immer wieder die unsichtbare Wand nach einer Lücke ab. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sie tatsächlich einen Spalt fand. Sie hatte es doch gewußt!

»Das schaffe ich«, rief das Mädchen und quetschte sich durch die Lücke. Als sie halb im Innern des Elmings war, gab der Schutzschild unvermutet nach, und sie fiel der Länge nach hin. Aber die Kratzer an Knie und Ellbogen, die sie sich dabei zuzog, machten ihr nicht das geringste aus – Hauptsache, sie war drin!

Im Elming konnten die beiden zunächst nichts Besonderes entdecken. Viola, die eine Weile nicht hier gewesen war, schaute sich neugierig um und vergaß für den Augenblick die Gefahr, in die Zukunft verschlagen zu werden. Mo dachte zwar daran, glaubte aber nicht, daß etwas passieren könnte, solange sie der Stelle fernblieben, an der No gestern verschwunden war. Da er sich hier gut auskannte, zeigte er dem Mädchen seine Lieblingsplätze und Verstecke.

Inzwischen hatte man zu Hause ihr Verschwinden entdeckt und war in heller Aufregung. Ol und Vi kannten die Abenteuerlust ihrer Tochter zur Genüge. No wiederum konnte sich denken, daß sein Bruder nicht hinter ihm zurückstehen, sondern ihn möglichst noch übertrumpfen wollte.

»Sie sind bestimmt zum Tunnel gelaufen«, sagte No, »meinem Brüderchen wäre das zuzutrauen.«

»Viola auch«, erwiderte Vi, »manchmal ist sie mehr als unvernünftig. Zum Glück ist das Gebiet um die Tunnelöffnung durch den Schutzschild abgesperrt. Unsere Tochter kann nicht durch, und ich hoffe, Mo ist Kavalier genug, sie nicht allein zurückzulassen.«

Ol hoffte das gleichfalls, machte sich aber trotzdem Sorgen. Und wenn nun auch die unsichtbare Wand außer Kontrolle geriet? Er hatte Vi dargelegt, welche Gefahren mit dem defekten Tunnelsystem verbunden waren, diese letzte Befürchtung jedoch für sich behalten. Während seine Frau und No noch diskutierten, verließ er ohne ein Wort das Haus, machte sich zum Elming auf. Er nahm den kürzesten Weg, doch am Sperrkreis angelangt, hielt er vergeblich nach den Kindern Ausschau.

Sie sind drin, Viola ist irgendwie reingekommen, dachte Ol bestürzt. Hoffentlich erwische ich sie noch!

Er trat an den Schutzschild heran und spürte deutlich die Risse, die sich hier und dort in der Wand zu bilden begannen. Schon bald fand er eine dünne Stelle, die ihm den Durchschlupf erlaubte.

Innen sah er sich verzweifelt erneut um. Ein Zentnergewicht fiel ihm vom Herzen, als er die beiden endlich entdeckte. Viola und Mo steuerten gerade das Bruchstück einer Säule an, das am Boden lag. Es war der Lieblingsstein der Atlanterjungen, denn er stammte von ihrer untergegangenen Insel.

Ol rannte hinter den Ausreißern her, und sie bekamen einen gehörigen Schreck, als sie ihn neben sich auftauchen sahen. Sie erschraken aber nicht nur, weil sie ein schlechtes Gewissen hatten, sondern auch, weil er völlig außer Atem war und sich beim Kriechen durch den Schutzschild die Sachen zerrissen hatte.

»Papa, wo kommst du denn her«, rief Viola, »bist du uns etwa gefolgt?«

»Und ob ich euch gefolgt bin! Was fällt euch ein, klammheimlich von zu Hause wegzulaufen und in den Elming einzudringen. Ihr habt doch gehört, was No gestern passiert ist.«

»Ach, ist ja alles gut gegangen, und wir sind viel vorsichtiger als er. Wir wollten…«

Doch was sie wollten, konnte das Mädchen nicht mehr darlegen. Mit einemmal war ihr das Wort abgeschnitten, und sie merkte, wie sie leicht wurde, gewissermaßen Flügel bekam.

Aber auch ihr Vater und Mo verspürten dieses Gefühl. Zu spät begriff Ol, daß sie in den Sog geraten waren wie gestern No, und daß sie in der Falle saßen. Ja, die drei waren genau an der Stelle, an der Mos Bruder einen Tag vorher verschwunden war, von der Anziehungskraft des Tunnels erfaßt worden, gegen die sie sich nicht wehren konnten.

Sie wurden in die Zukunft entführt, und keiner von ihnen wußte, wo sie landen würden.

DIE WÄNDE HABEN OHREN

Auch Vi und No hatten ihre Diskussion letzten Endes abgebrochen, ihnen war aufgefallen, daß Ol gleichfalls das Haus verlassen hatte.

»Er ist zum Elming«, sagte Vi, »wo sollte er sonst hin. Ich hab keine Ruhe!«

Sie ließ alles stehen und liegen und rannte zusammen mit No ihrem Mann hinterher. Sie kamen gerade noch zurecht, um von der unsichtbaren Wand aus das Verschwinden der drei beobachten zu können. Vi war verzweifelt, zumal es ihr nicht gelang, den Schutzschild zu durchbrechen. Sie befanden sich an einer Stelle, wo er noch keine Lücke hatte.

Nun hielt sie wenigstens No am Arm fest, denn sie wollte nicht, daß auch er sich noch davonmachte. Ol ist klug und bewandert in diesen Dingen, sagte sich Vi immer wieder, er wird bestimmt einen Ausweg finden. Selbst in dieser ungewöhnlichen Situation. Ich darf nur nicht in Panik geraten, die Nerven verlieren. Und sie setzte sich erst einmal ins Gras, um gründlich zu überlegen.

»Die Skaphander«, sagte No plötzlich, »vielleicht können wir mit ihnen etwas ausrichten. Ich bin ja gestern schon damit geflogen.«

»Es sind aber nur zwei, also zu wenig, um die andern zurückzuholen. Außerdem haben sie keine große Reichweite.«

»Besser als gar nichts. Was sollen wir sonst tun?«

»Gut«, erwiderte Vi, »gehn wir wieder nach Hause. Ich will sehen, wo Ol sie hingepackt hat.«

Diese Fluganzüge, in denen man wie Superman durch Raum und Zeit sausen konnte, waren aber nicht nur die letzte Hoffnung für die beiden, sie hatten auch im Synchronautikzentrum für Aufregung gesorgt. Vor allem durch die Tatsache, daß Ol sie angeblich brauchte, um den Jungen No aus der Zukunft zurückzuholen. Or, der Direktor des Zentrums, hatte das zunächst gar nicht glauben wollen.

Or war einer der obersten Herrscher auf der Irena, und er hatte nur eine Sorge: die Macht der Massaren zu sichern und alles, was von anderen Planeten kam, unter Kontrolle zu halten. Ol, einer seiner geschicktesten Tunnelpiloten, war zu seinem Leidwesen ein Vitant, das heißt ein Angehöriger jener Gruppe von Leuten, die mit der Erde gute Beziehungen aufnehmen wollten. Ein Plan, der den Massaren überhaupt nicht gefiel, denn sie waren auf Eroberung aus.

Deshalb mußte man nach Ors Meinung auch auf Ol aufpassen, durfte ihm nicht zuviel erlauben. Andererseits war er aber der beste Techniker auf der Irena und kannte sich hervorragend mit dem Tunnelsystem aus. Die Massaren konnten kaum auf sein Wissen verzichten.

Als Ol dem Direktor von den sonderbaren Veränderungen im Hauptschacht berichtete, war dieser aufs höchste beunruhigt. Nur deshalb gab er die beiden Zeitanzüge heraus – der Pilot sollte der Sache auf den Grund gehen. No war ihm dagegen egal. Mit ihm konnte er sowieso nichts anfangen, weshalb sollte er sich seinetwegen aufregen.

Or war gespannt, was Ol herausfinden würde, gleichzeitig mißtraute er ihm aber. Nachdem Violas Vater gegangen war, gab er sofort Anweisung, die Angaben zu überprüfen und bis auf weiteres alle Flüge zur Erde einzustellen. Dann rief er jedoch Din und Nel zu sich, zwei seiner Untergebenen. Sie waren seine Männer für schwierige Aufgaben und schon öfter mit heiklen Aufträgen betraut worden.

Din und Nel zeichneten sich durch ihren Eifer aus, hatten zuletzt aber gründlich versagt. Als es nämlich darum gegangen war, die Rückkehr mehrerer Erdenbewohner zu verhindern: des Jungen Kostja, des Geologen Viktor Stepanowitsch, des Jägers Kusmitsch und des bereits erwähnten Einbeinigen Seemanns Charlie Black. Damals waren sie von Ol geschickt hinters Licht geführt worden, was sie ihm bis jetzt nicht verziehen.

Auf diese Niederlage spielte der Direktor an, als er die beiden zwar liebenswürdig begrüßte, sie aber auch fragte, ob sie nicht ihre Scharte von neulich auswetzen wollten.

»Die ruhige Zeit im Labor ist vorbei«, erklärte er, »jetzt gilt es das Haus von Vi und Ol überwachen, und zwar rund um die Uhr.«

»Das Haus von Vi und Ol?« Nel war alles andere als begeistert. »Diese Familie bereitet uns nur Ungelegenheiten. Welche Gemeinheit haben sie denn diesmal vor?«

Or erklärte den Männern, daß es nicht um Gemeinheiten ging, sondern um Gefahren, die möglicherweise auf die Irena zukämen. Leider sei es Ol gewesen, der den Defekt im Tunnel entdeckt hätte und nicht etwa einer der zuständigen Massaren. Da man aber nicht wisse, was er wirklich vorhabe, müsse man ihn im Auge behalten.

»Nehmt den Peilwagen«, fügte der Direktor hinzu, »all unsere Mittel stehen euch zur Verfügung. Nicht die kleinste Maus darf unbemerkt in Ols Haus gelangen oder es verlassen.«

Wenig später standen Din und Nel mit ihrem supermodernen Peilwagen schon in der Nähe von Ols Haus. Das Fahrzeug war mit den besten Apparaturen ausgerüstet, die man zum Überwachen und Beobachten besaß. Mit ihrer Hilfe konnte jeder Vorgang außerhalb und auch innerhalb des Gebäudes verfolgt werden. Sogar in die Kochtöpfe konnten die beiden gucken.

Sie richteten ihre Geräte auf das Erdgeschoß, wo sich das Wohnzimmer und die Küche befanden. Dort hielten sich die Bewohner erfahrungsgemäß am meisten auf, dort wurden auch viele Gespräche geführt.

Der Abend und die Nacht verliefen ruhig, Din und Nel konnten nicht viel Neues erfahren. Sie vertrieben sich die Zeit mit Schachspielen und schliefen später abwechselnd, das heißt, sie lösten sich beim Wachehalten ab. Auch am Morgen passierte noch nicht viel, so daß die beiden sich zu langweilen begannen. Sie paßten nicht mehr so genau auf, warfen nur noch ab und zu einen Blick auf die Bildschirme.

Aus diesem Grund bekamen sie auch nicht mit, daß Viola und Mo heimlich das Haus verließen. Sie wurden erst wieder aufmerksam, als OL aufgeregt aus seinem Zimmer herunterkam und Vi seine Überlegungen zum Tunneldefekt mitteilte. Daß sich dort die Energie verlagern und das gesamte System verändern würde. Daß dadurch im Elming ein gewaltiger Sog entstehen könnte, was für die Irener unvorhersehbare Folgen mit sich brächte. Daß es den Weg zur Erde zwar noch gäbe, man aber dort leicht in die Vergangenheit geraten könnte usw.

Din hatte bei den ersten Worten Ols sofort eine Verbindung zu seinem Chef geschaltet, so daß der Direktor alles mithören konnte. Or hatte sich natürlich selbst auch schon Gedanken über die Lage gemacht und fand sie durch die Worte des Vitanten bestätigt.

Ja, Ol ging in seinen Überlegungen noch weiter als er, indem er meinte, die Kraft des Tunnels könnte ausreichen, die Zeit um Tausende von Jahren zu verschieben. Diese Daten übermittelte Or sofort an das Rechenzentrum. Er war sehr besorgt, zollte der Vorstellungskraft und dem Wissen des Tunnelpiloten aber auch Achtung, ja Bewunderung.

Die aufgeregte Stimme Dins rief ihn unvermittelt in die Gegenwart zurück.

»Chef, im Haus muß irgendwas passiert sein! Ol ist ohne ein Wort zu sagen losgerannt, offenbar zum Elming. Seine Frau und der eine Junge folgen ihm jetzt. Sie haben’s fast noch eiliger als er.«

»Der eine Junge? Was machen der andere und das Mädchen, diese Viola?«

Daß Or sofort nach den beiden Kindern fragte, war Din peinlich. Liebend gern hätte er verschwiegen, daß Nel und er nicht aufgepaßt hatten. Doch das ging nun nicht mehr.

»Obwohl die fünf beim Frühstück noch zusammen waren, haben wir Viola und Mo schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen«, gab er kleinlaut zu.

»Hab ich nicht ausdrücklich befohlen, daß niemand, nicht das kleinste Mäuschen, das Haus ungesehen betreten oder verlassen darf!« schrie der Direktor wütend. »Achtet ihr so auf meine Anweisungen?«

»Sie haben ja recht, Chef, aber wir sind nur zu zweit. Wenn die einen da und die andern dorthin laufen, können wir sie sowieso nicht alle beobachten. Wir haben uns hauptsächlich auf Ol konzentriert.«

»Ihr habt jede Kleinigkeit zu melden, ihr Dummköpfe«, brüllte Or, »damit ich die entsprechenden Maßnahmen ergreifen kann! Und jetzt fahrt Ol hinterher. Laßt ihn ja nicht aus den Augen!«

Der Peilwagen setzte sich schnell in Bewegung. Din und Nel hatten Ol bald wieder im Visier. Um nicht aufzufallen und die Lage besser überblicken zu können, schalteten sie die Fluganlage ein, erhoben sich wie mit einem Hubschrauber in die Luft. Von dort aus fotografierten sie Ol mehrmals, zuletzt sogar, als er zusammen mit Viola und Mo vom Tunnel eingesogen wurde.

Or, der sich inzwischen wieder beruhigt hatte, nahm die Nachricht vom Verschwinden der drei mit gemischten Gefühlen auf. Gut, daß ich Ol habe beobachten lassen, dachte er. Vielleicht werde ich ihn nie mehr wiedersehen, aber wenigstens bin ich auf dem laufenden. Schade, denn wenn er im Grunde auch mein Gegner war – er war intelligent und ein würdiger Widersacher. Jetzt muß ich zusehen, wie ich mit all den Problemen ohne ihn zurechtkomme.

GEFANGEN IM TUNNEL

Inzwischen rasten Ol, Viola und Mo der Zukunft entgegen. Die anfängliche Leichtigkeit war gewichen, ein starker Druck lastete auf ihnen, und für einige Zeit wurde sogar das Atmen schwer. Erst als sich ihre Körper der Geschwindigkeit angepaßt hatten, waren sie wieder in der Lage, über ihre Situation nachzudenken und sich darüber zu unterhalten.

Viola war noch immer verblüfft über das schnelle Auftauchen ihres Vaters. Ihr schwante, daß sich der kurze Ausflug, den sie vorgehabt hatte, in die Länge ziehen konnte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen und wäre am liebsten wieder zu Hause bei ihrer Mutter gewesen.

»Da habt ihr uns was Schönes eingebrockt«, sagte Ol, »wie kann man nur so unvernünftig sein.«

»Wir wollten uns doch bloß mal am Tunnelausgang umschaun, vielleicht für einen Tag oder zwei in die Zukunft fliegen wie No«, rechtfertigte sich Viola.

»Ich hatte euch gestern lang und breit erklärt, daß der Tunnel defekt ist und ich No mit dem Skaphander zurückholen mußte. Aber wer holt jetzt uns zurück?«

»Es sind doch erst ein paar Minuten vergangen«, schaltete sich Mo ein, der Viola nicht im Stich lassen wollte. »Bestimmt werden Vi und No kommen.«

»Ein paar Minuten?« Ol lachte bitter. »Das ganze Tunnelsystem ist aus dem Gleichgewicht geraten, Zeit und Raum verschieben sich mit ungeheurer Geschwindigkeit. Merkt ihr nicht, daß wir mitten im Sog sind? Wir sind schon Jahre von dem Augenblick entfernt, da wir in den Elming eindrangen.«

»Jahre?« rief Viola erschrocken. »Aber das ist ja schrecklich! Wir müssen den Tunnel sofort verlassen.« Und mit den Armen rudernd, versuchte sie kehrtzumachen, dem Sog irgendwie zu entkommen.

Ol sah ihren Bemühungen einen Moment lang zu, ohne einzugreifen. Dann erklärte er:

»Hör schon auf, man kann von einem fahrenden Zug nicht abspringen. Noch dazu, wenn er so dahinrast wie dieser. Und wenn man es könnte, würde man sich alle Knochen brechen. Unsere Gesundheit werden wir aber noch brauchen.«

»Was sollen wir bloß tun?« fragte Mo bedrückt.

»Wir müssen uns um einige tausend Jahre voraus in die Zukunft tragen lassen«, erwiderte Ol, »das ist nicht mehr zu ändern.«

Obwohl die beiden Kinder sich so ungeheuer große Zeiträume nicht richtig vorstellen konnten, waren sie für den Augenblick sprachlos. Entgeistert starrten sie Ol an.

Nach einer Weile sagte Viola:

»Tausende von Jahren? Bleiben wir wenigstens hier, auf der Irena?«

»Es sieht so aus. Allerdings könnten wir später auch zur Erde gelangen. Nach meinen Berechnungen sogar schneller als bisher und wahrscheinlich in die Vergangenheit.«

Mo war von dieser Aussicht sehr angetan, seine Augen begannen zu funkeln.

»Also ich wäre dafür, zur Erde zu fliegen«, sagte er. »Vielleicht kommen wir in jene Epoche, als Atlantis noch existierte. Zu schade, daß No nicht bei uns ist.«

»Und wie sollen wir auf der Erde Mama treffen?« fragte Viola, der die Tränen in die Augen stiegen. »Wenn sie uns sucht, dann auf der Irena.«

»Der Tunnel wird uns zunächst sowieso keine Wahl lassen«, erwiderte Ol, »wir werden im Sog bleiben, bis er uns freigibt. Erst dann können wir weitersehn.«

Die Kinder schwiegen erneut, und da die Geschwindigkeit immer größer wurde, preßte sich Viola fest an ihren Vater. Er war ihr einziger Schutz, und so hielt sie auch dem Druck besser stand.

Mo aber erkundigte sich:

»Wie lange kann es denn dauern, bis uns der Tunnel wieder freigibt?«

»Wenn ich es richtig einschätze, ungefähr eine Woche.«

Viola war entsetzt.

»Eine ganze Woche? Aber bis dahin verhungern wir. Durst habe ich schon jetzt.«

Mo wußte Bescheid:

»Eine Woche – das könnten wir gerade noch schaffen. Ohne Wasser, meine ich, so lange steht der Mensch es notfalls durch. Ohne Essen kommt er dagegen bis zu einem Monat aus.«

»Ihr braucht keine Angst zu haben, wir verhungern und verdursten schon nicht«, beruhigte Ol die beiden. »Wir kommen bald am Elmenland vorbei, wo man sich in ein körperloses Wesen verwandelt, das keine Nahrung benötigt. Ihr habt damit ja bereits eure Erfahrungen gemacht.«

Und wirklich – als durchscheinende Wesen, Geistern aus dem Jenseits ähnlich, wurden sie nach sieben Tagen zum Ende des Tunnels geschleust. Erst hier wurden sie wieder sie selbst. Der Sog verebbte, und sie gelangten zum Ausgang.

Der Anblick, der sich ihnen bot, war allerdings niederschmetternd. Zu Hause hatten eine warme, freundliche Sonne, saftiges grünes Gras und ein üppiger Wald ihr Auge erfreut. Vögel hatten gezwitschert, blaue Seen und sprudelnde Bäche zum Baden eingeladen. Vor allem aber hatte es Menschen gegeben, Massaren und Vitanten. Hier dagegen war nichts Lebendiges zu entdecken. Eine bläßliche Scheibe hing schief an einem traurig grauen Himmel, der den Betrachter wehmütig stimmte. Kein Gedanke, daß von dort freundliche Sonnenstrahlen zur Erde dringen könnten. Überhaupt wirkte alles ringsum trist und grau, wie von Schimmel oder Spinnweben überzogen. Wo sollte da Vogelgezwitscher herkommen? Und statt blauer Seen gab es nur bräunlichen Morast.

Sie hielten Ausschau nach einem Lebenszeichen – vergeblich. Kein Haus, keine Rauchfahne, die auf ein Feuer hingedeutet hätte, und schon gar kein Kinderlachen.

Nur eine gigantische Spur durchzog in Windungen die Einöde, sie schien alles plattgewalzt zu haben.

Selbst Ol, der als Raumflieger schon so manchen unwirtlichen Planeten gesehen hatte, war erschrocken. Wie sollen wir uns hier bloß behaupten, dachte er. Doch er verbarg seine Betroffenheit, tat, als sei alles normal.

Zum Glück nahmen die Kinder die Sache nicht so tragisch. Zwar gefiel ihnen diese Landschaft genausowenig, aber sie wurden durch die breite Spur abgelenkt, deren Ursache sie sich nicht erklären konnten.

»Sie rührt von nichts anderem als dem Tunnel her«, sagte Ol, »der Eingang hat sich über die Jahrtausende durch den riesigen Druck beträchtlich verschoben. Wenn ich nur wüßte, wo wir genau sind.«

»Und der Schutzschild um den Elming«, fragte Mo, »was ist aus dem geworden?«

»Den gibt es nicht mehr, die Energie für das Magnetfeld fehlt.«

»Wenn wir dieser Spur folgen, müßten wir aber irgendwann zu dem Platz kommen, wo der Elming war und wo unser Haus stand«, sagte Viola hoffnungsvoll.

»Da befindet sich doch nichts mehr«, wandte Mo ein, »wir sollten besser versuchen, zur Erde zu gelangen, nach Atlantis.«

Er hatte nicht vergessen, daß Ol anfangs von dieser Möglichkeit gesprochen hatte.

»So einfach geht das nicht«, erwiderte Violas Vater, »erst muß der Weg zur Erde wieder frei sein.«

»Aber wann ist das, und wie sollen wir es erfahren, wenn wir nicht am Tunneleingang bleiben?« beharrte Mo.

»Bis es soweit ist, wird einige Zeit vergehen«, erklärte Ol. »Vielleicht haben wir Glück und brauchen uns nicht allzu weit zu entfernen. Es sieht aus, als habe sich der Tunnel in Schlingerbewegungen einfach nur hin und her gewälzt.«

DIE FLUGMOLCHE

Der erste Schritt ins Freie brachte einen unvorhergesehenen Sturz mit sich. Sie glaubten, festen Boden unter den Füßen zu haben, versanken aber bis über die Knöchel im Staub, stolperten und fielen hin. Doch sie fielen weich, die graue Masse nahm sie fast schmeichelnd in Empfang. Nur stob der Schmutz in so dichten Wolken auf, daß es ihnen regelrecht den Atem benahm. Die drei husteten, spuckten und richteten sich ziemlich ärgerlich wieder auf. Das fing ja gut an!

Ihre Kehlen waren ausgetrocknet, und ihr erster Gedanke galt dem Aufspüren von Wasser. Um sich sattzutrinken und, wenn möglich, zu waschen. Aber sie konnten keinen Bach, Fluß oder gar See entdecken. Nur graue, trockene Ödnis.

»Viola hat recht, wir sollten dieser Spur folgen«, sagte Ol. »Hier ist der Boden wenigstens glattgewalzt, und der Staub liegt nicht ganz so hoch. Vielleicht erreichen wir eine bewohnte Gegend. Wenn nicht, können wir immer noch zum Tunnel zurückkehren.«

Insgeheim aber dachte er an den Bach, der in der Nähe des Elmings geflossen war, an den Teich hinter ihrem Haus und an das Haus selbst. Steinbauten aus der Vergangenheit der Irena hatten viele Jahrhunderte überdauert. Warum sollten Gebäude der neueren Epochen, die aus unverwüstlichem Kunststoff gefertigt waren, nicht Jahrtausende überstehen.

Sie stapften los, bemüht, nicht so viel Staub aufzuwirbeln. Es wurde ein anstrengender Marsch. Manchmal wollten sie schon aufgeben, denn die Landschaft veränderte sich kaum, und vor allem Mo kam immer wieder auf die Erde zu sprechen, die man nur durch den Tunnel erreichen konnte. Aber Ol war nicht so schnell von seinem Plan abzubringen, und nach mehreren Stunden Wanderung gab es endlich einen Hoffnungsschimmer. In der Ferne sahen sie eine Erhebung.

Es war nur ein bescheidener Hügel, zum Teil mit Gestrüpp bewachsen, wie es schien, doch die drei begrüßten ihn fast enthusiastisch.

»Wenn dort Sträucher sind, gibt es in der Nähe vielleicht Wasser«, rief Viola.

»Ja, einen Teich mit Fischen, die man fangen und braten kann«, ergänzte Mo. »Auf unserer Insel hab ich mich gut auf den Fischfang verstanden.«

»Warten wir’s ab.« Ol dämpfte die Freude etwas. »Wir wollen nicht gleich zuviel erhoffen.«

Viola rannte trotzdem sofort los, wirbelte aber schon bei den ersten Schritten soviel Staub auf, daß sie erschrocken stehenblieb. Es half nichts, sie mußten langsam gehen, sich in Geduld fassen.

Als sie näherkamen, bemerkten sie etwas Unförmiges, das über dem Hügel in der Luft hing. Es stand ganz ruhig da oder bewegte sich sacht wie eine große Fahne bei leichtem Wind. Wind geht aber nicht, dachte Ol, es kann keine Fahne sein. Daß auch nicht der leiseste Hauch wehte, war übrigens Glück, denn wenn hier, unter diesen Bedingungen, ein Sturm aufkam, waren sie verloren. Es mußte schlimmer sein als in der Wüste, wo vom Sand ja auch schon innerhalb kürzester Zeit Menschen und Tiere verschüttet wurden.

»Was kann das bloß sein?« fragte Viola erstaunt. »Es sieht aus wie ein riesiger Luftballon. Andererseits ist es nicht rund, sondern langgestreckt und flach. Jetzt, wo es sich zur Seite neigt, könnte man es für ein Gummiboot ohne Boden halten, nein, für einen großen Kringel oder eine Brezel.«

»Eine Brezel, die fliegen kann, was denn noch«, erwiderte, ein wenig spöttisch, Mo.

Ol dagegen, der angestrengt zum Hügel starrte, schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.

»Aber ja doch, eine Brezel!« rief er. »Ein Kringel, der in der Luft schwebt, begreift ihr denn nicht? Das ist ein Flugmolch, wie er leibt und lebt, nichts anderes. Die gibt es also noch, die haben diese unendlichen Zeiten überstanden.«

Flugmolche waren eine Art Amphibien, die sich weniger gut auf dem Land, umso besser aber im Wasser und in der Luft bewegen konnten. Sie waren nur auf der Irena zu Hause und den Bewohnern dort seit jeher vertraut. Man brauchte sie nicht zu fürchten, denn sie griffen die Menschen nicht an, verhielten sich eher scheu.

»Wenn sich hier Flugmolche aufhalten, gibt es auch Wasser«, sagte Ol erfreut, »das kann gar nicht anders sein.«

Nun hatten sie es noch eiliger, zu dem Hügel zu kommen, ließen sich selbst vom Staub nicht mehr zurückhalten, der ihnen in Mund und Nase drang. Hustend und spuckend kamen sie schließlich an.

Tatsächlich war die Erhebung von Büschen und Gestrüpp umgeben – eine Vegetation, die an jene im Elming erinnerte. Überhaupt kam Ol die Gegend irgendwie bekannt vor. War hier etwa früher der Tunneleingang gewesen? Nicht direkt, dachte Ol, aber in der Nähe könnte er sich befunden haben.

Inzwischen waren Viola und Mo losgestürmt, um den Hügel genauer in Augenschein zu nehmen. Plötzlich brachen sie in ein Freudengeheul aus.

»Da ist ein Teich, wir haben Wasser gefunden!« rief Viola und rannte hin.

Die Bezeichnung Teich war allerdings reichlich geprahlt. Hinter Riedgras versteckt und mit grünlichen, an Entengrütze erinnernden Algen überwuchert, handelte es sich eher um einen Tümpel. Die Luft hier war dennoch frischer und nicht so trocken. Der Flugmolch, der direkt darüber hing, empfand das offenbar genauso.

Die Kinder zerteilten mit den Armen das Riedgras, knieten am Ufer des Tümpels nieder und schoben die Algen beiseite. Zu ihrer Überraschung war das Wasser kühl und klar. Sie schöpften es mit vollen Händen und stillten ihren Durst.

Auch Ol trank in großen Schlucken. Er war verwundert, daß das Wasser nicht faulig oder abgestanden schmeckte. Vermutlich wurde der Tümpel von einer noch immer aktiven unterirdischen Quelle gespeist.

Um das Wasserloch herum war eine Art Oase entstanden, und wenn es sich bei den Pflanzen auch um anspruchslose Gewächse handelte, die nicht viel zum Leben brauchten, so breiteten sie sich doch aus, wucherten und bildeten im grauen Einerlei der Landschaft eine grüne Insel.

»Es überrascht mich gar nicht, daß sich hier Flugmolche einfinden«, sagte Ol, »wer weiß, wo der nächste Teich oder Fluß ist. Die Irena scheint verwüstet und ausgestorben zu sein.«

»Du glaubst, wir sind die einzigen Menschen auf dem ganzen Planeten?« sagte Viola erschrocken.

»Ich hoffe nicht«, erwiderte Ol, »vielleicht gibt es in anderen Gegenden menschliches Leben. Im Moment haben wir freilich kaum Möglichkeiten, das zu erkunden.«

»Wenigstens haben wir erst mal unseren Durst gestillt«, sagte Mo, der stets Optimist war.

»Schon richtig«, erwiderte Viola, »zu trinken haben wir. Allerdings ist mein Hunger dadurch nicht kleiner geworden. Im Gegenteil, ich könnte Frühstück, Mittag und Abendbrot auf einmal verschlingen.«

ELME AUF DER IRENA

Wie um ihren Worten Taten folgen zu lassen, riß Viola ein paar Riedgrasstengel mitsamt der Wurzel aus, befreite sie von Sand und Schlamm und biß geräuschvoll in die saftigen Knollen. Auf der Irena wurden diese Pflanzen als Gemüse benutzt, das mit seinem leicht süßlichen Geschmack vor allem Kindern zusagte. Als sie noch kleiner war, hatte sich das Mädchen oft den Bauch damit vollgeschlagen, bis sie Magendrücken bekam.

Den Hunger vermochte man mit diesen Knollen freilich nur schlecht zu stillen, eher wurde noch der Appetit angeregt. Mo, die Riedgraswurzeln kauend, sah sich deshalb suchend nach einem kräftigen Ast um, den er anspitzen und zum Fischfang benutzen konnte. Fische hatte er in dem Tümpel schon entdeckt, es wäre doch gelacht, wenn man nicht zu einer herzhafteren Mahlzeit käme, als es dieses Gemüse war.

Auch Ol konnte den Gedanken ans Essen nicht ganz verdrängen. So sehr er Tiere mochte und so erfreut er über das Auftauchen des Flugmolches war – wenn man ihn einfangen und in Stücke zerlegen würde, hätte man für ein paar Tage ausgesorgt. Sein Fleisch sollte etwas fade schmecken, doch was schadete das schon. Vielleicht gelang es ihnen, ein Feuer zu machen und das Tier wie ein Ferkel am Spieß zu braten.

Er riß sich von dem Gedanken los – so weit waren sie zum Glück noch nicht. Dem Flugmolch zublinzelnd, als wollte er ihn um Verzeihung bitten, wandte er sich von dem Tümpel ab und dem Hügel zu. Vielleicht gab es dort Pilze, Beeren, wild wachsendes Obst, größere Vögel oder sogar Kaninchen, für die man eine Falle bauen konnte.

Ol arbeitete sich durch stachliges Gras und Gestrüpp zu einer Stelle vor, wo der Hügel ziemlich steil abfiel, und plötzlich kam ihm die Gegend sehr vertraut vor. Dieser Teich, der Blick übers Land…wenn er sich noch ein paar Gebäude in der Ferne vorstellte, die allerdings nicht mehr existierten, und dazu eine Straße…

»Aber hier bin ich doch…« murmelte er und schob ein paar Sträucher auseinander, ohne sich um die Dornen zu scheren, die seine Hände zerkratzten, »ich bin doch…«

Er vollendete seinen Satz nicht, denn unvermutet sah er eine Tür vor sich. Sie war halb verschüttet, von einer dicken Staubschicht bedeckt und gehörte zu einer ins Erdreich gesetzten Mauer. Doch was hieß Mauer und ins Erdreich gesetzt, das da war viel mehr! Jawohl, es war ein ganzes Haus, begraben unter Staub und Steinen, zugeweht und äußerlich in einen Hügel verwandelt, auf dem sich Büsche und sogar kleine Bäume angesiedelt hatten. Um ihre Wurzeln wiederum hatte sich neuer Boden gebildet.

Ol wagte nicht zu glauben, was immer wahrscheinlicher wurde. Gemeinsam mit den Kindern, die auf seinen Ruf hin herbeieilten, legte er die Tür frei. Dazu benutzten sie einfach die Hände. Sie behalfen sich aber auch mit Stöcken, die sie von den Sträuchern brachen.

Die Tür gab nicht gleich nach, sprang jedoch mit einem Schnarren auf, als sie sich dagegen warfen. Offenbar war die Verriegelung zerbrochen. Der Eingang mußte vor unendlich langer Zeit verschlossen worden sein.

Die Kinder wollten sofort losstürmen, um das Innere des Hauses zu erforschen, doch Ol hielt sie zurück.

»Hiergeblieben, wir wissen ja gar nicht, was für Gefahren dort drin auf uns lauern. Wenn einer hineingeht, dann bin ich das. Ihr bleibt an der Tür, haltet Augen und Ohren offen. Nehmt eure Stöcke fest in die Hand, damit ihr mir im Notfall beistehen könnt.«

Das letzte meinte Violas Vater nicht gar so ernst, er wußte schon, daß er sich vor allem auf sich selbst verlassen mußte. Vorsichtig tastete er sich deshalb in der Dunkelheit vor, gelangte über einen kleinen Flur in ein größeres Zimmer. Durch ein Fenster, vor dem gleichfalls Sträucher wuchsen, sickerte etwas Licht herein. Nein, so vermodert und verfallen, wie er anfangs gedacht hatte, war das hier gar nicht. Und gefährliche Tiere, Giftschlangen oder so etwas, schien es auch nicht zu geben.

Ol öffnete das Fenster, so weit es ging, damit mehr Licht und frische Luft hereinkamen, dann schaute er sich genauer um. In der Tat, es war ein Wunder, aber er hatte es geahnt. Die Anordnung der Zimmer, die Möbel – es gab keinen Zweifel. Schon beim Anblick des Tümpels und des Gesträuchs war ihm diese Vermutung gekommen. Als er dann die Tür entdeckt hatte, wurde er sich immer sicherer. Er hatte es bis zuletzt nicht zu hoffen gewagt, aber nun wurde es Gewißheit.

Ol rief Mo und Viola:

»Ihr könnt ins Haus kommen«, sagte er, »es besteht keine Gefahr.« Die Kinder stürzten herein.

»Das ist ja eine richtige Wohnung!« entfuhr es Viola. »Fast gemütlich ist es hier.«

»Erkennst du es denn nicht wieder?« fragte der Vater.

»Wiedererkennen? Waren wir schon mal hier? Ja, tatsächlich, wenn ich das Muster an der Decke betrachte, die Wände und die Tür…«

»Schau dir doch mal den Kamin an und vor allem das kleine Sofa!«

Viola wurde ganz blaß um die Nasenspitze und dann wieder rot.

»Du meinst… das hier ist unser Haus?«

»Ganz ohne Zweifel. Du kannst es dir ruhig auf deinem Sofa bequem machen.«

»Das glaub ich nicht«, murmelte Viola. »Nach dieser irre langen Zeit, die inzwischen vergangen ist, das glaub ich einfach nicht.«

»Hier geht’s zur Küche und hier zu Violas Zimmer«, sagte Mo zögernd, »es könnte tatsächlich stimmen.«

»Aber wie hat es die vielen Jahre überdauert«, fragte Viola, »warum ist es nicht kaputtgegangen?« Sie ließ sich vorsichtig auf ihrem geliebten Sofa nieder.

»Einerseits, weil das Material, aus dem wir es damals erbaut hatten, unzerstörbar ist«, erwiderte Ol, »andererseits, weil es wahrscheinlich von Staub umschlossen und auf diese Weise zusätzlich geschützt wurde. Dann hat sich durch Moose und Pflanzen eine weitere Schutzschicht gebildet.«

»Nicht mal der graue Staub scheint durch die Ritzen gedrungen zu sein«, sagte das Mädchen, »so fest ist alles ineinander gefügt.«

»Und der Tümpel draußen, das ist der Teich, in dem wir immer gebadet haben«, fügte Mo hinzu.

»Richtig«, ergänzte Ol, »er wurde ja schon damals von einer unterirdischen Quelle gespeist. Das scheint heute nicht anders zu sein. Zum Glück für uns. Na, dann wollen wir uns mal häuslich einrichten.«

Die drei machten sich mit frischem Mut ans Werk. Während Viola die Fenster säuberte und das Gesträuch beiseite bog, damit sie mehr Licht bekamen, sammelte Ol Holz und machte Feuer. Mo aber brach zum Angeln auf. Da er geschickt und die Fische arglos waren, fiel es ihm nicht schwer, mit einem angespitzten Stock schon bald ein großes karpfenähnliches Exemplar zu erjagen.

In den nächsten Tagen hatten sie reichlich zu tun. Sie brachten das Haus vom Keller bis zum Dach auf Vordermann, sammelten Beeren, Pilze und eine körnerartige Frucht, die sich zu Mehl zermahlen ließ. Mo fand in der Abstellkammer kräftiges Kunststoffgarn, aus dem er ein Netz für den Fischfang knüpfte, und Ol reparierte das Schloß an der Tür, das sie zerbrochen hatten.

Bei derlei Beschäftigung wurde ihnen die Zeit nicht lang, doch sie mußten immer wieder an früher denken. Viola und Ol sehnten sich nach Vi, Mo vermißte den Bruder. Würden sie je zu den beiden zurückkehren können? Sie wußten es nicht.

Eines Tages, sie überlegten gerade, was sie zum Mittagessen machen sollten, hörten sie ein sonderbar sirrendes Geräusch vor dem Haus und dann im Flur. Es war, als sei jemand durch die geschlossene Tür hereingekommen. Ol nahm die Sache zunächst nicht ernst.

»Ihr sollt nicht immer so hastig die Treppen hinabspringen«, sagte er, »da klirren ja sämtliche Lampen.«

Viola wollte gerade erklären, daß keiner von ihnen auf der Treppe gewesen war, als sie erschrak. Etwas Flirrendes bewegte sich an der Tür, danach am Fenster, dann am Kamin. Sie stürzte zu ihrem Vater, preßte sich an ihn.

»Ein Geist«, rief sie, »im Haus ist ein Geist!« Und wirklich schälte sich aus dem Schatten am Kamin eine flimmernde Gestalt, nahm die Formen einer Frau an.

Mo war gleichfalls erschrocken, zumal plötzlich am Tisch ein zweiter Geist stand. Das aber war eindeutig ein männliches Wesen, genauer gesagt, ein Junge, nicht viel größer als er selbst.

»Erkennt ihr uns denn nicht?« fragte die Frau leise, aber mit vertrautem Tonfall, »wir sind so glücklich, daß wir euch gefunden haben. Wir hatten es schon gar nicht mehr zu hoffen gewagt.«

»Vi«, rief Ol mit erstickter Stimme, »bist du es wirklich?« Und er fügte hinzu: »Schau doch richtig hin, Viola, es ist die Mama.« Er stürzte, das Mädchen mit sich ziehend, zu seiner Frau.

Nach der ersten Verblüffung begriff Viola endlich. Sie stieß einen Freudenschrei aus und wollte sich der Mutter in die Arme werfen. Das ging allerdings nicht so einfach, sie bekam nur flirrende Luft zu fassen. Lediglich einen sanften Hauch spürte sie auf der Wange, der sie streichelte und liebkoste.

»Nun überlaß die Mama mal mir«, sagte Ol gerührt, »ich glaube, wir haben uns alle einen Kuß verdient.«

Vi lachte, und man sah, daß sie ihrem Mann einen Kuß gab. Währenddessen hatte sich der Geist No – wer hätte es anders sein können – zu seinem Bruder gesellt und versetzte ihm zur Begrüßung einen freundlichen Rippenstoß, von dem Mo allerdings nichts merkte. Man konnte bloß die Bewegung verfolgen.

»Ihr kommt als Elme zu uns«, sagte Ol. »Manchmal hatte ich schon so was vermutet. Schade, daß wir euch nicht in die Arme schließen können, aber Hauptsache, ihr seid überhaupt da.«

»Das will ich meinen«, erwiderte Vi, »es war nicht ganz einfach, hierher zu gelangen.«

»Wart ihr auf der Erde? Seid ihr deshalb körperlos?«

»Das werdet ihr gleich alles erfahren, wenn ihr uns nur einen Augenblick zum Verschnaufen laßt«, gab Ols Frau zur Antwort.

WIEDER AM KAMIN

»Nun aber los, erzählt endlich«, sagte Ol, als die erste Erregung etwas abgeklungen war und sie sich wie in alten Zeiten um den Kamin scharten. Viola und Mo knabberten an einem süßen Fladen, Ol hielt ein Glas mit Beerensaft in der Hand, Vi und No aber saßen einfach da, froh, wieder bei der Familie zu sein. Vorher war Violas Mutter allerdings noch durchs ganze Haus geschwirrt, hatte alle Zimmer und vor allem die Küche in Augenschein genommen.

»Fangen wir am besten an der Stelle an, als wir merkten, daß du Viola und Mo nachgerannt bist«, begann Vi. »Statt uns Bescheid zu geben, bist du ohne ein Wort verschwunden. Na, Schwamm drüber. Wenn’s auch sonderbar klingt, es liegt ja Tausende von Jahren zurück.«

Ol seufzte:

»Tausende von Jahren, das ist wirklich nicht so leicht zu verdauen.«

»Wir rannten dir also nach«, fuhr Vi ungerührt fort, »und sahen, daß ihr drei von dem Tunnel eingesogen wurdet. Wir haben euch vom Schutzschild aus beobachtet. Das war vielleicht ein Schock!«

»Daß ihr erschrocken wart, glaub ich schon. Aber was geschah dann?« fragte Viola aufgeregt.

»Ich schlug vor, die Skaphander zu suchen«, mischte sich No ein, »wir mußten doch was unternehmen.«

»Und dann kamen plötzlich Din und Nel mit dem Peilwagen angeflogen«, fügte Vi hinzu. »Diese beiden Spitzbuben, ihr wißt schon. Sie hatten von Or den Auftrag, uns alle zu beobachten. Schon im Haus haben sie uns belauscht, wie wir bald darauf erfuhren.«

Ol war verblüfft. Daß der Direktor ihn und seine Familie beobachten ließ, hatte er trotz allem nicht vermutet. Und so hörte er seiner Frau jetzt noch gespannter zu.

Vi erzählte, daß die beiden Massaren sie freundlich, aber bestimmt gebeten hatten, in den Peilwagen zu steigen. Dort stellten sie eine Verbindung zu ihrem Chef her, fragten ihn, was nun geschehen sollte. Mittlerweile hatten selbst sie begriffen, daß im Elming und im Tunnel gefährliche Dinge vor sich gingen.

Or erkundigte sich zunächst nach den wertvollen Raumanzügen, die Ol aus dem Zentrum mitgenommen hatte. Ob sie sich noch im Haus befänden.

Vi schaltete sofort. Sie durfte die Skaphander auf keinen Fall zurückgeben. Es war ihre einzige Chance, Ol und die Kinder wiederzufinden.

»Die haben leider Viola und Mo«, schwindelte sie.

Dem Direktor gefiel das gar nicht, vielleicht hatte er die Skaphander selbst benutzen wollen, wenn die Lage noch ernster wurde. Er brummte unzufrieden vor sich hin.

»Was sollen wir jetzt machen, Chef?« fragte Din.

»Setzt Vi und den Bengel zu Hause ab, wenn ihr schon den Wagen dabei habt«, murrte er, »dann kommt ins Zentrum zurück!«

»Weshalb haben Sie uns eigentlich beobachten lassen?« wollte Vi von Or wissen.

»Ihr müßt mich richtig verstehen. Es geht um Dinge, die für die Irena von höchster Bedeutung sind. Es war nicht persönlich gemeint, wirklich nicht.«

Vi gab sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden:

»Ich hoffe, Sie werden Ihre Leute nicht noch mal auf uns ansetzen?« hakte sie nach.

»Nein, nein, ich verspreche es«, versicherte Or.

Vi wußte natürlich, was sie von den Versprechungen des Direktors zu halten hatte, baute aber darauf, daß er seine Männer jetzt für wichtigere Dinge brauchen würde. Deshalb gab sie sich zufrieden und ließ sich zusammen mit No nach Hause bringen.

Dort setzten sie sich erst einmal niedergeschlagen in einen Sessel. Die Lage schien aussichtslos. Vielleicht würden sie Viola, Mo und Ol nie wiedersehen.

Um überhaupt etwas zu tun, lief Vi in die Küche und begann aufzuräumen. Das Frühstücksgeschirr stand noch unabgewaschen herum. Sie klapperte mit den Tellern und zerbrach eine Tasse, schien das aber gar nicht zu merken.

»Wir müssen uns die Skaphander schnappen und zum Tunnel zurückkehren«, erinnerte No, der ihr gefolgt war. »Das ist unsere einzige Chance.«

Vi war skeptisch.

»Auch mit den Skaphandern erreichen wir nicht viel. Der Tunnel hat seine Lage bestimmt schon wieder verändert. Wir kommen in einer ganz anderen Zeit an.«

»Wo hat Ol die Fluganzüge eigentlich hingetan?« fragte No.

»Er hat es mir nicht gesagt. Auf jeden Fall sollten wir uns erst mal überzeugen, ob die Luft rein ist.«

Sie blickten aus dem Fenster, gingen auch vor die Tür. Kein Peilwagen oder sonst etwas Verdächtiges war zu entdecken.

»Die Massaren scheinen uns tatsächlich in Ruhe zu lassen«, sagte No.

»Also gut, suchen wir jetzt die Fluganzüge.«

Sie liefen ins Haus zurück und schauten sich nach den beiden Paketen um, die Ol gestern vom Tunnel mit zurückgebracht hatte. Obwohl No wußte, daß es fast unmöglich war, damit in die ferne Zukunft zu gelangen, stellte er sich schon vor, wie er mit dem kristallen flimmernden Ding bei Mo auftauchen würde.

Vi hatte gedacht, die Skaphander schnell zu finden, doch sie irrte sich. Weder auf den ersten Blick noch mit gründlichem Stöbern hatten sie Erfolg. Sie nahmen sich, bei Ol angefangen, jedes Zimmer einzeln vor. Als sie auch den Keller, die Abstellkammer und den Boden durchsucht hatten, sahen sie sich verdutzt an.

»Sollte Ol die Anzüge etwa doch mitgenommen haben?« sagte No enttäuscht.

»Ganz bestimmt nicht, das hätten wir gesehen.«

»Aber wo stecken sie dann?«

Vi hob die Schultern:

»Ich weiß wirklich nicht mehr, wo ich noch suchen soll.«

»Wir müssen sie einfach auftreiben«, murmelte No verzweifelt.

Plötzlich hatte Vi eine Idee:

»Wir haben uns immer nach Paketen umgeschaut. Und wenn Ol die Anzüge nun einfach in den Kleiderschrank gehängt hat?«

Sie stürzte los, öffnete den Schrank und – unglaublich aber wahr – da hingen sie! Unförmig und glänzend, zwischen ganz gewöhnlichen Anziehsachen.

»Mein Mann ist wirklich einmalig«, sagte Vi. »Wer kommt denn auf den Gedanken, diese wertvollen Skaphander zwischen den Tageskleidern unterzubringen.«

No aber erwiderte anerkennend:

»Wenn man’s recht bedenkt, war das ganz schön clever. Wie man sieht, sind die Fluganzüge hier besser versteckt als in einem Tresor.«

DIE VERWIRRUNG DER MASSAREN

Inzwischen wurde den Massaren im Synchronautikzentrum immer klarer, in welcher schwierigen Lage sich die Irena befand. Der Planet war ja überaltert, die Bodenschätze waren fast restlos ausgebeutet. Die Grundstoffe für das Leben hier wurden deshalb zum größten Teil über die Tunnel von der Erde herangeschafft, und man trug sich mit der Absicht, irgendwann ganz dorthin überzusiedeln. Dieser Plan aber wurde undurchführbar, wenn die Tunnel außer Kontrolle gerieten, sich immer mehr in die Zukunft verschoben. Wie lange, so überlegte Or, konnte man überhaupt noch existieren, wenn der Nachschub von anderen Planeten ausblieb.

Der Direktor berief umgehend eine Konferenz ein, trommelte Politiker, Wissenschaftler und Tunnelpiloten zusammen. Auch Vi als ehemalige Synchronautin durfte daran teilnehmen.

Die Verwirrung war groß. Einige schlugen vor, auf die Erde umzusiedeln, solange noch Zeit war, ohne die Bevölkerung um ihr Einverständnis zu bitten.

»Beginnen wir sofort mit der Eroberung«, verlangten sie, »setzen wir unsere Waffen ein.«

Or, der schon über diese Möglichkeit nachgedacht und sich mit Experten beraten hatte, war anderer Meinung.

»Ob wir so zum Erfolg kommen, ist ungewiß«, sagte er. »Bei der jetzigen Bewegung der Tunnel sollten wir lieber versuchen, in die Vergangenheit der Erde zu gelangen. In jene Zeit, wo sie noch gering besiedelt war. Wir hätten dort alle Chancen, unser System zu errichten und die Entwicklung nach unseren Vorstellungen zu beeinflussen.«

Dieser Plan war schlau ausgedacht, das mußte selbst Vi zugeben. Die Erdenmenschen würden gewissermaßen unterworfen werden, ohne zu begreifen, was geschah. Sie wollte schon protestieren, doch zum Glück stellte sich das Vorhaben als undurchführbar heraus. Es war genausowenig zu verwirklichen wie die sofortige Eroberung. Die Fachleute rechneten vor, daß einfach nicht mehr genug Zeit für dieses Unternehmen blieb. Wo sollte man so schnell die gewaltige Tunnelflotte hernehmen, die dafür gebraucht wurde?

Schließlich wurde der Vorschlag eingebracht, neue Tunnel zu errichten. Ein Plan, der gleichfalls alle Kräfte der Irener erforderte und am Ende durchaus mißlingen konnte. Aber er schien die einzige Möglichkeit, noch etwas zu retten. Ol hätte ihm gewiß auch zugestimmt, wenn er anwesend gewesen wäre.

Or, Din, Nel und einige andere Massaren wollten sich auf eine so unsichere Perspektive allerdings nicht einlassen. Vi erfuhr später, kurz bevor sie selbst mit No die Irena verließ, um nach Ol, Viola und Mo zu suchen, daß sie sich still und heimlich zur Erde aufgemacht hatten. Dort gab es ja geheime Stützpunkte, die mit allem versorgt waren, was sie benötigten. Natürlich hatten sie den modernsten Synchrogleiter benutzt, der im Zentrum zu finden war.

Inzwischen hatte No zu Hause die ersten Flugübungen mit dem Kristallskaphander absolviert. Es gehörte schon einiges Geschick dazu, Raum und Zeit auseinanderzuhalten und die jeweils richtigen Manöver auszuführen. Vi dagegen, wie ihr Mann mit den Besonderheiten des Tunnelflugs vertraut, kam besser zurecht. Dennoch passierte es, daß auch sie plötzlich ungewollt in der Vergangenheit verschwand und nicht gleich begriff, wo sie hingeraten war. Man mußte sehr genau steuern, um zum Ausgangspunkt zurückzukehren.

No ging es ähnlich, und so hatten sie ein paarmal Mühe, sich wiederzufinden. Andererseits prallten sie unverhofft heftig zusammen, als sie zur selben Zeit am gleichen Platz, nämlich auf Violas kleinem Sofa, auftauchten. Verdutzt rieben sie sich die Köpfe. Ein paar blaue Flecke oder Beulen waren ihnen sicher.

Am Ende hatten sie die Skaphander aber soweit im Griff, daß sie ganz gut damit zurechtkamen. Das war auch notwendig, denn Vi hatte sich inzwischen einen Plan zurechtgelegt, der all ihre Fähigkeiten erforderte. Der Gedanke war ihr in der Konferenz mit den Massaren gekommen. Während sie für No und sich eine letzte kräftige Mahlzeit bereitete und dazu etwas Proviant einpackte, erläuterte sie das Vorhaben:

»Wir sollten zur Erde fliegen«, sagte sie, »denn die können wir mit den Skaphandern erreichen. Jedenfalls sieht es so aus, als sei der Weg im Augenblick noch frei.«

No war sofort einverstanden.

»Ol meinte, wir kämen dort in die Vergangenheit. Das wäre mir nur recht.« Wie sein Bruder Mo, dachte auch er als erstes an Atlantis.

»Vergangenheit oder nicht«, erwiderte Vi, »von dort könnten wir weiter in die Zukunft der Irena. Dorthin, wo die andern sind. Und zwar übers Elmenland.«

»Wir wollen wieder zurück zur Irena?« rief No enttäuscht aus. »Aber vielleicht sollten wir lieber auf der Erde auf sie warten.«

»Nein, nein, dort treffen wir unsere drei nie.«

»Und warum fliegen wir dann nicht gleich in die Zukunft wie Ol? Da kommt man doch auch bei den Elmen vorbei. Mit den Skaphandern können wir den Schutzschild am Elming allemal überwinden.«

»Der Schutzschild ist nicht mehr das Problem«, erklärte Vi. »Soviel ich gehört habe, existiert er nur noch teilweise.«

»Und was ist dann das Problem?« fragte No.

»Wir haben uns schon darüber unterhalten. Der Tunnel zur Zukunft verlagert sich und entführt uns sonstwohin. Von der Erde aus und mit den Skaphandern können wir die Flüge dagegen selbständig steuern. Zumindest bis zum Elmenland.«

»Und dann?« wollte No wissen.

»Als Elme haben wir andere Möglichkeiten. Das weißt du ja besser als ich. Nach dem Untergang eurer Insel hast du doch unendliche Jahre in dieser Form zugebracht, ohne daß dir die Zeit lang geworden wäre.«

»Ein bißchen Langeweile hatten Mo und ich schon«, wandte No ein.

»Auf jeden Fall würden wir zum entsprechenden Zeitpunkt zu unserem Haus zurückfliegen und auf die drei warten«, erklärte Vi.

»Du glaubst, sie kommen hierher zurück?«

»Ich wüßte nicht, wo sie sonst hin sollten«, sagte Vi zuversichtlich.

AUF DEM WEG ZUR ERDE

Ein letztes Mal ließen sich’s die beiden in der vertrauten Küche schmecken, dann brachen sie auf. Vi schloß das Haus gut ab, achtete auch darauf, daß alle Fenster und Luken sorgfältig verriegelt waren. Als das getan war, schlüpfte sie in den Skaphander und gesellte sich zu No, der einige Meter weiter bereits ungeduldig auf das Startzeichen wartete.

Auch wenn sie mit den Fluganzügen zur Erde wollten, mußten sie über den Elming, und es stellte sich heraus, daß sie sich damit ziemlichen Gefahren aussetzten.

Der Tunnel zog, indem er sich verschob, eine Spur der Verwüstung, die bis zum Synchronautikzentrum reichte. Alles, was ihm in den Weg kam, wurde unbarmherzig eingesogen, ob es sich nun um Häuser, Bäume, Sträucher oder Steinbrocken handelte. All diese Dinge wurden in wilder Fahrt bis ins Elmenland geschleudert, wo es zu einem ungeheuren Durcheinander kam. Der Wirrwarr, den Viola und der Junge aus Sibirien, Kostja, einst dort erlebt hatten, war nichts dagegen.

Auf der Irena aber wurden Bauwerke und Anlagen mitleidlos zerstört. Die geborstene Kuppel des Synchronautikzentrums lag über einem Gewirr von verbogenen und zerbrochenen Rohren. Zerrissene Elektrokabel und Metallpfeiler ragten in die Luft. Lediglich die unterirdischen Etagen schienen einigermaßen heilgeblieben zu sein, aber auch dort war natürlich jedes Leben erstorben.

Es war, als ob sich der Tunnel an denen rächen wollte, die das Zentrum einst entwickelt und gebaut hatten.

Vi und No sahen die Verwüstungen mit Schrecken. Sie näherten sich dem Tunneleingang sehr zögernd, wagten es zunächst nicht, sich dem Sog auszusetzen. Wie sollten sie den Gegenständen ausweichen, die durch die Luft flogen, wie sich überhaupt in diesem Strom orientieren?

»Ich komme mir wie ein Tierbändiger vor, der seinen Kopf in den Rachen eines Löwen steckt«, flüsterte Vi.

No hatte seinerzeit im Elming den Höhlenlöwen Grau kennengelernt, einen riesigen, aber im Grunde friedfertigen Vierbeiner, der später im Zauberland auf der Erde eine neue Heimat fand. Grau war wirklich furchteinflößend gewesen, dennoch winkte der Junge nur ab:

»Ein Löwe ist nichts gegen das hier«, murmelte er.

»Wir müssen es weiter hinten versuchen, wo der Sog noch nicht so stark ist«, sagte Vi.

»Ach was, wir sollten den Stier gleich bei den Hörnern packen«, erwiderte tapfer No. »Ich hab mal einen Kater auf einem Balkon beobachtet. Unten trieben sich ein paar Katzen herum, und er hätte ihnen liebend gern nachgestellt. Aber es gab keinen Baum in unmittelbarer Nähe, keinen Strauch, kein Schuppendach, über das er hinabklettern konnte. Er mußte springen, das war der einzige Weg. Und er brauchte eine ganze Weile, ehe er sich dazu entschloß. Bestimmt hatte er große Angst.«

»Ja und, hat er sich weh getan?« fragte Vi.

»Eben nicht, das ist es doch, was ich sagen will. Nichts wird so heiß gegessen, wie’s gekocht ist. Er landete auf allen Vieren und rannte sofort zu den Katzen.«

»Ist ja alles schön und gut«, wandte Vi ein, »aber wir sollten trotzdem nicht leichtsinnig sein. Wir haben eine weite Reise vor.«

Doch No hatte ihr gar nicht mehr zugehört. Mit einer Art Schlachtruf und einem Hechtsprung stürzte er sich in den Kampf, das heißt mitten hinein in den Sog. Vi blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Sie durfte ihn auf keinen Fall aus den Augen verlieren.

Der Luftzug war besonders hier am Tunneleingang sehr stark. Die beiden wurden sofort erfaßt und mitgerissen. Dabei durften sie sich nicht ziellos herumwirbeln lassen wie Flaumfedern und mußten auf die Gegenstände achten, die unablässig an ihnen vorbeiflogen. Nicht nur sie selbst hätten sich ja verletzen können, auch die Anzüge waren in Gefahr. Sie durften keinen Schaden nehmen.

Wie lange sie so dahinsausten, wie oft sie sich drehten, überschlugen, haarscharf an Baumstämmen, Metallteilen oder Steinbrocken vorbeiglitten – wer hätte es sagen können. Mit Geschick und Glück vermieden sie Zusammenstöße, erlangten immer wieder das nötige Gleichgewicht. Mit der Zeit gelang es ihnen, die Flugtechnik und die Skaphander so zu beherrschen, daß sie keine Purzelbäume mehr schlugen. Sie waren jetzt schon fast so gut wie Ol.

»Wir dürfen uns nicht zu weit voneinander entfernen« rief Vi, »sonst verpaßt womöglich einer von uns den Abzweig zur Erde und landet sonstwo.«

»Alles klar, ich bleib in deiner Nähe!«

Dann ließ der Sog nach, und vom Elmenland aus steuerten sie in Richtung Erde. Ohne die Anzüge wären sie wie die anderen drei in der Zukunft der Irena angekommen. Allerdings in einem späteren Jahrtausend.

Nun verlief der Flug ruhig, ja fast gemütlich. Kein Geröll mehr, das an ihnen vorbeischwirrte, keine Gefahren. Das dachte wenigstens No, der sich immer wohler zu fühlen begann, je näher sie der Heimat kamen. Vielleicht würde er seine Insel und die Stadt, in der er seine frühe Kindheit verbracht hatte, doch noch wiedersehen.

Alles wird gut werden, sagte sich No zuversichtlich, begann übermütig mit den Armen zu rudern und umrundete Vi, die von seiner Fröhlichkeit angesteckt wurde. Doch die beiden irrten sich, die Prüfungen standen ihnen erst noch bevor. Die Landung auf der Erde sollte ganz anders ausfallen, als sie angenommen hatten.

DIE PANNE

War viel Zeit vergangen oder wenig – in ihren Fluganzügen verloren Vi und No das Gefühl dafür. Die Erde mußte nahe sein, aber noch glitten sie dahin, ohne daß sich das Tunnelende andeutete. Bis sie urplötzlich in einen neuen Sog gerieten und blitzschnell nach draußen geschleudert wurden. Der Tunnel, so schien es ihnen, war auseinandergebrochen oder hatte sich aufgelöst.

Mit Hilfe der Skaphander hätten sie den Sturz vielleicht abfangen können, doch alles kam so überraschend, daß es ihnen nicht gelang, das entsprechende Manöver auszuführen. Nur Vi vermochte in letzter Sekunde durch ein Tastensignal den Aufprall zu dämpfen. No dagegen schlug mit voller Wucht auf dem Boden auf. Es war, als sei er in Atlantis durch eine Falltür auf den Grund eines Verlieses gesaust.

Aber das war noch nicht alles. Der Boden des Kerkers wäre wenigstens eben und mit einer Schicht, wenn auch fauligem, Stroh bedeckt gewesen. Hier aber ging es steil abwärts. Er prallte gegen einen Geröllhang und konnte einen zweiten Absturz nur verhindern, indem er sich an einen vorspringenden Felsen klammerte. Scharf schnitten ihm die Kanten in die Hände, so daß er beinahe wieder losgelassen hätte.

Zum Glück tat er es nicht. Als er den Kopf wandte und nach unten sah, fuhr ihm der Schreck erst recht in die Glieder. Spitze Klippen,

Gischt, ein wildes, brausendes Meer! Die Wellen türmten sich schäumend übereinander und schienen gierig nach ihm zu greifen.

Vi befand sich in einer ähnlich schwierigen Lage. Der Unterschied war nur, daß sie sich an einem Busch festhielt, dessen Dornen ihr die Finger zerstachen. Sie versuchte erneut zu starten, aber der Skaphander reagierte nicht auf den entsprechenden Knopfdruck. Hoffentlich hat er bei dem Sturz nichts abbekommen, dachte sie.

No wagte den Start gar nicht erst. Es gelang ihm, zwischen dem Geröll Tritt zu fassen und sich langsam nach oben zu schieben. Auch Vi kletterte ein Stück höher. Mit einiger Mühe erreichten beide ein kleines Plateau.

Wieder zu Atem gekommen, hielten sie genauer Ausschau. Ol hätte vielleicht etwas mit der Gegend anfangen können, wenn er hier gewesen wäre, er kannte sich in Geographie aus. Vi und No aber hatten keine Vorstellung, wo sie sich befanden. Nur eins stand fest: Um den Äquator mit seinem tropischen Klima handelte es sich bestimmt nicht. Ein stürmischer Wind blies und schien sie umgehend aus seinem Revier vertreiben zu wollen.

»Meine Güte, ist das kalt hier, so kenne ich die Erde ja gar nicht.« No fror erbärmlich, zumal er von früher her das warme Klima der Mittelmeerinseln in Erinnerung hatte. Der dünne Skaphander half da wenig.

Violas Mutter erging es nicht viel anders. Zwar war sie allerhand Strapazen gewöhnt und abgehärtet, aber in diesem eisigen Wind bibberte sie genauso.

»Ol hat gesagt, daß wir uns durch den Erdentunnel in die Vergangenheit bewegen«, sagte sie. »Vielleicht ist es deshalb so kalt. Wir müssen, so schnell es geht, in die Zukunft der Irena starten.«

Der Junge hatte ebenfalls keine Lust, noch länger hier zu bleiben. Atlantis würde er wohl nie wiederfinden!

»Einverstanden, starten wir«, stimmte er deshalb zu.

Doch das war leichter gesagt als getan – den Fluganzügen war der Absturz nicht gerade gut bekommen. Während Vi ihren Skaphander nach einer Weile in Gang brachte und vor den Augen des Jungen plötzlich in der Zukunft verschwand, schien seiner ernstlich beschädigt zu sein. Welche Knöpfe No auch immer drückte, nichts funktionierte mehr. Einsam und verlassen stand er auf dem Plateau.

Er versuchte es wieder und wieder, wechselte mehrfach das Programm, doch vergeblich. Der Sturm heulte, die Klippen ragten drohend unter ihm auf, die Wellen türmten sich immer höher:

»Gleich haben wir dich«, raunten sie unheilvoll, »du wirst uns nicht entkommen!«

»Was ist denn bloß los«, murmelte No verzweifelt.

In diesem Augenblick tauchte Vi erneut neben ihm auf. Sie hatte gemerkt, daß bei dem Jungen etwas nicht klappte, und kehrtgemacht.

Nun mühte auch sie sich mit den Tasten seines Skaphanders ab, doch sie brachte nicht mehr zustande als No.

»Wahrscheinlich bist du zu hart aufgeschlagen«, sagte Vi. »Wir wurden einfach zu jäh aus dem Tunnel geschleudert. Kein Vergleich mit den sanften Landungen früher.«

»Und was soll ich jetzt machen?«

»Uns wird schon etwas einfallen. Ich laß dich nicht im Stich«, tröstete ihn Vi.

»Nur mir passieren immer solche Sachen. Mit diesen Tunneln hatte ich noch nie Glück.«

»Nun verlier nicht gleich den Mut«, sagte Vi, »das hätte mir genauso zustoßen können. Wir setzen uns jetzt erst mal hinter den Felsen dort, der schützt ein bißchen vor Kälte und Sturm. Dann überlegen wir in Ruhe.«

Kurz darauf hockten sie nebeneinander hinter dem Felsen. Hier pfiff der Wind weniger stark, und sie froren nicht mehr so. Eine Lösung ihres Problems fiel ihnen deshalb aber noch lange nicht ein.

»Das wäre ein Ding, wenn jetzt Prim aus dem Wasser steigen und uns begrüßen würde«, sagte No.

Prim war ein großer Krake, den es seinerzeit gleichfalls ins Elmenland verschlagen hatte. Er war ein äußerst sympathischer Kerl, stets freundlich und hilfsbereit und vor allem, wie viele dieser Tiefseebewohner, mit hypnotischen Kräften ausgestattet. Er hatte No, den Seemann Charlie Black, Mo und andere einst davor bewahrt, in die Elmenfalle der Massaren Din und Nel zu tappen. Er hatte vorher auch Viola und ihrem Freund Kostja einen großen Dienst erwiesen. Später war er dann auf die Erde zurückgekehrt.

»Weil du gerade von Prim sprichst – mir ist da eine Idee gekommen!« sagte Vi unvermittelt. »Erinnerst du dich an die Geschichte mit der Haliotisperle?«

»Natürlich. Prim hatte diese Perle von zu Hause mitgebracht und hütete sie wie seinen Augapfel. Sie war sein kostbarstes Gut, gewissermaßen ein Andenken an das Leben daheim, auf dem Meeresgrund. Trotzdem hat er sie Viola geschenkt.«

»Er hat sie nicht nur Viola, sondern auch Kostja gegeben«, erwiderte Vi. »Sie mußten die Hände ineinanderlegen und dabei die Perle festhalten. Durch ihre Zauberkraft wurden sie beide befreit. Kostja gelangte zur Erde zurück, Viola zu uns auf die Irena.«

»Stimmt, genauso war es«, bestätigte No. »Und welche Idee ist dir nun dabei gekommen?«

»Die beiden hatten nur diese eine Perle und haben sich ihrer gemeinsam bedient«, erklärte Vi. »Auch wir sind zu zweit und besitzen nur einen funktionierenden Skaphander. Verstehst du, was ich meine?«

ZU ZWEIT IN EINEM SKAPHANDER

No schaute Vi fragend an, aber dann glomm in seinen Augen unvermittelt ein Funken Hoffnung auf:

»Du meinst, dein Fluganzug könnte uns eventuell beide zur Irena bringen?«

»Zumindest bis ins Elmenland. Wenn wir uns geschickt anstellen, müßte es klappen.«

»Ich weiß nicht«, sagte der Junge zweifelnd. »Vielleicht machen wir ihn damit auch noch kaputt. Er ist doch nur für eine Person konstruiert.«

»Das schon, aber für einen sehr großen Menschen. Ich hab im Grunde zweimal darin Platz, und das Material ist zudem elastisch.«

Nos Bedenken waren noch nicht ausgeräumt: »Der Anzug hat aber nur zwei Ärmel und zwei Beine«, wandte er ein.

»Mit den Hosenbeinen wird’s tatsächlich etwas eng«, stimmte Vi zu. »Wir müssen unsere in eins quetschen. In die Ärmel dagegen können wir je einen Arm stecken, mit der anderen Hand fassen wir uns an. Und mit dem Kopf – na ja, irgendwie wird es schon gehen.«

»Du bist größer, du bekommst das Visier«, sagte der Junge großzügig. »Und ich stecke meinen Kopf einfach unter deine Schulter.«

»Da mußt du den Rücken aber ganz schön krumm machen«, entgegnete Vi belustigt. »Na los, worauf warten wir noch. Versuchen wir’s.«

Sie zogen ihre Skaphander aus, und während No seinen sorgsam zu einem Paket zusammenfaltete, breitete Vi ihren auf dem Boden aus.

»Wir kriechen am besten hinein, wie in einen Schlafsack«, sagte sie.

»Und was mach ich mit meinem Fluganzug?« fragte No.

»Laß ihn hier. Er ist ja kaputt, und in meinem Skaphander können wir ihn unmöglich auch noch unterbringen.«

»Ich werde ihn in diese Felsspalte legen«, sagte der Junge. »Vielleicht kommen wir noch mal mit jemandem an diesen Ort zurück, der ihn reparieren kann.«

»Tu das«, stimmte Vi zu, »es ist wahrscheinlich das beste.« Sie zweifelte allerdings daran, daß sie diese Felsen noch einmal aufsuchen würden.

No verstaute den Anzug, und sie krochen beide in den Skaphander von Vi. Dieses Manöver kostete sie einige Mühe und sah gewiß auch komisch aus, aber Zuschauer gab es hier nicht.

Oder etwa doch? Als sie es endlich geschafft hatten und sich aneinander geklammert aufrichteten, war ihnen, als ruhte ein fremder geheimnisvoller Blick auf ihnen.

Sie fühlten es beide. Vi schaute angespannt durchs Visier, um etwas zu entdecken, und No steckte den Kopf durch den Spalt vom Reißverschluß.

»Uns beobachtet jemand«, flüsterte er.

»Mir kommt es auch so vor. Aber ich kann niemanden sehen«, antwortete Vi, gleichfalls flüsternd.

»Vielleicht ein Tier, das heute noch kein Frühstück hatte, ein Meeresungeheuer!«

Vi versuchte sich umzudrehen, doch es gelang nur halb:

»Waren da nicht zwei große Augen, ein riesiger flacher Kopf und so etwas wie der Leib einer Schlange im Wasser? Bei diesem Meerestosen hab ich es nur für einen Augenblick gesehen.«

»Ich hatte ebenfalls den Eindruck, als wäre da eine Art Schlangenkopf gewesen«, bestätigte No, »aber sicher bin ich mir nicht. Wie auch immer, wir sollten uns davonmachen.«

»Gut, starten wir. Hoffentlich finden wir den Tunneleingang wieder«, sagte Vi.

Doch das war alles andere als einfach. Wie schon auf der Irena, hatte sich auch hier der Tunneleingang verschoben, und zwar weiter in die Vergangenheit. Dazu kam, daß sich der Fluganzug durch die doppelte Last, die er bewegen mußte, nur schwer steuern ließ. Deshalb mußten die beiden, kaum daß sie abgehoben hatten, schon wieder landen. Sie gingen auf demselben Plateau nieder, das sie gerade verlassen hatten.

»Wir schaffen es nicht. Wo steckt nur dieser verflixte Tunnel?« rief No verzweifelt.

»Er müßte hier sein. Wir sind um Jahre zurückgeflogen. Siehst du nicht, wie hoch das Wasser inzwischen steht? Als wir eben noch bei diesem Felsen waren, lag das Meer bedeutend tiefer.«

Tatsächlich waren die Klippen und der Geröllhang jetzt überflutet. Die Wellen hoben sich bereits bis zum Plateau.

»Hier? Ich seh nichts. Und mein Skaphander ist auch verschwunden. Mach doch was, Vi!«

Der Sturm heulte noch stärker als vorher. Plötzlich stieg eine Springflut empor. Ein Windstoß erfaßte die beiden, die in ihrem Anzug ohnehin nicht sehr fest auf den Beinen standen, und fegte sie ins Meer. Sie überschlugen sich, wurden mehrfach um die eigene Achse gewirbelt, und No schluckte sogar Wasser.

Der Junge bekam es mit der Angst zu tun, ruderte mit dem Skaphanderarm und auch Vi machte Schwimmbewegungen.

Doch sie ertranken nicht. Glücklicherweise wurden sie kurz darauf von einer Woge nach oben gerissen, so daß sie wieder Luft bekamen.

Gleichzeitig gerieten sie aber in einen Strudel, der sie erneut den Felsen entgegenschleuderte.

Vi sah plötzlich durchs Visier ihres Helms mit ungeheurer Geschwindigkeit einen gewaltigen schwarzen Stein auf sich zurasen. Sie glaubte, ihr letztes Stündlein sei gekommen und konnte gerade noch entsetzt den Arm heben. Sie wollte, wenn schon nicht sich, so wenigstens den Jungen schützen.

Aber diesmal gab es keinen Aufprall, sie wurden im Gegenteil freundlich empfangen.

Der Stein öffnete sich vor ihnen und nahm sie sanft in sein Inneres auf. Sie hatten den Tunneleingang gefunden, den sie so verzweifelt gesucht hatten.

Es war wie bei dem Säbelzahntiger Achr und dem Riesenmädchen Ah, wie bei der Hexe Arachna und all den anderen Gestalten des Zauberlandes, die an die geheimnisvollen schwarzen Steine gerieten. Nur daß Vi und No, sobald der Sog nachließ, mit ihrem Skaphander das Tempo selbst bestimmen konnten.

Sie flogen langsam weiter. Vor ihnen lag Dunkelheit, weit hinter ihnen brandete das Meer, schäumte und wütete, als wollte es in den Tunnel eindringen.

»Es sieht aus, als wären die Wellen erbost darüber, daß sie uns freigeben mußten«, sagte No, als er den Kopf wieder aus dem Fluganzug steckte.

»Das war knapp. Noch einmal möchte ich nicht in so eine Flut geraten«, erwiderte Vi.

Dann wurde ihnen die Luft plötzlich leicht, fast schwerelos schwebten sie dahin.

Gleichzeitig wurde es heller.

Sie erreichten das Elmenland, das in der Mitte zwischen der Erde und der Irena lag und wo sie gefangen gewesen wären, hätten sie nicht ihren Fluganzug gehabt.

Beinahe hätten sie nicht gemerkt, daß sie zu Elmen wurden, durchschimmernd und körperlos wie Geister.

Nun konnten sie zur Irena zurückkehren, genauer gesagt in die Zukunft dieses Planeten, wohin es auch Ol, Viola und Mo verschlagen hatte.

Sie hatten Sehnsucht nach ihnen und waren gespannt, ob und wie sich die drei dort behaupteten.

WIEDER AUF DER IRENA

Vi und No waren am Ziel! Sie hatten die Reise durch den Tunnel glücklich überstanden und landeten, genau wie vorher die andern drei, mitten im grauen Staub. Da sie Elme waren, wirbelte er aber nicht auf. Er störte sie auch nicht; weshalb sollten sie husten oder spucken, sie waren ja Geister.

Dennoch waren sie natürlich verblüfft und erschrocken über den Zustand ihres Planeten, es ging ihnen da genauso wie Ol, Viola und No. Was für eine bläßlich schwache Sonne, was für ein trostloser Himmel, und vor allem – was für eine Erdenwüste mit der breiten verheerenden Spur des Tunnels!

No war, wie auch sein Bruder Mo, nach dem Untergang seiner Insel unendliche Zeiten als Elm umhergestreift, für Vi dagegen war dieses Gefühl neu.

»Können uns die andern denn überhaupt sehen, wenn wir sie finden?« fragte sie besorgt.

»Aber ja. Wenn wir die Energie bündeln, die in uns steckt, erkennen sie uns zumindest in Umrissen«, erklärte No. »Wir flimmern und schimmern wie dünner Nebel, wenn die Sonne aufgeht.«

»Das ist ja großartig«, spottete Vi. »Ich als Nebelgeist. Na danke!«

»Besser Nebelgeist als Nachtgespenst«, der Junge lachte. »Die schwirren nämlich ganz düster umher. Man könnte meinen, sie bestehen aus feuchtem, modrigem Friedhofsdunst und fahlem Mondlicht.«

»Ich sehe schon, du kennst dich mit Gespenstern aus«, sagte Vi. »Aber mal Spaß beiseite, wir müssen unser Haus suchen. Oder wenigstens den Ort, wo es gestanden hat.«

»Du glaubst, Ol, Mo und Viola kehren dorthin zurück?«

»Wo sollten sie sonst hin? Ol ist mit Sicherheit der Spur des Tunnels gefolgt.«

»Stimmt, so wird es sein«, erwiderte No. »Und du nimmst an, sie sind bereits da?«

»Sie mußten doch nicht so einen Umweg machen wie wir. Außerdem sind sie ja vor uns weg. Aber ganz gleich, ob sie nun schon angekommen sind oder nicht, wir sollten jetzt losfliegen. Wenn sie noch nicht da sind, warten wir eben auf sie.«

Sie schwirrten los, flogen in einiger Höhe über dem grauen Erdboden dahin, über all dem Dreck und Staub, der hier und da von einer leichten Luftbewegung aufgewirbelt wurde.

»Das ist ja die totale Ödnis«, stöhnte No. »Wenn es wenigstens Sand oder Steine wären.«

Vi erinnerte sich an das zerstörte Synchronautikzentrum, an dem sie bei ihrem Abflug vorbeigekommen waren, an die zertrümmerten Häuser und das aufgerissene Erdreich. Was mochte sich hier bloß abgespielt haben?

»Hoffentlich ist es nicht überall so«, sagte sie.

»Das wäre wirklich furchtbar«, stimmte der Junge zu.

Dann entdeckten sie, wie schon die drei vor ihnen, den mit Flechten, Sträuchern und kleinen Bäumen bewachsenen Hügel, sahen aus der Ferne auch die Flugmolche. Zu dem einen, den bereits Ol, Viola und Mo gesehen hatten, waren zwei weitere gekommen.

»Es gibt doch noch Lebewesen auf der Irena!« Vi fühlte sich gleich nicht mehr so verloren. Der von Riedgras gesäumte Tümpel erfreute sie ebenfalls. »Ein Hügel mit Sträuchern, ein Tümpel und sogar Flugmolche, ringsum aber nur staubige Ödnis«, fuhr sie fort. »Wenn sich Ol mit den beiden Kindern irgendwo aufhält, dann hier, da bin ich mir ganz sicher.«

»Ich glaube, der Hügel hat eine Tür«, rief No plötzlich.

»Eine Tür? Na, weißt du!«

»Doch, da unten, schau nur richtig hin.« Und ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sich der Junge hinabgleiten.

Vi folgte ihm. Als sie dann noch, hinter Büschen versteckt, ein paar Fenster entdeckte, wußte sie, daß es sich nicht einfach um einen Hügel handelte.

Für sie als Elme war es keineswegs schwierig, durch die geschlossene Tür ins Haus zu gelangen. Da sie es sehr eilig hatten, entstand beim Eindringen eine Reibung, die ein leises Sirren erzeugte.

Dieses Sirren war es auch, was Ol, Viola und Mo gehört hatten, bevor sie die beiden flirrenden Gestalten am Kamin und am Tisch sahen. Von der herzlichen gegenseitigen Begrüßung aber haben wir bereits erfahren.

DER SANDSTURM

Ein Ziel hatten die fünf nun erreicht – sie hatten sich wieder gefunden, konnten ab jetzt alles gemeinsam besprechen. Die Bedingungen, unter denen sie leben mußten, waren allerdings alles andere als normal. Zwei Geister und drei menschliche Wesen, die Mühe hatten, sich einigermaßen vernünftig zu ernähren, beschränkt auf eine kleine grüne Insel inmitten einer staubigen Wüste. Auf die Dauer war das kaum durchzuhalten.

Immerhin gab es die drei Flugmolche am Teich, die von ihnen keinerlei Gefahr zu befürchten schienen, geradezu zahm waren. Vi, die aus kartoffelartigen Knollen und Mehlfrüchten schnell Suppen für ihre drei zu kochen und sogar Brot zu backen lernte, merkte bald, daß die Amphibien solche Nahrung gleichfalls nicht verschmähten. Vor allem den Kindern machte es Spaß, sie damit zu füttern. Fast gehörten die Tiere schon zur Familie.

Ol hielt es für notwendig, die weitere Umgebung zu erkunden. Er startete immer wieder entsprechende Versuche, doch in dem Staub kam er nicht weit. Anders dagegen No, der bald riesige Strecken abflog. Mo war etwas neidisch, wie gern wäre er mitgesaust, wenn der Bruder morgens loszog. Stattdessen mußte er Fische fangen oder Pilze sammeln. Ein wenig sehnte er sich sogar ins Elmendasein zurück.

No blieb oft den ganzen Tag weg, und wenn er zurückkam, hatte er wenig Erfreuliches zu berichten. Der Planet schien in der Tat ausgestorben – der Junge hatte keinerlei Ansiedlung und auch keine menschliche Behausung außer der ihren entdecken können.

Der Staub aber, die Ödnis waren allgegenwärtig. Nur ganz selten behauptete sich noch eine grüne Oase in der Wüste, ein Zeichen, daß es in der Tiefe Wasser geben mußte. Doch nicht einmal einen zweiten Tümpel spürte er auf.

Abends berichtete No von seinen Erkundungen, und alle waren entsetzt. Obwohl so etwas zu befürchten gewesen war, hatten sie doch gehofft, nicht die einzigen Bewohner zu sein.

»Es muß eine Katastrophe auf der Irena gegeben haben, vielleicht schon kurz nach unserem unfreiwilligen Start in die Zukunft«, vermutete Ol. »Sollte mich nicht wundern, wenn das mit der Verschiebung der Tunnel zusammenhängt.«

Einer der Flugmolche schwebte lautlos heran. Vi tätschelte ihm den Kopf, was er sich gern gefallen ließ.

»Ihr seid schon länger hier als wir«, sagte sie, »und habt euch offenbar als einzige Kreaturen auf unserem Planeten über Generationen hin behauptet. Könnt ihr uns nicht Auskunft über das geben, was geschehen ist?« Doch das Tier, von dem sie, genau wie von seinen anderen Artgenossen, noch nie einen Laut vernommen hatten, schwieg auch diesmal.

Am nächsten Morgen waren Viola, Mo und No am Teich, um Riedgraswurzeln zu holen, Ol und Vi aber diskutierten erneut über die Geschehnisse auf der Irena. Sie konnten einfach nicht glauben, daß die Menschen hier ausgestorben waren.

Unvermutet schnell kamen die Kinder vom Tümpel zurück, und hinter ihnen tauchten die drei Flugmolche auf. Sie gebärdeten sich unruhig, zuckten mit dem Körper, zitterten sogar.

»Was ist los, weshalb sind sie so aufgeregt, und warum kommt ihr schon zurück?« fragte Vi.

»Es geht ziemlicher Wind, er wirbelt den Staub auf«, sagte Viola. »Das ist sehr unangenehm und gefällt den Molchen bestimmt genausowenig wie uns.«

Nun hörten auch Vi und Ol den Wind im Gesträuch pfeifen und an den Fensterläden rütteln.

»Das klingt anders als neulich in der Ebene«, sagte Ol. Er war da von einem Ausflug vorzeitig zurückgekehrt, weil er dachte, es gäbe ein Gewitter.

»Die Tiere drängen ins Haus, sie scheinen Schutz zu suchen«, murmelte Vi.

»Komm her, du«, sagte Viola zu einem der Molche, der zur Tür hereingeflattert war und sich auf den Boden gelegt hatte. Sie stieg über seinen Körper hinweg in den Ring, den er bildete, setzte sich und streichelte seine samtene Haut. Er wurde sofort ruhiger.

Unvermittelt fuhr ein Windstoß in den Kamin, begleitet von einem schauerlichen Heulen.

»Das sieht ganz nach einem Sturm aus«, sagte Vi. »Ich schau mal nach, ob alle Fenster zu sind.«

Sie eilte durchs Haus, prüfte die Verriegelung der Fenster. Ol dagegen rannte zur Tür. Doch nicht etwa, um sie fester zu schließen, sondern um sich nichts von dem bevorstehenden grandiosen Ereignis entgehen zu lassen. Wenig später waren auch die anderen draußen.

Sie standen im Schutz einiger Büsche und warteten auf das Naturschauspiel, das gleich beginnen würde. Zu ihren Füßen trieb, von kräftigen Windböen aufgewirbelt, Staub dahin, doch im übrigen war die Luft klar und rein, geradezu durchsichtig. In solchen Augenblicken konnte man besonders weit sehen.

Die Landschaft wirkte nicht weniger verlassen als sonst und hatte doch etwas Majestätisches. Da waren die graubraunen Dünen, von früheren Stürmen aufgetürmt und zum Teil als Wanderdünen in ständiger Bewegung, da war die flirrende Ebene, und da hoben sich, fern am Horizont, die Berge ab. Ihre Umrisse waren normalerweise nicht zu erkennen.

Dann ging es los. Am Himmelsrand stieg ein unscheinbares leichtes Wölkchen auf. Es wuchs, wurde zusehends dichter und dunkler, füllte sich in unglaublicher Geschwindigkeit mit Millionen, ja Milliarden feinster Sandkörnchen auf, um sich schließlich zu einer gewaltigen Windhose zu entwickeln. Schwarz und unheilvoll fegte sie, brausend und mit zerstörerischer Kraft, übers Land.

Dieser Wirbelsturm raste auf sie zu und tobte schon bald in unmittelbarer Nähe. Er sog alles in sich ein, was ihm in den Weg kam: die Dünen, die Steine und die Sonne mit ihrem Licht. Ringsum wurde es stockfinster.

Ehe sie sich’s versahen, hatten Ol, Viola und Mo kratzenden Staub im Mund und nicht genug Hände, um Nase, Augen und Ohren zu schützen. Schneller als sie es verlassen hatten, flüchteten sie ins Haus zurück.

Schließlich, nachdem sie die Tür fest hinter sich verriegelt hatten, saßen die fünf im Wohnzimmer um den Kamin versammelt und streichelten beruhigend die Flugmolche. Dabei waren sie selbst aufs höchste besorgt, und zwar nicht nur wegen des Sturms. Sie fragten sich, wie es mit ihnen weitergehen sollte.

ABSCHIED VON DER IRENA

Was die Tiere betraf, so war die Sache klar: Der Planet, ob nun gut oder schlecht, bevölkert oder ausgestorben, war ihr Zuhause. Sie hatten sich nicht aussuchen können, wo sie geboren wurden und lebten, mußten sich den Gegebenheiten hier anpassen.

Bei den Menschen dagegen verhielt es sich anders. Sie konnten sich entscheiden, mußten es sogar. Der Sturm hatte es ihnen deutlich vor Augen geführt. Mit seiner ungeheuren zerstörerischen Kraft hatte er ihnen bewiesen, daß sie sich hier auf Dauer nicht behaupten würden.

Ol, dem plötzlich bewußt wurde, daß sie wertvolle Zeit verstreichen ließen, erschrak.

»Die Tunnel verschieben sich unaufhaltsam«, sagte er zu Vi, »vielleicht sind sie für uns schon bald nicht mehr erreichbar. Dann müssen wir hierbleiben, werden über kurz oder lang in all dem Sand zugrundegehen. Ihr als Elme überlebt zwar, bleibt aber einsam zurück. Das will sicherlich keiner von uns.«

»Du hast recht«, erwiderte Vi, »wir verhalten uns wirklich unvernünftig. Aber was sollen wir tun? Selbst wenn es uns gelingen würde, in unsere alte Welt zurückzukehren, hätten wir nicht viel erreicht. Die Zerstörung zu Hause ist ja schon in vollem Gange.«

»Das mit dem Tunnelbau ist total falsch gelaufen«, sagte Ol nachdenklich. »In ihrer Gier, die Erde zu unterwerfen, haben die Massaren alles unterhöhlt. Man müßte in die Vergangenheit der Irena zurückkehren und die Sache von Anfang an besser machen.«

»Du träumst. Wie willst du zurück in unsere Vergangenheit gelangen?«

»Es gibt eine Möglichkeit«, erklärte Ol. »Noch scheint ja die Verbindung zur Erde zu existieren, wie ihr vor kurzem selber feststellen konntet. Offenbar würden wir auch dort in eine frühere Epoche geraten, doch das muß nichts schaden. Im Gegenteil, auf diese Weise könnten wir wahrscheinlich zu jener Irena zurückkehren, auf der noch alles in Ordnung war.«

»Das wäre großartig«, stimmte Vi zu. »Bereits im Elmenland würden No und ich uns wieder in Menschen verwandeln. Oder wir wählen alle fünf eine andere Gestalt, um uns den Bedingungen auf der Erde anzupassen.«

»Aber ich möchte nicht noch mal in dieses Meer geraten«, wandte No ein. »Es war nicht gerade angenehm, von dem eiskalten Wind gepackt und von den Wellen herumgewirbelt zu werden.«

»Du und dein Bruder, ihr bekommt den Skaphander«, erklärte Ol. »Damit könnt ihr endlich Atlantis suchen.«

Dieser Gedanke war sehr verlockend für die beiden Jungen. Es würde ein aufregendes Abenteuer werden, an dessen Ende das Wiedersehen mit all ihren Verwandten und Freunden stand. An die Gefahren freilich dachten sie weniger, deshalb stimmten sie eifrig zu.

Inzwischen hatte sich der Sturm wieder gelegt. Er war so unvermittelt zur Ruhe gekommen, wie er begonnen hatte. Doch hatte er solche Mengen Staub gegen Tür und Fenster geweht, daß Ol, Viola und Mo fast nicht aus dem Haus gekommen wären. Ol kletterte durch eine Dachluke und schaufelte von außen die Tür frei. Die Büsche und Bäume ringsum sahen aus, als hätte man sie in Ruß getaucht.

In einiger Entfernung zog sich die Spur des Tunnels hin, weiter hinten war sogar seine Öffnung zu erkennen.

»Der Tunnel ist nähergerückt«, sagte Ol. »Es sieht fast so aus, als wollte er uns einladen. Wir sollten bald aufbrechen.«

»Manchmal glaube ich wirklich, ein Schutzgeist hält seine Hand über uns«, erwiderte Vi. »Erinnerst du dich an den Kopf mit den großen starren Augen, No, der uns auf der Erde, auf diesem Felsen im Meer beobachtet hat? Wir wurden kurz darauf auf wundersame Weise gerettet, als wir fast am Ertrinken waren.«

»Und ob ich mich erinnere«, No nickte heftig. »Ich träume sogar davon. Kürzlich sahen mich diese Augen wieder an, und zwar durchs Wasser, wie aus einem Aquarium. Der Kopf aber gehörte zu einem Schlangenleib, der gar nicht enden wollte.«

»Eine Riesenschlange in einem Aquarium«, rief Viola, »du hast vielleicht Träume!«

Und Mo ergänzte:

»Wenn mal nicht du in dem Aquarium eingesperrt warst, und die Schlange war draußen. Für sie hat es bestimmt so ausgesehen.«

Ol aber war aufmerksam geworden:

»Ein riesiger Kopf, ein unendlich langer Schlangenleib und starre große Augen? Das ist nicht einfach ein Traum oder etwas, das ihr euch nur eingebildet habt. Auf der Erde, im Zauberland, habe ich davon gehört. Ihr wißt schon, dort wo es den Weisen Scheuch gibt, den Eisernen Holzfäller und den Tapferen Löwen. Die Bewohner nennen das Tier die Große Glua und schreiben ihr Wunderkräfte zu. Es soll in unterirdischen Gefilden leben.«

»Aber das klingt ja fast wie ein Märchen«, sagte Viola.

»Es gibt vielleicht mehr Märchen im Leben, als wir manchmal denken«, erwiderte Ol. »Sie vermischen sich mit der Wirklichkeit und helfen uns zu überleben.«

Während sie sich unterhielten, waren schweigend die drei Flugmolche nähergekommen. Es sah aus, als würden sie zuhören.

»Schau dir unsere Freunde an«, sagte Vi. »Daß sie uns heute früh vor dem Sturm gewarnt und daß wir sie hier überhaupt angetroffen haben, ist auch so ein Märchen.«

»Jedenfalls sind mir die Flugmolche nicht so unheimlich wie diese große Glua«, erklärte No.

»Man kann sie richtig liebhaben«, fügte Mo hinzu und streichelte den, der ihm am nächsten war.

Ol dachte daran, daß er anfangs beinahe der Versuchung erlegen wäre, eins der Tiere einzufangen, um es zu verspeisen, und schwieg deshalb lieber.

Am nächsten Morgen rüsteten sie zur Abreise. Sie verschlossen und verriegelten das Haus wie immer, wenn sie es verließen. Dabei waren sie fest davon überzeugt, nicht mehr hierher zurückzukehren.

»Wie oft bin ich schon von hier zur Erde aufgebrochen«, sagte Ol, »diesmal fällt es mir am leichtesten.«

»Uns auch«, bestätigten Mo und No. »Bloß daß wir uns trennen müssen, ist schlimm.«

»Bis zum Elmenland können wir noch zusammenbleiben«, tröstete Vi. »Danach stellt Ol den Skaphander so ein, daß ihr in eure Zeit kommt. Dann findet ihr eure Familien wieder. Sollte es aber nicht klappen, fliegt ihr einfach zurück zur Vergangenheit der Irena. Zu uns!«

»Wie auch immer, wir sehen uns bestimmt wieder. Wär doch gelacht«, sagte Viola tapfer und wischte sich eine Träne aus dem Auge.

Auch die Flugmolche waren zur Verabschiedung gekommen. Sie zogen kleine Kreise über ihren Köpfen, und der eine stieß das Mädchen sacht mit dem Kopf an.

»Er fordert dich zu einer Abschiedsrunde auf«, sagte Ol. »Versuch’s doch mal, soviel Zeit haben wir noch.«

Tatsächlich glitt der Molch zu Boden, als wollte er diese Worte bestätigen. Viola legte sich auf ihn, mit gespreizten Armen und Beinen, wie auf ein Schlauchboot.

Vorsichtig erhob sich das Tier in die Luft und drehte eine Runde mit dem Mädchen. Dann setzte es sie behutsam wieder ab.

»Die haben sich an uns gewöhnt wie wir an sie«, Vi war überrascht. »Man könnte direkt von vernunftbegabten Wesen sprechen.« Und sie fügte traurig hinzu:

»Lebt wohl, es muß sein!«

»Lebt wohl, lebt wohl!« riefen alle andern.

Die Flugmolche wiegten sich wie zur Entgegnung in Kopfhöhe und schwebten dann gemessen davon.

Der Tunneleingang war erreicht, der Sog diesmal lange nicht so stark wie sonst. Dennoch wurden sie im Nu erfaßt und ins Innere entführt. Die grauen staubigen Ebenen der verwüsteten Irena, aber auch der Hügel mit dem Gebüsch, das ihr Haus überwucherte, und der grünschimmernde Tümpel blieben endgültig hinter ihnen zurück.