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Alystra war von ihrer Schönheit entzückt; sie stand offensichtlich unter dem Eindruck, daß Alvin sie nur dieses Anblicks wegen hergebracht hatte. Er beobachtete sie eine Weile, während sie fröhlich von Bild zu Bild lief. Es gab Hunderte solcher Orte in den halbverlassenen Gebäuden am Stadtrand, die von verborgenen Kräften überwacht und bewahrt wurden.
Eines Tages vielleicht würde der Lebensstrom sich wieder hierherwenden, aber bis dahin war dieser alte Garten ein Geheimnis, das sie allein besaßen.
„Wir müssen noch weiter“, sagte Alvin schließlich. „Das ist nur der Anfang.“ Er schritt durch eines der Fenster, und die Illusion zerbrach. Hinter dem Glas lag kein Garten, nur ein runder Gang, der steil nach oben führte. Einige Meter entfernt sah er Alystra stehen, obgleich er wußte, daß sie ihn nicht sehen konnte. Aber sie zögerte nicht; einen Augenblick später stand sie neben ihm im Korridor.
Unter ihren Füßen begann der Boden langsam vorwärtszugleiten, als sei er begierig, sie zu ihrem Ziel zu bringen. Sie gingen noch einige Schritte, bis ihre Geschwindigkeit so groß war, daß sie keiner weiteren Anstrengung bedurfte.
Der Korridor führte in einem Bogen ständig nach oben und hatte nach dreißig Metern einen rechten Winkel durchmessen. Aber das wußte nur die Logik; allen Sinnen schien es, als würde man in einem völlig ebenen, geraden Korridor vorwärtsgetragen. Die Tatsache, daß sie in Wirklichkeit in einem Schacht senkrecht emporstiegen, der Tausende von Metern tief war, verlieh ihnen kein Gefühl der Unsicherheit, denn ein Versagen des Polarisationsfeldes war undenkbar.
Bald darauf neigte sich der Korridor wieder hinab, bis er wieder einen rechten Winkel beschrieben hatte. Die Bewegung des Fußbodens verlangsamte sich unmerklich, bis sie am Ende eines langen Spiegelsaales zum Stillstand kam. Alvin wußte, daß er Alystra hier nicht drängen durfte.
Das lag nicht nur daran, daß seit Eva einige weibliche Eigenschaften unverändert geblieben waren: Diesem Ort hätte so leicht niemand widerstehen können. In ganz Diaspar gab es nichts Ähnliches. Durch eine Laune des Künstlers reflektierten nur ein paar Spiegel die Szene in ihrer Wirklichkeit. Die anderen spiegelten sicherlich auch etwas wider, aber man geriet doch etwas aus der Fassung, sich in ständig wechselnder und völlig phantastischer Umgebung zu finden.
Manchmal schritten in der Welt hinter dem Spiegel Leute hin und her, und mehr als einmal hatte Alvin Gesichter gesehen, die er kannte. Durch den Geist des unbekannten Künstlers hatte er in die Vergangenheit geschaut und die früheren Inkarnationen von Menschen erblickt, die heute auf der Welt lebten. Es machte ihn traurig, daran zu denken, daß er nie einem alten Echo seiner selbst begegnen würde, solange er auch vor diesen wechselnden Bildern verharren mochte.
„Weißt du, wo wir sind?“ fragte Alvin, als sie alle Spiegel abgeschritten hatten. Alystra schüttelte den Kopf. „Irgendwo am Rand der Stadt, nehme ich an“, erwiderte sie unbekümmert. „Anscheinend sind wir weit gegangen. Wo sind wir jetzt?“
„Wir sind im Turm von Loranne“, antwortete Alvin. „Das ist einer der höchsten Punkte in ganz Diaspar. Komm, ich will es dir zeigen.“ Er nahm Alystra bei der Hand und führte sie aus dem Saal. Es gab keine sichtbaren Ausgänge, aber an verschiedenen Stellen wies das Muster im Boden auf Seitengänge hin. Wenn man sich an diesen Stellen den Spiegeln näherte, schienen die Spiegelungen in einen Lichtbogen zu verschmelzen, und man konnte durch sie einen anderen Korridor betreten.
Alystra verlor jede bewußte Spur ihres unaufhörlichen Drehens und Wendens, und schließlich kamen sie in einen langen, völlig geraden Tunnel, durch den ein kalter Wind fegte. Der Tunnel erstreckte sich vor und hinter ihnen Hunderte von Metern entlang, und an seinen fernen Enden schimmerten kleine Lichtpunkte.
„Hier gefällt es mir nicht“, klagte Alystra. „Es ist kalt.“ Sie hatte wahrscheinlich in ihrem ganzen Leben noch nie Kälte gespürt; Alvin war etwas verlegen. Er hätte sie bitten sollen, einen Mantel mitzunehmen — einen dicken Mantel, denn die Kleidung in Diaspar diente in erster Linie als Schmuck und war als Schutz ziemlich ungeeignet.
Da ihr Mißbehagen ausschließlich seine Schuld war, gab er ihr wortlos seinen Mantel. Das hatte nichts mit Ritterlichkeit zu tun; die Gleichberechtigung der Geschlechter war von alters her so vollkommen, daß für derartige Konventionen kein Platz blieb. Im umgekehrten Fall hätte Alystra ihren Mantel Alvin gegeben, und er hätte ihn ebenso automatisch angenommen.
Es war nicht unangenehm, mit dem Wind im Rücken zu gehen, und bald hatten sie das Ende des Tunnels erreicht. Eine weitmaschige Filigranarbeit aus Stein hinderte sie daran, weiterzugehen, aber es war gut so, denn sie standen am Rand des Nichts. Der große Luftkanal öffnete sich auf die steilabfallende Turmseite, und unter ihnen ging es mindestens dreihundert Meter senkrecht hinunter. Sie standen hoch oben auf dem äußersten Wall der Stadt, und Diaspar lag unter ihnen ausgebreitet, wie es bisher wohl wenige gesehen hatten.
Die Aussicht war das Gegenteil jenes Blickes, den Alvin vom Hügel im Park gehabt hatte. Er konnte nun auf die konzentrischen Wellen aus Stein und Metall hinabschauen, die in kilometerlangen Kurven in das Herz der Stadt hinabschwangen. Weit in der Ferne, zum Teil durch Türme verdeckt, sah er die Rasenflächen und Bäume und den ewig kreisenden Fluß. Noch weiter hinaus stiegen die entfernten Bastionen Diaspars wieder zum Himmel empor.
Neben ihm betrachtete Alystra mit Vergnügen, aber ohne Überraschung das großartige Bild. Sie hatte die Stadt unzählige Male von anderen, ebenso gut gewählten Stellen aus gesehen — und mit wesentlich mehr Bequemlichkeit.
„Das ist unsere Welt — die ganze Welt“, sagte Alvin. „Jetzt möchte ich dir noch etwas anderes zeigen.“ Er wandte sich von dem Steingitter ab und ging auf das ferne Licht am anderen Ende des Tunnels zu. Der Wind blies kalt gegen seinen leichtbekleideten Körper, aber er bemerkte es kaum, als er im Luftstrom vorwärtsschritt.
Er war erst einige Schritte gegangen, als er merkte, daß ihm Alystra nicht folgte. Sie stand noch immer am selben Platz, mit flatterndem Mantel, eine Hand halb erhoben. Alvin sah, daß sie die Lippen bewegte, aber ihre Worte erreichten ihn nicht. Zuerst sah er sie erstaunt an, dann mit Ungeduld, die nicht völlig frei von Mitleid war. Es stimmte, was Jeserac gesagt hatte. Sie konnte ihm nicht folgen. Sie hatte die Bedeutung dieses fernen Lichtpünktchens erkannt, durch das der Wind unaufhörlich nach Diaspar hineinwehte. Hinter Alystra stand die bekannte Welt, voll von Wundern, aber bar jeder Überraschung, die wie eine schimmernde, aber festgeschlossene Luftblase auf dem Strom der Zeit hinabtrieb. Vor ihr, nur durch eine Anzahl Schritte von ihr getrennt, lag die leere Wildnis, die Welt der Wüste, die Welt der Invasoren.
Alvin ging zurück zu ihr und stellte erstaunt fest, daß sie zitterte. „Warum fürchtest du dich?“ fragte er. „Wir sind immer noch sicher in Diaspar. Du hast durch das Fenster hier hinter uns geblickt — gewiß kannst du auch durch das andere hinaussehen!“
Alystra starrte ihn an, als sei er ein fremdartiges Ungeheuer. Nach ihren Maßstäben war er das ja auch.
„Ich brächte es nicht fertig“, sagte sie schließlich. „Wenn ich nur daran denke, wird mir eiskalt. Geh nicht weiter, Alvin!“
„Aber das läßt sich doch nicht mit logischem Denken vereinbaren!“
wandte Alvin gefühllos ein. „Was kann dir schon passieren, wenn du diesen Korridor entlanggehst und hinaussiehst? Es ist fremdartig und einsam draußen, aber nicht entsetzlich. Ja, je länger ich hinaussehe, desto schöner finde ich…“
Alystra hörte ihn nicht zu Ende an. Sie drehte sich um und lief die lange Rampe hinunter, die sie durch den Boden dieses Tunnels heraufgebracht hatte. Alvin machte nicht den Versuch, sie aufzuhalten; es galt als schlechtes Benehmen, einer anderen Person seinen Willen aufzuzwingen. Und ein Überredungsversuch wäre vollkommen zwecklos gewesen, soviel konnte er sehen. Er wußte, daß Alystra nicht rasten würde, bis sie zu ihren Kameraden zurückgekehrt war. Es bestand keine Gefahr, daß sie sich in den Labyrinthen der Stadt verirren würde, weil sie mit Leichtigkeit ihre Spur zurückverfolgen konnte. Die instinktive Fähigkeit, selbst aus dem kompliziertesten Irrgarten herauszufinden, war nur eine der Errungenschaften, die der Mensch durch das Leben in der Stadt erworben hatte.
Alvin wartete einen Augenblick, als erwartete er halb die Rückkehr Alystras. Ihre Reaktion überraschte ihn nicht, nur ihre Wildheit und Unvernunft. Obwohl er es wirklich bedauerte, daß sie davongerannt war, wünschte er, daß sie ihm wenigstens den Mantel zurückgegeben hätte.
Es war nicht nur kalt, sondern auch mühsam, sich gegen den Wind vorwärtszukämpfen, der durch die Lungen der Stadt seufzte. Alvin stemmte sich sowohl gegen den Wind als auch gegen die Kraft, die ihn in Bewegung hielt. Erst als er das Steingitter erreicht und umklammert hatte, konnte er sich entspannen. Er hatte gerade genug Platz, um seinen Kopf durch die Öffnung stecken zu können, und selbst auf diese Weise war sein Blickfeld etwas eingeschränkt, da der Einlaß zum Luftkanal als Nische in die Stadtmauer eingebaut war.
Aber er konnte genug sehen. Hunderte von Metern unter ihm nahm das Sonnenlicht Abschied von der Wüste. Die nahezu horizontalen Strahlen fielen durch das Steingitter und warfen ein seltsames Muster aus Gold und Schatten in den Tunnel. Alvin beschattete seine Augen und starrte auf das Land hinunter, das seit unzähligen Jahrtausenden kein Mensch mehr betreten hatte.
Es sah aus wie ein für alle Ewigkeit erstarrtes Meer. Kilometer um Kilometer erstreckten sich die Sanddünen nach Westen, ihre Umrisse durch das schräg einfallende Licht grotesk übertrieben. Hier und da hatte ein launischer Wind seltsame Strudel und Wirbel im Sand geformt, so daß es manchmal schwerfiel, sie nicht als künstlich geschaffene Dinge zu betrachten. In weiter Entfernung lag eine Kette sanftgerundeter Hügel. Sie enttäuschten Alvin; er hätte viel dafür gegeben, die hochstrebenden Berge der alten Aufzeichnungen und seiner eigenen Träume in Wirklichkeit zu sehen.
Die Sonne lag auf dem Rand der Hügel, ihr Licht gezähmt und gerötet von den Hunderten von Kilometern, die es durchdringen mußte. Auf ihrer Scheibe befanden sich zwei große schwarze Flecken; Alvin hatte bei seinen Studien gelernt, daß es solche Dinge gab, aber er staunte, daß er sie so leicht sehen konnte. Sie schienen fast wie zwei Augen, die ihn anstarrten, als er in seiner einsamen Nische kauerte.
Es gab kein Zwielicht. Mit dem Verschwinden der Sonne schmolzen die Schatten zwischen den Sanddünen schnell in einen einzigen dunklen See zusammen. Die Farbe schwand vom Himmel; das warme Rot und Gold verblaßte und machte einem arktischen Blau Platz, das sich immer mehr zur Nacht verdunkelte. Alvin wartete auf jenen atemlosen Augenblick, den er allein von der ganzen Menschheit kannte — den Augenblick, in dem der erste Stern am Himmel schimmert.
Er war viele Wochen nicht mehr hier gewesen, und er wußte, daß sich das Bild des Sternhimmels inzwischen gewandelt haben mußte. Aber trotzdem war er nicht auf den ersten Anblick der Sieben Sonnen vorbereitet.
Sie konnten keinen anderen Namen tragen; die Worte kamen ihm wie von selbst auf die Lippen. Sie bildeten eine winzige, sehr enge und erstaunlich symmetrische Gruppe gegen das Abendrot. Sechs Sonnen waren in einer leicht abgeflachten Ellipse angeordnet, in Wirklichkeit, das wußte Alvin, ein perfekter Kreis. Jeder Stern besaß eine andere Farbe; er konnte Rot, Blau, Grün und Gold benennen, aber die anderen Färbungen entzogen sich seinem Auge. Genau im Mittelpunkt der Gruppe schwebte ein einzelner weißer Riese — der hellste Stern am ganzen Himmel. Die Gruppe sah wie ein Schmuckstück aus; es schien unglaublich und außerhalb aller Gesetze des Zufalls, daß der Natur jemals ein so vollkommenes Modell geglückt sein sollte.
Als sich seine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten, konnte Alvin den großen, nebligen Schleier erkennen, den man einst Milchstraße genannt hatte. Er reichte vom Zenit bis zum Horizont und beherbergte auch die Sieben Sonnen. Die anderen Sterne waren jetzt hervorgetreten, um sie herauszufordern, und ihre zufällige Gruppierung unterstrich nur das Rätselhafte dieser vollkommenen Symmetrie. Es schien, als habe sich eine Macht gegen die Unordnung des natürlichen Universums erklärt, indem sie ihr Zeichen an den Himmel setzte.
Zehnmal, nicht öfter, hatte sich die Milchstraße um ihre Achse gedreht, seit der Mensch auf der Erde zum erstenmal aufrecht gegangen war.
Nach ihren eigenen Maßstäben nur ein Augenblick.
Und doch hatte sie sich in dieser kurzen Periode völlig verändert — weit mehr verändert, als ihr im normalen Ablauf der Dinge zugestanden wäre.
Die riesigen Sonnen, die in der Pracht ihrer Jugend einst so ungestüm geblendet hatten, flackerten jetzt ihrem Untergang entgegen. Aber Alvin hatte den Himmel in seiner alten Pracht nie gesehen und spürte daher nichts von diesem Verlust.
Die Kälte drang ihm bis in die Knochen und trieb ihn zur Stadt zurück. Er ließ das Gitter los und rieb sich die Hände und Arme warm. Vor ihm, unten im Tunnel, leuchtete das Licht Diaspars so strahlend, daß er für eine Sekunde die Augen abwenden mußte. Außerhalb der Stadt gab es so etwas wie Tag und Nacht, aber in ihrem Innern existierte nur der ewige Tag. Wenn die Sonne am Himmel niedersank, füllte sich Diaspar mit Licht, und keiner bemerkte das Verschwinden der natürlichen Beleuchtung. Schon bevor die Menschen den Schlaf nicht mehr brauchten, hatten sie die Dunkelheit aus ihren Städten vertrieben. Die einzige Nacht, die je über Diaspar kam, war eine äußerst seltene und unvorhersehbare Verdunklung, die manchmal den Park heimsuchte.
Alvin ging langsam durch den Spiegelsaal zurück, seine Gedanken noch voll von Nacht und Sternen. Er fühlte sich erhoben und doch bedrückt.
Es schien keinen Weg zu geben, auf dem er jemals in diese gewaltige Leere entkommen konnte — und keinen vernünftigen Sinn für dieses Vorhaben. Jeserac hatte gesagt, daß ein Mensch in der Wüste bald sterben würde, und Alvin glaubte ihm das. Vielleicht würde er eines Tages einen Weg entdecken, auf dem er Diaspar verlassen konnte, aber selbst wenn es ihm gelang, würde er bald zurückkehren müssen, das wußte er. Die Wüste zu erreichen, war ein vergnügliches Spiel, mehr nicht. Es war ein Spiel, das er mit niemandem teilen konnte und das ihn eigentlich nirgends hinführen würde. Aber es war sinnvoll, wenn es seine Sehnsucht beschwichtigen half.
Alvin zögerte vor den Spiegelungen der Vergangenheit, als kehre er nur ungern in die vertraute Welt zurück. Er stand vor einem der großen Spiegel und beobachtete die Szenen, die in seinen Tiefen auftauchten und wieder verschwanden. Der Mechanismus, der diese Bilder erzeugte, wurde durch seine Gegenwart und bis zu einem gewissen Grade durch seine Gedanken gesteuert. Wenn er in den Saal trat, waren die Spiegel leer; sie füllten sich erst mit Bewegung, wenn er vor ihnen stand.
Jetzt schien er sich in einem großen, offenen Hof zu befinden, den er in Wirklichkeit nie gesehen hatte, den es aber wahrscheinlich irgendwo in Diaspar gab. Der Hof war ungewöhnlich überfüllt; irgendeine öffentliche Versammlung schien im Gang zu sein. Zwei Männer diskutierten miteinander höflich auf einer erhöhten Plattform, umringt von ihren Anhängern, die sich gelegentlich einmischten. Die völlige Stille trug zum Zauber der Szene bei, denn die Phantasie versuchte sofort, die fehlenden Geräusche beizusteuern. Worüber diskutierten sie? dachte Alvin. Vielleicht war es nicht eine wirkliche Szene aus der Vergangenheit, sondern reine Erfindung. Die sorgfältig ausgewogene Balance der Figuren, die förmlichen Bewegungen, all das wirkte zu sehr geputzt für wirkliches Leben.
Er beobachtete die Menge und suchte nach Bekannten. Er erkannte keinen Menschen, aber er mochte Freunde ansehen, denen er erst Jahrhunderte später begegnen würde. Wie viele mögliche Abwandlungen des menschlichen Angesichts gab es? Die Zahl war gewaltig, aber trotzdem endlich, besonders, da die unästhetischen Möglichkeiten beseitigt worden waren.
Die Menschen in der Spiegelwelt setzten ihre Diskussion fort und ignorierten das Bild Alvins, das bewegungslos unter ihnen stand. Manchmal fiel es schwer zu glauben, daß er nicht selbst Teil der Szene war, so vollkommen wirkte die Illusion. Wenn eines der Scheingebilde im Spiegel hinter Alvin zu treten schien, verschwand es, wie in der Wirklichkeit; wenn sich jemand vor ihn stellte, wurde er selbst verdeckt.
Er wollte eben gehen, als er einen seltsam gekleideten Mann bemerkte, der etwas abseits von der Hauptgruppe stand. Seine Bewegungen, seine Kleidung — alles an ihm schien irgendwie nicht in diese Versammlung zu passen. Er störte das Bild; wie Alvin war er ein Anachronismus.
Er war wesentlich mehr als das. Er war wirklich, und er sah Alvin mit einem spöttischen Lächeln an.
In seinen zwanzig Lebensjahren hatte Alvin nicht einmal ein Tausendstel der Einwohner Diaspars kennengelernt. Es überraschte ihn daher nicht, daß der Mann vor ihm ein Fremder war. Was ihn erstaunte, war die Tatsache, hier in diesem verlassenen Turm an der Grenze zum Unbekannten überhaupt einen Menschen zu treffen.
Er wandte der Spiegelwelt den Rücken zu und starrte den Eindringling an. Ehe er den Mund auftun konnte, sprach ihn der andere an.
„Du bist Alvin. Als ich entdeckte, daß jemand diesen Turm besucht, hätte ich mir denken können, daß du es bist.“