122181.fb2 Die Stadt der Verlorenen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 18

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Astaroth schüttelte sich das Wasser aus dem Fell und kam langsam näher.Ihr seid seit über einer Stunde verschwunden,sagte er.Sarn und die anderen glauben, dass ihr ertrunken seid. Der See ist fast vollkommen zugeschüttet.

»Und was machst du dann hier?«, fragte Mike laut. Er bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Chris ihn immer verwirrter anstarrte. Wahrscheinlich fragte er sich, was um alles in der Welt Mike da tat. Vielleicht zweifelte er aber auch einfach an dessen Verstand.

Euch suchen!antwortete Astaroth gereizt.Ben und Juan haben so lange herumgenörgelt, bis ich es riskiert habe.

»Riskiert?«

Ich hätte ertrinken können.

»Du?« Beinahe hätte Mike laut gelacht. »Du kannst unter Wasser atmen, Astaroth.« Astaroth blinzelte.Kann ich?fragte er. »Kannst du«, bestätigte Mike. Er grinste – aber eigentlich war die Sache gar nicht lustig.Jetzt, wo du es sagst,sagte Astaroth nachdenklich.Komisch. Ich hatte es glatt vergessen.»Was tut Ihr da?«, fragte Chris verwirrt. »Könnt Ihr –« »– mit ihm reden, ja«, sagte Mike ungeduldig. »Astaroth, was ist los mit dir? So etwas kann man doch

nicht vergessen!«Ich lasse mir doch nicht von dir sagen, was ich kann und was nicht,antwortete Astaroth patzig. Hoch

erhobenen Hauptes marschierte er an Mike vorbei, blickte über den Grat der Geröllhalde – und erstarrte genau so wie Mike vor ein paar Minuten. »Erstaunlich, nicht?«, fragte Mike. »Das ist ein richtiges unterirdisches Land. Und niemand in Lemura

ahnt auch nur etwas davon.«Menschen,murmelte Astaroth.Da sind ... Menschen. Sie beobachten uns.»Menschen?« Mike blickte aufmerksam auf die Ebene hinab, konnte aber nichts Auffälliges entdecken.

Wenn dort Menschen waren, verstanden sie es meisterhaft, sich zu tarnen.Nicht sehr viele,bestätigte Astaroth.Sie haben Angst vor uns. Sie glauben, wir gehören zu Argos.»Dann sollten wir ihnen vielleicht sagen, dass das nicht so ist«, sagte Mike. »Bevor sie etwas tun, was

uns nicht besonders gefällt.«Dazu ist keine Zeit,sagte Astaroth. DasErdbeben ist noch nicht vorbei. Die Höhle kann jeden Momenteinstürzen. Außerdem hat Sarn Angst, dass Argos’ Krieger auftauchen könnten. Lasst uns zurückgehen.

»Und wie?« Mike warf einen schrägen Blick auf den See hinunter. »Ich meine, du kannst ja unter Wasser atmen...«

Theoretisch schon,sagte Astaroth. Er wich Mikes Blick aus und wirkte plötzlich ziemlich verlegen.Hab ich aber nicht.

»Wie bitte?!« Die Vorstellung, dass der Kater die Luft angehalten hatte und mit letzter Kraft hierher gekommen war, obwohl er unter Wasser ebenso mühelos atmen konnte wie hier oben, erschien Mike so komisch, dass er laut loslachte.

Astaroth schenkte ihm einen giftigen Blick.Immerhin habeichnoch nicht meinen eigenen Namen vergessen,sagte er beleidigt.

Mike grinste noch breiter. »Daran, wie man Luft holt, erinnere ich mich jedenfalls ganz gut.«

Astaroth drehte sich beleidigt herum, stiefelte davon und sprang ohne ein weiteres Wort ins Wasser. Nach einem letzten, nachdenklichen Blick auf die Ebene auf der anderen Seite wandte sich Mike um und folgte dem Kater.

Sie mussten insgesamt dreimal ansetzen, um die Erzgruben wieder zu erreichen. Der Weg, der durch einen schmalen, unterirdischen Gang führte, war nicht einmal allzu weit, aber die unter Wasser liegende »Eisengrube« war fast vollkommen verschüttet. Zwischen den kreuz und quer liegenden Felsbrocken waren zum Teil nur schmale Lücken geblieben, durch die Astaroth zwar mühelos passte, Chris und Mike sich aber nur unter Lebensgefahr hindurchquetschen konnten. Als sie es endlich geschafft hatten, das rettende Ufer zu erreichen, war Mike wieder total erschöpft und erneut am Rande der Bewusstlosigkeit.

Nachdem er wieder halbwegs zu Kräften gekommen war und sich umsah, erschrak er zutiefst. Astaroth hatte keineswegs übertrieben. Der Boden zitterte noch immer leicht und die ganze, riesenhafte Höhle bot einen entsetzlichen Anblick. Sie war mehr als zur Hälfte eingestürzt. Zwei oder drei der Seen, aus denen die Sklaven die Erzknollen heraufholten, waren unter Tonnen von Felsen verschwunden und von überall her drang das Stöhnen von Verletzten an sein Ohr. Singh stand in einiger Entfernung da und redete heftig gestikulierend auf Ben und Juan ein, aber Mike musste nur einen einzigen Blick in ihre Gesichter werfen, um zu erkennen, dass sie kein Wort von dem verstanden, was er ihnen begreiflich zu machen versuchte. Er machte sich jedoch keine allzu großen Sorgen. Ihre Erinnerungen würden zurückkehren, genau wie seine eigenen; spätestens mit Astaroths Hilfe. Im Moment jedoch war keine Zeit dafür.

Mike rappelte sich mühsam hoch, wobei er Sarns hilfreich ausgestreckte Hand ignorierte. »Ich bin froh, dich zu sehen«, sagte Sarn. »Wir dachten schon, ihr wäret ertrunken.«

»Viel hätte auch nicht gefehlt«, antwortete Mike. »Jedenfalls waren wir schon fast in einer Art Paradies ...

Wusstest du, dass nur ein paar Meter unter euren Füßen

eine riesige fruchtbare Höhle liegt? Ich schätze ... drei-oder

viermal so groß wie Lemura?«

Irrte er sich oder schrak Sarn ein ganz kleines bisschen zusammen, als er die Höhle erwähnte?

Dann aber zuckte der ehemalige Krieger nur mit den Schultern und sagte: »Das verbotene Land, ich weiß. Wir können nicht dorthin. DieWächtertöten jeden, der es versucht. Niemand, der je dorthin gegangen ist, ist bisher zurückgekommen.«

»Und woher wisst ihr dann davon?«, fragte Mike. Sarn zuckte erneut mit den Schultern. »Gerüchte«, sagte er. »Uralte Märchen. Aber könnten wir uns darüber vielleicht später unterhalten – bevor uns der halbe Berg auf den Kopf fällt?«

Er deutete zur Höhlendecke hinauf. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass sie sich noch immer leicht bewegte. Dann und wann polterte ein Stein zu Boden. Sarn hatte Recht. Sie mussten hier heraus.

»Was ist mit den Verletzten?«, fragte Mike.

Sarns Gesicht verhärtete sich. »Es sind Argos’ Krieger«, sagte er. »Sollen wir unsere eigenen Leben riskieren, um die Männer zu retten, die unseren Tod wollen?«

»Für uns habt ihr euer Leben auch riskiert«, sagte Mike.

»Das war etwas anderes.« Sarn schüttelte heftig den Kopf. »Und noch einmal: Wenn wir noch lange hier herumstehen und reden, dann war alles umsonst. Ich fürchte, die gesamte Höhle steht kurz davor einzustürzen.«

Was das für Lemura bedeutete, wagte sich Mike gar nicht vorzustellen. Der riesige unterirdische Berg war nicht nur einer der Stützpfeiler, auf denen die gesamte Unterwasserkuppel ruhte, sondern praktisch auch die einzige Quelle für Eisenerz und andere Rohstoffe.

»Kommt jetzt«, sagte Sarn. »Wir haben einen weiten Weg vor uns.«

Seltsam – aber Mike hatte immer mehr das Gefühl, dass Sarn nicht nur aus Angst, die Höhle könnte einstürzen, so sehr auf den Aufbruch drängte, sondern viel mehr um von irgendetwas ganz Bestimmtem abzulenken. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wovon. Also nickte er nur und ging mit schnellen Schritten zu Singh hinüber. Ben und Juan sahen ihm neugierig, aber auch vollkommen verständnislos entgegen. Und er sah in ihren Augen dieselbe tief eingegrabene Angst, die er auch schon bei Chris gesehen hatte.

»Sie erinnern sich an nichts!«, sagte Singh. »Weder an dich noch an mich oder die NAUTILUS ... an gar nichts.«

»Genau wie Chris«, sagte Mike. »Außerdem sind sie in einem furchtbaren Zustand.«

»Argos’ Leute haben anscheinend vorgehabt, sie sich totarbeiten zu lassen«, sagte Singh zornig. »Wusstest du, dass sie das Erz seit Wochen ganz allein aus dem Wasser holen mussten?«

»Wieso?«, fragte Mike erstaunt.

»Weil dieWächteruns nichts getan haben«, antwortete Ben an Singhs Stelle. »Es ist sehr gefährlich. Sie tauchen immer wieder auf und greifen die Männer an, die die Erzknollen heraufholen. Sie haben viele gepackt und in die Tiefe gerissen. Nur uns nicht. Als die Wachen dies gemerkt haben, haben sie nur noch uns ins Wasser geschickt.«

»DieWächterhaben die Männer angegriffen?«, vergewisserte sich Mike. »Du meinst diese ... Haifischwesen?«

»Sie packen sie und zerren sie in die Tiefe«, bestätigte Ben. »Niemand ist je wieder aufgetaucht.«

Nicht sehr weit entfernt krachte ein Felsbrocken von der Größe eines kleinen Hauses zu Boden und ließ die gesamte Höhle erbeben. Es hätte des bösen Blickes, den Sarn ihnen zuwarf, gar nicht mehr bedurft, um ihn nun endgültig zur Eile anzuspornen.

Der Weg nach oben erwies sich als weit mühseliger und schwieriger, als Mike erwartet hatte. Er hatte halbwegs damit gerechnet, von Argos’ Kriegern verfolgt zu werden oder dass sie sich gar den Weg freikämpfen mussten. Von den Kriegern des lemurischen Herrschers zeigte sich jedoch keine Spur. Vermutlich hatten sie Hals über Kopf die Flucht ergriffen, als der Boden zu schwanken begonnen hatte.

Trotzdem wurde der Rückweg zu einem lebensgefährlichen Abenteuer. Der Weg, den sie gekommen waren, war unpassierbar geworden und auch der offizielle Abstieg in die Eisengruben hinab war zum Teil verschüttet, sodass sie zu mühseligen und kräftezehrenden Klettereien gezwungen wurden. Noch immer lösten sich Steine von der Decke oder den Wänden und ein weiterer Mann trug eine schwere Verletzung davon. Sie hatten eine halbe Stunde für den Weg nach unten gebraucht; für den Rückweg benötigten sie annähernd die vierfache Zeit. Nicht nur

Mike war vollkommen erschöpft, als sie endlich wieder aus dem

Berg herauskamen.

Auch hier zeigte sich keine Spur von den Kriegern, die die Sklaven bewacht hatten; ebenso wenig wie von den Sklaven selbst und den wenigen bezahlten Arbeitern, die in der Mine gewesen waren. Von Sarn wusste er, dass in dem Bergwerk mehrere hundert Männer in den Eisengruben lebten und arbeiteten, aber der Platz vor dem Einstieg und auch der nahe Waldrand waren vollkommen leer. Auf dem Weg nach oben hatten sie einige Tote gefunden und eine große Anzahl weggeworfener Werkzeuge und unterschiedlicher Ausrüstungsgegenstände. Es wäre normal gewesen, den Platz vor dem Eingang vollerFlüchtlinge und Überlebender vorzufinden, aber er wirkte wie ausgestorben; nur hier und da lagen einige Felsen herum oder ein in aller Hast fortgeworfenes Werkzeug, eine Waffe.

Als er sich einige Schritte vom Eingang entfernte und herumdrehte, verstand er schlagartig, warum.

Der gesamte Berg war geborsten. Ein gut mannsbreiter, gezackter Riss hatte die Felswand vom Boden bis zur Grenze des Sichtbaren hinauf gespalten. Hier und da lief Wasser aus diesem Riss und noch immer regneten Steine vom Himmel, wenn auch weit entfernt, sodass sie im Moment nicht in Gefahr waren. Aber er konnte gut verstehen, dass keine lebende Seele in der Nähe war. Jedermann, der gesehen hatte, wie dieser ganze gewaltige Berg auseinander barst, musste in heller Panik geflohen sein.