122182.fb2 Die Stadt unter dem Eis - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 18

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identifizieren, denn er lag tief unter der Wasseroberfläche.

Und erbewegtesich.

Mike hielt erschrocken die Luft an, als der Lichtschein für einen Moment wie eine suchende Hand in ihre Richtung tastete, sodass das Eis, auf dem sie alle drei standen, plötzlich von innen heraus aufzuglühen schien. Dann aber glitt der Lichtstrahl weiter und verschwand unter dem Eis. Und dann glaubte Mike einen riesigen Schatten zu sehen, der durch die Tiefe des Wassers vor ihnen glitt. Das Eis unter ihren Füßen vibrierte, als etwas Gigantisches, Schwarzes vorüberglitt, dann verblasste auch der letzte Lichtschein.

»Was ... war das?«, murmelte Mike.

»Ich weiß es nicht«, sagte Kanuat.

»Und ich glaube, ich will es gar nicht wissen«, fügte Trautman hinzu. »Irgendetwas ist aus dem Berg herausgekommen, so viel steht fest.«

Mike sah nachdenklich nach rechts. Nachdem der Lichtschein erloschen war, war der Tunneleingang wieder in der Dunkelheit verschwunden. Trotzdem hatte er sich seine Lage genau eingeprägt.

»Ich glaube, da war ein schmaler Streifen am Rand, an dem man entlanggehen kann«, sagte er. »Warum sehen wir uns nicht ein bisschen um?«

»Meinetwegen«, sagte Trautman. »Aber seid bloß vorsichtig.« Als ob diese Warnung nötig gewesen wäre!

Sie bewegten sich langsam auf den Berg zu. Der Weg war weiter, als sie geglaubt hatten, sodass es zu dämmern begann, bis sie den Eistunnel erreichten. Und auch er war größer, als Mike angenommen hatte. Der Zenit des aus glitzerndem Weiß gebildeten Halbrunds befand sich sicher fünfzehn Meter über ihren Köpfen und die Höhle, die dahinter in den Berg hineinführte, musste groß genug sein, um gleich zwei Schiffe von den Abmessungen der NAUTILUS aufzunehmen. Das Licht, das von außen hineindrang, reichte nicht aus, um sie ganz zu überblicken, aber Mike glaubte zumindest eine schimmernde weiße Wand an ihrem Ende zu sehen. Eis. Was denn auch sonst?

»Gehen wir hinein?«, fragte er.

Trautman zögerte. »Das gefällt mir nicht«, sagte er.

»Ich habe kein gutes Gefühl.«

»Es ist nur eine Höhle.«

»Ja.« Trautman seufzte. »Wahrscheinlich hast du Recht. Ich werde wohl langsam alt.«

Sie gingen weiter. Wie Mike es vorausgesehen hatte, gab es am Ufer des Sees, der sich im Inneren des Berges gebildet hatte, einen gut zwei Meter breiten, vollkommen leeren Streifen, auf dem sie bequem entlanggehen konnten. Dann und wann blieben Trautman oder auch Mike stehen und tauchten die Finger ins Wasser.

»Das ist seltsam«, murmelte Trautman.

»Es ist immer noch warm«, sagte Mike.

Trautman nickte. »Es wird immer wärmer, je weiter wir kommen. Wirklich sonderbar.«

Vielleicht ist es doch eine heiße Quelle, dachte Mike. Wenn sie tief genug unter Wasser lag, konnte das Quellwasser schon weit genug abgekühlt sein, bis es die Oberfläche erreichte, um nicht mehr zu kochen. Und dass Island als das Land der heißen Quellen bekannt war, musste ja nicht bedeuten, dass es in Grönlandkeinegab.

Im gleichen Maße, in dem sie sich dem Ende der Höhle näherten, stieg die Sonne draußen höher, sodass es ganz allmählich auch hier drinnen heller wurde. Mike sah seine Vermutung bestätigt: Die Höhle führte zwei-oder dreihundert Meter weit in den Berg hinein und endete dann vor einer Wand aus massivem Eis. Im Grunde konnten sie es sich sparen, bis zu ihrem Ende zu gehen.

Trotzdem taten sie es. Trautman blieb dicht vor der zerschundenen weißen Barriere stehen, legte den Kopf in den Nacken und ließ seinen Blick aufmerksam über die Wand gleiten.

»Wonach suchen Sie?«, fragte Mike.

Statt zu antworten legte Trautman die flache Hand an die Wand und schloss die Augen. »Das ist seltsam«, murmelte er.

»Was?«, fragte Mike.

Da er wieder keine Antwort bekam, trat er kurz entschlossen neben Trautman an die Wand und tat das Gleiche wie er.

»Es sieht aus wie Eis«, sagte er in überraschtem Ton. »Aber es fühlt sich nicht so an.« Er konnte jedoch nicht sagen, wie sich das vermeintliche Eis anfühlte. Auf jeden Fall wie nichts, was er jemals gefühlt hatte. »Spürst du es?«, flüsterte Trautman. »Konzentrier dich!«

Mike wusste nicht genau, worauf Trautman eigentlich hinauswollte, aber er schloss gehorsam die Augen und tat, was er verlangt hatte. Im ersten Moment fühlte er nichts außer Kälte und der schon fast unnatürlichen Glätte des weißen Materials; wie Glas und trotzdem vollkommen anders. Dann ...

Etwas ... vibrierte. Tief unter der glatten Kälte des angeblichen Eises pochte eine unterdückte, aber gewaltige Kraft. Als schlüge im Inneren des Berges ein gigantisches eisernes Herz, das im Moment vielleicht noch schlief, aber bald erwachen würde.

»Wir sollten von hier verschwinden«, sagte Trautman. »Hier geht es sowieso nicht weiter.« »Und wer sagt uns, dass es einen anderen Eingang gibt?« »Niemand«, antwortete Trautman und drehte sich herum. Mit einem Male schien er es sehr eilig zu

haben, die Höhle wieder zu verlassen. Trotzdem beherrschte er sich und ging den Weg, den sie gekommen waren, mit gemessenen Schritten zurück. Aber Mike war sicher, dass er am liebsten gerannt wäre.

Plötzlich blieb Trautman wieder stehen und hob die Hand. »Ruhig!«, zischte er. »Da ist etwas!« Mike sah sich alarmiert um – und hätte um ein Haar fast aufgeschrien. Noch vor wenigen Minuten hatten sie vor der Eiswand gestanden und sie waren allein gewesen. Jetzt

standen fünf oder sechs Männer in weißen Felljacken da. Außerdem hatten sie Gewehre in den Händen, mit denen sie in ihre Richtung zielten ...»Lauft!«,schrie Trautman. Keine Sekunde zu früh. Kaum waren sie losgerannt, da klang hinter ihnen ein ganzer Chor wütender

Stimmen auf. Mike konnte nicht genau verstehen, was die Männer schrien, aber er begriff immerhin, dass sie ihnen in deutscher Sprache nachbrüllten, und es gehörte nicht besonders viel Fantasie dazu, sich den Rest zusammenzureimen.

Vor allem nicht mehr, als sie zu schießen begannen. »Stehen bleiben!«, brüllten drei, vier Stimmen gleichzeitig hinter ihnen. »Sofort anhalten!« »Den Teufel werden wir tun!«, keuchte Trautman. »Rennt, was ihr könnt!« Das musste er weder Mike noch Kanuat eigens sagen. Die Soldaten schossen immer heftiger. Einige

Kugeln verfehlten sie so knapp, dass Mike das hässliche Geräusch hören konnte, mit dem sie durch die Luft zischten. Die deutschen Soldaten waren vielleicht keine besonders guten Schützen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie durch einen reinen Zufall getroffen wurden.

Es passierte, als sie den Ausgang fast erreicht hatten. Trautman, der nur wenige Schritte vor ihm herstürmte, taumelte einmal kurz und griff sich mit der Hand an den linken Oberarm. Mike sah, wie Blut zwischen Trautmans Fingern hindurchquoll und seine Jacke dunkel färbte.

»Trautman!«, keuchte er. »Sind Sie –!«

»Das ist nur ein Kratzer!«, schrie Trautman zurück.

»Lauft weiter!«

Endlich waren sie im Freien, stürmten nach links und waren für einen Moment wenigstens aus dem Schussfeld der Soldaten heraus. Vor ihnen lag jetzt wieder ein Gewirr von Eisbrocken und -spalten, in dem es ihnen vielleicht möglich war, ihren Verfolgern zu entgehen.

Trotz seiner Verletzung stürmte Trautman so schnell voran, dass Mike und Kanuat Mühe hatten, Schritt zu halten. Aber Mike machte sich nichts vor: Trautman blutete heftig. Selbst wenn er nicht wirklich schwer verletzt war, würde ihn der Blutverlust rasch schwächen. Sie brauchten einen Ort, an dem sie sich vor den deutschen Soldaten verstecken konnten.

Mittlerweile hatten auch die Soldaten den Tunnel verlassen und eröffneten wieder das Feuer. Das Gelände gab ihnen einigermaßen Deckung, sodass die meisten Schüsse harmlos vorüberpfiffen, aber zwei-oder dreimal spritzten auch in unangenehmer Nähe Splitter aus dem Eis. Dazu kam, dass sie immer wieder auf dem glatten Eis ausrutschten und hinfielen. Aber sie konnten es nicht wagen, langsamer zu werden.

»Da oben!« Kanuat deutete auf eine Stelle vielleicht zehn oder fünfzehn Meter über ihnen, an der ein gezackter Riss die Eiswand spaltete. Dahinter schimmerte Tageslicht. Wenn sie es schafften, dort hinaufzukommen, hatten sie vielleicht eine Chance.

Mike tauschte einen bezeichnenden Blick mit Kanuat. Der Inuit nickte unmerklich. Sie stürmten los, nahmen Trautman in die Mitte und beschleunigten ihre Schritte noch weiter, so gut es auf dem immer steiler werdenden Eis überhaupt möglich war. Trautman keuchte vor Schmerz, tat aber trotzdem sein Möglichstes. Auf dem letzten Stück wurde der Weg so steil, dass sie beinahe auf Händen und Knien kriechen mussten. Aber die schiere Todesangst gab ihnen die Kraft, es irgendwie zu schaffen.

Oben angekommen waren sie so erschöpft, dass sie sich für einen Moment zu Boden sinken lassen mussten, um zu Atem zu kommen. Trautman presste die Hand auf seinen verletzten Arm und biss die Zähne zusammen. Er sagte nichts, aber sein Gesicht war mittlerweile fast grau geworden und trotz der Kälte war sein Gesicht schweißnass.

»Wie geht es Ihnen?«, fragte Mike.

Trautman verzog das Gesicht zu etwas, was ein Lächeln sein sollte. »Ich habe mich selten besser gefühlt«, sagte er. »Warum fragst du?«

»Hört auf zu reden!« Kanuat deutete nach unten. »Sie kommen. Wir müssen weiter!«

»Ich schaffe es nicht«, sagte Trautman. »Lasst mich hier. Ich versuche sie aufzuhalten.«