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„Sie kann nicht weit entfernt sein, das heißt, wenn Sie mir die richtigen Koordinaten angegeben haben. Wahrscheinlich liegt die Stadt hinter dem Kamm im Süden.“
„Wie sollen wir denn dorthin gelangen?“
„Zu Fuß natürlich“, entgegnete Trentnor trocken.
Die Wissenschaftler sagten nichts. Sie mußten sich auf den Piloten verlassen. Trentnor hatte sie so nahe, wie unter den gegebenen Umständen möglich, an das Ziel herangebracht. Mehr konnten sie nicht verlangen.
Die Schotten öffneten sich zischend. Trentnor kletterte als letzter ins Freie und schloß die Öffnungen von außen. Die Bewohner dieses Planeten waren nach dem Bericht der letzten Expedition auf den vierten Zivilisationsgrad zurückgesunken. Trotzdem bestand die Möglichkeit, daß sie sich mit Raumschiffen auskannten. Trentnor verließ den Raumer mit einem unsicheren Gefühl. Er hatte aber den Auftrag, die Wissenschaftler zu begleiten.
Ein kalter Nordostwind pfiff über die Ebene. Die Männer gingen durch knöcheltiefes Moos, das weich nachgab. Unter diesem Moospolster entdeckten sie einen harten Boden, der wie geschmolzenes Gestein und grober Sand aussah. An freien Stellen hatte dieser Untergrund mitunter einen metallischen Schein.
Trentnor hatte selten Angst, aber in dieser Umgebung fühlte er sich nicht wohl. Die öde Landschaft ging ihm auf die Nerven. Er konnte sich vorstellen, daß die in dieser Umgebung lebenden Menschen nicht gerade zu den hochstehenden Kulturen zählten.
Insgeheim lachte er über die Wissenschaftler, die auf einem solchen Stern ein Geheimnis suchten. Wenn es auf diesem öden Planeten je eine Zivilisation gegeben hatte, dann vor unendlich langer Zeit. Zeugen dieser Zivilisation konnten kaum noch vorhanden sein. Der Captain hatte den Eindruck, über einen riesigen Friedhof zu gehen, so vollständig war die Stille. Er entdeckte keine Tiere — keine Vögel, ja nicht einmal Insekten.
Der Boden stieg langsam an. Das war der einzige Wechsel in der öden Umgebung. Was hinter dem Kamm lag, konnte keiner ahnen. Bei der Landung waren in das darunterliegende Tal schon tiefe Schatten gefallen. Es gab keine Bäume, keine Sträucher, nicht einmal die Spuren ehemaliger Straßen, nur primitive Flechten und Moose.
Trentnor hatte viele fremde Planeten besucht, nie aber einen so von allem Leben verlassenen. Er spürte eine ungewisse Angst. Wenn er sich schon fürchtete, wie sollte es da erst den Wissenschaftlern gehen, denen solche Abenteuer fremd waren?
Die Kälte machte den Männern zu schaffen. Der. Wind drang durch ihre Kleidung und machte den Marsch durch die öde Landschaft noch ungemütlicher. Trentnor schritt instinktiv weiter aus, um schneller auf den Kamm zu gelangen.
Es dauerte aber noch geraume Zeit, ehe alle oben standen und auf die weite Ebene hinausblickten. Vor den Mündern der Männer standen kleine Dampfwolken. Sie atmeten alle sehr heftig, weil sie nicht an solche Anstrengungen gewöhnt waren. Es war schon ziemlich dunkel, aber noch hell genug, um die mitten in der Ebene stehende Pyramide erkennen zu können. Es war ein ungeheures, fast erdrückendes Bauwerk. Die riesige Pyramide strahlte ein schwaches Licht aus und hob sich dadurch noch deutlicher vom dunklen Hintergrund ab. Die absolute Stille machte den Eindruck noch überwältigender.
Trentnor, so leicht durch nichts zu erschüttern, war stark beeindruckt. Damit hatte er nicht gerechnet. Die gewaltige Pyramide ragte ungeheuer hoch in den Himmel und verdeckte teilweise die Sterne. Die Spitze war hoch oben in den Wolken verborgen. Es war praktisch ein Gebirge in Pyramidenform. Und doch war es ein künstliches Bauwerk, keine Laune der Natur. Eine Öffnung war nirgends zu entdecken.
„Soll das die Stadt sein, von der die andere Expedition berichtete?“ fragte er rauh.
Tormain nickte. Der Eindruck, den das gewaltige Bauwerk auf ihn machte, verschlug ihm die Sprache. Endlich fand er seine Stimme wieder.
„Der merkwürdige Schein muß ein elektronischer Schutzschild sein. Wir müssen uns vorsichtig verhalten. Die erste Expedition hat leider nichts darüber berichtet. Der Schutzschild kann sehr gut tödliche Wirkung haben.“
„Mag sein.“ Trentnor starrte auf das unheimliche Gebilde. „Aber die Leute hier haben von uns nichts zu befürchten. Auch sonst scheint es mir keine Gefahren zu geben, die ihnen besondere Vorsichtsmaßnahmen abverlangen.“
Das war ganz in Vasseys Sinn gesprochen. Der Wissenschaftler nickte zustimmend. „Sie können recht haben. Allerdings müssen die Bewohner durch irgendein Ereignis zum Bau dieser Pyramide gezwungen worden sein. Eine ungeheure Katastrophe muß den größten Teil der hier lebenden Menschen vernichtet haben. Die Angst vor dem Unglück hat sich über Jahrtausende erhalten.“
„Alles nur Vermutungen“, sagte Trentnor und versuchte, gleichgültig zu wirken. „Der Bau da jagt mir jedenfalls einen Schauer über den Kücken. Sie haben mich auf einen Gedanken gebracht, Vassey. Als die Bewohner dieses Planeten die gewaltige Pyramide bauten, mußten sie von der bevorstehenden Katastrophe gewußt haben. Vielleicht sollte ein Teil überleben und später einmal eine neue Zivilisation aufbauen. Ich frage mich, ob die Nachkommen der Überlebenden nur in der Pyramide wohnen oder sich auch hier draußen aufhalten.“
Tormain sah sich um. „Es sieht nicht so aus. In diesem Fall müßte es Anzeichen landwirtschaftlicher Betätigung geben.“
„Wir müssen hinunter und der Sache auf den Grund gehen“, sagte Trentnor entschlossen. „Spekulationen bringen uns keinen Schritt weiter.“
Vassey marschierte schon los. Die anderen folgten ihm. Je tiefer sie hinabstiegen, desto überwältigender wurde der Eindruck der gewaltigen Pyramide. Trentnor blickte immer wieder zu dem riesigen Bauwerk auf. Er konnte nicht fassen, daß die Pyramide tatsächlich Menschenwerk sein sollte.
Er fühlte sich nicht wohl bei der Sache, vermochte aber nicht zu sagen, was ihn besonders störte. Es war ein unbestimmtes, aber nicht zu verdrängendes Gefühl.
„Kein Eingang zu sehen!“ rief er den anderen zu.
„Wir müssen alle Seiten untersuchen“, antwortete Tormain. Auch ihm saß die Angst im Nacken, und er suchte nach einem Ventil. „Es muß einen Eingang geben, sonst wären die Mitglieder der ersten Expedition nicht in die Pyramide gelangt.“
„Vielleicht konnten sie hinein, weil die Bewohner es wollten.“
„Unsinn!“ Vassey war ganz bei der Sache. Das riesige Bauwerk fesselte ihn. Er wollte die Nachkommen der Erbauer möglichst schnell sehen.
Sie marschierten um die Pyramide herum. Trentnor wurde noch ungemütlicher zumute. Der sechzehnte Grad war die höchste Zivilisationsstufe, von der er je gehört hatte. Bestimmt verfügten die Erben dieser Zivilisation noch über ungewöhnliche Mittel. Die Pyramide war ein Rätsel. Welche Katastrophe hatte die Erbauer eines solchen Wunders so dezimiert, alle anderen Spüren der Zivilisation so gründlich ausgelöscht, daß nur noch der weiße Riesenbau in den Himmel ragte?
Eine halbe Stunde später entdeckten sie einen dunkel gähnenden Eingang. Der Schutzschild war an dieser Stelle unterbrochen. Sie spähten vorsichtig in das Innere des gigantischen Bauwerkes, konnten aber nichts erkennen.
„Gehen wir nun hinein?“ Trentnor grinste, obwohl ihm gar nicht danach zumute war. Er wünschte sich weit weg von der unheimlichen Pyramide und den Rätseln, die sie womöglich barg.
„Der Schutzschild scheint an dieser Stelle unterbrochen zu sein“, sagte Vassey zögernd. „Ich glaube, wir sollten es wagen. Schließlich sind wir deshalb hergekommen. Wir haben Waffen bei uns. Ich glaube aber nicht, daß wir sie werden benutzen müssen.“
Vassey wagte sich zuerst hinein, die anderen folgten ihm einer nach dem anderen, jeder mit einem flauen Gefühl in der Magengegend.
Sie entdeckten einen langen Korridor. Die Decke wurde von unzähligen Leuchtkörpern angestrahlt. Die kugelförmigen Lichtquellen waren so angeordnet, daß nicht der geringste Schatten entstand.