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Nun, es gab keinen anderen Weg des Wiederaufbaus, die alten, hinfälligen Methoden zu reformieren und sich mit den Gedanken an den Reichtum vertraut zu machen, der auf sie wartete. Jetzt aber beruhigte es ihn außerordentlich, in seinem Garten zu liegen, während große, goldene Blumen rings um ihn im Wind nickten und die Sommerluft mit ihrem einschläfernden Geruch erfüllten, hie und da ein honigsuchendes Insekt vorübersummte und ein neues Gedicht in seinem Kopf entstand.

Die Solarier schienen Schwierigkeiten zu haben, eine ganze Rasse von Dichtern zu verstehen, wo selbst der dümmste Cundaloaner sich in die Sonne legen und Gedichte machen konnte — nun, jede Rasse hat ihre besonderen Eigenschaften. Wer konnte sich mit dem technischen Genie messen, das die Menschen ihr eigen nannten?

Die gewaltig sich emporschwingenden, singenden Zeilen donnerten in seinem Kopf. Er betrachtete sie von allen Seiten, polierte an ihnen und formte jede Silbe, ehe er sie mit wachsender Freude zu einem Ganzen webte. Es würde gut werden! Man würde sich daran erinnern und es noch nach einem Jahrhundert singen, und man würde Valka Vahino nicht vergessen. Vielleicht feierte man ihn sogar als einen Meister der Versschmiedekunst — Alia Amaui cauian-riho, valana, valana, vro!

„Entschuldigen Sie, Herr.“ Die leblose, metallische Stimme bohrte sich in sein Gehirn. Er fühlte, wie das zarte Gewebe seines Gedichtes zerriß und in Dunkelheit und Vergessen gewirbelt wurde. Einen Augenblick lang spürte er nichts als den Schmerz seines Verlustes, und er erkannte dumpf, daß die Unterbrechung etwas zerstört hatte, was er nie wieder ganz würde erschaffen können.

„Entschuldigen Sie, Herr, aber Mr. Lombard möchte Sie sehen.“

Es war ein Schallstrahl des Robo-Empfangschefs, den Lombard selbst Vahino gegeben hatte. Der Cundaloaner erkannte wohl, daß das glänzende Metallgerät nicht zwischen das geschnitzte Holz und die alten Wandteppiche seines Hauses paßte, aber er hatte den Spender nicht beleidigen wollen — außerdem war das Ding nützlich.

Lombard, Chef der solaren Wiederaufbaukommission, der wichtigste Mensch im System von Avaiki — Vahino wußte die Höflichkeit des Mannes zu schätzen, der ihn aufsuchte, anstatt ihn rufen zu lassen. Bloß — warum mußte er gerade in diesem Augenblick kommen?

„Sag Mr. Lombard, daß ich in einer Minute fertig bin!“

Vahino betrat durch den Hintereingang das Haus und zog sich an. Dann ging er ins Vorzimmer. Zur Bequemlichkeit der Terraner, die nicht gern auf einer geflochtenen Matte hockten, hatte er einige Sessel aufstellen lassen.

Lombard erhob sich, als Vahino eintrat.

* * *

Der Mensch war klein und gedrungen, mit einem dichten Büschel grauer Haare über einem zerfurchten Gesicht. Er hatte sich vom Arbeiter zum Ingenieur und weiter zum höchsten Bevollmächtigten von Sol auf Cundaloa emporgearbeitet, und die Zeichen dieses Kampfes fanden sich noch an ihm. Er ging an Arbeit mit einem fast persönlichen Ungestüm heran und konnte härter sein als Edelstahl. Aber meistens war er angenehm. Er besaß erstaunlich viele Interessen und ein großes Wissen und hatte für das Avaikisystem Wunder vollbracht.

„Friede über deinem Haus, Bruder“, grüßte Vahino.

„Wie geht’s“, antwortete der Solarier. Als sein Gastgeber nach Dienern rufen wollte, fuhr er hastig fort: „Bitte, nichts von eurer rituellen Gastfreundlichkeit! Ich schätze sie, aber wir haben einfach keine Zeit, uns zu einer Mahlzeit niederzulassen und drei Stunden über kulturelle Angelegenheiten zu unterhalten, bevor wir zur Sache kommen.

Ich wünschte — hm, Sie sind ein Eingeborener hier und ich nicht; daher möchte ich, daß Sie persönlich durchsickern lassen — taktvoll natürlich —, daß dies eingestellt wird.“

„Aber — das ist einer unserer ältesten Bräuche…“

„Das ist es ja gerade! Alt, überholt, fortschrittsfeindlich.

Ich möchte nicht geringschätzig wirken, Mr. Vahino. leb wollte, wir Solarier hätten einige Bräuche, die so bezaubernd sind wie eure. Aber — nicht während der Arbeitszeit.

Bitte!“

„Gut — ich wage zu sagen, daß du recht hast. Es paßt nicht in eine moderne, industrielle Zivilisation. Und eine solche versuchen wir ja aufzubauen.“ Vahino nahm Platz und bot seinem Gast eine Zigarette an. Rauchen war eines der charakteristischen Laster von Sol, vielleicht das anstekkendste, sicher aber das am leichtesten zu verteidigende.

Vahino zündete seine mit dem Vergnügen des Anfängers an.

„Richtig! Genau! Und deswegen kam ich auch zu Ihnen, Mr. Vahino. Ich bringe keine besonderen Klagen, aber es hat sich ein ganzer Berg kleinerer Schwierigkeiten angehäuft, mit denen ihr Cundaloaner selbst fertig werden könnt, es sind eure Angelegenheiten, in die wir uns nicht mischen wollen. Aber ihr müßt einige Veränderungen durchführen, sonst können wir euch nicht helfen.“

Vahino vermutete in etwa, was nun kommen würde. Er hatte es schon seit einiger Zeit erwartet und konnte nichts dagegen tun. Aber er sog noch einmal an der Zigarette, blies den Rauch langsam von sich und hob höflich fragend die Augenbrauen. Dann erinnerte er sich daran, daß die Solarier nicht gewöhnt waren, Mimik als Teil der Sprache anzusehen, und sagte laut: „Bitte, sprich frei heraus. Ich weiß, daß du mich nicht beleidigen willst.“

„Gut.“ Lombard beugte sich vor und knetete nervös seine abgearbeiteten Hände. „Es ist eine Tatsache, daß eure ganze Kultur, eure Psychologie nicht in eine moderne Zivilisation paßt. Man kann sie zwar verändern, aber die Veränderungen müssen umwälzend sein. Ihr könnt es tun: Gesetze erlassen, Propagandafeldzüge starten, das Erziehungssystem reformieren und so weiter. Aber es muß getan werden.

Diese Siesta zum Beispiel. In diesem Augenblick dreht sich in dieser Zeitzone des Planeten kaum ein Rad, kaum eine Maschine wird betreut, kaum ein Mensch arbeitet. Sie liegen alle in der Sonne, machen Gedichte, summen Lieder oder träumen einfach. Eine ganze Zivilisation muß aufgebaut werden, Vahino! Da warten Pflanzungen, Bergwerke, Fabriken, Städte darauf, errichtet zu werden — das alles kann man nicht mit vier Stunden Arbeit pro Tag schaffen.“

„Nein. Aber vielleicht besitzen wir nicht die Energie deiner Rasse.“

„Ihr müßt es eben lernen, es muß ja nicht gleich in Schwerarbeit ausarten. Das Endziel der Mechanisierung eurer Kultur ist, euch von physischer Arbeit und der Ungewißheit der Abhängigkeit von der Scholle zu befreien.

Und eine mechanische Zivilisation kann nicht mit so vielen alten Ansichten, Ritualen, Bräuchen und Traditionen vollgestopft sein, wie es die eure ist. Dafür gibt es keine Zeit.

Das Leben ist zu kurz. Ihr seid noch immer wie die Skontarier, die ihre dummen Speere mit sich schleppen, nachdem sie längst schon ihre praktische Bedeutung verloren haben.“

„Tradition macht erst das Leben aus — ist die Bedeutung des Lebens…“

„Die Maschinenkultur hat ihre eigenen Traditionen. Ihr werdet es erfahren. Sie hat ihre eigene Bedeutung, und ich glaube, es ist die Bedeutung der Zukunft. Wenn ihr darauf besteht, an euren überholten Gewohnheiten festzuhalten, werdet ihr nie die Geschichte einholen. Euer Währungssystem, zum Beispiel…“

„Es ist praktisch.“

„Auf seine Weise; aber wie könnt ihr mit Sol Handel treiben, wenn eure Kredite auf Silber beruhen, während sich die Sol auf eine abstrakte, statistische Größe beziehen?

Für Handelszwecke werdet ihr euer System anpassen müssen — daher könnt ihr es gleich auch daheim ändern. Genauso müßt ihr das metrische System einführen, wenn ihr unsere Maschinen verwenden und euch unseren Wissenschaftlern verständlich machen wollt. Weiter werdet ihr — ach, einfach alles einführen müssen!

Dann eure Gesellschaft! — Kein Wunder, daß ihr nicht einmal die Planeten eures eigenen Systems besiedelt habt, wenn jeder darauf besteht, an seinem Geburtsort begraben zu werden. Es ist eine nette Gefühlsduselei, aber auch nicht mehr, und ihr werdet euch davon trennen müssen, wenn ihr die Sterne erreichen wollt.

Sogar eure Religion — entschuldigen Sie — aber Sie müssen erkennen, daß sie viele Elemente enthält, deren Unwahrheit die moderne Wissenschaft bewiesen hat.“

„Ich bin Agnostiker“, warf Vahino ruhig ein. „Aber die Religion von Mauiroa bedeutet vielen Leuten sehr viel.“

„Wenn das Hohe Haus uns einige Missionare schicken läßt, können wir sie zum Beispiel zum Neopantheismus bekehren, der meiner Ansicht nach sehr persönliche Befriedigung bietet und sicherlich mehr wissenschaftlich fundiert ist als eure Mythologie. Wenn Ihr Volk schon einen Glauben haben muß, dann darf er nicht mit den Tatsachen in Konflikt geraten, die die Erfahrungen in einer modernen Technologie mit sich bringen.“

„Vielleicht. Und ich nehme an, daß unser Familiensystem zu komplex und starr für eine moderne, industrielle Gesellschaftsform ist — ja, ja — es steckt mehr dahinter als nur eine einfache Umstellung auf Maschinen.“

„Sicher. Damit muß eine vollständige Umwälzung auf geistigem Gebiet Hand in Hand gehen.“ Dann fügte Lombard sanft hinzu: „Es wird ja nicht alles auf einmal geschehen. Gleich nachdem euch Allan verließ, habt ihr bereits Raumschiffe und Atomkraftwerke gebaut. Ich möchte nur vorschlagen, den Prozeß ein wenig zu beschleunigen.“

„Und die Sprache…“

„Nun, ohne Chauvinismus frönen zu wollen, glaube ich, daß allen Cundaloanern Solarisch gelehrt werden sollte.

Irgendwann in ihrem Leben werden sie es gebrauchen können. Eure Wissenschaftler und Techniker brauchen die Sprache ohnedies in ihrem Beruf. Die Sprachen von Laui und Muara und all die anderen sind schön, aber sie eignen sich nicht für wissenschaftliche Begriffsbildungen. Allein schon die Agglutination… Ehrlich, eure philosophischen Bücher kommen mir wie Kauderwelsch vor. Schön, aber fast sinnlos. Eurer Sprache mangelt es an — Präzision.“

„Aracles und Vranamaui wurden immer für Meister des kristallklaren Gedankens gehalten“, entgegnete Vahino müde. „Und ich gestehe, daß ich euren Kant und Russell und sogar Korzybski nicht verstehe, aber mir mangelt es ja auch an Training in dieser Richtung. Ohne Zweifel hast du recht. Die jüngere Generation wird sicher mit dir einer Meinung sein. Ich werde mit dem Hohen Haus sprechen, und vielleicht gelingt es mir, etwas zu veranlassen. Doch auf jeden Fall wirst du nicht viele Jahre zu warten brauchen. Alle unseren jungen Männer streben danach, es euch recht zu machen.

Das ist der Weg zum Erfolg.“

„Das stimmt“, bekräftigte Lombard und fuhr sanft fort: „Manchmal wünsche ich, daß Erfolg nicht mit einem so hohen Preis bezahlt werden muß. Aber Sie brauchen sich nur Skontar anzusehen, um zu erkennen, wie notwendig es ist.“

„Wieso — sie haben in den vergangenen drei Jahren Wunder vollbracht. Nach der großen Hungersnot haben sie sich erholt, bauen ganz allein wieder auf und haben sogar Erkundungsschiffe zu den Sternen geschickt, die nach Kolonien suchen.“ Vahino lächelte verzerrt. „Ich liebe unsere ehemaligen Feinde nicht, muß sie aber bewundern.“

„Sie sind mutig“, gab Lombard zu. „Aber was nützt Mut allein? Sie mühen sich mit einer Menge veralteter Dinge ab. Bereits jetzt ist die Gesamtproduktion von Cundaloa dreimal so groß wie die ihre. Ihre interstellare Kolonisation ist nichts als ein schwacher Versuch einiger weniger hundert Leute. Skontar bleibt zwar am Leben, wird aber immer nur eine Macht zehnter Größe bleiben. Bald wird es ein Satellitenstaat Cundaloas werden. Dies liegt nicht daran, daß es ihnen an den Möglichkeiten fehlt — im Gegenteil.

Aber sie haben uns unser Hilfsangebot praktisch vor die Füße geworfen und sich vor dem Einfluß der galaktischen Zivilisation isoliert. Ja, sie versuchen sogar, wissenschaftliche Theorien zu entwickeln und anzuwenden, die wir seit hundert Jahren kennen, und kommen dabei so weit vom richtigen Weg ab, daß man darüber lachen müßte, wäre es nicht so bemitleidenswert. Ihre Sprache ist so wie die eure einfach für wissenschaftliche Gedanken nicht geeignet, und sie schleppen zuviel traditionellen Ballast mit sich herum.

Ich habe einige Raumschiffe gesehen, die sie selbst entworfen haben, anstatt solare Modelle nachzubauen, und sie sind einfach lächerlich. Dutzende verschiedener Versuche, die richtige Form zu finden, die wir seit langem verwenden. Kugeln, Ellipsoide, Würfel — ich habe sogar gehört, daß jemand glaubt, ein Tetraederschiff bauen zu können!“

„Es wäre eine Möglichkeit“, überlegte Vahino. „Die Riemannsche Geometrie, auf der der interstellare Antrieb basiert, würde…“