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„Nein, nein! Das hat man schon auf der Erde ausprobiert und gefunden, daß es nicht funktioniert. Nur ein verschrobener Mensch — und in der Isolation müssen die Wissenschaftler von Skontar ja verschroben werden — hielte das für möglich.

Wir Menschen haben bloß Glück gehabt, das ist alles.

Sogar wir konnten auf eine lange Geschichte zurückblikken, als endlich eine Kultur mit einer Geisteshaltung entstand, die für eine wissenschaftliche Zivilisation Voraussetzung ist. Zuvor gab es fast keinen technologischen Fortschritt; danach aber erreichten wir die Sterne. Andere Rassen können es uns gleichtun, aber zuerst müssen sie eine geeignete Zivilisation und eine geeignete Geisteshaltung annehmen — und ohne unsere Hilfe ist es nicht wahrscheinlich, daß Skontar oder irgendein anderer Planet diese Errungenschaften vor Ablauf vieler Jahrhunderte erreicht.“

„Da fällt mir ein…“ Lombard kramte in einer Tasche.

„Ich habe hier eine Zeitschrift von einer der skontarischen philosophischen Gesellschaften. Eine gewisse Verbindung besteht ja noch zwischen uns; es existiert von keiner der beiden Seiten eine offizielle Sperre — Sol hat Skontar einfach als unbelehrbar aufgegeben. Wie dem auch sei“ — er zog ein Magazin hervor —, „sie haben da einen Philosophen, Dyrin, der eine neue Arbeit über Semantik veröffentlicht und damit viel Aufsehen erregt hat. Sie können doch Skontarisch, nicht?“

„Ja“, antwortete Vahino. „Ich war während des Krieges bei der Abwehr. Lassen Sie sehen…“ Er blätterte in der Zeitschrift, bis er den Artikel fand, und begann, laut zu übersetzen: „Die früheren Berichte des Schreibers zeigen, daß das Prinzip des Nicht-Elementarismus an sich nicht universell ist, sondern gewissen psychomatischen Vorbehalten unterworfen sein muß, die sich aus der Betrachtung des Broganar-Feldes — das ist ein Wort, das ich nicht verstehe — ergeben, das sich an elektronische Wellenkerne anschließt und…“

„Was ist das für ein Geschwätz?“ explodierte Lombard.

„Ich weiß nicht“, antwortete Vahino ratlos. „Der skontarische Geist ist mir so fremd wie Ihnen.“

„Unsinn“, stellte Lombard fest, „mit einer ordentlichen Portion des alten, skontarischen Zur-Hölle-mit-dir-Dogmatismus vermengt.“ Er warf das Magazin in die kleine, bronzene Feuerschale, wo es bald von den Flammen ergriffen wurde. „Völliger Blödsinn, wie jeder mit nur den geringsten Kenntnissen von allgemeiner Semantik oder sogar bloß mit einem Funken Hausverstand sehen kann.“ Er lächelte verzerrt und ein wenig traurig und schüttelte den Kopf. „Eine Rasse von Verrückten!“

* * *

„Ich möchte, daß du morgen einige Stunden für mich Zeit hast“, sagte Skorrogan.

„Das läßt sich schon einrichten.“ Thordin XI. Valtam des Reiches von Skontar, nickte, dessen Mähne bereits recht schütter geworden war. „Obwohl es mir nächste Woche besser paßte.“

„Morgen — bitte!“

Man konnte die Dringlichkeit in der Stimme nicht überhören. „Na, schön“, stimmte Thordin zu. „Aber was ist los?“

„Ich möchte mit dir einen kleinen Abstecher nach Cundaloa machen.“

„Warum ausgerechnet dorthin und unbedingt morgen?“

„Ich werde es dir sagen — morgen.“ Skorrogan neigte sein Haupt, das von einer zwar noch dichten, aber schneeweißen Mähne umrahmt war, und schaltete seinen Bildschirm ab. Thordin lächelte etwas verwirrt. Skorrogan war auf manche Weise ein eigenartiger Kauz. Aber — nun — wir alten Männer müssen zusammenhalten, denn eine neue Generation sitzt uns auf den Fersen, und dahinter wartet schon wieder eine andere.

Es bestand kein Zweifel, daß die dreißig Jahre, in denen Skorrogan geächtet worden war, ihn verändert hatten. Aber wenigstens konnten sie ihn nicht verbittern. Als der langsame Aufstieg Skontars so deutlich erkennbar war, daß man seinen Fehler vergessen konnte, war er vom Kreis seiner Freunde langsam wieder aufgenommen worden. Er lebte noch immer viel allein, war aber nicht länger geächtet, wenn er wohinkam. Besonders Thordin hatte entdeckt, daß ihre alte Freundschaft wieder so schön sein konnte wie zuvor, und er suchte oft die Burg von Kraakahaym oder Skorrogan den Palast auf. Er hatte dem alten Adeligen sogar wieder seine Stellung im Hohen Rat angeboten, was ihm aber abgeschlagen wurde. Weitere zehn — oder waren es zwanzig — Jahre vergingen, während der Skorrogan nur seine ererbten Pflichten als Herzog ausübte, bis er jetzt auf einmal so etwas wie eine Gunst erbat. Ja, ich werde morgen seinem Wunsch entsprechen. Zum Teufel mit der Arbeit! Auch Monarchen verdienen Urlaub.

Thordin erhob sich von seinem Sessel und hinkte an das große Fenster. Die endokrinen Behandlungen wirkten Wunder gegen seinen Rheumatismus, aber ihre Wirkung war noch nicht vollkommen. Er schauderte ein wenig, als er in das Schneetreiben im Tal blickte. Der Winter stand wieder einmal vor der Tür.

Die Geologen behaupteten, daß Skontar einer neuen Eiszeit entgegensähe, aber so weit würde es nicht kommen. In einem weiteren Jahrzehnt würden die Klimaingenieure ihre Techniken vervollkommnet haben und imstande sein, die Gletscher in den Norden zurückzutreiben. Doch jetzt war es kalt und weiß draußen, und der Wind heulte bitter um die Türme des Palastes.

Auf der südlichen Halbkugel war jetzt Sommer, die Felder grünten, und Rauch stieg aus den Häusern in den warmen, blauen Himmel. Unter wessen Leitung war das wissenschaftliche Team gestanden? — Ach ja, es war Aesgayr Haastings Sohn. Seine Arbeit über Ackerbau und Genetik hatte es einer Gruppe von Kleinbauern ermöglicht, für die neue, wissenschaftliche Zivilisation genug Nahrungsmittel zu erzeugen. Das alte Freisassentum, das Rückgrat Skontars während seiner ganzen Geschichte, war nicht ausgestorben.

Andere Dinge hatten sich natürlich verändert. Thordin lächelte mühsam, als er sich überlegte, wie sehr sich das Valtamat in den letzten fünfzig Jahren gewandelt hatte.

Dyrins Arbeiten über allgemeine Semantik, die für alle Wissenschaften von fundamentaler Bedeutung waren, hatten zu den neuen psychosymbologischen Techniken des Regierens geführt. Skontar war nur noch, dem Namen nach ein Reich. Er hatte das Paradoxon eines liberalen Staates durch eine nichtgewählte, wirksame Regierung ersetzt, was zum Besten des Planeten diente, und worauf auch die vergangene, skontarische Geschichte mühsam hingearbeitet hatte. Aber die neue Wissenschaft beschleunigte den Prozeß und komprimierte Jahrhunderte der Entwicklung in zwei kurze Generationen. Es schien eigenartig, daß, obwohl die physikalischen und biologischen Wissenschaften sich fast unglaubhaft rasch entwickelt hatten, die Künste, Musik und Literatur kaum einer Wandlung unterworfen waren, daß Handarbeit überlebt hatte, und das alte Hochnaarhaym immer noch gesprochen wurde.

Nun, so war es eben. Thordin begab sich zu seinem Tisch zurück. Die Arbeit rief. Da war die Sache mit der Kolonie auf Aesriks Planeten. — Man konnte nicht erwarten, daß mehrere hundert blühende interstellare Kolonien klaglos zu regieren seien. Aber es hatte nichts zu bedeuten.

Das Reich war sicher. Und es wuchs.

Sie hatten einen weiten Weg zurückgelegt seit den Tagen der Verzweiflung, des Hungers, der Krankheit und der Zerstörung vor fünfzig Jahren. Einen langen Weg — Thordin fragte sich, ob selbst er den Fortschritt richtig erkannte.

Er nahm den Mikroleser zur Hand und begann zu lesen.

Mit Hilfe seines geistigen Trainings arrierte er den Stoff.

Zwar beherrschte er die neuen Techniken nicht so gut wie die Männer der jüngeren Generation, die von Geburt an daran gewöhnt waren, aber das Arrieren war eine wunderbare Hilfe, die Integration in seinem Unterbewußtsein durchzuführen und die Möglichkeiten erkennen zu lassen. Er fragte sich, wie er wohl die alten Zeiten des logischen Schließens auf rein bewußter Ebene überleben hatte können. Thordin kam knapp vor den Mauern der Burg von Kraakahaym aus der Raumfalte. Skorrogan hatte diese Stelle bestimmt, weil er die Aussicht liebte, die sich von dort aus bot. Sie war großartig, dachte der Valtam, aber schwindelerregend: Ein Katarakt zerklüfteter, grauer Klippen und windgepeitschter Wolken, der bis in das tief unten liegende, grüne Tal reichte. Über ihm ragten drohend die alten Zinnen auf, über denen krächzend die schwarzgeflügelten Kraakar schwebten, die dem Ort seinen Namen verliehen hatten. Der Wind tobte brüllend um ihn und trieb trockenen, weißen Schnee vor sich her.

Die Wachen hoben grüßend die Speere. Sonst waren sie waffenlos, und die Vortex-Kanonen auf den Wällen der Burg rosteten bereits. Im Herzen des Reiches, das nur noch von den Besitzungen Sols übertroffen wurde, bedurfte man keiner Waffen. Skorrogan stand wartend im Vorhof. Die fünfzig Jahre hatten nicht vermocht, seinen Rücken stark zu krümmen, oder die wilde, goldene Lebenskraft aus seinen Augen zu nehmen. Heute schien es Thordin jedoch, daß der Alte von einer angespannten, inneren Begierde erfüllt war, als sehe er dem Ende einer langen Reise entgegen. Skorrogan begrüßte ihn formell und forderte ihn auf, einzutreten. „Nicht jetzt, danke!“ wehrte Thordin ab. „Ich habe wirklich viel zu tun und möchte sofort abfliegen.“

Der Herzog murmelte die offizielle Redewendung des höflichen Bedauerns, aber es war offensichtlich, daß er es begrüßte, nicht eine Stunde in der Burg vertrödeln zu müssen.

„Dann komm bitte!“ sagte er. „Mein Kreuzer ist startbereit.“ Er befand sich hinter dem Gebäude auf einer Startrampe.

Es war ein schmuckes, kleines Robo-Schiff in Tetraederform. Sie traten ein und nahmen auf den Sitzen in der Mitte Platz.

„Willst du mir vielleicht jetzt sagen, warum du heute Cundaloa aufsuchen möchtest?“ fragte Thordin.

Skorrogan warf ihm einen Blick zu, in dem der alte Schmerz durchschimmerte. „Heute“, begann er langsam, „ist es genau fünfzig Jahre her, daß ich von Sol zurückgekehrt bin.“

„Ja…?“ Thordin war erstaunt und fühlte sich etwas unbehaglich. Es paßt gar nicht zu dem wortkargen Alten, die vergessene Sache wieder aufzuwärmen.

„Du wirst dich wahrscheinlich nicht mehr daran erinnern“, fuhr Skorrogan fort, „aber wenn du es aus deinem Unterbewußtsein vargen willst, wirst du wissen, daß ich damals sagte, man solle sich in fünfzig Jahren bei mir entschuldigen kommen.“

„Du willst dich also jetzt rechtfertigen.“ Thordin war nicht überrascht — es war typisch skontarische Psychologie — aber er fragte sich noch immer, was es zu entschuldigen gab.

„Das will ich. Damals konnte ich keine Erklärung abgeben, weil mir niemand geglaubt hätte; und außerdem war ich mir selbst nicht sicher.“ Skorrogan lächelte, und seine schlanken Hände bedienten die Kontrollen. „Jetzt bin ich es. Die Zeit gab mir recht, und ich will meine damals verlorene Ehre wiedererlangen, indem ich dir heute zeige, daß ich nicht wirklich versagt habe. Im Gegenteil, ich hatte Erfolg. Ich stieß die Solarier nämlich absichtlich vor den Kopf.“

Er drückte den Startknopf, und das Schiff überwand die Entfernung von einem halben Lichtjahr. Die große blaue Kugel Cundaloa rollte majestätisch, sanft leuchtend vor dem Hintergrund von Millionen strahlender Sterne.

Thordin saß reglos da und ließ die einfache und erschütternde Behauptung durch alle Ebenen seines Geistes dringen. Seine erste, emotionelle Reaktion war die ziemlich überraschende Erkenntnis, daß er etwas Ähnliches erwartet hatte. Tief im Inneren hatte er nie geglaubt, daß Skorrogan unfähig sein könne.

Dafür aber — nein, kein Verräter. Aber — was sonst? Was hatte er bezweckt? War er all diese Jahre nicht bei Verstand gewesen? Oder… „Du warst seit dem Krieg nicht oft auf Cundaloa, oder…?“ fragte Skorrogan.

„Nein, nur dreimal wegen dringlicher Geschäfte. Es ist ein blühendes System. Die Hilfe von Sol hat es wieder auf die Beine gestellt.“

„Blühend — ja, ja, das ist es.“ Einen Augenblick lang zuckte ein Lächeln um Skorrogans Mundwinkel, aber es war ein trauriges Lächeln; so als wollte, doch konnte er nicht weinen. „Ein geschäftiges, erfolgreiches, kleines System mit ganzen drei Kolonien unter den Sternen.“

Mit einer plötzlichen, zornigen Bewegung hieb er auf die Kurzstreckenkontrollen, und das Schiff gelangte durch eine Raumfalte auf die Oberfläche. Es landete in einer Ekke des großen Raumhafens bei Cundaloa City, und die Robots an der Rampe gingen daran, es zu sichern und einen Schutzschirm darum zu legen.

„Was nun?“ flüsterte Thordin. Plötzlich empfand er leichte Furcht; er wußte unbestimmt, daß ihm das, was er zu sehen bekommen, nicht gefallen würde. „Nur ein kleiner Spaziergang durch die Hauptstadt“, antwortete Skorrogan, „und vielleicht einige Abstecher in die Umgebung. Ich möchte, daß wir ganz inoffiziell und inkognito bleiben, denn das ist die einzige Möglichkeit, die Wirklichkeit und den Alltag zu erleben, was viel wichtiger und aufschlußreicher ist, als statistisches und wirtschaftliches Material. Ich möchte dir zeigen, wovor ich Skontar bewahrt habe.“ Wieder lächelte er verzerrt. „Ich gab mein Leben für meinen Planeten, Thordin. Jedenfalls fünfzig Jahre davon — fünfzig Jahre der Einsamkeit und der Schande.“

* * *

Sie traten in den Lärm der großen Stahl- und Betonebene hinaus und begaben sich zum Ausgang, wo der Strom von Wesen der verschiedensten Rassen nie versiegte. Viele Menschen, die geschäftlich oder zum Vergnügen Avaiki besuchten, aber den Großteil der Menge machten natürlich die eingeborenen Cundaloaner aus. Manchmal fiel es nicht leicht, sie von den Menschen zu unterscheiden — die beiden Rassen glichen einander ja auch sehr —, und da die Cundaloaner solare Kleidung trugen… Von dem Stimmengewirr etwas verwirrt, schüttelte Thordin den Kopf. „Ich verstehe nichts“, rief er Skorrogan zu. „Ich kann Cundaloanisch, sowohl den Laui- wie auch den Muaradialekt, aber…“

„Natürlich nicht“, klärte ihn Skorrogan auf. „Die meisten sprechen auch Solarisch. Die Eingeborenensprachen sterben rasch aus.“

Ein untersetzter Solarier, in auffallende Farben gekleidet, brüllte einen unbewegt vor seinem Geschäft stehenden Ladenbesitzer an: „Hallo, du mir geben Souvenir, ha?“

„Pidgin-Solarisch.“ Skorrogan zog eine Grimasse.

„Ebenfalls im Aussterben, weil ja alle jungen Cundaloaner die Sprache von Grund auf lernen. Aber die Touristen sind unverbesserlich.“ Er blickte finster, und seine Hand zuckte zum Strahler.