122716.fb2 Experiment mit dem Tod - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 11

Experiment mit dem Tod - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 11

»Ich sagte, ich weiß noch gar nicht, ob ich morgen in den Zoo gehen kann.«

»Warum nicht?«

»Cap Anson wird morgen vorbeikommen.«

Doris runzelte die Stirn und nahm die Schürze ab. »Wie kam es denn zu der Verabredung?«

»Ganz einfach. Er sagte, er kommt vorbei, und ich konnte nicht gut nein sagen.«

»Wieso nicht? Das ist doch leicht auszusprechen.«

»Ich konnte es nicht. Nicht Cap Anson gegenüber. Du weißt doch, wie er ist.«

»Ja, aber deshalb billige ich das noch lange nicht. Es ist sein Buch, nicht deins. Warum sollst du dich dafür abrackern?«

»Weil es ein interessantes Buch sein wird, wenn es fertig ist; ein wichtiges Buch. Ich bin sogar stolz darauf, dass ich ihm behilflich sein kann.«

»Nun, dann kommt er eben ein andermal.« »Ich habe ihn jetzt schon zweimal versetzt, Doris.« »Zweimal?« »Zuerst gestern abend. Ich war mit ihm um fünf Uhr verabredet, und du weißt, wie sehr er auf Pünktlichkeit achtet. Und ich war nicht da.« Doris zuckte die Achseln und begann in der Fernsehzeitung zu blättern. »Das war keine Tragödie. Er hat Virginia ja den Text gegeben.« »Ich weiß. Aber er war sicher sehr enttäuscht. Er betrachtet Unpünktlichkeit als einen persönlichen Affront.«

»Er machte einen ganz normalen Eindruck«, sagte Doris ungerührt. »Ich habe ihn durch die Fliegendrahttür beobachtet, wie er Ginny den Umschlag gab, und da sah er gar nicht verärgert aus oder so.« »Nun, er war gekränkt, ob man's ihm angemerkt hat oder nicht. Und dann war er heute morgen um zehn in meinem Arbeitszimmer, gleich nach meiner Vorlesung, und ich hatte den Text nicht gelesen, und da hat man ihm deutlich angesehen, dass er gekränkt war.« »Hältst du es nicht für etwas verständnislos von ihm, dass er erwartet, alles ginge so weiter wie früher, nachdem einer deiner Studenten einen tödlichen Unfall gehabt hat?«

»Natürlich ist es verständnislos von ihm, aber er ist ein alter Mann, und die Chemie ist sein Lebensinhalt. Was Ralph passiert ist, war ihm gleichgültig, und deshalb konnte ich nicht ablehnen, als er sagte, er kommt morgen früh vorbei.«

»Trotzdem wirst du Virginia mitnehmen müssen. Sie freut sich schon die ganze Woche darauf. Und sag nicht, ich soll mit ihr hingehen. Ich habe einen Berg Wäsche, mit dem ich wahrscheinlich sowieso nicht fertig werde.«

»Na schön«, sagte Brade, »ich rufe Cap heute abend noch an und sage ihm, er soll um neun kommen. Vor elf mit Ginny zum Zoo gehen, hat keinen Sinn, es ist wahrscheinlich noch viel zu kalt, und dann hätte ich zwei Stunden Zeit für Cap.«

Doris ging nicht direkt darauf ein. Sie wandte sich dem Fernsehapparat zu und sagte mit einem Seufzer: »Es ist eine lahme Show, und ich bin gar nicht in der Stimmung dazu, aber ich muss irgend etwas sehen.« »Was bringen denn die anderen Programme?«

»Oh - ein Korbballspiel und einen Erweckungsprediger. Und einen alten Film, den ich schon gesehen habe.«

Sie setzte sich mit einem Strickkörbchen in den Sessel und starrte abwesenden Blicks zum Bildschirm. Sie strickte nicht. Brade war überzeugt, dass sie auch das Programm nicht sah. »Gibt es etwas Neues mit Ralph?« fragte sie schließlich. Sie war offensichtlich über sich selbst verärgert, weil sie das Thema doch nicht hatte ignorieren können.

Brade blickte von Cap Ansons Manuskript auf. Er wäre in seinen Arbeitsraum im Souterrain hinuntergegangen, wenn er nicht Gesellschaft gebraucht hätte, auch wenn es nur die unglückliche, unzufriedene Doris war.

»Der Kriminalbeamte war wieder bei mir«, sagte er.

Sie sah sofort auf, die schönen Augen weit aufgerissen. »Was?« »Nur um mir den Laborschlüssel zurückzubringen; Ralphs Schlüssel; aber wie er sich in meinem Zimmer umgesehen hat, das hat mich nervös gemacht.«

»Hat er etwas gesagt?«

»Du meinst, über den Mord direkt? Nein.«

»Nun, dann denk doch nicht mehr daran. Lass die Sache ruhen.« »Auch wenn es Mord war?«

»Es ist nun mal passiert. Ein ziemlich unangenehmer junger Mann ist tot. Du machst ihn auch nicht mehr lebendig.«

»Die Sache ist keineswegs erledigt. Da ist ein Mädchen, das ihn offenbar geliebt hat und ihn heiraten wollte. Und da ist eine Mutter, die in ihrem Leben viel mitgemacht zu haben scheint und sich krummgelegt hat, damit er Chemiker werden konnte. Nein, die Sache ist noch gar nicht erledigt.«

»Ihnen nützt es aber auch nichts, wenn du in Teufels Küche gerätst.«

»Ich bin schon längst in Teufels Küche. Ich frage mich den ganzen Tag, wie ich wieder herauskomme.«

»Außer dir vermutet niemand, dass es Mord war.«

»Und wie lange wird das so bleiben? Heute hat mich jemand gefragt, wie Ralph nur Natriumzyanid für Natriumacetat halten konnte. Die Betreffende war noch ziemlich erschüttert, aber sie wird zu sich kommen und diese Frage dann noch mal stellen. Andere Chemiker bei uns könnten argwöhnisch werden. Jemand wird schließlich zur Polizei gehen. Wäre dir dieses Damoklesschwert über unseren Köpfen so angenehm?«

»Wer ist diese >sie<, von der du da sprichst?«

»Roberta Goodhue. Sie ist das Mädchen, das Ralph heiraten wollte.«

Verzweifelt, intuitiv sagte Doris sofort: »Vielleicht hat sie es getan. Vielleicht wollte er nichts mehr von ihr wissen.« »Genau daran habe ich auch gedacht«, erwiderte Brade. »Ich habe an viele Möglichkeiten gedacht.« Er legte das Manuskriptblatt, das er gerade in der Hand hielt, auf den Tisch. »Hör mal zu, Doris.«

»Ja?«

»Wir gehen das mal gemeinsam durch. Warum soll ich es allein mit mir herumtragen? Vielleicht fällt dir etwas auf, das mir entgangen ist. Herrgott, vielleicht siehst du einen Ausweg.« Doris neigte den Kopf über ihre unberührte Strickarbeit. »Na schön. Wenn du darüber reden musst, dann rede.«

»Ich dachte, ich könnte alles schriftlich machen. Das war mein erster Gedanke. Eine Liste aufstellen. System hineinbringen. Aber dann sagte ich mir: Was, wenn nun jemand den Zettel findet, die Schnitzel im Papierkorb oder Asche, und sich fragt, was ich da wohl verbrannt habe. Mit dieser Unsicherheit quäle ich mich jetzt herum. Es ist einfach -einfach unerträglich.«

Er fuhr fort: »Zunächst einmal - wenn wir von Mord ausgehen, müssen wir uns überlegen, wer es gewesen sein kann. Ich habe dir gestern abend gesagt, es müsste jemand gewesen sein, der chemische Kenntnisse besitzt und über Ralphs Experimente Bescheid wusste. Das macht mich zum Hauptverdächtigen, aber wenn wir mich einmal aus dem Spiel lassen, wer kommt dann in Frage? Es gibt jemanden, der Zugang zu Ralphs Labor hatte und auch Gelegenheit hatte, Ralph bei seiner Arbeit zu beobachten.« »Wer?«

»Gregory Simpson, Ralphs Laborpartner. Er sagt, Ralph hätte nie ein Wort mit ihm gesprochen, und vielleicht stimmt das, aber er konnte trotzdem Ralph bei der Arbeit beobachten. Er konnte sehen, wie Ralph Kolben mit Acetat vorbereitete und sie dann in seinem Schrank verwahrte.

Eine so gute Gelegenheit hatte sonst niemand, aber andere, Charlie Emmett oder irgendeiner der Studenten oder auch Cap Anson, wenn man so will, die dort in der Nähe zu tun hatten, hätten die gleiche Beobachtung machen können. Theoretisch ist es auch möglich, dass jemand in Ralphs Labor gegangen ist, als er nicht da war, und seine Notizbücher durchgelesen und dabei so viel erfahren hat, dass er den Mord planen konnte. Wie gesagt, das ist alles möglich, aber wenig wahrscheinlich. Was die Mordmethode angeht, gerate ich unbedingt in den stärksten Verdacht. An zweiter Stelle, aber mit großem Abstand, steht Simpson. Die anderen auf dem Flur kommen erst lange danach in Betracht. Alle übrigen scheiden praktisch aus.«

»Warum sagst du, Simpson komme erst mit großem Abstand?« fragte Doris. »Mir scheint, er hatte die gleichen Möglichkeiten wie du.«

»Er ist erst zweiundzwanzig, und er hat kein Tatmotiv.«

»Du kennst keines, aber du bist nicht allwissend. In deinem Fall gibt es

übrigens auch kein Motiv.«

»In diesem Zusammenhang gibt es noch etwas, das mir Sorgen macht. Jetzt, wo er tot ist und ich ein bisschen herumgefragt habe.« Doris zog sofort die Brauen zusammen. »Warum hast du herumgefragt, Lou? Das ist das Schlimmste, was du tun konntest.« »Ich war sehr vorsichtig. Und die Leute haben mir auch von selbst erzählt, ohne dass ich Fragen stellen musste. Jedenfalls - Ralph hat mich offenbar nicht gemocht oder gefürchtet - oder beides zusammen. Ich bin mir noch nicht ganz sicher.«

»Warum sollte er dich nicht gemocht haben?«

»Er konnte, wie es scheint, kaum einen Menschen leiden. Ich weiß nicht, was er gegen mich hatte oder warum er sich vor mir hätte fürchten sollen. Das ist auch gleichgültig. Welches auch immer der Grund war, die Polizei könnte daraus ein Tatmotiv konstruieren. Sie könnte sagen, ich hätte sehr viel für den jungen Mann getan oder mir das zumindest eingebildet, und er hätte darauf mit Undankbarkeit reagiert. Also hätte ich ihn in einem Wutanfall umgebracht.« »Das ist doch verrückt.«

»Vielleicht glaubt die Polizei, ich bin verrückt. Ich habe bisweilen die Beherrschung verloren. Es ist bekannt, dass ich meine Studenten schon mal anbrülle, wenn sie sich ganz besonders dumm anstellen. Ich hätte Ralph ganz schön zusammengestaucht, wenn das mit dem Zyanid ein Unglücksfall gewesen - und er mit dem Leben davongekommen wäre. Man weiß, dass ich wütend werden kann.«

»Das kann jeder werden«, sagte Doris. »Es muss doch jemand mit einem besseren Motiv geben als dem, dass er ab und zu mal wütend wird.«

»Diese Person gibt es auch. Jean Makris.« »Ach! Wieso?« Brade erklärte es ihr.

»Da scheinst du ja an der Universität ein kleines Liebesnest zu haben«, sagte Doris.

Brade zuckte die Achseln. »Sieht so aus, wie? Jedenfalls - Jean Makris hatte ein Tatmotiv, aber ihr fehlen die elementaren Kenntnisse.« »Wieviel muss man schon wissen, um zwei Pulver zu vertauschen!« »Es ist nicht nur das Wissen, es ist auch das Selbstvertrauen. Ich könnte mir denken, dass sich ein chemischer Laie scheut, mit Zyanid umzugehen; dass er fürchtet, das Gift könnte ihm durch die Fingerspitzen dringen. Roberta dagegen besaß sowohl ein Motiv wie die nötigen Kenntnisse, wenn sie sich von Ralph verlassen fühlte. Wir haben jedoch keinen Grund zu der Annahme, dass er sie verlassen wollte.