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Experiment mit dem Tod - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 24

»Dass Sie vielleicht Ralph getötet haben.« »Aber das ist doch Wahnsinn.«

»Glauben Sie, ein anderer hat ihn wegen der gefälschten Angaben getötet?« fragte Brade kalt. »Wer wusste denn davon? Hat einmal jemand gehört, wie Sie miteinander darüber gestritten haben?« Er war aufgestanden und beugte sich zu dem Mädchen vor. Sie wich zurück. »Nein - das heißt, ich weiß es nicht.« »Haben Sie einmal über diese Sache in seinem Labor abends laut gestritten?« »J-ja. Einmal.«

»Und wer hat das gehört? Wer ging über den Flur und hat gehört, worüber Sie redeten?«

»Niemand. Ich weiß es nicht. Niemand!«

Cap Anson schaltete sich ein. »Aber Brade, warum quälen Sie das arme Mädchen so?«

Brade überhörte den Einwurf. »Wer hat Sie gehört, Roberta?« »Ich sage Ihnen doch, niemand. Wie kann ich das wissen?« »Er vielleicht?« Und Brades Finger deutete mit einer heftigen Bewegung auf Cap Anson.

20

Cap Anson sagte zornig: »Was soll das?« Für die Dauer weniger Augenblicke erstarrte die Szene zum Tableau. Da waren Brade und sein deutender Finger, der empörte Anson, der den Stock erhoben hatte, Roberta, die den Tränen nahe war, und Doheny, der alles mit ausdruckslosem Gesicht beobachtete.

Brade musste den Arm sinken lassen. Er war innerlich wie entkräftet. Er hatte alles so sorgfältig inszeniert. Er wusste, dass Anson um Punkt fünf Uhr kommen würde, und er hatte Roberta zu diesem Augenblick genauso weit gehabt, wie er sie haben wollte, und sie dann jäh in den Abgrund gezerrt, damit er im Moment höchster Spannung das ganze Gewicht der Anklage auf Anson fallenlassen konnte.

Was hatte er erwartet? Dass Anson zusammenbrach und sich ein Geständnis entlocken ließ? Dass er, Brade, auf diese Art zu seinem Beweis kam?

Ja, das hatte er. Genau das hatte er erwartet, wie er sich jetzt eingestehen mußte.

Doheny meinte: >ja, ich muss auch sagen, Professor: Was soll das?«

»Cap Anson hat es getan«, entgegnete Brade kummervoll. »Was getan?« wollte Anson wissen.

»Ralph getötet. Sie haben Ralph getötet, Cap.«

»Das ist eine Verleumdung«, erwiderte Anson zornig.

»Das ist die Wahrheit«, sagte Brade niedergeschlagen. Wie musste man es anstellen, dass so etwas einfach als Tatsache anerkannt wurde?

»Sie haben mitgehört, wie Ralph und Roberta stritten. Wer außer Ihnen geht nachts die Flure entlang? Das ist eine alte Angewohnheit von Ihnen. Sie haben herausgefunden, dass Ralph für seine Arbeit Phantasieergebnisse benutzte.«

»Wenn Sie das sagen, muss es noch lange nicht so sein, Brade. Aber selbst wenn ich es erfahren hätte, worauf wollen Sie hinaus?« »Darauf, dass er mein Student war, Cap, und dass ich Ihr Student war.« Brade stand auf und sah den älteren Mann fest an. »Was Ralph tat, fiel auf mich zurück, aber ein Teil davon traf durch mich auch Sie. Ihre Berufsehre stand auf dem Spiel.«

»Meine Berufsehre«, sagte Anson mit bebender Stimme, »ist unantastbar. Nichts kann ihr etwas anhaben.«

»Das glaube ich nicht. Ich glaube vielmehr, dass Sie sich Ihr Leben lang mit beiden Händen an sie geklammert haben. Wissen Sie noch, was Kinsky heute morgen sagte, Cap? Sie bezeichneten sich als den Kapitän des Schiffes der experimentellen Forschung. Sie waren der Kapitän; Ihre Studenten waren die Mannschaft. Und auf hoher See ist der Kapitän doch oberster Gerichtsherr seiner Mannschaft, Herr über Leben und Tod, nicht wahr- Kapitän?« »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«

»Ich meine, dass Sie immer gern über Leben und Tod Ihrer Studenten verfügen wollten, wenn nicht bewusst, dann unbewusst - sonst hätten Sie sich nicht so gern Cap nennen lassen. Und nun haben Sie festgestellt, dass einer Ihrer Studenten - der Student eines Ihrer Studenten, aber eben deshalb wieder Ihr Student- das schlimmste Verbrechen im wissenschaftlichen Kodex begangen hatte, die eine ganz unverzeihliche Todsünde. Und da haben Sie ihn zum Tod verurteilt. Das mussten Sie tun. Hätten Sie ihn leben lassen und wäre die Wahrheit ans Licht gekommen, hätte Ihr Ruf -« Doheny unterbrach ihn, und seine Stimme schaltete sich so unerwartet ein, dass die anderen verblüfft waren. »Sie wollen damit sagen, dass der alte Herr in Neufelds Labor eingedrungen ist und sich an diesen kleinen Kolben zu schaffen gemacht hat, Professor, ja?« »Er hatte einen Hauptschlüssel.«

»Und wie konnte er über die Experimente des Studenten Bescheid wissen? Hat er sich eingeschlichen und dessen Notizen durchgelesen?« »Das brauchte er nicht. Er war ja immer in meinem Labor. Er war zum Beispiel am Freitag hier, als ich nach meiner Vorlesung hereinkam. Er war heute morgen nach der Vorlesung hier. Und vorhin ist er ja auch ganz einfach hereingekommen. Und die Duplikate von Ralphs Aufzeichnungen, die gefälschten Zahlen und alles andere, werden ja hier aufbewahrt. Ralph hat in seinen Notizen die Experimente ganz genau beschrieben - auch dass er immer eine bestimmte Anzahl Kolben auf Vorrat abgefüllt hat. Cap wusste genau, was er zu tun hatte. Seine peinliche Genauigkeit erleichterte es ihm, Ralphs detaillierte Aufzeichnungen zu verstehen und sich zunutze zu machen.« »Das sind alles unbewiesene Behauptungen«, sagte Anson. »Reine Phantasterei.«

Brade fuhr verzweifelt fort: »Dann erfuhren Sie, dass ich Ralphs Arbeit fortführen wollte -« Er hielt inne, um Atem zu holen; er wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. »Und da wollten Sie das verhindern, Cap. Sie haben es im Zoo versucht; Sie haben alles getan, um mich für ein Thema aus der vergleichenden Biochemie zu interessieren. Als Ihnen das nicht gelang, haben Sie auch mich zum Tod verurteilt. Ich war im Begriff, Ihnen Unehre zu machen, und deshalb beschlossen Sie -« Doheny stand auf; sein breites Gesicht blickte etwas besorgt. »Professor«, sagte er, »immer langsam. Eins nach dem andern. Bleiben Sie bei Ralph Neufeld. Bleiben Sie bei Ralph Neufeld.« Brade wischte sich wieder mit dem Taschentuch übers Gesicht. »Schön«, sagte er, »ich bleibe bei Ralph Neufeld, und ich komme jetzt zu dem Punkt, der meine Behauptung beweist. Jawohl, beweist. Dieser Mann« - sein Finger zitterte, als er zum zweitenmal auf Cap deutete -»ist ein Sklave der Zeit. Das geht allen Lehrern so, aber er ist es in ganz besonderem Masse. Er hält seine Verabredungen auf die Minute genau ein. Er kam vorhin um Punkt fünf hier herein.« »Ja, das fiel mir auf«, sagte Doheny.

»Wir anderen machen ihm die Freude, wir finden uns zu Verabredungen mit ihm pünktlich ein, und er erwartet das inzwischen auch gar nicht anders. Ein Zuspätkommen duldet er nicht. Aber am vergangenen Donnerstag, als ich um fünf Uhr nachmittags mit ihm verabredet war, konnte ich nicht kommen, weil Ralph tot in seinem Labor lag - und ich im Institut bleiben musste. Woher wussten Sie das, Cap? Woher haben Sie vorhergewusst, dass ich ausgerechnet an diesem Tag die Verabredung nicht einhalten würde, wo ich mich sonst immer auf die Minute genau eingefunden hatte? Wann hatte ich einmal eine Verabredung nicht genau eingehalten? Mit welchem Recht nahmen Sie an, dass ich diesmal nicht dasein würde?«

»Wovon reden Sie da?« fragte Anson geringschätzig.

»Am Donnerstag nachmittag«, fuhr Brade fort, »um Punkt fünf Uhr trafen Sie meine Tochter auf der Strasse vor unserem Haus. Sie waren an dem Tag nicht im Institut gewesen. Niemand hatte Sie von Ralphs Tod benachrichtigt. Aber Sie gaben Ginny einen Stoss Manuskriptblätter Ihres Buches. Sie sagten: >Gib das deinem Vater, wenn er heimkommt.< Was brachte Sie zu der Annahme, dass ich nicht zu Hause war?«

»Nun, Sie waren nicht zu Hause«, erwiderte Anson. »Oder wollen Sie das abstreiten?« .

»Natürlich war ich nicht zu Hause, aber woher wussten Sie das? Sie haben Ginny nicht gefragt, ob ich zu Hause sei. Sie kamen nicht bis zur Haustür. Sie reichten ihr nur die Manuskriptseiten und sagten: >Gib das deinem Vater, wenn er heimkommt.< Sie wussten also, dass ich ausgerechnet dieses eine Mal nicht wie verabredet zu Hause war. Sie wussten, dass ich im Institut neben dem Tod Wache hielt. Wieso haben Sie das gewusst, Cap? Wieso haben Sie das gewusst?« »Bitte, schreien Sie nicht«, sagte Cap.

»Sie hatten meine Verabredung mit dem Tod inszeniert. Sie wussten, dass Ralph tot war, weil Sie den Erlenmeyerkolben vom Donnerstag vergiftet hatten. Sie wussten, dass ich den Toten vorfinden musste, wenn ich noch einmal kurz in Ralphs Labor hereinschaute, ehe ich ging. Und Sie wussten, dass ich das tun würde, weil dieses abendliche Hereinschauen ins Labor eines Doktoranden eine der Gewohnheiten war, die ich von Ihnen übernommen hatte. Aber auch so blieben Sie Ihrer Gewohnheit treu, eine Verabredung unbedingt einzuhalten, und Sie kamen bis vor mein Haus, um das Manuskript abzuliefern.« »Das ist alles Unsinn«, entgegnete Anson. »Ihre Tochter sagte mir, Sie seien nicht zu Hause.«

»Sie haben sie nicht danach gefragt.« »Doch.«

»Nein, Cap. Sie hat mir noch an demselben Abend gesagt, Sie hätten ihr aufgetragen, mir die Manuskriptseiten zu geben, wenn ich heimkomme. Als mir das heute mittag wieder einfiel, dachte ich, vielleicht hat sie mir nicht alles erzählt. Vielleicht fehlt noch etwas. Ich rief in ihrer Schule an, ließ sie an den Apparat holen, und dann musste sie mir alles noch einmal ganz genau erzählen. Ich habe sie sozusagen ins Kreuzverhör genommen. Sie haben sie nicht gefragt, ob ich zu Hause sei, Cap. Sie haben es einfach vorausgesetzt, weil Sie es wussten.»

Anson wandte sich an Doheny. »Ich nehme an, meine Aussage gilt mehr als die eines Kindes. Sie kann sich einfach nicht mehr erinnern. Wie sollte sie auch. Es war eine ganz flüchtige, beiläufige Begegnung vor immerhin schon vier Tagen.«

Doheny sagte: »Tja, Professor Brade, Ihr älterer Kollege hat recht, vor die Geschworenen könnten Sie damit nicht gehen.« »Aber ich habe Ihnen doch alles dargelegt«, erwiderte Brade. »Motiv, Gelegenheit zur Ausführung der Tat. Ablauf der Ereignisse. Es passt alles zusammen.« »Gewiss, gewiss«, sagte Doheny, »aber vieles passt zusammen. Ich kann eine Geschichte erfinden, in die Sie als Mörder hineinpassen oder die junge Dame oder sonstwer. Ist das nicht auch in der Chemie so? Können Sie nicht verschiedene Theorien für das eine oder andere Experiment aufstellen? »Ja«, sagte Brade ausdruckslos.

»Sie müssen eine finden, die Sie durch weitere Experimente untermauern können. Sehen Sie, sich einen logischen Ablauf von Ereignissen auszudenken, das ist alles schön und gut, aber Sie werden sich wundern, was ein Verteidiger aus so einer logischen Kette macht, wenn das alles ist, was Sie vorzuweisen haben.« Brade senkte den Kopf.

»Ich könnte Professor Anson verhaften, ihn vernehmen, aber wenn er unschuldig ist, würde das keinen guten Eindruck machen. Er ist auf seinem Gebiet bekannt und genießt einen guten Ruf. Als Beweismaterial brauche ich da schon etwas mehr als nur ein bisschen Logik. Ich müsste etwas Handfestes haben, so wie dieses Ding hier.« Er schlug mit der Faust gegen die Sauerstoffflasche, die einen dumpfen Ton von sich gab. »Etwas, an dem man ruhig mal drehen kann.« Er griff nach dem Hauptventil ...

Anson sprang entsetzt auf und schwang wild seinen Stock. »Lassen Sie die Finger von dem Ding, Sie verdammter Idiot -« Sein Stock pfiff durch die Luft.

Doheny machte eine rasche Bewegung, bekam den Stock zu fassen und zog Anson daran auf sich zu. »Ist etwas nicht in Ordnung mit dieser Flasche, Professor Anson?« fragte er ganz sanft. »Wie kommen Sie darauf?«

Cap Ansons Gesichtszüge verfielen jäh - er sah plötzlich noch viel älter aus.

»Woher wissen Sie, dass mit der Flasche etwas nicht in Ordnung ist?« fragte Doheny noch einmal.

Roberta schrie auf: »Sie haben ihn vergiftet, Sie haben ihn vergiftet!« und stürzte auf ihn zu. Brade fing sie auf und hielt sie fest.

Anson wandte mit einem Ruck das Gesicht dem Mädchen zu. »Er hatte es nicht anders verdient«, sagte er mit heiserer Stimme. »Er war ein Verräter an der Wissenschaft.«

»Dann haben Sie ihn also vergiftet?« fragte Doheny. »Sie sprechen in Gegenwart von Zeugen. Überlegen Sie sich das.«

»Ich hätte zuerst ihn beseitigen sollen.« Er deutete auf Brade und kreischte: »Inkompetent sind Sie! Ich habe Ihnen am Morgen danach gesagt, dass Sie es waren, und Sie sind auch dafür verantwortlich. Sie tragen die Verantwortung, weil Sie so nachlässig waren, ihn falsche

Daten eintragen zulassen. Sie haben seinen Tod zu einer Notwendigkeit gemacht.« Und dann ging er vom Schreien ins Flüstern über. »Ja, ich habe Ralph Neufeld vergiftet.« Und er ließ sich auf einen Stuhl fallen.

Sie waren nun allein im Arbeitszimmer, Brade und Doheny. Der Kriminalbeamte hatte sich gerade die Hände gewaschen und trocknete sie an einem Papierhandtuch ab.

»Wird man streng mit ihm verfahren?« fragte Brade. Der Zorn des Augenblicks war verraucht, Cap war für ihn wieder Cap, ein alter Mann, ein etwas sonderbarer alter Mann, aber ein großer Chemiker und eben doch sein Lehrer, fast sein eigener Vater. Der Gedanke, dass er ins Gefängnis eingeliefert wurde...

»Meiner Ansicht nach kommt es nicht zu einer Verhandlung«, sagte Doheny und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. Brade nickte traurig.

»Wissen Sie, Professor, ich muss sagen, ich bin froh, dass ich Sie von Anfang an doch richtig eingeschätzt hatte. Tut mir leid, dass ich einen Augenblick lang an Ihnen gezweifelt habe.« »Das Zweifeln gehört zu Ihrem Beruf.«

»Na schön. Aber Sie haben als Amateurdetektiv auch gute Arbeit geleistet.«

»Meinen Sie?« Brade lächelte schwach.