122716.fb2 Experiment mit dem Tod - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 4

Experiment mit dem Tod - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 4

»Machst du dir auch noch deshalb Gewissensbisse? Was hat denn Cap Anson schon von dir gewusst, als du mit ihm zusammengearbeitet hast?«

Brade musste wider Willen lächeln. Solange er oder irgend jemand sonst sich erinnern konnte, wurde Professor Anson »Cap« genannt, ohne dass man gewusst hätte, warum.

In seinen Studenten sah er nur eine Art erweitertes Ich, zusätzliche Arme, Nebenhirne.

»Cap ist ein Sonderfall«, sagte Brade.

»Momentan wünschte ich, du wärst ihm etwas ähnlicher«, erwiderte Doris. »Du hast mir immer erzählt, seine stärkste Seite wäre seine Begabung, nie auch nur einen Schritt zu weit zu gehen. Du dagegen rennst den Tatsachen ja förmlich voraus. Deine ganze Theorie geht von der Annahme aus, dass Ralph alle zehn Kolben auf einmal mit dem Acetat gefüllt hat. Aber woher willst du das wissen? Selbst wenn er das sonst immer so gemacht hat - wie willst du wissen, dass es diesmal keine Ausnahme von der Regel war?

Natürlich kannst du sagen, er sei immer peinlich genau gewesen, Lou, sehr zuverlässig und so, und dass er immer alles so und nicht anders gemacht hat. Aber Menschen sind eben keine Maschinen. Selbst wenn er eine Reihe von Kolben in seinem Schrank stehen hatte, kann er aus einem uns unbekannten Grund beabsichtigt haben, noch einen weiteren Kolben zu füllen. Vielleicht hatte er einen umgestoßen oder zu Anfang einen zuwenig vorbereitet. Wenn er aber noch einen zusätzlichen Kolben nahm, nur einen einzigen, und ihn auch benutzte, dann kann er doch sehr wohl bei diesem einen das Acetat mit dem Zyanid verwechselt haben.«

Brade nickte müde. »Er kann, er könnte, er hat vielleicht. Alles ist möglich. Wenn wir uns aber die Mühe sparen, Möglichkeiten zu erfinden und uns an die größte Wahrscheinlichkeit halten, dann bleibt nur noch Mord übrig.«

Doris sprach leise und beherrscht: »Du wirst nichts dergleichen sagen, Lou. Es ist mir ganz gleich, ob es Mord war oder nicht. Ich will nicht, dass du einen Skandal heraufbeschwörst. Du wirst deine Anstellung nicht aufs Spiel setzen. Verstehst du mich?«

Plötzlich klingelte das Telefon. Doris saß dicht daneben und nahm den Hörer ab. Dann blickte sie zu ihm hoch und bedeckte die Muschel mit der Hand. »Professor Littleby.« Brade flüsterte erstaunt: »Was ist denn los?«

Sie schüttelte den Kopf und legte warnend den Finger an die Lippen. »Vorsicht!«

Brade nahm den Hörer. »Hallo, Professor Littleby?« Als er die Stimme hörte, sah er im Geist das Gesicht vor sich, deutlich und in allen Einzelheiten - die frische rötliche Farbe, noch rosiger wirkend durch das weiße Haar darüber, dieses breite, weiche Gesicht mit dem runden, fast knolligen Kinn und der ebenso runden und knolligen Nase, die porzellanblauen Augen. Der Direktor des Chemischen Instituts sagte: »Hallo, Brade. Eine schreckliche Geschichte. Ich habe gerade eben davon gehört.« »Ja, Sir, sehr trauriger Vorfall.«

»Ich weiß ja nicht viel über den Jungen. Aber ich glaube, ich kann mich erinnern, dass hier Bedenken wegen seiner Zulassung zur Doktorprüfung bestanden - doch das ist ja jetzt unwichtig. Allerdings spielt die Persönlichkeit eine recht große Rolle, und ich habe immer wieder festgestellt, dass charakterliche Mängel und Unfallhäufigkeit im Labor Hand in Hand gehen. Ein Psychiater hätte wahrscheinlich die phantastischsten Erklärungen dafür, aber mir genügt es, die Tatsachen zu konstatieren. Ach, könnten Sie übrigens morgen früh vor Beginn der Vorlesungen bei mir vorbeikommen?«

»Selbstverständlich, Sir. Darf ich fragen, worum es sich handelt?« »Ach, es ist nur wegen einiger Probleme im Zusammenhang mit dieser Geschichte. Sie fangen doch um neun an, ja?« »ja, Sir.«

»Dann kommen Sie am besten um halb neun zu mir. Und nehmen Sie's nicht zu schwer, Brade. Schreckliche Geschichte - schrecklich. Wirklich schrecklich...«, und damit legte er auf.

»Er will dich sehen?« fragte Doris. »Weshalb denn?«

»Damit wollte er nicht herausrücken.« Brade griff nach seinem Glas, das schon längst leer war. Er stellte es wieder weg. Er sagte: »Ich glaube, wir essen jetzt erst mal. Oder hast du schon?« »Nein«, erwiderte sie kurz.

Während sie den Salat aßen, herrschte Stille. Brade war dankbar dafür. Schließlich sagte Doris: »Ich möchte, dass du eins weißt, Lou -« »ja, Doris?«

»- ich werde nicht mehr länger warten. Du musst noch dieses Jahr deine Berufung bekommen. Wenn du das jetzt verpatzt, ist es endgültig aus. Ich habe wirklich lange gewartet, Lou, und Jahr für Jahr habe ich gebangt, wenn es Juni wurde, ob sie dir das Kärtchen geben würden, auf dem steht, dass sie dich für ein weiteres Jahr verpflichten. Einen solchen Juni wird es für mich nicht mehr geben.«

»Du glaubst doch nicht im Ernst, sie würden meinen Vertrag nicht erneuern?«

»Darüber möchte ich überhaupt nicht mehr nachdenken müssen. Ich will keine Eventualitäten mehr, ich will Gewissheit. Wenn du zum außerordentlichen Professor berufen wirst, dann geschieht die Verlängerung des Vertrages doch automatisch, nicht? Das bedeutet doch wohl die Berufung, dass das ganz automatisch geschieht, oder?« »Wenn kein besonderer Anlass vorliegt, ja.«

»Schön. Ich will, dass der Juni für mich seine Bedeutung verliert. Ich will, dass das )fiskalische Jahr< mir nichts mehr sagt. Ich will die Berufung.« »Dafür kann ich dir aber doch nicht garantieren, Doris«, sagte Brade sanft.

»Wenn du Littleby oder sonst jemandem gegenüber etwas von deinen komischen Ideen von wegen Mord und so verlauten lässt, kannst du mir ganz bestimmt das Gegenteil garantieren. Und wenn das geschieht, Lou - wenn das geschieht, dann -«, sie blinzelte heftig, so als wollte sie die Tränen zurückhalten, »oh, Lou, ich halte das nicht länger aus.« Brade wusste, wie ihr zumute war. Ihm ging es ja genauso. Die Jahre der Depression hatten ihnen beiden Mut und Zuversicht geraubt - Jahre, in denen sie mit ansehen mussten, wie ihre Eltern krank waren vor Sorge, in denen sie etwas erfuhren, ohne recht zu verstehen -Sie wollten die »Berufung«, um diese Erinnerung auszulöschen, aber was sollte er tun?

Langsam und sorgfältig trennte Brade ein Salatblatt mit der Gabel auseinander, halbierte es, halbierte die beiden Teile noch einmal. »Ich kann die Sache nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Wenn es ein Mord war, dann wird es die Polizei mit der Zeit auch herausfinden.« »Dann lass die doch. Solange du nur nichts damit zu tun hast.« Brade antwortete: »Wie sollte ich denn nichts damit zu tun haben?« Dann stand er auf. »Ich mache mir noch einen Drink.« »ja.«

Unbeholfen mixte er das Getränk und sagte dann: »Hast du darüber nachgedacht, wer der Mörder sein könnte, Doris?« »Nein. Will ich auch nicht.«

»Doch, tu's mal.« Er sah sie über sein Glas hinweg an, und es tat ihm leid, dass er ihr auch das noch sagen musste, aber er wusste nicht, wie er es hätte umgehen sollen. »Der Mörder muss jemand sein, der etwas von Chemie versteht. Jemand, der noch nie in einem Labor gearbeitet hat, würde es nicht wagen, in ein Experiment hineinzupfuschen, um das tödliche Zyanid einzuschmuggeln. Das würde er sich nicht zutrauen. Er würde zu einem weniger komplizierten Mittel greifen.« »Willst du jetzt auch noch sagen, dass du glaubst, der Mörder arbeite im Chemischen Institut?« »Es ist gar nicht anders denkbar. Jemand muss sich Zugang zum Labor verschafft und das Acetat in einem der Kolben mit Zyanid vertauscht haben. Während Ralph im Labor war, kann es ja wohl kaum passiert sein. Zum einen war Ralph ein außerordentlich argwöhnischer Mensch, der es niemandem gestattet hätte, sich seinen Geräten zu nähern; das war ja auch die Ursache für seine Differenzen mit Ranke. Der Tausch muss also in Ralphs Abwesenheit stattgefunden haben. Sobald Ralph aber das Labor verließ, schloss er ab - sogar wenn er nur hinunter in die Bibliothek ging, um etwas nachzuschlagen. Ich habe ihn das oft tun sehen. Der Mörder muss also einen Schlüssel gehabt haben.« »Oh, diese Schlussfolgerungen«, sagte Doris. »Dass du ihn mehrmals dabei beobachtet hast, bedeutet doch noch nicht, dass er das ausnahmslos getan hat. Vielleicht hat er es manchmal vergessen. Und selbst wenn er es nie vergaß - Schlüssel sind ja nicht das einzige Mittel, um. Türen zu öffnen.«

»Mag sein, wenn du die etwas weit hergeholten Möglichkeiten in Betracht ziehst. Aber fasse doch lieber die nächstliegende Erklärung ins Auge. Du musst so vorgehen wie die Polizei. Es müsste jemand sein, der einen Schlüssel hat; jemand, der die Art von Ralphs Experimenten kennt, der weiß, wo er sein Acetat aufbewahrt und seine Kolben und so weiter. Außerdem wurde auch nur einer der Kolben vertauscht.« »Warum?« fragte Doris, die jetzt endlich zu begreifen begann. »Weil der Mörder Ralphs übertrieben genaue Art kannte. Er muss sich darauf verlassen haben, dass Ralph die Kolben von links nach rechts herausnehmen und je ein Experiment pro Tag durchführen würde. Das würde also bedeuten, dass er an einem Donnerstag an das Gift kommen würde-an einem Tag also, an dem er allein war, weil sein Kollege in der Vorlesung saß. Und es würde kein Zyanid übrigbleiben und andere in Gefahr bringen. Der Mörder war also mit den Verhältnissen bestens vertraut.« »Worauf zielst du ab, Lou?«

»Nur darauf, dass die Polizei zu denselben Schlüssen kommen und den Mann finden wird, auf den das alles zutrifft.« »Auf wen, also?«

»Wen! Warum glaubst du denn wohl, bin ich so sehr darauf bedacht gewesen, der Polizei gegenüber nichts von alledem zu erwähnen?« Brade nippte an seinem Glas und leerte es dann plötzlich mit einem Ruck. Dann sagte er heiser: »Auf mich, mein Schatz. Auf mich. Ich bin derjenige, auf den dies alles zutrifft. Ich bin der einzig mögliche Verdächtige.«

4

Die Fahrt zur Universität am nächsten Morgen erschien ihm länger als die Heimfahrt am Abend vorher. Er hatte zum Abschluss des Abends ein drittes und dann noch ein viertes Glas getrunken, aber der Alkohol hatte ihn nicht in bessere Stimmung versetzt.

Doris hatte ein ominöses Schweigen bewahrt und bis zum Schluss vor dem Fernsehapparat gesessen. Brade hatte Cap Ansons Text aus dem Umschlag genommen und versucht, ihn dem alten Mann zuliebe zu überfliegen, aber die Buchstaben tanzten ihm wie verrückt vor den Augen, und nachdem er den einleitenden Absatz fünfmal gelesen hatte, gab er es auf. Sie schliefen danach beide nicht gut. Morgens war Ginny recht bedrückt mit einem angespannten, verstörten Zug auf dem schmalen Gesicht in die Schule gegangen. Kinder, das hatte Brade längst erkannt, besaßen unsichtbare Antennen, die die unvorhersehbaren Stimmungen und Launen der Erwachsenen auffingen.

Die Versuchsarbeiten für seine Dissertation bei Cap waren noch nicht ganz abgeschlossen gewesen, als ihm eine Assistentenstelle an der Universität angeboten wurde. Das war ein Geschenk des Himmels. In seinen kühnsten Träumen hatte er das nicht zu hoffen gewagt. Der Reiz - und die Unsicherheit - eines Daseins in der Industrie behagten ihm nicht. Er war kein Ellenbogenmensch, er machte nicht einmal beim Rennen um staatliche Forschungsmittel mit. Er wollte nur die ruhige, gesicherte Position. Sicherheit, nicht Abenteuer - das war seine Devise. Zu diesem Zeitpunkt heiratete er Doris. Sie wollte dasselbe; finanzielle Sicherheit für das nächste Jahr. Sie verzichteten auf den Raketenstart, um sicher zu sein, nicht früher oder später einen Absturz zu erleben. Ein Fakultätsposten an einer altehrwürdigen Universität war nicht schlecht. Da konnte eine Wirtschaftskrise kommen, die Gehälter mochten vorübergehend gekürzt werden - Mitglieder der Fakultät überlebten allemal bis in ihre alten Tage. Und selbst wenn man sich zurückzog, führte man als Professor emeritus ein angenehmes Leben bei halbem Gehalt. Die Zeit ging vorüber, zwei Jahre, und er war assistierender Professor. Seine Forschungsarbeit bezog sich auf ausgefallene Themen - interessant, aber nichts Aufregendes. Es ging dabei still zu, denn er wählte seine Themen schon dementsprechend aus. Die Forschungsmittel gingen freilich immer dorthin, wo »etwas los war«, und deshalb kam er dabei zu kurz. Das gleiche galt für die erhoffte Beförderung zum außerordentlichen Professor.

Er konnte Doris' Einstellung zu diesem Problem begreifen. Siebzehn Jahre versah er jetzt sein Amt, und jedes Jahr kam der weiße Zettel – nicht der rosa, sondern der weiße Zettel -, der die Verlängerung des Anstellungsverhältnisses bedeutete. Für ein Jahr. Doris strebte natürlich eine unkündbare Position an. Brade versuchte ihr zu erklären, dass »unkündbar« auch nur ein Wort war. Dass es hieß, dass man nicht vor die Tür gesetzt werden konnte, außer wenn ein Grund vorlag und der Universitätssenat (der sich aus Kollegen zusammensetzte) sein Votum dafür abgab, dass aber einem Professor nicht unbedingt gekündigt werden musste. Man konnte ihn auch dazu überreden, von selbst seinen Abschied zu nehmen, und ihm, wenn er nicht reagierte, das Leben so unmöglich machen, dass er, ob unkündbar angestellt oder nicht, früher oder später hinausgeekelt wurde. Doch das alles überzeugte Doris nicht. Sie wusste nur, dass ihr Mann von einem Jahr zum anderen entlassen werden konnte. Ohne feste, unkündbare Anstellung war kein Kündigungsgrund und kein Votum des Senats erforderlich.

Sie hatte ständig eine wirtschaftliche Krise vor Augen und wollte Sicherheit.

Und ich will sie auch, dachte Brade düster.

Er bog in den Fakultätsparkplatz ein und suchte sich ein freies Rechteck. Er nahm, was er kriegen konnte. Die reservierten Parkflächen an der Rückwand des Chemischen Instituts waren außerordentlichen und ordentlichen Professoren vorbehalten. Gewöhnlich achtete er nicht darauf, aber heute wurde er sich bewusst, dass auch dies ein Aspekt war, der mit der magischen Trennungslinie zwischen dem assistierenden und dem außerordentlichen Professor zu tun hatte. Er ging die Holztreppe hinauf, die um das Gebäude herum zum Haupteingang des Instituts führte. Zwei Studenten auf einer der steinernen Bänke an dem mit Backsteinen gepflasterten Weg quer über den Rasen sahen zu ihm auf. Der eine flüsterte dem anderen etwas zu, und sie folgten ihm mit ihren Blicken.

Brade zog die Schultern hoch und ging weiter. Er hatte sich keine Morgenzeitung gekauft; sicher stand alles darin.

Aber machte ihn das zu einem Objekt der Neugierde, verdammt noch mal?

Er merkte, dass er viel zu schnell ging, und zwang sich zu einer langsameren Gangart, als er durch die breite Doppeltür schritt. Und indem er hier linksherum ging, begann der Tag für ihn unter ungünstigem Vorzeichen. Er hätte sich nach rechts wenden sollen, wo der Aufzug war, der ihn zum vierten Stock und zu seinem Arbeitszimmer gebracht hätte.

Aber er wandte sich nach links und öffnete eine Tür, auf der CHEMISCHES INSTITUT stand - und kam sich plötzlich wieder wie der Volksschüler vor, den ein strenger, zwei Meter großer Lehrer zum zweieinviertel Meter großen Rektor geschickt hatte. Er sah auf seine Uhr. Es war 8 Uhr 20, und er war zehn Minuten zu früh. Jean Makris fertigte einen Studenten ab; sie stand auf, als Brade sich gerade setzte.

»Er wird Sie sofort empfangen, Professor Brade«, sagte sie. »Er führt gerade ein Ferngespräch.«

»Schon gut«, sagte Brade. »Ich bin zu früh, ich weiß.«

Sie trat hinter dem Schreibtisch hervor und kam auf ihn zu. Brade unterdrückte den Impuls, ein Stück zurückzuweichen, denn er hatte bei solchen Gelegenheiten immer den Eindruck, sie wollte ihm die Krawatte geradeziehen.

Jean Makris hatte ein längliches Gesicht mit vorstehenden Zähnen und einem bekümmerten Ausdruck, der aber, davon war Brade überzeugt, nichts mit einem wirklichen Kummer zu tun hatte. Sie war tüchtig, verstand es geschickt, unangenehme Besucher abzuschütteln, erinnerte ihn, Brade, an Verabredungen und Termine und ersetzte ihm, so gut sie konnte, in ihren freien Augenblicken die Sekretärin, die die Universität ihm nicht zubilligen wollte.

Sie sagte in vertraulichem Ton: »Ich war ganz aufgeregt gestern, nachdem Sie mich angerufen hatten, Professor Brade. Für Sie muss das ja schlimm gewesen sein.« »Es war schon ein Schock, Miss Makris.«

Ihr Ton wurde noch vertraulicher. »Ich hoffe, Ihre Frau hat sich nicht gewundert, weil Sie später kamen. Ich habe es ihr zu erklären versucht.«

»Ja, vielen Dank, das war nett von Ihnen.«

»Ich dachte nur, wo Sie immer so pünktlich sind, denkt Ihre Frau vielleicht, na ja, Sie wissen - sie ist vielleicht beunruhigt und denkt, na ja -« Brade fragte sich einen verstörten Augenblick lang, ob Miss Makris damit meinte, seine Frau könnte ihn eines Seitensprungs verdächtigt haben. Er blickte sie entgeistert an.

Sie kam jedoch gleich auf ein anderes Thema zu sprechen. »Ich nehme an, die Sache geht Ihnen deshalb besonders nahe, weil er ja bei Ihnen seine Arbeit machen wollte.«

>Ja, das kann man wohl sagen.« »Nun, in diesem Zusammenhang -« Es summte leise auf Miss Makris' Schreibtisch, und sie sagte sofort: »Professor Littleby lässt Sie jetzt bitten - aber ich erzähle Ihnen das noch, wenn Sie herauskommen.« Sie nickte ihm vielsagend zu. Als Brade aufstand und auf die Tür zu Littlebys Büro zuging, sah er gerade noch, wie sie ihre Bluse zu rechtzupfte, die zweifellos so jungfräulich weiß war wie der unscheinbare Busen darunter. Professor Littleby legte den Hörer auf; er lächelte mechanisch. Es mag einmal eine Zeit gegeben haben, sagte sich Brade, als dieses Lächeln echt gewesen war, doch Menschen in hohen Verwaltungspositionen können sich nicht darauf verlassen, dass eine menschliche Motivierung bei allen passenden Gelegenheiten ein Lächeln auslöst. Sie müssen ganz sichergehen, also wird diese Mechanik eingebaut und geölt, bis das Lächeln unter Garantie über das Gesicht zuckt, wie wenig dem Lächler innerlich auch danach zumute ist.