122730.fb2 F?hrte nach Andromeda - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 13

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11.

Sie hatten aufgeboten, was die Erde an Waffensystemen zum Einsatz bringen konnte.

Fünfzehn große Schiffe schwirrten unablässig um die DREADNOUGHT herum; die Kristalle der schweren Lasergeschütze blitzten drohend. Fast noch gefährlicher waren die ständig einsatzbereiten Raketenwerfer der Orbitalstationen und die überschweren Lasergeschütze auf der Erde.

Marsh fand dieses Aufgebot beeindruckend; Moltion Gambral hingegen zeigte sich ungerührt. Gelassen wartete er ab und verfolgte auf dem Bildschirm das Herannahen der irdischen Delegation. Es war ein ziemlich kleines Schiff, das an der Mannpforte der DREADNOUGHT festmachte; mehr als zehn Personen konnte es mit Sicherheit nicht transportieren.

Marsh war von seinem Platz aufgestanden und hatte sich gelassen gegen das Kontrollpult vor dem Kommandantensitz gelehnt. Er verlor seine Ruhe augenblicklich, als die Delegation der Erde die Zentrale der DREADNOUGHT betrat; an der Spitze ein zerbrechlich wirkender, uralter Mann.

»General Avidan!« schrie Marsh verblüfft und machte einige Schritte auf seinen ehemaligen Chef zu. Jäh stoppte er die Bewegung, als er die Kälte in den Gesichtszügen des Mannes sah. Und noch etwas kam ihm zum Bewußtsein: Für Marshs Zeitgefühl hatte er den General lediglich ein paar Wochen lang nicht gesehen. Um so schlimmer machten sich jetzt die Alterserscheinungen bemerkbar.

Hinter dem General betraten einige Männer den Raum, die auf den ersten Blick als Politiker zu identifizieren waren. Marsh lächelte mit aller verfügbaren Freundlichkeit.

»Was kann ich für Sie tun?« fragte er höflich.

»Reden Sie keinen Unfug, Garfield!« sagte Avidan scharf. »Woher haben Sie dieses Schiff? Wie konnten Sie die Reise so schnell beenden?« Innerhalb einer Minute ließ er einen umfangreichen Fragenkatalog auf Marsh los.

Der Skipper würgte einige unfreundliche Bemerkungen hinab, dann gab er ruhig auf jede Frage Auskunft. Während er berichtete, wanderte Avidans Blick hinüber zu Moltion Gambral, der, scheinbar ungerührt, auf seinem Sessel saß und die Terraner mit freundlicher Kaltblütigkeit betrachtete.

Avidans Züge verhärteten sich noch mehr, als Marsh geendet hatte; die Politiker – sie hatten sich weder vorgestellt noch bisher in das Gespräch eingegriffen – zeigten hingegen äußerst zufriedene Gesichter.

»Mister Garfield«, sagte der älteste von ihnen und verbeugte sich höflich, »ich glaube, die Erde ist Ihnen großen Dank schuldig.«

»Halten Sie den Mund!« herrschte Avidan den verblüfften Staatsmann an. »Schuldig ist uns Garfield etwas – einige Erklärungen nämlich.«

Hatte die unpersönliche Anrede Marsh schon verärgert, so versetzten die folgenden Fragen des Generals ihn in echte Wut. Mit methodischer Präzision stellte Avidan genau die Fragen, die sich auch die Crew der DREADNOUGHT schon gestellt hatte, als das Schiff im System Morcoy zum Überlichtflug beschleunigte. Unerbittlich zog er seine Schlußfolgerungen; die Gesichter seiner Begleiter wechselten langsam die Farbe.

»General«, sagte einer von ihnen entsetzt. »Warum haben Sie uns dies nicht früher gesagt? Was sollen wir jetzt tun?«

»Gar nichts!« antwortete Avidan eisig. »Ich warte, Skipper.«

Marsh zuckte mit den Schultern. »Ihre Überlegungen, General, sind von einer bezwingenden Logik, der auch ich mich nicht entziehen kann. Allerdings haben auch wir ähnliche Überlegungen angestellt. Und obwohl Ihre Logik einwandfrei zu beweisen scheint, daß wir Verräter oder Ärgeres sein müssen, sind wir zur Erde zurückgekehrt. Wie paßt das in Ihr System?«

Avidan lächelte spöttisch. »Es ist dies eine von zwei Möglichkeiten, diese Situation zu erklären«, sagte er ruhig. »Entweder stimmt Ihre Erklärung vollständig, oder Sie sind übernommen worden. Die Wahrscheinlichkeit für beide Alternativen muß angesichts der Unmöglichkeit, für eine der beiden Theorien einen schlüssigen Beweis zu liefern, mit exakt fünfzig Prozent angesetzt werden. Wir werden dieses Schiff also – trotz seiner technischen Einmaligkeit – abschießen müssen.«

»Wie bitte?« fragte einer der Politiker ungläubig.

Avidan lächelte kalt. »Stimmen die Angaben von Mister Garfield, so gewinnen wir unschätzbare technische Erkenntnisse. Lügt er, dann müssen wir damit rechnen, versklavt zu werden. Die Aussichten stehen eins zu eins; es ist nur eine Frage des Risikos, das wir eingehen wollen. Angesichts der Möglichkeit, versklavt zu werden, ist die Entscheidung wohl klar!«

Die Politiker protestierten lautstark, während sich die Besatzung der DREADNOUGHT drohend um den General scharte.

»Und was wird aus uns?« schrie einer der vier Männer. »Sollen wir ebenfalls sterben?«

»Das hängt von Mister Garfield ab!« erklärte Avidan eisig. »In vier Minuten werden die Schiffe und Bodenstationen das Feuer eröffnen.«

Er sah Marsh ruhig an. »Sie werden einsehen, daß wir so handeln müssen. Das Risiko für die Erde ist einfach zu groß. Es tut mir zwar sehr leid, daß unter Umständen Unschuldige für einen Verdacht sterben müssen, aber das läßt sich nicht umgehen. Allerdings könnten Sie den Herren hier freien Abzug gewähren – ihr Tod ist vermeidbar.«

Arvid schüttelte fassungslos den Kopf. »Er will uns lächelnd umbringen – und bittet um Schonung für sich und seine Begleitung!«

»Von mir war keine Rede!« fauchte Avidan zurück.

Von Angst gepackt versuchten die Politiker den sie umgebenden Ring aus Crewmitgliedern mit Gewalt zu durchstoßen; ein Handgemenge drohte auszubrechen.

»Achtung!« schrie Margalo plötzlich. Mit einem Satz sprang Moltion Gambral zu ihr hinüber; mit einem Handgriff stellte er die Bildwiedergabe des Hyperorters schärfer.

»Ein Schiff«, rief er erstaunt.

Avidan deutete den Ausruf auf seine Weise; er griff in die Hosentasche und brachte einen Minisender zum Vorschein. Ehe ihn jemand daran hindern konnte, hatte er das Gerät an den Mund geführt.

»Die vermutete Invasion beginnt!« sagte er laut. »Ab sofort rücksichtslos feuern!«

»Nein!« schrie Margalo entsetzt.

Roger Clakess versah seinen Dienst so, wie er es seit Jahren gewöhnt war.

Er saß in der unterirdischen Feuerzentrale eines von fünfhundert Lasergeschützen, die über den nordamerikanischen Kontinent verteilt waren. Über der Oberfläche befanden sich nur die Antenne des Raumradars und die Kuppel aus Panzerglas, die die Antenne und die Kristallinsen des Geschützes vor dem Einfluß der Witterung schützen sollten.

Sein Dienst war von kaum mehr zu überbietender Monotonie.

Acht Stunden lang würde er in diesem Loch sitzen, ohne etwas anderes zu tun, als alle zehn Minuten drei verschiedene Instrumente abzulesen – eines bestätigte die Funktionstüchtigkeit der ständigen Telefonverbindung mit dem Hauptquartier; ein zweites zeigte an, ob der vom Radar zu beobachtende Raum leer war, und die dritte Anzeige bewies, daß Laser und Antenne einwandfrei arbeiteten.

Nur ein- oder zweimal im Jahr wurde diese Eintönigkeit unterbrochen. Kam beispielsweise die von einem Raumschlepper durch das All bugsierte Erzfracht vom Kurs ab, und drohte der Kilometer durchmessende Brocken auf die Erde herabzustürzen, dann war es die Aufgabe von Roger und seinen Kollegen, den Klumpen aus Erz in Stücke zu schießen, die zu klein waren, um die Erde noch erreichen zu können. Im Volksmund hießen diese Männer »Schnuppenmacher« und genossen beträchtliches Ansehen. An Nachwuchs bestand selten Mangel.

Roger Clakess zündete sich eine Zigarette an und legte die Beine auf das Kontrollpult vor ihm. Routinemäßig warf er einen Blick auf die Kontrollen, nachlässig streifte er über die Instrumente. Dann wanderte der Blick zurück: Ein Instrument hatte einen Wert angezeigt, den es nicht aufweisen durfte. Im gleichen Augenblick begannen die Sirenen infernalisch zu heulen; der Lärm verebbte erst, als Roger den Hörer abhob.

In Sekundenbruchteilen war eine Verbindung zum Hauptquartier hergestellt. Eine kalte, unpersönlich klingende Stimme gab eine Serie von Koordinaten durch, die Roger auf dem griffbereiten Notizblock festhielt. Dann kam das Ende der Durchsage:

»Der Flugkörper ist unter allen Umständen abzuschießen!«

Roger warf den Hörer auf die Gabel; von jetzt an war er auf sich allein gestellt. Zusammen mit dem Zustandekommen des Telefonkontakts war auch telemetrisch die Sperre desaktiviert worden, deren Aufgabe es war, unkontrollierte Aktionen der Geschützbedienungen zu verhindern, bevor irgendein durchdrehender Mann ein flugtüchtiges Raumschiff herunterholte. Mit einem Knopfdruck schaltete Roger die Steuerung des Lasergeschützes ein; die Mechanik der Kuppel war mit dem Raumradar gekoppelt – Antenne und Lauf wiesen parallel in die gleiche Richtung.

»Verdammt!« knurrte Roger. »Was ist das für ein Kasten?«

Mit einer wahren Höllenfahrt kam das Schiff hinter dem Mond hervor auf die Erde zu. Hielt es seinen Kurs, würde es in der Nähe der Oligopolis Boswash[1] niederstürzen.

Vor dem Mann flammte ein Licht grellrot auf. Die Feuerleitautomatik hatte das Ziel angepeilt und jetzt fest im Griff; jede Bewegung des Flugkörpers wurde automatisch verfolgt. »Viel Spaß«, wünschte Roger, als er den Knopf niederdrückte. Der säulendicke Strahl, der jetzt zum Himmel hinaufzuckte, war hundertfach heller als die Sonne; normalerweise genügte ein Treffer, um das Zielobjekt in Stücke zu reißen.

»Verdammt!« lautete Rogers wenig einfallsreicher Kommentar, als das Ziel immer noch auf dem Radarschirm verblieb.

»An alle Geschützmannschaften!« quäkte ein Lautsprecher. »Bei 21:12:30 Ortszeit feuern alle Stationen gleichzeitig!«

Starr hielt Roger die Augen auf die Uhr gerichtet; aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie kaum erkennbar schlanke Pfeile auf den Körper zurasten, detonierten und das Objekt offensichtlich nicht zu beschädigen vermochten.

»Dieser Teufelskasten!« fluchte Roger. Mit der flachen Hand hieb er zum richtigen Zeitpunkt wieder auf den Feuerknopf. Aus fünfhundert Laserkanonen schlug dem fremden Schiff eine Feuerflut entgegen, während gleichzeitig ein Hagel von Raketen heranfegte. Doch auch diese geballte Vernichtungskraft reichte nicht aus, das Schiff auch nur vom Kurs abzubringen.

Und dann schoß der Fremde zurück.

Roger sah nicht, wie der blaßblaue Strahl auf seine Station hinunterzuckte; er hörte nur ein ohrenbetäubendes Krachen, fühlte den Boden unter seinen Füßen schwanken und sah, wie die Decke zeitlupenhaft auf ihn herabsackte.

Nur der Tatsache, daß der Geschützstand mehr als hundert Meter unter der Erdoberfläche lag, verdankte der Mann sein Leben. Er wurde achtundvierzig Stunden später leicht verletzt, aber immerhin noch lebend, aus den Trümmern geborgen.

Er war glücklicherweise der einzige Verletzte.

»Stichwort Blockade!« rief Moltion Gambral durchdringend.

Marsh unterdrückte mit Mühe ein Stöhnen, als die hypnotische Barriere in seinem Hirn schwand und eine Fülle von Informationen sintflutartig auf ihn einstürzte. Dann aber wußte er, was zu tun war. So rasch er konnte, nahm er wieder vor dem Schaltpult Platz und hieb den Fahrthebel nach vorne; mit aufbrüllenden Maschinen schoß das Schiff vorwärts. Gambral hatte inzwischen einen Schalter betätigt; unmittelbar neben ihm versank ein Schott im Boden und gab den Blick auf einen Leitstand frei, in dem der Morcone in rasender Eile Platz nahm.

»Auf Kollisionskurs gehen!« riet Marsh.

Avidan stand wie versteinert; niemand kümmerte sich mehr um ihn und seine Begleiter. Wie Artisten waren die Crewmitglieder auf ihre Stationen gehetzt.

»Schirm steht!« meldete Gambral; Marsh bestätigte.

Auf dem Panoramaschirm strahlte der Flammenschweif einer Abfangrakete auf. Unwillkürlich schrie Avidan auf, als das Geschoß detonierte, doch die Energie verpuffte wirkungslos. Nicht einmal ein Rütteln war im Innern des Schiffes zu spüren.

»Belastung unter einem Prozent!« meldete Gambral. Marsh nahm die Meldung nur unbewußt zur Kenntnis; er war damit beschäftigt, hinter dem fremden Schiff herzujagen, das so plötzlich im Sonnensystem aufgetaucht war.

»Kennen Sie diese Konstruktion?« fragte Marsh. Es handelte sich um drei sehr schlanke zusammengekoppelte Zylinder. Auf der Spitze des Bündels saß eine Halbkugel, aus deren kleinem Fenster ein grünes Licht fiel.

»Keine Ahnung!« schrie Gambral. »Auf Morcos ist ein solches Schiff nie gesehen worden.«

Während Marsh die DREADNOUGHT immer näher an den Fremden heranschob, beobachtete General Avidan das Geschehen auf dem Panoramaschirm. Deutlich konnte er die Schußbahnen der Laserkanonen und die Antriebsgase der Abfangraketen sehen – und daß der Fremde sich an diesem Widerstand nicht störte.

Energien, die den Mond hätten zerstückeln können, prallten wirkungslos an dem Schirmfeld des Fremden ab; dafür zeigten die Waffenstrahlen des unbekannten Schiffes eine umso größere Wirkung. Der Fremde gab einen einzigen Schuß ab – auf die Geschützstation im Mount Rushmore. In einer gewaltigen Wolke verschwand der Berg; nur einzelne hausgroße Felstrümmer flogen in die Höhe und krachten auf den Erdboden zurück.

»Ich habe ihn im Visier!« meldete Gambral, der darauf wartete, die Geschütze der DREADNOUGHT gegen den Fremden einsetzen zu können.

»Warten Sie noch etwas!« keuchte Marsh, der unablässig versuchte, mit dem Schiff näher an den Fremden heranzukommen; bei dem verrückten Kurs, den der Fremde flog, erwies sich das als äußerst anstrengend.

Während Garfield sich mit dem freien Arm den Schweiß von der Stirn wischte, warf er einen flüchtigen Blick auf die Belastung des eigenen Schirmfeldes. Obwohl auch das morconische Schiff im konzentrierten Feuer der irdischen Geschütze lag, war der Schirm der DREADNOUGHT nur zu zehn Prozent ausgelastet.

»Kernschußweite!« meldete Gambral ruhig.

»Gut. Versuchen Sie es!« sagte Marsh.

Jetzt zeigten die Kontrollbildschirme, wie sich die Kuppel auf der Außenhaut der DREADNOUGHT öffnete und die Stacheln der Strahlkanonen sich vorschoben. Das Schiff erbebte, als Moltion Gambral eine Breitseite auslöste. General Avidan und die vier Männer wurden zu Boden geschleudert. Die anderen fühlten, wie sich die Anschnallgurte zusammenzogen und ins Fleisch schnitten.

»Treffer!« schrie Gambral begeistert. Sein Monitor zeigte an, wie ein halbes Dutzend Waffenstrahlen auf den Schirm des Fremden krachten; das schützende Feld strahlte plötzlich in zehnfacher Helligkeit auf. Das Schiff wurde taumelnd aus seinem Kurs geworfen.

Der Fremde schien die Waffen des morconischen Schiffes wesentlich mehr zu fürchten als das rasende Feuer der irdischen Laser. Das Schiff beschleunigte mit aller Kraft und zog hoch, in Richtung Mond.

Die DREADNOUGHT setzte dem Fremden nach. Wieder feuerte Gambral eine Breitseite ab. Er hatte auf das Antriebssystem des Fremden gezielt und es auch getroffen. Das Schirmfeld des Fremden war dieser Belastung nicht gewachsen und brach sekundenlang zusammen. Ein irdischer Laser feuerte zufällig in diesem kurzen Intervall und traf ebenfalls. Aus dem Heck des Schiffes schlug eine Stichflamme; zerfetztes Metall wirbelte davon, und an den Bordwänden zeigten sich rotglühende Schmelzspuren. Dann stand das Schirmfeld wieder, und der Laserstrahl verpuffte wirkungslos.

Immerhin hatte der Treffer ausgereicht, die Fahrt des Schiffes erheblich zu verlangsamen.

»Jetzt geben wir ihm den Rest!« jubelte Arvid. Marsh winkte ab.

»Genug geschossen!« bestimmte er. »Immerhin haben wir das Feuer nicht eröffnet.« Ein verächtlicher Blick traf General Avidan.

»Nun, Herr General«, fragte Marsh kalt. »Wollen Sie uns noch immer prophylaktisch abschießen?«

Die Begleiter des Generals schluckten, und einer sagte halblaut: »Gegen dieses Schiff kommen wir nicht auf.«

»Sehr richtig!« bemerkte Marsh kalt. »Die DREADNOUGHT ist technisch so weit überlegen, daß wir die Erde ohne das geringste Risiko für uns verwüsten könnten. Doch daran ist keinem von uns gelegen. Die Morconen brauchen unsere Hilfe, und der Preis, den sie dafür zu zahlen bereit sind, ist unsere Eintrittskarte in die Unendlichkeit – ein mehr als anständiger Tausch. Und dank der unendlichen Klugheit und Vorsicht unseres liebenswürdigen Generals haben wir Erdenmenschen es verstanden, uns innerhalb von wenigen Minuten einen Feind zu schaffen. Oder glauben Sie, daß der Fremde zu Hause berichten wird, er sei von uns mit offenen Armen aufgenommen worden?«

General Avidan wand sich förmlich unter Marshs Worten, die wie Schläge auf ihn niederprasselten. Doch Marsh war noch nicht am Ende.

»Ich bin sicher«, sagte er, »daß wir, wo immer wir im All sein mögen, von jedem fremden Volk gastlich aufgenommen werden. Nur auf der Erde wird man statt mit offenen Armen mit geöffneten Geschützkuppeln empfangen. Und wie die Bemerkung Ihrer werten Begleiter zeigte, hat sich an dieser Einstellung nichts geändert. Man will uns nicht etwa akzeptieren, weil es vollkommen unsinnig ist, in jedem Besucher einen künftigen Angreifer zu sehen – nein, man heißt uns willkommen, weil die Erde diesem Schiff nichts entgegenzusetzen hat. Mit anderen Worten: Sobald die Erde mächtig genug ist, wird man uns abschießen.«

»Marsh«, bat Margalo und legte ihm die Hand auf den Arm. »Sei nicht so empfindlich.«

Marsh preßte die Kiefer zusammen und drehte sich noch einmal zu Avidan um.

»In spätestens zwei Stunden wünsche ich auf der Erde zu landen. Mit der DREADNOUGHT. Und anschließend möchte ich wieder mein Haus beziehen – ohne Aufpasser und staatlich bezahlte Mörder!«

Avidan nickte bleich. »Wir werden dafür sorgen«, versprach er heiser.

Wenige Minuten später gingen er und seine Begleiter von Bord.

»Kontakt!« meldete der Chefingenieur zur Zentrale.

»Verstanden!« gab Marsh zurück. »Legen Sie alles still.«

Er ging kurz die Checkliste durch und stellte alle Geräte auf Null; allmählich erstarben die Geräusche im Schiff, bis nur noch die Anlagen der Mannschleuse arbeiteten. Ein Blick auf den Schirm zeigte, wie sehr sich der Raumhafen in den letzten zehn Jahren verändert hatte – das Gelände war größer und moderner geworden, und auch die Schiffskonstruktionen hatten sich verändert.

»Gehen wir!« sagte Marsh und stand von seinem Sessel auf.

Eine halbe Stunde später standen drei Menschen vor dem Tower des Hafens – Marsh, Moltion Gambral und Margalo. Am Fuß des Towers befand sich ein Taxistand. Marsh gab dem Fahrer seine Adresse an; der Mann sah verblüfft auf. »Wo soll denn das sein?« fragte er interessiert.

So gut es ging, versuchte Marsh die Gegend zu beschreiben, in der sein Haus zu finden war.

»Keine Ahnung, Mister!« sagte der Fahrer kopfschüttelnd. »Die Gegend kenne ich überhaupt nicht.«

Umständlich fischte er aus dem Handschuhfach eine Karte hervor und forderte Marsh auf, den fraglichen Ort zu bezeichnen. Marsh suchte eine Zeitlang, dann hatte er entdeckt, daß aus dem nahegelegenen See, in dem er oft gebadet hatte, mittlerweile ein Berg von über 400 Meter Höhe geworden war.

Zehn Minuten später konnte er das Kunstprodukt selbst sehen – sein Haus sah aus, wie er es verlassen hatte, stand aber jetzt am Fuß des Berges. Der Garten war verwildert, und die große Video-Antenne starrte von Schmutz und Rost.

»Das ist der Dank des WSC!« knurrte Marsh, nachdem er das Taxi bezahlt hatte. »Alles verkommen.«

Im Innern des Hauses fand er Staub vor, der schon fast als Sediment bezeichnet werden konnte; eine aparte Konstruktion aus Spinnweben durchzog sämtliche Räume. Kopfschüttelnd beobachtete Marsh, wie nach den Fußtritten der anderen die Staubwolke auf dem Teppich aufflog und für Augenblicke die ursprüngliche Farbe wieder sichtbar wurde.

»Eine prachtvolle Aufgabe für Gertrude!« sagte Marsh.

»Wer bitte ist Gertrude?« erkundigte sich Margalo mißtrauisch.

»Wenn ich vorstellen darf«, sagte Marsh freundlich und öffnete den Schrank, in dem sich Gertrude aufzuhalten hatte, wenn sie nicht gebraucht wurde. Ein Knopfdruck genügte, um den Reinigungsrobot in Tätigkeit zu versetzen; methodisch machte sich die eiserne Hausgehilfin daran, die Wohnung von den Spuren einer mehrjährigen Abwesenheit zu befreien. Bereits nach zehn Minuten war das große Wohnzimmer gesäubert, und im offenen Kamin knisterte ein Holzfeuer.

»Wenigstens ist die Bar noch gefüllt«, stellte Marsh zufrieden fest.

Er überreichte Margalo einen trockenen Sherry, Moltion Gambral versuchte sich an einem uralten Cognac, während Marsh feststellte, daß seine Whiskyhausmarke in den Jahren nur an Qualität gewonnen hatte. Während in den Nebenräumen Gertrude mit enormer Geräuschentwicklung ihren robotischen Beschäftigungsdrang austobte, machten es sich die drei in den großen Sesseln bequem.

»Was meinen Sie, Marsh«, sagte Moltion nach einigem Zögern, »wird die Erde uns helfen?«

Marsh grinste diabolisch. »Eigentlich ist es keine Hilfe. Es ist vielmehr ein Tauschgeschäft, bei dem Ihr Volk kräftig übers Ohr gehauen wird. Rechnen Sie einmal nach – es wird die Industrie auf der Erde ungefähr ein bis zwei Jahre beschäftigen, den Riesengenerator zu bauen, der Morcos wieder auf eine akzeptable Umlaufbahn bugsiert. Und wir bekommen dafür das Produkt eines halben Jahrtausends intensivster Forschung. Wer macht dabei das bessere Geschäft?«

»Die Menschen«, erklärte Moltion gelassen. »Vielleicht aber auch wir. Vergessen Sie nicht, daß wir die Hilfe der Erde nicht nur einmal werden beanspruchen müssen. Die Bevölkerung von Morcos ist von dem fast zweitausendjährigen Kampf gegen das Aussterben völlig erschöpft; auf fast jedem Gebiet werden wir Anstöße und Hilfe der Terraner gut gebrauchen können.«

Gambral wollte weitersprechen, wurde aber vom Summer des Videos unterbrochen. Marsh stand auf, ging zu dem Gerät hinüber und schaltete es ein. Verschwommen, aber noch deutlich genug erschien das Gesicht General Avidans auf dem Bildschirm.

»Ich rufe im Auftrag der Erdregierung an«, sagte der alte Mann leise. »Ich soll Ihnen ausrichten: Die Erdregierung freut sich, den Abgesandten eines fremden Volkes auf Terra begrüßen zu können. Sie verspricht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dem morconischen Volk zu helfen. Mit der nächsten Expedition soll eine bevollmächtigte Delegation mit nach Morcos fliegen. Moltion Gambral wird gebeten, morgen Mittag der Frau Regierungschefin einen Besuch abzustatten.«

Schwach konnte Marsh erkennen, wie der General ein Blatt Papier senkte; wahrscheinlich hatte er die Botschaft abgelesen. Leise fuhr Avidan fort: »Ich hoffe, daß Sie mir gestatten, mich bei Ihnen zu entschuldigen. Es ist nicht leicht für einen alten Mann, Denkgewohnheiten in einer solchen Weise umzustellen. Verzeihen Sie meine kindische Reaktion!«

Gambral stand auf und stellte sich vor die Linse der Kamera. »Ich habe Sie verstanden, General«, sagte er ruhig. »Und ich nehme Ihre Entschuldigung gerne an. Hätten Sie keine Lust, auf Morcos den Aufbau und die Leitung einer Schule für Raumfahrer zu übernehmen?«

Avidan starrte den Morconen an, als sehe er ein Gespenst. »Vor ein paar Stunden wollte ich Sie noch abschießen – und nun bieten Sie mir solch einen Posten an?«

Der Morcone lachte leise. »Durch Überzeugung gewonnene Partner sind meist besser als solche, die von Anfang an dabei waren. Sehe ich Sie morgen?«

Avidan nickte kurz, dann schaltete er ab. Lächelnd drehte sich der Morcone zu seinen irdischen Freunden herum. »Ich glaube«, sagte er heiter, »wir werden für unsere Sache keinen besseren Fürsprecher finden als General Avidan.«

Marsh nickte zögernd. »Sie könnten recht haben«, meinte er nachdenklich. »Avidan war schon immer ein Weltraumfanatiker – und diesmal hat er eine Aufgabe vor sich, die ihn vollauf beschäftigen wird.«

»Nun«, sagte Gambral nach einem kurzen Blick auf seine Uhr, »wir werden es morgen sehen. Ich werde mich jetzt zurückziehen.« Er schüttelte Marsh die Hand, verbeugte sich höflich vor Margalo und zog sich dann in das Gästezimmer im ersten Stock zurück, das inzwischen von Gertrude in einen Zustand steriler Sauberkeit verwandelt worden war.

Marsh füllte sein Glas noch einmal auf und setzte sich neben Margalo. »Ein merkwürdiges Gefühl«, sagte er lächelnd. »Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren sind wir allein – ohne daß andere weniger als einen Meter von uns entfernt sind. Diese Enge in Raumschiffen zerstört jede Romantik.«

Unter dem Zwang der Türglocke vergrößerte er die Distanz zwischen Margalos und seinem Gesicht von einem auf hundert Zentimeter, stand auf und ging zur Tür.

»Sie sind Marsh Garfield?« fragte einer der beiden Männer. Marsh nickte.

»Bitte«, sagte der längere der beiden und überreichte Marsh ein Stück Papier.

»Sie haben in den letzten zehn Jahren einen Betrag von mehreren zehntausend Credits verdient, von diesem Betrag jedoch keine Steuern abgeführt. Die Steuerschuld übersteigt den angesammelten Wert Ihres Einkommens mit Zins und Zinseszins sowie Mahn- und Bearbeitungsgebühren um 4367,89 Credits. Gemäß Paragraph 2387 Steuergesetz werden Sie bis zur Zahlung des Fehlbetrags inhaftiert.«

Der Mann im Türrahmen lächelte liebenswürdig. »Bitte folgen Sie uns.«

Marsh warf einen hilfesuchenden Blick zu Margalo, zuckte mit den Schultern und holte dann seine Jacke von einem Haken.

»Nur Arbeitslose eignen sich zum Heldentum«, knurrte er, dann folgte er seinen Wächtern.


  1. [1] Boston-Washington