122730.fb2 F?hrte nach Andromeda - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 15

F?hrte nach Andromeda - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 15

1.

Drei Jahre später auf Morcos …

Für einen Morconen war Giri bel Tarman ein Koloß. Wer ihn sah, hielt ihn für einen Preisringer, nicht für einen Wissenschaftler von Format. Er hielt sich im Erfrischungsraum des unterirdischen Forschungszentrums auf und schlürfte mit Genuß eine Tasse jenes merkwürdigen, braunen Getränks, das die Erdmenschen in riesigen Quantitäten nach Morcos ausführten. Auch an Erdtabak hatte der Morcone Gefallen gefunden, wie seine kostbare Meerschaumpfeife bewies.

»Setzen Sie sich, meine Liebe«, sagte der Mann leise, als er hinter sich Schritte vernahm. »Darf ich Ihnen einen Kaffee spendieren?«

»Gern«, antwortete Sirghia Khanmar, während sie sich auf dem Stuhl gegenüber Giri niederließ. »Woher wußten Sie, daß ich näher kam – schließlich konnten Sie mich nicht sehen?«

»Aber hören«, trumpfte Giri auf, während er einen Robotkellner herbeiwinkte. »Und auch riechen – Ihr Parfüm ist in der Galaxis wahrscheinlich einmalig.«

Sirghia wußte nicht, wie sie die letzte Bemerkung zu werten hatte; vorsichtshalber schwieg sie. Die Morconin war fünfzehn Zentimeter kleiner als Giri und für Erdenmenschen vermutlich von erschreckender Hagerkeit. Als Gravo-Technikerin war sie kaum zu schlagen, und ihre spitze Zunge war in den Labors gefürchtet – lediglich Giri konnte ihr Paroli bieten.

»Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit«, bemerkte die junge Frau nach einem kurzen Blick auf ihre Uhr.

»Ha?« machte Giri verständnislos.

»Die Regierungsdelegation«, erklärte Sirghia sanft. »Sie wollen den ersten Probelauf des Generators miterleben.«

Erde und Morcos hatten drei Jahre lang alles Verfügbare aufgeboten, um diese Anlage zu erstellen, die die frühere Bahnabweichung des Planeten Morcos wieder rückgängig machen sollte. »Muß das sein?« seufzte Giri laut.

»Es muß«, erklärte Sirghia entschlossen. »Schließlich ist dies nicht irgendein Forschungsprogramm – es ist die letzte Hoffnung des morconischen Volkes.«

»Weniger Pathos!« bat Giri. »Auf letzte Hoffnungen pflegen meist noch etliche allerletzte Hoffnungen zu folgen.«

»Mag sein«, räumte Sirghia ein; sie hatte im Eingang zum Erfrischungsraum bereits den ersten erwarteten Besucher erkannt. Sie gab Giri ein Zeichen und stand auf, um den Männern entgegenzugehen. Der Morcone aber blieb auf seinem Platz, zündete sich mit peinlicher Sorgfalt eine Pfeife an und wartete darauf, daß man ihn ansprach.

»Wenn ich nicht wüßte, daß Sie Giri bel Tarman sind«, sagte einer der vier Männer, ein kleiner, dicklicher Erdmensch, »würde ich Sie für den Einschläfer einer Matratzenfabrik halten. Sind Sie immer so phlegmatisch?«

»Meistens«, gab Giri zu. Er stand umständlich auf und betrachtete aus einer Höhe von mehr als zwei Metern das Schädeldach des Terraners, der nur knapp 190 Zentimeter maß. Die Gesichtszüge des Erdmenschen drückten beträchtliche Verlegenheit aus, als der Mann seine Rechte in die Höhe hob, um Giris ausgestreckte Hand zu schütteln.

»Jetzt weiß ich endlich«, sagte der Terraner grinsend, »wie sich ein normaler Terraner mittlerer Größe bei meinem Anblick fühlt. Mann, sind Sie lang!«

Die drei anderen Männer, die den Terraner begleiteten, waren Morconen; höflich erwiderten sie Giris Händedruck.

»Würden Sie uns jetzt bitte die Anlagen zeigen?« bat ein Morcone. »Wir möchten Ihre Zeit nicht länger als nötig in Anspruch nehmen.«

An der Spitze der sechsköpfigen Gruppe marschierte Giri durch die unterirdischen Korridore der Forschungsanlagen. Von Zeit zu Zeit wurden sie von bewaffneten Wächtern aufgehalten, die gründlich die Ausweise prüften, die offen an der Brusttasche der Laborkittel getragen werden mußten. Neben einem Foto des Trägers enthielten die kleinen Karten aus urkundenechtem Plastik auch das vollständige Fingerlinienmuster des Besitzers; an jeder Kontrollstelle wurden die Männer aufgefordert, ihre Fingerabdrücke einem Vergleichscomputer anzuvertrauen, der die Werte mit den Angaben auf den Karten verglich. Bei der geringsten Unstimmigkeit heulten Sirenen auf und fuhren Schotte zu; lediglich die Wachen, die besonderen Kontrollen unterworfen wurden, konnten dann noch in die einzelnen Räume eindringen.

»Große Galaxis!« stöhnte der Terraner nach der achten Kontrolle. »Ist dieser ganze Unfug eigentlich nötig?«

»Leider ja«, erwiderte Sirghia gelassen. »Hat man Sie nicht über die Distributionisten unterrichtet?«

»Nein!« lautete die Antwort; Sirghia schüttelte verwundert den Kopf.

»Also«, begann sie, »es gibt auf Morcos eine Gruppe uneinsichtiger Menschen, die sich fanatisch gegen eine Zusammenarbeit mit der Erde wehrt, weil wir Morconen dabei angeblich betrogen würden. Diese Fanatiker haben schon einigen Unfug angerichtet. Die meisten ihrer Anschläge sind ausgesprochen dilettantisch, aber es steht zu befürchten, daß diese Organisationen im Falle des Großen Generators etwas entschlossener und radikaler vorgehen werden. Ihre Zahl ist nicht sehr groß, aber wir wollen nicht riskieren, daß die Arbeit dreier Jahre durch einen Sabotageversuch vernichtet wird.«

Die Gruppe hatte inzwischen die letzten Kontrollen hinter sich gebracht und befand sich jetzt im streng geheimen Abschnitt der Forschungsstation, der unter anderem von zahlreichen Posten besetzt war. Stellenweise waren mehr Uniformen zu sehen als Laborkittel; der kleine Raum, in den Giri die Gruppe führte, war nur von Wächtern bevölkert. Neugierig sahen sich die Morconen und der Terraner um; an den Wänden waren nur Tausende Skalen und Instrumente zu erkennen, sowie einige Bildschirme, die gewaltige Maschinen zeigten – mehr nicht.

»Ist das alles?« fragte der Terraner sichtlich enttäuscht.

Giri lächelte schwach. »Was hatten Sie erwartet? Was Sie hier in diesem Raum sehen, ist die Kontrolleinrichtung für den Großen Generator, dessen einzelne Teile sich in verschiedenen anderen Räumen dieser Forschungsanlage befinden.«

»Warum getrennt?« erkundigte sich ein Morcone, der sich über ein mysteriöses Instrument gebeugt hatte und sich enttäuscht wieder abwendete.

»Es erschien uns sicherer«, erklärte Sirghia an Giris Stelle. »Sollte wider Erwarten ein Bauteil versagen oder gar detonieren, dann werden wenigstens die anderen Teile nicht beschädigt. Keine Angst«, fügte sie hinzu, als sie das erschrockene Gesicht des Erdmenschen sah, »es wird nichts detonieren. Die ersten Generalproben der einzelnen Geräte verliefen ohne jede Störung.«

»Was soll eigentlich bei diesen Versuchen herauskommen?« wollte der Terraner wissen.

»Wir wollen Morcos wieder auf seine ursprüngliche Umlaufbahn zurückbringen«, erklärte Sirghia schnell, bevor Giri eine bissige Bemerkung machen konnte. »Während der Katastrophe vor 2500 Jahren hat ein ähnlicher Generator die Massenanziehung von Morcos so vergrößert, daß sich der Planet förmlich an seine Sonne heranzog. Wir planen die genaue Umkehrung – wir wollen die Schwerkraft so weit verringern, daß der gesamte Planet in seine alte Bahn zurückkehrt. Bildlich gesprochen wollen wir versuchen, die Schnur, an der Morcos um seine Sonne kreist, ein wenig zu verlängern.«

»Ein buchstäblich weltbewegender Versuch also«, sinnierte der Terraner. »Und was machen wir jetzt?«

Nun übernahm Giri die Aufgabe, seine Arbeiten den Besuchern zu erklären. Peinlich genau sprach er über die Funktion und Arbeitsweise jedes einzelnen Gerätes – und nicht ohne Genugtuung bemerkte er, daß sein endloser Vortrag die Besucher unglaublich langweilte.

»Bitte, sehen Sie hierher!« bat er schließlich.

Die Männer beugten sich vor und beobachteten einen unscheinbaren Zeiger, der von Null auf 0,005 emporgewandert war; die Morconen sahen sich ratlos an und zuckten mit den Schultern.

»Ist das alles?« fragte ein Morcone schließlich zaghaft.

Giri seufzte leise auf, dann sagte er mit mühsam unterdrückter Wut: »Ja, das ist alles! Dieses Gerät zeigt an, um welchen Wert ich die normale Schwerkraft des Planeten verringert habe – um fünf Tausendstel. Das genügt für diesen Probelauf.«

Er unterbrach sich, als ein Vid summte. Giri nahm das Gespräch an, und mit jedem Wort, das der unbekannte Gesprächsteilnehmer sagte, hellte sich sein Gesicht auf.

»Wir haben es tatsächlich geschafft!« sagte er strahlend. »Der Anruf kam von einem Observatorium – die Astronomen haben eine nachweisbare Bahnveränderung festgestellt und gemessen. Morcos hat sich ein Stück bewegt.«

»Und wie hat sich die Bahn verändert?« erkundigte sich einer der Morconen.

»Um ein paar Kilometer«, sagte Giri schulterzuckend. »Es beweist, daß unsere Arbeit erfolgreich war.«

»Die Bevölkerung wird langsam ungeduldig«, sagte der Anführer der kleinen Delegation nachdenklich. »Immerhin setzten wir seit drei Jahren alle Kraft und Arbeit in dieses Projekt – die Menschen wollen endlich etwas sehen, eine spürbare Veränderung.«

Giri grinste unverschämt. »Hoffen wir, daß es dazu nicht kommt. Wenn wir nicht sehr behutsam vorgehen, dann wird es zu ähnlichen Katastrophen kommen wie damals. Oder sollte Ihnen entfallen sein, unter welchen Begleiterscheinungen sich der Bahnwechsel vollzog – Stürme, Erdbeben und dergleichen?«

»Das heißt, daß …«

»… noch Jahre vergehen werden, bevor Morcos wieder auf seiner alten Bahn ist – wir werden den Planeten ganz allmählich zu seinem Platz zurückführen.«

Auf den Gesichtern der drei Morconen war deutlich zu erkennen, woran sie bei diesen Worten dachten. Im nächsten Jahr fanden Parlamentswahlen statt, und nur zu gern hätte die Regierungspartei diesen Erfolg noch in dieser Amtszeit gehabt. Der kleine, fette Terraner schien mit ähnlichen Überlegungen beschäftigt – er grinste die bleich gewordenen Morconen diabolisch an. Die Männer sahen sich an und verabschiedeten sich hastig – wahrscheinlich würde es im Anschluß an die wissenschaftliche Demonstration zu erregten Diskussionen kommen.

Giri sah den davoneilenden Besuchern nach und lächelte still, dann drehte er sich zu Sirghia um. »Wie wäre es jetzt mit einem kleinen Drink – dieser Erfolg muß gefeiert werden!«

Der Wissenschaftler hatte sich nur schwer dazu bereitgefunden, seinen ständigen Wohnsitz in die hermetisch abgeriegelten Räumlichkeiten des Forschungsbunkers zu verlegen, aber letztlich hatte er nicht widerstehen können. Immerhin ließ es sich abseits der großen Wohnblocks gut leben.

Giri bel Tarman bewohnte zwei Zimmer, die wie auf Morcos üblich nicht abschließbar waren. Auf eine private Hygienezelle hatte er verzichtet – Wasser war auf Morcos so knapp, daß eine eigene Dusche zu den höchstbesteuerten Luxusgütern zählte. Die Räume waren sehr einfach möbliert – ein hartes Bett, ein Tisch, mehrere Stühle und einige Bücherregale bildeten die Einrichtung seines Schlafzimmers. Im Wohnzimmer befand sich als Ausgleich zum Bett ein Schreibtisch aus schmutzfestem Kunststoff; auch hier quollen die Regale über von Ton- und Bildspulen, Bandkassetten und dickleibigen Folianten. Das Ganze sah ein wenig unordentlich aus, da Giri die Angewohnheit hatte, seinen gesamten Besitz alphabetisch zu ordnen – ob es sich um Musikaufnahmen handelte, Unterhaltungsliteratur oder Fachbücher. Mitten im Wohnzimmer hing von der Decke ein Kugellautsprecher der oberen Preisklasse – seit seiner ersten Bekanntschaft mit der terranischen Musik war Giri barocken Klängen verfallen; auch einige hochwertige Reproduktionen an den Wänden bewiesen, daß er das Kunstschaffen der Erdmenschen zu schätzen wußte.

Das erste, was Giri am Morgen nach dem ersten Probelauf von sich gab, war ein klägliches Stöhnen, dann folgten einige Flüche. »Dieser elende Importschnaps!« stöhnte der Wissenschaftler. Natürlich war es bei dem einen Drink nicht geblieben, und Giri hatte in Unkenntnis der Standfestigkeit von Sirghia des Guten ein wenig zuviel getan. »Bei Morcoy!« jammerte er. »Das Weib kann mörderisch viel vertragen.«

Er konnte sich nicht erinnern, wie er am gestrigen Abend überhaupt in sein Bett gefunden hatte; die einzigen Dinge, die ihm noch einfielen, waren Sirghias schrilles Lachen und ihre scheinheilige Frage, ob er noch einen Drink wolle. Ächzend und schimpfend stand Giri auf, zog sich einen alten Morgenmantel an und tappte über menschenleere Gänge zur nächsten Gemeinschaftsdusche. Als er in sein Zimmer zurückkehrte, war der erste Teil des Katers bereits gewichen.

Starker Kaffee und ein gutes Frühstück stellten dann sein inneres Gleichgewicht wieder vollständig her. Wie aufs Stichwort erschien Sirghia, die geradezu herausfordernd frisch und heiter wirkte. »Wir stehen in der Zeitung«, verkündete sie fröhlich; dann sah sie Giri aufmerksam an: »Fehlt Ihnen etwas?«

Der Mann schüttelte den Kopf und goß für sich und die Frau Kaffee ein, dann griff er nach dem Nachrichtenausdruck. »Wo?« fragte er einsilbig.

Sirghia blätterte die richtige Seite auf und deutete mit dem Finger auf eine kleine, rot eingerahmte Meldung. Rasch überflog Giri die wenigen Zeilen, die in dürren Worten und ohne Orts- oder Personennennung über den Versuch berichteten. Noch etwas erregte Giris Aufmerksamkeit – eine sehr kurze Meldung handelte von einem starken Erdbeben auf dem Nachbarplaneten Mainares, der bis auf wenige Forschungsstationen mit geringer Besatzung unbewohnt war.

»Sehr gut«, lobte Giri, als er den Ausdruck weggelegt hatte. »Warten Sie auf die Schlagzeilen über unseren ersten Großversuch – dann sind wir auf der ersten Seite! Was steht für heute auf dem Programm?«

Sirghia zählte auf, und Giri machte sich Notizen, die er anschließend sofort in den Abfallvernichter warf. Sein akustisches Gedächtnis war miserabel, sein optisches hingegen fast perfekt – Dinge, die er gelesen hatte, vergaß er so gut wie nie.

»Gut!« sagte er endlich, nachdem Sirghia ihren Rapport beendet hatte. »Machen wir uns an die Arbeit. Ich stelle hier noch ein paar Materialien zusammen; wir treffen uns dann im Labor.«

Sie verabschiedete sich und ging. Giri sammelte noch einige Unterlagen und wollte sich dann ebenfalls auf den Weg zu den Laboratorien machen. Zwei freundliche, aber energische Herren, die draußen vor der Tür auf ihn gewartet hatten, hinderten ihn an diesem Vorhaben.

»Wir sind angewiesen, Sie abzuholen«, sagte einer der beiden. »Bitte folgen Sie uns.«

Giri zog die Brauen hoch und sah sich die beiden sehr durchschnittlichen Männer genau an.

»Was ist los?« fragte er dann ungeduldig. »Ich habe zu tun.«

»Wir auch«, meinte der Sprecher mit einem säuerlichen Lächeln. »Unsere Arbeit besteht darin, Leute wie Sie von der ihren abzuhalten und mitzuschleppen. Bitte, kommen Sie mit – sonst müßten wir ein wenig nachhelfen, und das würde Aufsehen erregen.«

Das klang für Giris Geschmack ein wenig zu unfreundlich; er wußte nicht, ob er folgen sollte. Kamen die beiden wirklich von einer vorgesetzten Dienststelle, war alles in Ordnung. Was aber, wenn sie zu den Distributionisten gehörten – Ausweise zu fälschen war zwar schwer, aber keineswegs unmöglich. Giri knurrte etwas Unverständliches, dann trottete er folgsam hinter den beiden her. Mit großer Spannung wartete er auf die erste Kontrolle, aber seine Erwartungen wurden enttäuscht. Offensichtlich waren die Ausweise der beiden Männer mehr als nur in Ordnung – vor Wissenschaftlern hätten die Wächter sicherlich nicht salutiert.

Vor dem großen Haupttor des Forschungsbunkers wartete ein Gleiter mit laufendem Motor. Höflich wurde Giri aufgefordert, auf der hinteren Sitzbank Platz zu nehmen. Kaum hatte der Wissenschaftler sich gesetzt, als sich die Tür klatschend hinter ihm schloß und Giri die Feststellung machen mußte, daß sein Sitzplatz eher einem lichtundurchlässigen Käfig glich. Nur eine kleine Lampe an der Decke erhellte das enge Gefängnis.

Von der Fahrt des Gleiters bemerkte Giri nicht das geringste, da er Fluchtpläne schmiedete. Daß ein Entweichen dringend nötig war, bezweifelte er keine Sekunde; für ihn sah es ganz so aus, als planten die Distributionisten, ihn zu entführen und an passender Stelle in ein besseres Leben zu transportieren.

Ein Blick auf die Uhr zeigte dem wütenden Giri, daß die Fahrt nun schon fast eine halbe Stunde dauerte. Endlich stoppte das Fahrzeug; kurz darauf öffnete sich die Tür, und Giri sprang mit einem gewaltigen Satz ins Freie. Seine Fluchtabsicht gab er sofort auf, als er die anderen Männer auf dem großen Parkplatz sah – wenigstens hundert Augenpaare starrten ihn an. »Wenn es denn sein muß«, murrte Giri fatalistisch. Mit hängenden Schultern folgte er seinen Bewachern durch ein Labyrinth von Gängen und Büros. Die Distributionisten schienen eine beträchtliche Organisation aufgebaut zu haben – eine Verschwörerzentrale dieser Größe war jedenfalls außerordentlich. Vor einer Tür blieb der kleine Trupp schließlich stehen; einer der Männer trat vor, öffnete und bat Giri mit einer Handbewegung, einzutreten.

»Setzen Sie sich, bitte!« wurde Giri aufgefordert.

»Nein!« sagte er entschlossen. »Jedenfalls so lange nicht, wie ich nicht weiß, was dieses Theater zu bedeuten hat. Man hat mich entführt, wie einen Schwerverbrecher abtransportiert, und der prachtvollen Drehlampe entnehme ich, daß Sie mich jetzt wohl verhören wollen.«

»Nicht doch!« wehrte der Mann hinter dem Schreibtisch ab. »Ihre sogenannten Entführer waren natürlich nicht ganz die richtigen Leute, Sie abzuholen – für ihren Stilmangel bitte ich um Verzeihung!«

Giri sah den Mann eine Zeitlang zweifelnd an, dann setzte er sich widerwillig.

»So ist es schon besser«, meinte sein Gegenüber; für einen Morconen hatte er eine absonderlich braun gefärbte Haut, fiel Giri auf. Vielleicht …

»Durchaus richtig«, sagte der Mann lächelnd. »Ich war tatsächlich einige Zeit mit irdischen Schiffen im Raum – eine faszinierende Sache. Daher auch die Tönung meiner Haut.«

Im stillen bewunderte Giri das Einfühlungsvermögen des Mannes, dann fiel ihm ein, daß wahrscheinlich jeder Besucher zunächst auf die Hauttönung achtete – dunkelhäutige Morconen fielen sofort auf.

»Ich will gleich zum Thema kommen«, sagte der Mann, der es bisher vermieden hatte, sich vorzustellen. »Sie sollen zusammen mit diesem Herrn einen kleinen Ausflug machen.«

Er drückte einen Knopf, und eine Wand im Hintergrund des Raumes verschob sich; im Rahmen erschien ein Erdmensch, der sofort auf Giri zuging.

»Abraham DeLacy«, stellte sich der Terraner vor. »Meine Freunde nennen mich Spooky.« Freundschaftlich schlug er Giri auf die Schulter mit einer Wucht, daß der Wissenschaftler fast vornüber gestürzt wäre.

Giri erlaubte sich, mit ähnlicher Wucht zurückzuschlagen, und der Terraner krachte zunächst einmal gegen die Wand. »Giri bel Tarman«, sagte der Wissenschaftler freundlich. »Es freut mich, Sie kennenzulernen.«

Der Terraner rieb sich die schmerzende Schulter und nickte anerkennend.

»Ich wäre Ihnen dankbar«, sagte er mit einer rauchigen Baßstimme, »wenn Sie künftig entweder gar nicht schlagen – oder aber sofort tödlich.«

»Ich werde mich bei passender Gelegenheit an Ihren Wunsch erinnern«, meinte Giri und musterte den Terraner.

Ein Zwerg von höchstens einhundertachtzig Zentimetern nach irdischem Maß, schätzte er. Gewicht bei annähernd neunzig Kilogramm – der Mann mußte bald am eigenen Fett ersticken. Bürstenhaarschnitt, Farbe rostig Rot; Augen hellblau, umrahmt von einer ansehnlichen Kollektion von Sommersprossen. Ein Frauenheld war er sicher nicht – bei der Figur.

»Begutachtung beendet?« fragte Spooky, der Giri mit gleicher Sorgfalt taxiert hatte. »Können wir zur Sache kommen?«

»An mir soll es nicht liegen«, meinte Giri; der Terraner war zwar ein anatomisches Monstrum, aber vielleicht fand Giri ihn schon deshalb sehr sympathisch.

»Ich muß noch erwähnen«, mischte sich der dritte Mann ein, der dem Dialog der beiden mit großem Interesse gefolgt war, »daß Mister DeLacy Spezialagent des Terrestrischen Raumsicherheitsdienstes ist.«

»Mit Auszeichnungen!« behauptete der Terraner und deutete auf seine linke Brust. Giri konnte nichts erkennen, außer acht untereinander angeordneten Spangen, auf denen sich farbige Bändchen drängten.

»Ich kann Ihnen noch nicht sagen«, nahm der Morcone den Faden wieder auf, »was Ihre Aufgabe sein soll. Ich möchte Sie jedenfalls bitten, mit diesem Herrn und zwei Damen eine Reise zu machen. Bei der Ankunft werden Sie erfahren, was Sie zu tun haben – wir werden die Informationen blockhypnotisch verankern.«

»Und meine Arbeit?« wandte Giri ein.

»Wir werden für Sie schon einen Ersatz finden«, wurde er beruhigt. »Wenn das stimmt, was wir vermuten, ist diese Aufgabe wesentlich wichtiger als Ihre bisherige Arbeit.«

Mit einem Kopfnicken gab Giri sein Einverständnis.

»Auf denn«, sagte Spooky laut; er hob die Hand, sah kurz auf Giris Schultern, dann ließ er von seinem Vorhaben ab. »Boxmanager müßte man sein«, murmelte er, während er hinter Giri den Raum verließ.

Spooky hatte das Schiff KILT getauft. Es war ein ehemaliges Pendlerfahrzeug, das bestenfalls für mittlere interplanetarische Reisen taugte.

»Ein feines Boot«, meinte DeLacy anerkennend, nachdem er einen Blick in den Maschinenraum geworfen hatte. »Alle Anlagen sind sorgfältig überholt.«

Er sah sich kurz im Cockpit um und gab ein zufriedenes Brummen von sich. Aus der Brusttasche seiner Uniform holte er die Bandkassette mit den Kursdaten heraus und fütterte den Steuercomputer mit den Werten. »Jetzt fehlen nur noch die Damen«, meinte er händereibend; er sah an sich herab, überlegte kurz und sagte dann nachdenklich: »Ich glaube, ich werde mich etwas aufhübschen.«

Mit diesen Worten verschwand er in Richtung Bad. Als er zehn Minuten später in den Aufenthaltsraum zurückkehrte, ließ Giri den Nachrichtenausdruck fallen, in dem er geblättert hatte. Abraham DeLacy hatte sich für Tennisschuhe, Kordjeans und eine brandrote Seidenbluse entschieden; zudem roch er wie der Lagerraum einer Parfümerie. Unwillkürlich begann Giri zu grinsen, doch dann fiel ihm ein, daß erstens die Sitten auf der Erde sich von denen auf Morcos unterschieden und daß zweitens dem unförmigen Erdmenschen wohl nichts anderes übrigblieb als chemische Kampfstoffe, wollte er seinen Beitrag zur Arterhaltung leisten.

»Aah!« machte Spooky seiner Freude Luft. »Die Damen kommen.«

Giri hatte gar nicht auf die Kontrollampe geachtet, deren Aufflammen die Öffnung der Schleuse anzeigte. Unbewußt nahm er eine Imponierhaltung an und setzte ein liebenswürdiges Lächeln auf. Sein Gesicht gefror förmlich, als sich die Schiebetür öffnete und die Erdfrau in den Raum trat.

Sie war noch um gut eine Handbreit zwergenhafter als Spooky; ihr Haar war schwarz wie der Weltraum und so lang, daß es ihr beim Essen wahrscheinlich in die Suppe fiel. Normal waren lediglich die dunklen Augen. Was die körperlichen Abmessungen betraf, so mußte Giri ein würgendes Hüsteln unterdrücken. Nach terranischem Maß neunzig – siebzig – neunzig, so schätzte er grob. Was ihn fast noch mehr befremdete, war der starre Gesichtsausdruck des Terraners, der die Frau mit seinen Blicken förmlich sezierte und dazu merkwürdig pfiff. Immerhin schien auch ihm der Atem auszugehen.

»Teufel auch!« entfuhr es Spooky.

»Ihr Name?« fragte die Frau verwundert. »Ich heiße Danielle Velleur.«

»Abraham DeLacy«, antwortete Spooky. »Und dieser Mensch ist Giri bel Tarman.«

Danielle kam nicht dazu, ein paar einleitende Worte zu sagen; hinter ihr tauchte ein für Giri wohlbekanntes Gesicht auf – Sirghia. Befremdet nahm der Wissenschaftler zur Kenntnis, daß auch der Terraner von den Vorzügen der jungen Frau nicht unbeeindruckt blieb. Sein Blick verriet, daß er von der Morconin fasziniert war.

»Da wir nun vollständig sind«, meinte Sirghia, die den Terraner mit offensichtlicher Verwunderung musterte, »könnten wir eigentlich starten.«

»Wird gemacht«, versprach Spooky und verschwand. Er hatte nicht viel zu tun – ein simpler Knopfdruck genügte, um die Generatoren anlaufen zu lassen. Als er in den Aufenthaltsraum zurückkehrte, befand sich die KILT schon in einer Höhe von achtzig Kilometern; die Menschen hatten inzwischen die Sessel belegt und wußten anscheinend nicht, was sie sagen sollten.

»Wie wäre es mit einem Drink zum Kennenlernen?« schlug Spooky vor. Giri stöhnte nur.