122730.fb2
3.
»Los, vorwärts!« rief Spooky, als er seine Freunde erreicht hatte. »Gleichgültig, wohin, aber wir müssen verschwinden!«
Wortlos rannte Giri voraus. Minutenlang ergab sich keine Ausweichmöglichkeit; der Gang wies keinerlei Abzweigungen auf. Erst als die Gruppe wieder auf einen elliptischen Saal mit mehreren Gangfortsetzungen stieß, hielten sie an. Während sich Danielle um Spookys Verletzung kümmerte, legte sich Giri auf den Boden und horchte.
»Ich kann keine Schritte hören«, berichtete er nach einer Minute. »Allerdings sagt das nicht sehr viel. Wie geht es Spooky?«
»Besser«, sagte der Terraner und grinste mühsam. »Nur eine Fleischwunde am Bizeps – ich werde es überleben. Allerdings werde ich die rechte Hand in den nächsten Tagen nicht gebrauchen können – ich werde mich auf mein Gehirn verlassen.«
»Eine dürftige Hilfe«, murmelte Danielle spöttisch; sie hatte den verbrannten Uniformstoff rund um die Wunde abgeschnitten, verkohlte Stoffreste daraus entfernt und anschließend Plasma aufgetragen. In wenigen Tagen würde von der Verletzung nur noch eine unscheinbare Narbe übrigbleiben.
Jetzt fand DeLacy auch Zeit, den anderen drei den Grund für die Flucht zu erklären; Giri nickte beifällig, während Spooky über Gerbault und seine Helfer berichtete.
»Jetzt müssen wir nicht nur aufpassen, daß uns die Hinterlassenschaften der unbekannten Anlagenerbauer umbringen«, klagte Sirghia. »Wir müssen auch noch darauf achten, Gerbault aus dem Weg zu gehen.«
»Ganz so arg ist die Lage nicht«, meinte Spooky. »Vergeßt das Schirmfeld nicht! Ich weiß nicht, wer mich beschützt hat, aber der Unbekannte hat mir mit Sicherheit das Leben gerettet.«
»Das könnte bedeuten«, überlegte Danielle laut, »daß in diesem Höhlensystem noch jemand lebt – der uns unausgesetzt beobachtet.«
Giri wollte den Gedanken fortsetzen, aber ein dumpfes Geräusch ließ ihn verstummen. Erschreckt sah er, wie sich zwölf der dreizehn Öffnungen im Fels schlossen. Der Rückweg war abgeschnitten.
»Eine Einladung?« überlegte Spooky. »Oder eine Falle?«
»Warten wir es ab!« schlug Giri vor; er entsicherte seinen Laser und richtete die Mündung auf die einzige noch verbliebene Fortsetzung des Ganges. »Wenn sich nach fünf Minuten noch nichts gezeigt hat, sollten wir in den Gang eindringen.«
Er mußte nicht einmal die Hälfte der Zeit warten; ein leises Tappen war zu hören, und wenig später erschien in der Öffnung ein Tier. Es sah aus wie ein auf Bernhardinergröße zusammengeschrumpfter Elefant, der zudem schillernde Flügel trug wie eine riesige Libelle. Zähne und Rüssel waren ähnlich ausgebildet wie bei irdischen Elefanten, wenn auch um etliches länger; außerdem wies das merkwürdige Geschöpf noch einen gefährlich aussehenden Schwanzstachel auf.
»Kennt irgend jemand diese Kreatur?« wollte Spooky wissen.
»Dieses Geschöpf ist in keinem Buch erwähnt«, sagte Sirghia kopfschüttelnd. »Aber es wird wahrscheinlich harmlos sein wie Soleil.«
Der Bär tappte unterdessen langsam auf den Flügelelefanten zu und gab ein freundliches Brummen von sich; das Tier in der Gangöffnung rührte sich nicht, sondern starrte die Menschen an. Sirghia trat langsam näher und redete leise auf das Tier ein, unverständliche Silben, die sanft und einlullend klangen.
Das Tier wartete, bis die Morconin auf zwei Meter herangekommen war, schlug dann unvermittelt mit dem Rüssel zu und traf den Arm der Frau. Sirghia schrie auf und ließ ihren Laser fallen. Bevor der Elefant noch einmal zuschlagen konnte, warf sich Soleil dazwischen und rollte die Frau förmlich vor sich her.
Während Spooky und Giri ihre Waffen auf das Tier gerichtet hielten, untersuchte Danielle Sirghias Arm. Das Glied war gebrochen, schmerzte aber nicht mehr, nachdem Danielle aus ihrem Vorrat ein Palliativ injiziert hatte.
»Nicht schießen!« warnte Giri. »Das Tier weiß schließlich nicht, wen es vor sich hat. Wir sind Unbekannte.«
Während er noch sprach, wurden drei weitere Öffnungen wieder frei, und drei weitere Flügelelefanten starrten die Menschen an. Spooky fingerte unschlüssig am Abzug seines Lasers herum.
»Wir sollten ein paar Warnschüsse abgeben«, schlug er vor. »Vielleicht verschwinden die Biester dann.«
Giri nickte kurz und gab einen kurzen Feuerstoß aus seiner Waffe ab; die roten Strahlen schlugen einen halben Meter vor dem ersten Tier ein und überschütteten das Geschöpf mit einem Regen glutflüssigen Gesteins. Die Tiere reagierten sofort; wie auf ein Kommando stürzten sie auf die Menschen los.
»Es hilft nichts!« schrie Spooky. »Wir müssen scharf schießen!«
Eine mörderische Schlacht entbrannte; immer neue Flügelelefanten preschten aus den Gängen heran und warfen sich auf die Menschen, die pausenlos feuerten. Obwohl Spooky und Sirghia nur mit der linken Hand schießen konnten, reichte die Feuerkraft der vier Laser aus, die Sturzflut einzudämmen. Seltsamerweise schienen die Flügelelefanten auch kein Interesse an dem Bären zu haben.
»Lange halten wir das nicht mehr durch!« schrie Spooky. »Sobald einer von uns nachladen muß, ist der Kampf entschieden.«
Es war nicht nötig, genau zu zielen; wohin auch immer die Menschen schossen, sie trafen stets. Besorgt sah Spooky auf die Ladeanzeige seines Lasers – das Magazin war nahezu erschöpft.
Ebenso plötzlich, wie der Angriff begonnen hatte, hörte er auch wieder auf. Die Tiere verhielten, starrten die Menschen an und begannen dann, ihre getöteten Artgenossen abzutransportieren. Die vier stellten ihr Feuer ein. Da sie jederzeit mit einem neuen Angriff rechneten, benutzten sie die Zeit, ihre Waffen nachzuladen.
In weniger als fünf Minuten waren alle Flügelelefanten in den Gängen verschwunden, die sich hinter ihnen wieder schlossen – bis auf jenen Gang, in dem der erste Flügelelefant erschienen war.
»Wir sollten es versuchen«, meinte Spooky mit einem nachdenklichen Blick auf die Öffnung. »Ich glaube nicht, daß sie uns einen Hinterhalt legen werden.«
»Unwahrscheinlich«, stimmte Giri zu und trat als erster in die Öffnung. Sie hatten recht – nach einigen hundert Metern zurückgelegter Strecke war noch immer kein Tier aufgetaucht. Giri hatte das vage Gefühl, daß sich der Gang allmählich senkte. Das Gefühl wurde zur Gewißheit, als der Gang in eine Wendeltreppe mündete.
»Weiß einer von euch eigentlich, wo wir uns ungefähr befinden?« fragte Spooky. »Ich wüßte gern, ob wir überhaupt noch eine Chance haben, den Rückweg zu finden.«
Die Menschen sahen sich gegenseitig an und zuckten hilflos mit den Schultern. In der allgemeinen Aufregung hatte niemand daran gedacht, die beschrittenen Gänge zu markieren oder den Weg aufzuzeichnen.
»Mit anderen Worten«, murmelte Danielle leicht deprimiert, »wenn wir nicht irgendwann auf einen Bewohner dieser Höhlen stoßen, werden wir hier im Berg verhungern oder verdursten.«
»Fazit: Wir können nur noch nach vorne fliehen«, stellte Giri fest.
Einmal mehr stieg er als erster die Treppe hinab, die in den nackten Fels gehauen war. Als nach einer halben Stunde noch immer kein Ende der Stufen zu sehen war, begann Spooky zu fluchen.
Etwa einhundertachtzig Meter tiefer endete die Wendeltreppe; mit zitternden Knien hockten sich die Menschen auf die letzten Stufen und erholten sich von der Strapaze des Abstiegs. Der Raum vor ihnen lag noch im Dunkeln – wie fast alle Räumlichkeiten im Innern des Berges würde wahrscheinlich auch hier die Beleuchtung aufflammen, sobald der erste Schritt auf den Boden des Raumes gemacht wurde.
»Was wartet jetzt auf uns«, rätselte Spooky, »neue Bestien?«
Giri zuckte mit den Schultern; er stand auf, stieg die letzten drei Stufen hinab und setzte den Fuß auf den Boden des Raumes. Sofort flammten die Lichter auf, und im Schein der indirekten Beleuchtung erkannten die Menschen einen großen Saal, in dessen Wänden sich zahlreiche Nischen befanden, die mit je einer spärlich erhellten Figur besetzt waren. Spooky richtete den Strahl seiner Lampe auf eine Nische.
In dem Hohlraum wurde eine lebensgroße Gestalt sichtbar, die aussah wie ein Terraner, der sich den hervorragend präparierten Kopf eines Schakals über den Schädel gestülpt hatte. Die Gestalt hatte eine Hautfarbe, die an matte Bronze erinnerte; seine Bekleidung bestand lediglich aus einem strahlend weißen Wickelrock.
»Den Herrn kenne ich doch?« murmelte Spooky nachdenklich.
Auch Danielle fühlte sich an Vertrautes erinnert. Langsam schritt sie von Nische zu Nische. Wesen mit Vogelköpfen gab es und solche mit Widderköpfen. Als das Licht ihrer Handlampe auf einen Löwen mit menschlichen Gesichtszügen fiel, schrie sie leise auf. »Ich weiß, was dies hier ist!« sagte sie laut. »Alle diese Gestalten tauchen in der irdischen Mythologie auf. Die Götter der Antike, die ein Mittelding zwischen Tier und Mensch waren.«
»Richtig!« sagte Spooky. »Vor allem die Ägypter hatten viele Tiergottheiten – Horus, der Falke; Chnum, der Widder; Thoth, der als Ibis auftrat – und hier die berühmte Sphinx.«
»Was aber hat dieses Museum zu bedeuten?« rätselte Giri.
»Vielleicht kann uns dieser Gott hier Auskunft geben!« sagte Sirghia lachend. Sie hatte weitere Nischen untersucht und in einer Höhlung einen Gott gefunden, der sich dort recht unglücklich fühlte und verzweifelt brummte.
»Cerlo«, rief Spooky, als der Stationsleiter von seinen Fesseln befreit wurde. »Wie bist du hierhergeraten?«
Der Morcone holte tief Luft und massierte seine geschundenen Handgelenke; dann berichtete er: »Eigentlich müßtet ihr alle vier längst erschossen sein – jedenfalls glauben Gerbault und seine Leute, euch umgebracht zu haben!«
»Wie das?« fragte Danielle verblüfft.
»Ich weiß es auch nicht«, gestand Cerlo. »Ich nehme aber an, daß es sich um hypnotische Projektionen gehandelt hat. Mir ist nur aufgefallen, daß sich Soleil nicht bei den angeblich Erschossenen befand; außerdem vermißte ich den typischen Gestank nach laserverbranntem Fleisch. Daraus zog ich den gewagten Schluß, daß ihr noch am Leben wart.
Nachdem Gerbault seine Freude über eure Ermordung ausgetobt hatte, marschierten die Gangster weiter – wir hatten völlig die Orientierung verloren, und die Männer wurden immer unruhiger. Nach einiger Zeit schlug einer der Schufte vor, mich schnell aus dem Weg zu räumen, da ich doch nur das kostbare Wasser verbrauchen würde. Meine Hoffnungen waren allmählich auf den Nullpunkt gesunken, zumal sich auch nicht die geringste Chance zeigte, den Burschen zu entkommen.
Ich kann euch nicht sagen, wo in diesem Labyrinth es genau geschehen ist – aber ich verschwand plötzlich. Ich spürte gerade noch, wie sich unter meinen Füßen ein Loch auftat und ich hinabfiel; dann sah ich Gerbault auf mich feuern, und vor Schreck verlor ich die Besinnung. Als ich wieder zu mir kam, lag ich hier – so, wie ihr mich gefunden habt.«
Die anderen hatten kopfschüttelnd mitgehört. Endlich brach Danielle das Schweigen. »Ich kann aus den Vorkommnissen nur einen Schluß ziehen«, sagte sie nachdenklich. »Wir werden pausenlos überwacht und getestet – ich frage mich nur, was am Ende dieser Tests stehen wird.«
Giri zuckte mit den Schultern.
Überraschend erschien an der Decke des Raumes ein Pfeil in grüner Farbe.
»Sieh an«, sagte der Morcone leise. »Soll das eine Einladung sein?«
»Möglich«, meinte Spooky. »Wir sind unseren unsichtbaren Freunden ohnehin völlig ausgeliefert – ohne ihre Hilfe finden wir den Ausgang dieses Labyrinths niemals.«
»Recht hat er«, sagte Danielle leise. Sie streichelte Soleil, der sich eng an sie schmiegte und zaghaft brummte. Gehorsam trottete das Tier hinter der Frau her, als sich die Gruppe in Bewegung setzte.
Der Weg führte durch ein kompliziertes System von Gängen und Räumen; jedesmal, wenn Wegalternativen auftauchten, gab der Pfeil an der Decke einen deutlichen Hinweis. Als er endlich erlosch, standen die vier vor einigen recht absonderlich aussehenden Maschinen, die Spooky entfernt bekannt vorkamen.
Zwei gummibereifte Räder, die durch ein kompliziertes Gestell miteinander verbunden, waren leicht zu erkennen. Was sich aber zwischen den Rädern befand, erregte Giris Interesse. Der Morcone besah sich die Maschine von allen Seiten und gab ein gelegentliches Brummen von sich. Vor allem die zahlreichen Hebel, die aus der Maschine herausragten, erregten seine Neugierde. Als er sich dann auf eine der Maschinen schwang, kehrte auch Spookys Erinnerung langsam zurück; irgendwo in seinem Gedächtnis formte sich das Bild eines Mannes, der genau wie Giri rittlings auf einem solchen Gerät hockte.
»Das ist ein Bodenfahrzeug!« stellte Giri kühn fest. »Und mit dem Gehörn kann man den Kurs bestimmen.«
»Genau!« rief Spooky erfreut. »Das sind uralte Räder mit Motor – ich glaube, mein Großvater hat noch solch ein Ding besessen. Wartet!« Er beschäftigte sich mit den Hebeln und nickte dazu.
»Gasdrehgriff, Kupplung …«, murmelte er. »Und dies hier wird der Starter sein.« Er trat den Kickstarter durch, und sofort sprang die Maschine an. Der Motor heulte auf, weil Spooky einen Handgriff bis zum Anschlag hochgedreht hatte. Aus einer langen Blechröhre an der Seite der Maschine kam ein unangenehm riechender Qualm.
Als Spooky sich wieder herunterschwingen wollte, rutschte er ab, und die Maschine wäre fast auf ihn gefallen, da er versehentlich die Seitenstütze entfernt hatte. Der Terraner versuchte festen Halt zu bekommen und trat dabei auf einen weiteren Hebel; etwas klickte leise, und vorsichtshalber ließ Spooky die Hebel am Lenker los, die er in der Hand hielt.
Die Maschine machte einen gewaltigen Satz nach vorn; Spooky verlor den Halt und stürzte zu Boden. Nur dem Umstand, daß er sich sofort zur Seite rollte, verdankte der Terraner, daß er nicht unter die gleichfalls zu Boden krachende Maschine geriet. Als sich der Terraner wieder aufrichtete, lag die Maschine verbeult, aber immer noch laut knatternd an einer Wand.
Nach über einer Stunde waren Giri und Spooky fähig, auf den Motorrädern einige Runden in dem geräumigen Saal zu drehen. Cerlo hatte die Technik der Geräte sogar noch etwas schneller begriffen.
»Was nun?« fragte Sirghia, nachdem die Männer ihre Maschinen abgestellt hatten.
Giri sagte nachdenklich: »Wahrscheinlich sollen wir mit diesen Maschinen den Weg fortsetzen. Auf jeder Maschine sind zwei Sitzplätze. Sirghia steigt bei mir auf, Danielle fährt mit Spooky und Cerlo bleibt solo. Einverstanden?«
Die Frauen nickten ergeben und schwangen sich mit deutlich erkennbarem Mißtrauen auf die Motorräder. Die Männer ließen die Maschinen anlaufen und legten den Gang ein. Wenig später fuhren sie den Weg entlang, den der wieder aufgetauchte Pfeil ihnen anzeigte.
Spooky begriff als erster, zu welchem Zweck die einzelnen Instrumente eingebaut worden waren; vergnügt sah er die Nadel des Tachometers in die Höhe klettern. Danielle lachte laut und stachelte ihren Fahrer an, die Geschwindigkeit heraufzusetzen. Echter Wettkampfeifer schien die drei Männer gepackt zu haben; Cerlo bildete die Spitze und raste in halsbrecherischem Tempo dem Pfeil nach.
Plötzlich fiel Cerlo etwas ein; er verlangsamte das Tempo und hielt nach einigen hundert Metern endgültig an.
»Was soll das?« fauchte Spooky, der die Raserei genossen hatte. »Warum zwingst du uns, anzuhalten?«
»Wir haben Soleil vergessen«, erklärte Cerlo ruhig. »Und außerdem war das Tempo schon selbstmörderisch.«
Die anderen sahen sich an und nickten stumm.
»Du hast recht«, murmelte Spooky endlich. »Wir kehren um und fahren Soleil entgegen.«
Es erwies sich als ziemlich mühsam, die Räder umzudrehen, aber schließlich bewegten sich die fünf Menschen wieder in der entgegengesetzten Richtung.
Soleil hatte sich sehr beeilt, seinen zweibeinigen Freunden zu folgen. Völlig außer Atem keuchte der Bär den Menschen entgegen und stürzte froh auf Danielle los. Nachdem die stürmische Begrüßung ein Ende gefunden hatte, setzten sich die Menschen wieder in Bewegung, diesmal in einem Tempo, das der Bär leicht halten konnte.
Die Gruppe erreichte das Ende des Weges. Diesmal führte aus dem elliptischen Saal kein Ausgang weiter. Die Menschen stiegen ab und warteten gespannt. Die nächste Überraschung kam in Gestalt von fünf bequemen Sesseln, die plötzlich aus dem Boden auftauchten; über ihren Kopfenden hingen Hauben, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit den morconischen Hypnose-Lehrmaschinen aufwiesen.
Spooky setzte sich als erster in Bewegung und nahm zögernd auf einem Sessel Platz, dann zog er langsam die Haube über den Kopf. Während sich haarfeine Detektoren durch seinen Bürstenschnitt wühlten, konnte er sehen, wie die anderen seinem Beispiel folgten. Als die Kontakte seine Schädelhaut berührten, verschwand schlagartig das Bild vor seinen Augen. In gleicher Geschwindigkeit baute sich in seiner Vorstellung ein anderes Bild auf, und Stimmen begannen zu sprechen …
Der Morcone war schon uralt, dennoch war seine Haltung gerade und sein Blick klar. Mit leiser, ruhiger Stimme sagte der Mann: »Ich will mich hier nicht zum Unglückspropheten profilieren, aber dennoch sehe ich schwärzer als schwarz.«
Die acht Männer in dem flachen einstöckigen Wohnhaus nickten beifällig. Durch die weit geöffneten Fenster drangen die typischen Gerüche einer Sommernacht auf Morcos – der alte Mann besaß einen üppig bestandenen Garten, dessen Blüten einen aromatischen anregenden Stoff absonderten. In der Ferne war schwarz und massig die Front des dichten Waldes zu erkennen, der das Haus des Alten umgab.
»Vielleicht liegt es an meinem Alter«, fuhr der Mann fort, »aber irgendwie erscheint es mir fast als ein Sakrileg, mit der universellsten aller Kräfte herumzuspielen – der Schwerkraft.«
»Falsch!« mischte sich der Jüngste der Runde ein. »Nicht der Versuch an sich ist gefährlich, sondern die Gedankenlosigkeit, mit der er geplant ist. Ohne die bisher üblichen Generatoren kleiner Art wäre an wirkliche Raumfahrt nicht zu denken.«
»Sehr gut gebrüllt«, meinte der Alte mit einem schwachen Lächeln. »Denkt aber bitte daran, daß wir diese Generatoren nicht erfunden haben – wir haben sie gefunden und lediglich nachgebaut, ohne sie zu begreifen. Wer die echten Erfinder der Gegenschwerkraft waren, wird uns vielleicht für immer unbekannt bleiben. Für äußerst gefährlich aber halte ich es, wenn versucht wird, einen solchen Generator in tausendfacher Vergrößerung zu bauen und planlos damit herumzuspielen.«
»Was aber sollen wir tun?« fragte der junge Morcone eifrig. »Das Ding sprengen?«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Gewalt ist stets das vorletzte Mittel. Denkt daran, daß die Mehrheit des Volkes die Versuche mit Spannung erwartet und auch gutheißt – wir sind nur eine Minderheit.«
»Auswandern?« fragte der Junge mit leisem Spott. »Wohin? Wir verfügen nur über ein paar kleine System-Raumschiffe. Interstellarschiffe gibt es nur wenige.«
»Und diese wären für uns auch unbrauchbar«, murmelte der Alte nachdenklich; er starrte gedankenverloren aus dem Fenster. »Immerhin ist die von mir erwähnte Minderheit etliche hunderttausend Köpfe stark. Außerdem sind wir so unbeliebt, daß man uns niemals die Interstellarschiffe zur Verfügung stellen würde.«
»Bleibt also nur das System selbst«, setzte der Jüngling die Überlegung fort. »Der einzige Planet, auf dem man ohne aufwendige Schutzeinrichtungen überleben kann, ist Mainares. Sollen wir uns dorthin flüchten? Stets für die anderen erreichbar?«
»Genau das ist das eigentliche Problem!« flüsterte der Alte. »Schlägt der Versuch fehl, wird man uns Sabotage vorwerfen und ohne Gnade hetzen. Sind die Experimente aber erfolgreich, bleiben wir als Narren und ewig Gestrige weiterhin außerhalb der Gesellschaft.«
Schweigen breitete sich aus; die Morconen dachten über die Worte des alten Mannes nach. Endlich sagte einer: »Ich bin nach reiflicher Überlegung dafür, nach Mainares auszuwandern. Selbst wenn der Versuch mit dem Großen Generator erfolgreich ist, wird es für uns besser sein, nicht auf Morcos leben zu müssen.«
Die anderen nickten, stumm und niedergeschlagen.
Die Szenerie änderte sich; das Bild des Bungalows verblaßte und verschwand schließlich gänzlich. Statt dessen wurde das Gesicht des Alten größer; der Mann lächelte schwach.
»Sie haben gerade einen Film gesehen, der noch auf dem alten Morcos gedreht wurde. Wenige Jahre später brach das Unheil über unsere Welt herein. Sie werden die Geschichte kennen – Morcos änderte seine Bahn und wurde derartig zerstört, daß seine Bewohner jahrhundertelang nicht mehr an uns Außenseiter dachten –, jedenfalls ist seither kein Schiff mehr auf Mainares gelandet. Doch das ist jetzt unwichtig.
Unsere Verblüffung war unbeschreiblich, als wir einige Jahre nach der endgültigen Trennung von Morcos dieses Höhlensystem entdeckten.
Die Geschichte dieser Höhlen ist faszinierend; Sie werden sie bald erfahren. Zuvor sei aber noch erzählt, was sich nach der Katastrophe auf Mainares ereignete. Zunächst waren wir entsetzt, als wir sahen, was aus unserer ehemaligen Heimat geworden war, aber helfen konnten wir nicht – wir besaßen kein einziges Raumschiff mehr, und von Morcos selbst ist keines gestartet. Wahrscheinlich waren die Verwüstungen zu groß.
Wir hatten deshalb versucht, auf Mainares eine neue Zivilisation aufzubauen. Doch mit unseren beschränkten Mitteln war dies nicht möglich. Die Siedler zerstreuten sich über Mainares, erfreuten sich der herrlichen Landschaften und starben allmählich aus. Die Geburtenzahlen waren in den ersten kritischen Jahren derartig gering, daß wir, die ehemaligen Führer der Bewegung, sicher waren, daß unser Volk auf Mainares nicht überleben konnte. Also entschlossen wir uns, abermals auszuwandern. Bevor wir abflogen, hinterließen wir in diesem Höhlensystem noch einige Hinweise – vor allem diese Hypnobänder, die Sie jetzt hören.«