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5.
Spookys Besinnungslosigkeit war nicht von langer Dauer. Abraham DeLacy faßte an seinen Kopf und fühlte Blut. So rasch wie möglich richtete sich der Mann auf und sah sich um. Überall waren Scherben und Trümmer verstreut, in den Ecken des Cockpits lagen zusammengekrümmt die anderen Passagiere der VANITY FAIR.
Zunächst zog Spooky den Beschleunigungshebel zurück bis auf die größtmögliche Verzögerung; da sich das Schiff offensichtlich in der Nähe eines Himmelskörpers befand, war diese Maßnahme unumgänglich, wollte man keine Kollision riskieren.
»Verdammt!« ächzte Giri. Spooky erkannte, daß seine Freunde bald wieder bei Besinnung sein würden, und konzentrierte sich auf die Steuerung des Schiffes. Er war noch zu benommen, um überlegen zu können, wo sich die VANITY FAIR zur Zeit befand – er erkannte lediglich, daß er gerade an einem Asteroiden größeren Kalibers vorbeigerast war und nun geradlinig auf einen Planeten zuhielt.
»Holla!« staunte Giri, als er sich näher mit dem Planeten beschäftigte. »Diese Welt ist bewohnt.«
Auch der Androide rappelte sich mühsam hoch. Rasch begab er sich in die Feuerleitzentrale und schaltete die Abwehrschirme ein.
Wie dringend erforderlich diese Maßnahme war, wurde nur Sekunden später offenbar; aus mindestens fünfzig Geschützen auf dem Planeten schlug dem Schiff ein Feuersturm entgegen. Danielle riß entsetzt die Hände vors Gesicht, während der Androide gelassen bekanntgab, daß die Belastung des Schirmfeldes unter zehn Prozent lag. An diesem Wert änderte sich auch nichts, als mehrere Schiffe die VANITY FAIR mit Kampfraketen beschossen.
Langsam begann Spooky zu ahnen, was sich in diesem Augenblick abspielte; er erinnerte sich dumpf, von dieser Szenerie bereits gehört oder gelesen zu haben, aber er kam nicht mehr dazu, seinen Verdacht auszusprechen.
Mit hoher Beschleunigung näherte sich ein Schiff von der Seite und nahm das Heck der VANITY FAIR unter Beschuß, und diesmal schlugen die Kampfstrahlen durch. Im Triebwerksteil des Schiffes krachte es, und die Erschütterungen mehrerer Detonationen durchliefen den Schiffskörper.
»Weg von hier!« schrie Giri laut. Spooky nickte grimmig und zog den Beschleunigungshebel wieder auf den Höchstwert; das Schiff hatte die Lufthülle des Planeten fast passiert.
»Wenigstens einen Gruß schicke ich noch hinunter!« brummte Giri und tippte kurz auf einen Knopf auf dem Instrumentenpaneel vor dem Androiden. Ein leises Rucken ging durch das Schiff, während der Strahl durch die Atmosphäre zuckte und auf dem Boden des Planeten einschlug. Eine mächtige Staubsäule brach empor und verdeckte die Sicht.
»Und noch einen!« knurrte der wütende Morcone.
»Aufhören!« schrie Spooky. »Wir überfliegen Terra!«
Die VANITY FAIR schwebte mit abgeschalteten Triebwerken durch den Raum. In der geräumten und gesäuberten Kugel des Schiffes saßen die Passagiere und hörten Spooky zu.
»Mir ist leider etwas zu spät eingefallen«, erklärte der Terraner langsam. »Wie gesagt, ich habe nicht daran gedacht – auf den Geheimlehrgängen wurde die Geschichte, die wir gerade erlebt haben, erzählt und gelehrt. Auch in den sekretierten Erinnerungen von Raumkapitän Marsh Garfield – jenem Mann, der Morcos anflog und entdeckte – ist die Szene enthalten.
Garfield kehrte vor drei Jahren von Morcos zurück und stand vor dem Problem, seinen Vorgesetzten die Tatsache zu erklären, daß er mit einem brandneuen Raumschiff zurückkehrte, für dessen Steuerung ihm eigentlich das Verständnis hätte fehlen müssen. Während sich Garfield noch mit irdischen Behörden herumschlug, kam hinter dem Mond ein fremdes Schiff mit einer Irrsinnsgeschwindigkeit herangerast und flog mitten durch das Aufgebot, das Garfield in Schach halten sollte.
Die Erdbehörden drehten durch und eröffneten das Feuer, konnten dem Fremden allerdings keinen Schaden zufügen. Erst als Garfield mit der überlegenen Bewaffnung seines Schiffes eingriff, bekam der Fremde einen Treffer ab und flüchtete – nicht jedoch ohne vorher den Mount Rushmore zu Staub zerkleinert zu haben. Dieser vor drei Jahren entstandene Bericht stimmt in allen Einzelheiten mit dem überein, was wir in den letzten dreißig Minuten erlebten. Wie diese Übereinstimmung allerdings zustande gekommen ist, wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben.«
Der Terraner hatte seinen Vortrag beendet; die anderen hatten ihm schweigend zugehört. Nur der Androide zeigte sich unbeeindruckt.
»Vielleicht kann ich weiterhelfen«, sagte er. »Es würde zu weit führen, hier die Funktionsweise des Überlichttriebwerks erklären zu wollen – wichtig ist nur, daß die Maschinen die Beziehungen von Raum und Zeit beeinflussen. Als uns Gerbaults Raumschiff rammte, setzte unser Schiff gerade zu einem Überlichtsprung an. Der Stoß führte nicht nur dazu, daß sich unser Zielpunkt veränderte – er bewirkte auch ein Fehlverhalten der Maschinen. Anstatt uns in der Jetztzeit zu halten, warfen uns die Geräte um einige Jahre in der Zeit zurück.«
»Aha!« machte Spooky ungehalten. »Diese Erklärung hilft uns aber nicht weiter. Können wir die Maschinen so einstellen, daß sie uns bei einer Wiederholung des Sprunges wieder in die Normalzeit versetzen?«
Der Androide schüttelte bedauernd den Kopf. »Das wird nicht möglich sein. Es wäre zu gefährlich. Und außerdem kenne ich die Anlagen nur sehr ungenau – über vollständige Informationen verfüge ich nur dann, wenn ich in Funkreichweite der Rechenzentrale auf Mainares bin. Aber mein körpereigener Sender ist viel zu schwach, um die Entfernung Erde-Mainares überbrücken zu können.«
»Fein!« knurrte Spooky wütend. »In dieser Zeit können wir natürlich nicht auf Morcos oder Terra landen – das hätte zahllose Para … Paradingens …«
»… doxa«, half Danielle aus.
»… zur Folge«, nahm Spooky den Faden wieder auf. »Und ich verspüre keinerlei Neigung, die nächsten drei Jahre in diesem Kasten zuzubringen.«
»Es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben«, meinte Giri.
»Wir könnten nach dem Stammvolk der Morconen und Erdmenschen suchen«, schlug Sirghia vor.
»Ausgeschlossen«, wehrte der Androide ab. »Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt, wo dieses System überhaupt zu suchen ist. Und die Galaxis ist ziemlich groß – wenn es nötig ist, werde ich mit Vergnügen ausrechnen, wie groß die statistische Wahrscheinlichkeit ist, in einer Milchstraße ein bestimmtes Sonnensystem zu finden, dessen Position völlig unbekannt ist.«
»Aber wir könnten uns solange auf Mainares verstecken«, meinte Danielle hoffnungsvoll.
»Auch das wird nicht möglich sein«, sagte der Kunstmensch. »Vergeßt nicht, daß ich drei Jahre vor eurem Eindringen in das Höhlensystem bereits dort lebte.«
»Das würde bedeuten«, überlegte Giri laut, »daß uns tatsächlich nichts anderes übrigbleibt, als die nächsten sechsunddreißig Monate an Bord der VANITY FAIR zu verbringen.«
Verzweifelt suchte Spooky nach einer Möglichkeit, diesem Schicksal zu entgehen – ohne Erfolg. Ein ungutes Gefühl in der Magengrube warf ein neues Problem auf. »Gibt es hier überhaupt etwas zu essen?« fragte der Terraner mißtrauisch.
Der Androide befragte einen Computer; das Resultat war alles andere als erfreulich.
»Einige Tonnen Konzentratnahrung«, verkündete der Kunstmensch. »Wasservorräte für ein Jahr bei voller Besetzung – das wären vierzig Mann. Wir könnten damit auskommen. Sie enthalten alles, was der Organismus benötigt.«
»Konzentrate?« wimmerte Spooky entsetzt. Niemand achtete auf ihn.
»Der Antrieb ist doch noch funktionstüchtig, oder?« wollte Giri wissen.
»Wichtige Teile wurden nicht beschädigt«, bestätigte der Androide sofort.
Giri nickte langsam. »Wenn wir nicht an Bord vor Langeweile sterben wollen, sollten wir in den nächsten Monaten ein paar Erkundungsflüge in die nähere Umgebung von Morcos und Terra unternehmen.«
»Ausgezeichnet!« sagte Spooky mit hörbarer Freude. »Vielleicht entdecken wir einen belebten, aber unbewohnten Planeten mit viel Wild – für Rehrücken mit Preiselbeeren!«
»Sind eigentlich alle Terraner so verfressen?« fragte Sirghia kopfschüttelnd.
»Nur die besten!« beteuerte Spooky grinsend.
»Wohin soll es gehen?« fragte Spooky vom Sitz des Kopiloten aus. Das Schiff hatte noch einen kurzen interplanetaren Sprung gemacht und trieb nun jenseits der Plutobahn im Raum.
»Mainares und Morcos fallen aus bekannten Gründen aus«, stellte er fest. »Ansonsten können wir den gesamten Sternenkatalog durchgehen.«
»Alpha Centauri!« schlug Danielle vor.
»Doppelstern«, lautete Giris Kurzkommentar. »Wahrscheinlich ohne bewohnbare Planeten.«
»Sirius?« – »Zu heiß.«
Spooky ging die bekannten Objekte des nördlichen Sternenhimmels durch, aber bei jedem Stern hatte Giri Einwände.
»Wie wäre es mit Andromeda?« fragte der Terraner schließlich aus Trotz.
»Nicht schlecht!« erklärte Giri zu seiner Verwunderung. »Schafft der Antrieb die Entfernung?«
Der Androide, der den Pilotensitz beanspruchte, dachte sekundenlang nach, dann antwortete er zweifelnd: »Möglich wäre es – das Schiff ist kaum gebraucht. Wir könnten es versuchen.«
»Mehr als zwei Millionen Lichtjahre?« fragte Spooky ungläubig. »Soviel traue ich diesem Schiff nun auch nicht zu!«
»Was geschieht, wenn der Treibstoff nicht reicht?« erkundigte sich Sirghia. »Bleiben wir dann auf halber Strecke hängen?«
»Das Schiff würde gar nicht erst starten«, beruhigte der Androide sie. »Wenn die Triebwerke für solche Distanzen und den Rückweg zu schwach sind, wird der Sprung nicht eingeleitet.«
»Dann versuchen wir es!« entschied Giri.
Zehn Minuten später war im Fadenkreuz des Sprungvisiers das Oval der Andromeda-Galaxis zu erkennen. Dann ließ der Androide das Triebwerk anlaufen, bis das Überlichttriebwerk gezündet werden mußte. Der Androide sah sich noch einmal um, dann betätigte er den Sprungmechanismus. Diesmal wurden die Menschen nicht bewußtlos; das einzige, was sie vom Sprung bemerkten, war das schlagartige Verschwinden des vertrauten Sternenhimmels. Statt dessen wurde ein wasserhelles, bläulich gefärbtes Medium erkennbar, in dem sich das Schiff zu bewegen schien. Große Blasen, in denen es unaufhörlich glühte und zuckte, trieben an den Fenstern vorbei.
Spooky sah auf seine Uhr; die Bewegung war zeitlupenhaft langsam und schien durch eine unsichtbare Kraft gehemmt zu werden. Es war, als müsse er den Arm in einer zähflüssigen Masse bewegen.
Plötzlich änderte sich das Bild vor den Fenstern; verschwommen wurden die Umrisse eines Schiffes erkennbar, das sich überschlagend auf die VANITY FAIR zubewegte. Spooky konnte den Namen an den Flanken des Schiffskörpers nicht lesen; er wußte aber sofort, um welches Schiff es sich handelte. Gerbault oder das, was im Überraum von ihm übriggeblieben war, trieb langsam vorbei. Der Verbrecher würde diesem Medium nie wieder entkommen.
Der Terraner sah wie gebannt auf die vorbeitreibenden Blasen und versuchte, sich vorzustellen, was sie für einen Beobachter im Normalraum darstellen würden. Als sie verschwanden und kurz darauf andere erschienen, begriff er.
Sonnen, dachte er. Wir können das atomare Feuer in ihrem Innern sehen.
Fast erheitert sah er dem Spiel der bunten Kugeln zu; sie formten Ringe, trieben paarweise vorbei, und bei näherem Hinsehen erkannte er auch Planeten – stecknadelkopfgroße Gebilde, die die Blasen umschwirrten. Immer dichter wurde das mehrdimensionale Schneetreiben vor den Bullaugen, dann verschwand das Bild ebenso rasch, wie es aufgetaucht war. Die VANITY FAIR war in den Normalraum zurückgefallen.
Der Androide schob den Beschleunigungshebel auf den größten negativen Wert, dann drehte er sich mitsamt seinem Sessel zu den anderen herum. Der große Sprung war geglückt.
»Wo sind wir jetzt?« fragte DeLacy.
Der Androide zuckte mit den Schultern und wies auf die Fenster, auf denen sich unbekannte, fremdartige Konstellationen abzeichneten. Der Sternendichte nach zu schließen, befand sich die VANITY FAIR im zentralen Bereich des Milchstraßensystems. Als der Androide den Bug des Schiffes drehte, wanderte auch die Sonne ins Blickfeld, die den Flug des Schiffes beendet hatte – eine fahle Scheibe in großer Entfernung. Ein Planet schob sich langsam ins Blickfeld. Die Ähnlichkeit mit den äußersten Planeten des Sonnensystems war unverkennbar.
Nach einigen Minuten hatte das automatische Bordobservatorium bereits eine zweidimensionale Projektion des unbekannten Sonnensystems ermittelt und auf einen Bildschirm gezeichnet.
»Vier Planeten«, zählte Spooky ab. »Einer davon liegt ziemlich günstig.« Er sah noch einmal auf das leuchtende Viereck, blinzelte und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Seht euch das an«, murmelte er fassungslos.
Auf dem Bildschirm tauchte gerade eine weitere Planetenprojektion auf, die sich vom bisher gezeigten Bild stark unterschied. Wenn man den Angaben des Observatoriums trauen konnte, wurde die Umlaufbahn des innersten, wahrscheinlich erdverwandten Planeten zweifach geschnitten – von einem weiteren Planeten, dessen Umlaufbahn genau senkrecht auf der des innersten stand.
»Pech gehabt!« murmelte Spooky niedergeschlagen. »Der Computer ist hin.«
»Wieso eigentlich?« fragte Sirghia entrüstet. »Was ist an diesem Bild so widersprüchlich?«
»Weib!« stöhnte der Terraner. »Kannst du dir vorstellen, wie dieses System zustandegekommen sein soll? Zwei Planeten, deren Bahnen sich auf diese Weise schneiden, werden ihre Schwerkraftfelder derart stören, daß sie eines Tages unweigerlich zusammenprallen müssen. Eine solche Konstellation darf überhaupt nicht existieren.«
»Es sei denn«, entgegnete der Androide gelassen, »dieses System ist künstlich so geschaffen worden, wie es der Computer aufzeigt.«
Spooky konnte sich die Konsequenzen ausmalen, die dieser Überlegung zwangsläufig folgten. Ein Sonnensystem so zu erbauen, setzte unglaubliche technische Kenntnisse voraus. Und ein entsprechend kundiges Volk, das wahrscheinlich auch Raumschiffe haben würde.
»Man hat uns ohnedies schon entdeckt«, meinte der Androide, der Spookys Mimik richtig gedeutet hatte. »Ein Volk, das Planeten nach Belieben verschiebt, wird auch über gute Ortungsanlagen verfügen.«
Der Kunstmensch machte sich am Funkgerät zu schaffen, aber aus den Lautsprechern drang nur Statik.
»Vielleicht sind diese Planeten-Ingenieure schon lange ausgestorben?« meinte Spooky. »Auf jeden Fall sollten wir nachsehen, was es mit diesen Planeten auf sich hat.«
Der Androide stellte das Zielgerät auf einen der beiden merkwürdigen Planeten ein. Wenige Minuten später hatte die VANITY FAIR wieder genügend hohe Fahrt, um in den Überraum gehen zu können. Die Oberfläche der Welt, die sich mit rasendem Tempo zu nähern schien, war fast vollständig von einer weißen Wolkenschicht verdeckt. Eine erste Bestätigung für die Hypothese des Androiden fand sich Sekunden später; auf dem Bildschirm erschien ein metallischer Körper, der in einem Orbit um den Planeten kreiste.
»Wir gehen näher!« befahl Spooky. »Aber langsam. Ich möchte nicht gerne beschossen werden.«
Der Androide nahm die Befehle gehorsam entgegen, ließ das Schiff mit Höchstwerten verzögern und glich mit präzisen Feuerstößen aus den Korrekturdüsen den Kurs an.
Das fremde Schiff bestand aus zwei mit den Spitzen aneinander befestigte Pyramiden aus Metall; die Gesamtlänge der Konstruktion schätzte Spooky auf zweihundert Meter. Je zwei gegenüberliegende Kanten der Pyramiden waren durch riesige Deltaflügel verlängert worden. Triebwerksöffnungen waren nicht zu erkennen, dafür aber gewaltige gezackte Öffnungen mit Schmelzspuren an den Rändern; ein Tragflügel war verbogen und verdreht – offenkundig war der Fremde in einem mörderischen Kampf unterlegen.
»Gibt es Raumanzüge an Bord?« fragte Spooky knapp. Der Androide nickte und ging voran zur Mannschleuse. In den Wandschränken der Schleusenkammer hingen fremdartige »Raumanzüge«.
Der Kunstmensch erklärte kurz die Funktionsweise der Aggregate. Der Schutz für den Raumfahrer bestand lediglich in einem körperumspannenden Schirmfeld und einem hochwertigen Atemluftregenerator; beide Geräte waren an einem breiten Gürtel befestigt und schalteten sich automatisch ein, sobald die Luftdichte um den Träger einen bestimmten Wert unterschritt. Leicht mißtrauisch schnallte Spooky sich den breiten Gürtel um.
»Achtung!« sagte der Androide, trat auf ein Schaltpult zu und betätigte den Öffnungsschalter. Mit leisem Zischen saugten Pumpen die kostbare Atemluft aus der Schleusenkammer. Auf dem Gürtel leuchtete eine kleine Lampe rot auf – die Aggregate hatten ihre Arbeit begonnen.
Erschrocken fiel Spooky ein, daß der Androide keinen Gürtel trug. Er drehte sich zu dem künstlichen Gefährten herum. Der Androide lächelte, ein wenig dankbar, wie es schien.
»Keine Sorge!« sagte er leise. »Ich kann das Vakuum mehrere Stunden lang aushalten – meine Erbauer haben an alles gedacht.«
Erst als der Innendruck der Schleuse den vorgesehenen Grenzwert unterschritten hatte, öffnete sich die äußere Schleusentür. Sauerstoffreste stoben in einem weißlichen Nebel davon und verschwanden. In der sich langsam öffnenden Luke erschien das fremde Raumschiff, dessen Konturen im Vakuum noch schärfer und härter wirkten.
DeLacy machte einige Schritte, bis er den äußersten Schleusenrand erreicht hatte, dann stieß er sich kräftig ab. Mit ausgebreiteten Armen segelte er auf den Fremden zu. Seine durch das Konturfeld geschützten Hände berührten das Metall des fremden Schiffes und fingen seinen Schwung mühelos ab.
»Wir können dich sehen!« quäkte es aus einem kleinen Lautsprecher. Spooky zuckte zusammen – er hatte die miniaturisierte Sendeanlage seines Universalgürtels überhaupt nicht beachtet.
»Verdammt!« rief der Terraner. »Warum hat mir niemand etwas von der Sprechanlage erzählt?«
»Daß zu einem Raumanzug auch Kommunikationsmittel gehören, ist doch selbstverständlich«, meinte der Androide mit einem leisen Lachen; offenbar besaß er auch die Fähigkeit, seinen Mitmenschen Streiche zu spielen.
»Was kannst du erkennen?« erklang Danielles Stimme aus dem Lautsprecher. Spooky richtete den Strahl seines Handscheinwerfers auf die Öffnung, an deren Rand er sich festhielt.
»Verbogene Streben«, meldete er. »Überall schweben Splitter und Fetzen herum – es ist kaum etwas auszumachen, außer ein paar verzogenen Rohren an der Wand. Ich dringe weiter vor.«
Langsam schwebte er in die Tiefen des Wracks. Von einer künstlichen Schwerkraft war nichts zu spüren. Spooky sah Instrumente an den Wänden und halbgeöffnete Schotte. Er hatte jetzt einen relativ unbeschädigten Teil des Schiffes erreicht.
»Irgendwelche Leichen?« wollte Giri wissen. »Oder ein Hinweis, wie die Besatzung des Schiffes ausgesehen haben mag?«
»Nichts dergleichen«, sagte Spooky. »Entweder hat die Besatzung das Schiff vollzählig verlassen, oder sie haben ihre Toten und Verletzten mitgeschleppt.«
Nach seinen Schätzungen mußte er inzwischen die Dünnstelle erreicht haben, an der die beiden Pyramiden miteinander verbunden waren. An dieser Stelle war das Schiff nahezu unbeschädigt; lediglich sämtliche Schotte waren geöffnet, als sei die Besatzung sofort geflüchtet. Spooky stieß ein Schott auf. Sein Blick fiel auf mehrere hochlehnige Sessel, die ringförmig um ein großes Instrumentenpult angeordnet waren.
»Jetzt kann ich auch die VANITY FAIR erkennen«, meldete der Terraner.
Er hatte das erste Fenster überhaupt in diesem Raumschiff erreicht; wie sich zeigte, war an der Verbindungsstelle der beiden Pyramiden die Außenhaut des Schiffes völlig durchsichtig.
»Ich glaube, ich habe die Zentrale gefunden«, sagte Spooky. »Auch hier gibt es keine Hinweise auf die ehemalige Besatzung – wir sollten auf dem Planeten landen.«
»Einverstanden!« sagte Giri. »Komm zurück.«
Spooky kehrte auf dem gleichen Weg zurück; diesmal richtete er sein Augenmerk auf die Decke, nachdem er vorher hauptsächlich den Boden abgeleuchtet hatte. Allmählich kam ein Sinn in das Chaos – die Angewohnheit, wichtige Leitungen an der Decke entlang zu verlegen, hatten die Unbekannten jedenfalls mit den Terranern gemeinsam. An einer Stelle, an der die ursprünglichen Verhältnisse besonders klar zu erkennen waren, stoppte Spooky und versuchte, sich aufrecht zu stellen.
Als er endlich eine halbwegs passende Haltung eingenommen hatte, versuchte er, bei gleichzeitigem Bodenkontakt die Decke mit den Händen zu berühren. Es mißlang; nach Spookys oberflächlicher Schätzung mußte der Raum eine Höhe von mehr als drei Metern haben.
»Das könnte bedeuten, daß die Fremden noch größer als die Morconen sind«, murmelte er nachdenklich.
Als Spooky das fremde Raumschiff endlich wieder verlassen hatte, seufzte er erleichtert auf. Er stieß sich ab und flog zurück in die Mannschleuse der VANITY FAIR. Als er wenig später wieder das Cockpit betrat, sahen die anderen ihm erwartungsvoll entgegen. Er ließ sich auf seinen Platz fallen und zündete sich eine Zigarette an.
»Was ist dein Eindruck?« fragte Giri, nachdem Spooky die ersten Züge getan hatte. »Falls wir zufällig auf ähnliche Raumschiffe stoßen sollten – werden sie uns angreifen, oder was werden sie tun?«
Der Terraner zuckte mit den Schultern. »Rein gefühlsmäßig würde ich sagen – sie werden uns angreifen.«
»Wir sollten auf dem Planeten landen«, meinte Danielle und gab dem Androiden im Pilotensessel einen leisen Wink. Der künstliche Mensch nickte kurz und leitete das Landemanöver ein. In einer weiten Spirale senkte sich das Schiff der Oberfläche entgegen. In achtzig Kilometer Höhe über dem Boden ließ er das Schiff ganz langsam absinken. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis das Schiff in die dicke Wolkenschicht eintauchte, die den gesamten Planeten umgab. Giri hatte darauf bestanden, die Sinkgeschwindigkeit so gering zu halten – er wollte eventuellen Bewohnern nicht den Eindruck vermitteln, als sei ein Überfall geplant.
Der erste Blick auf den Planeten bewies, daß die Kontaktaussichten sehr gering waren; unter sich erkannten die Menschen zwar ausgedehnte Stadtanlagen, aber nicht die leiseste Bewegung. Die Straßen waren menschenleer.
Spooky wies den Androiden an, er solle auf die größte Stadt zuhalten; das kalkweiß schimmernde Viereck am Stadtrand hielt er für einen Raumhafen. Der Eindruck bestätigte sich, als sich die VANITY FAIR nur noch einen halben Kilometer über dem Erdboden befand. Der weite Platz war verlassen, und stellenweise wuchs Gras zwischen großen Platten hervor. Staub und ausgerissene Pflanzen wirbelten umher, als die VANITY FAIR auf dem Boden des Planeten aufsetzte.
Giri betrat als erster die Oberfläche; als letzter stieg der Androide ins Freie. Er ließ eine Luke an der Seite des Schiffes aufspringen, und eine halbe Minute später stand ein zusammenklappbarer Gleiter auf dem Platz.
»Fahren wir zunächst zum Tower!« sagte Spooky und wies auf den etwa vierhundert Meter hohen Turm, der sich an der stadtnächsten Ecke des Raumhafens erhob.
Sogar Soleil fand auf der Ladefläche des Gleiters Platz, der sich leise summend in Bewegung setzte. Als er sich dem Tower näherte, stiegen die Hoffnungen etwas. An dem Gebäude waren keine Erosionsschäden zu erkennen, und selbst die großen Fenster wirkten so, als seien sie vor Stunden erst geputzt worden. Am Fuß des Gebäudes knarrte ein vom Wind lose hin und her geworfener Türflügel; Lebewesen waren nicht zu sehen.
Spooky drang in den Turm ein. Dicker Staub wallte unter seinen Tritten auf. Der Lift funktionierte noch und trug den Mann bis hinauf zur Spitze des Turmes, der unter dem Druck des Windes leicht schwankte. Der Terraner versuchte, unter der Staubschicht irgendwelche Gegenstände ausfindig zu machen; mit beiden Händen wirbelte er die Sedimente beiseite und brachte eine große Kladde zum Vorschein, deren Seiten mit handgeschriebenen Zeichen gefüllt waren. Spooky brachte seinen Fund dem Androiden, der die Schrift mit peinlicher Sorgfalt prüfte.
»Die Zeichen kann ich lesen, nicht aber den Text verstehen«, erklärte der Kunstmensch. »Die Schrift ist jene, die auch meine Erbauer zu benutzen pflegten – aber die Sprache ist mir unbekannt.«
»Sehen wir weiter!« meinte Giri und machte sich daran, den Turm einmal zu umrunden, aber schon nach einer halben Minute kehrte er grinsend zurück. »Kommt einmal mit!«
Nachdem die Gruppe eine Ecke des Turmes passiert hatte, wies der Morcone auf die Wand; ein Stadtplan leuchtete in mehreren Farben, als sei er erst vor kurzem aufgehängt worden. Ein Gewirr von Straßen war zu erkennen. Blaue, rote und grüne Linien zogen sich durch die Stadt, und auch einzelne Häuserblocks waren durch Farben gekennzeichnet.
»Wir müssen jetzt nur noch wissen, was wir suchen«, meinte Spooky. »Wohin fahren wir zuerst – zum Bürgermeister oder zur Stadtbibliothek?«
»Zur Stadtverwaltung!« rief Danielle. Ihr Vorschlag wurde gebilligt. Allerdings erhob sich das Problem, welche Farbe Ämter und Verwaltungsstellen kennzeichnete.
»Rot!« schlug Spooky vor. »Das ist die augenfälligste Farbe.«
»Falsch!« konterte Danielle. »Die Farbe mit dem höchsten Aufmerksamkeitswert ist Orange, nach Möglichkeit in Leuchtfarbe.«
Sirghia hatte sich inzwischen etwas näher mit der Karte beschäftigt und schlug Gelb vor. »Seht her!« erklärte sie und wies auf einen ausgedehnten Gebäudekomplex im Süden der Stadt. »Dies hier ist die größte Stadt, die wir erkennen konnten. Logischerweise sollte sich in dieser Stadt auch der Amtssitz des Fürsten oder Oberhaupts befinden. Und es ist weiter logisch, daß sich diese Person keine Hütte zur Behausung aussucht, sondern die größten Gebäude. Also diese hier!«
Langsam durchquerte der vom Androiden gelenkte Gleiter die Stadt.
Das Bild war bewundernswert und trostlos zugleich. Die Menschen bestaunten die atemberaubenden architektonischen Leistungen, dagegen wirkten die unbelebten Straßen deprimierend. Der Wind blies Fetzen aus einem papierähnlichen Material und ausgerissene Sträucher vor sich her. In einem großen Schaufenster entdeckte Danielle Modepuppen, die ebenso neu wirkten wie die klaren Scheiben. Die Figuren hatten annähernd menschliche Gesichtszüge und glichen verblüffend den plastikgepreßten Mannequins irdischer Ausstellungsräume.
»Fällt euch etwas auf?« fragte Sirghia. Die anderen schüttelten die Köpfe. »Eigentlich müßten auf den Straßen streunende Hunde oder ähnliche Tiere zu sehen sein.«
Spooky konnte nur zustimmen; das einzige Tier in Sichtweite war Soleil.
»Vielleicht haben die Menschen auf ihrer Flucht auch alle Tiere mitgenommen«, meinte Danielle.
»Schwerlich!« sagte Giri. »Dann hätten sie auch anderes mitnehmen können – wer nimmt Fliegen mit und läßt dafür Kleidung zurück? Ich befürchte, daß vor sehr langer Zeit alle Lebewesen dieser Welt gleichzeitig getötet wurden.«
Das Ziel kam allmählich in Sicht. Zuerst war die große Mauer zu erkennen, die sich rings um den »Palast« zog; das Bauwerk bestand aus glasierten Ziegeln. Der Androide lenkte den Gleiter auf ein Tor zu, eine zehn Meter hohe Bronzekonstruktion mit zwei reich ornamentierten Flügeln.
Vor dem Tor blieb der Gleiter stehen, die Insassen stiegen aus und musterten das Tor. Erstaunt betrachtete Spooky die Reliefs auf den Flügeln. Wie in den Höhlen auf Mainares fanden sich auch hier Abbildungen von Götzen und Dämonen der irdischen Vorzeit. Es bestand kein Zweifel, daß sowohl der Palast als auch die Höhlenanlage von den Stammeltern der Terraner und Morconen erbaut worden waren.
Probeweise drückte Giri gegen einen Torflügel; das Metall gab langsam nach. Ein Park wurde sichtbar, mit Beeten und Rondellen, die erst vor ein paar Tagen von einem meisterhaften Gärtner bearbeitet worden sein mußten. In der Mitte eines kreisförmigen Beetes mit starkduftenden, gelblichen Pflanzen schickte ein Springbrunnen seinen Wasserstrahl in die Luft; der Wind trug feine Wassertröpfchen herüber und besprühte die Gruppe.
»Im Kontrollturm jahrtausendealte Staubschichten«, murmelte Spooky ratlos. »Und hier barocke Wasserspiele. Keine Zeichen des Verfalls. Wieso lebt hier niemand mehr?«
Die Neugierde war größer als jede Furcht und trieb die Menschen vorwärts; während die Gruppe den weitläufigen Park durchquerte, machte sich Soleil daran, die Blumenbestände einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.
Mißtrauisch sah sich Spooky um, während er über den feinkörnigen, bräunlichen Sand ging; verzweifelt fragte er sich, wer hier für Ordnung und Sauberkeit sorgte. »Jetzt fehlt nur noch ein Orchester, das uns mit Trompetenklängen willkommen heißt«, murmelte er grinsend, um sein Unbehagen zu verdecken. Die Szenerie schrie förmlich nach einer jählings hereinbrechenden Katastrophe.
Das Hauptgebäude war zwanzig Meter hoch und mehrere hundert Meter lang; die gesamte Vorderfront bestand aus einem verwirrenden System von halbverspiegelten Gläsern, die sich im Wind sacht bewegten und Farbkaskaden über die Landschaft sprühten. Der einzige Ruhepunkt in dem sich unaufhörlich verändernden Lichterspiel war das Bronzeportal; auch hier fanden sich Reliefs mit den Göttergestalten der Antike.
»Waffen einstecken!« ordnete Giri ruhig an. »Wenn man uns bis hierher nicht angegriffen hat, wird man es jetzt erst recht nicht wagen – wir sind schließlich Gäste.«
Folgsam legte Spooky den langläufigen Laser über die Schulter. Dann grinste er kurz und klopfte an. Er war noch überraschter als seine Gefährten, als auf das Zeichen hin die Flügel lautlos nach innen schwangen und den Blick auf eine Halle freigaben. Aus dem Innern des Gebäudes strich kühle Luft über die erhitzten Gesichter der Menschen.
»Hoffentlich bleibt es bei dieser Höflichkeit«, wünschte sich Sirghia, die als erste vortrat. Sobald die gesamte Gruppe den Innenraum betreten hatte, schwangen die Türflügel wieder zu.
Spooky sprang sofort zurück, um seinen Laser zwischen die Flügel zu klemmen; bevor er dazu kam, war das Tor wieder weit geöffnet. Der Terraner nickte anerkennend.
»Seht doch!« Danielle lachte und deutete auf den glatten Boden, der aus einer Art Marmor bestand. Wie im Labyrinth auf Mainares war ein grüner Pfeil auf dem Boden erschienen. Und wie zuvor wurde ein Wegabschnitt nach dem anderen erleuchtet, sobald die Gruppe in die Nähe kam.
Der Gang führte schwachgeneigt in die Tiefe. Fast zwei Stunden lang marschierte die Gruppe dem Pfeil hinterher; von Zeit zu Zeit wurden in den Gangwänden Linsen und Projektoren sichtbar, was Spookys Mißtrauen abbaute. Wenn Überwachungsautomatiken ihren Weg verfolgten und es also auch Möglichkeiten gab, ihren Vormarsch zu stoppen, konnten sie sich als willkommene Gäste betrachten.
Plötzlich verschwand der Pfeil; der weitere Weg der Menschen war durch eine anscheinend massive Felswand versperrt. Kurz darauf bewegte sich der Boden unter ihren Füßen; das zehn Meter lange Teilstück des Ganges, auf dem sie standen, sank langsam, dann immer schneller nach unten. Die Fahrt dauerte etwas länger als zwanzig Minuten.
»Hier arbeiten noch zahlreiche Maschinen«, meinte Spooky. »Bei einer so raschen Abwärtsbewegung müßten wir fast frei fallen – da wir aber ganz normal stehen, wirkt auf uns ein Schwerkraftfeld.«
Giri nickte zustimmend; er hatte ähnliche Betrachtungen angestellt. Grob geschätzt mußten sie sich mehrere Kilometer unterhalb der Planetenoberfläche befinden, als der Lift seine Bewegung beendete. Wieder erschien der grüne Pfeil und bestimmte den weiteren Weg; nach kurzer Strecke wurde der Gang von einer massiven Metallwand versperrt, in der der Pfeil verschwand. Giri musterte das Metall.
»Jetzt wird es kritisch«, sagte er zögernd. Er deutete auf die Mitte der Wand, wo deutlich der Abdruck einer Hand zu sehen war. Die Hand hatte die Größe einer normalen menschlichen Extremität und, wie Spooky befriedigt feststellte, fünf Finger.
»Wahrscheinlich wird sich die Tür nur öffnen, wenn wir unsere Hände auf diesen Vordruck legen«, vermutete Giri. »Aber was geschieht, wenn jemand mit unserem Händedruck nicht zufrieden ist?«
»Wer wagt, kommt dabei um!« sagte Spooky entschlossen und trat vor. Das Metall war angenehm warm, als er seine Rechte in die vorgezeichnete Mulde legte. Der Terraner wartete eine Minute lang, dann trat er wieder zurück.
»Der nächste, bitte!« sagte er und deutete eine Verbeugung an. »Ich bin wohl nicht der Richtige.«
Nacheinander berührten Giri, Sirghia, Danielle und Cerlo das Metall, ohne daß etwas geschah; fünf Minuten verstrichen, dann bewegte sich das Metall. Langsam glitt der massive Block zurück und gab den Weg frei; der Raum dahinter war in Finsternis getaucht.
Spooky ahnte, daß hier ein Schlüssel für viele Fragen lag, die Morconen und Terraner seit langen Jahren beschäftigten. Er machte einige Schritte vorwärts. Schlagartig flammte die Beleuchtung auf. Das Licht einiger hundert Scheinwerfer leuchtete die Kuppelhalle bis auf den letzten Winkel aus. Mächtige Maschinenkonstruktionen mit fremdartigen Auswüchsen aus Porzellan und Metall waren zu erkennen; armdicke Kabel schlangen sich durch ein Gewirr von Streben. Zwischen den dröhnenden Generatoren und Aggregaten war nur ein schmaler Gang freigelassen worden; vorsichtig, fast ehrfurchtsvoll schritt Abraham DeLacy weiter.
Der Gang verbreitete sich nach einigen Metern. Vor dem schweratmenden Terraner erhob sich eine flache Empore, zu der einige niedrige Stufen führten. Spooky wartete, bis sich seine Gefährten genähert hatten, dann stieg er langsam die Stufen hinauf.
Schweigend blieb er eine Minute lang auf der Empore stehen, bevor er sich langsam herumdrehte. Er hustete kurz, um die Gewalt über seine Stimmbänder wiederzugewinnen, dann flüsterte er: »Wir sind am Ziel.«
Wesentlich rascher als der Terraner erstiegen die anderen Menschen die Empore. Acht durchsichtige Platten waren in den Boden eingelassen, und unter den klaren Rechtecken wurden die Umrisse von Körpern sichtbar. Giri kniete neben einer Scheibe nieder und betrachtete den darunterliegenden Körper.
Es war ein hochgewachsener Mann mittleren Alters, der in einer bläulich schillernden Flüssigkeit lag. Er war unbekleidet und haarlos. Sein Gesicht strahlte einen tiefen Ernst aus; Giri spürte, daß dieser Mann mit vollem Bewußtsein in den Tod gegangen war.
»Unsere Stammeltern«, flüsterte Sirghia mit rauher Stimme. »Sind sie tot?«
Giri nickte kurz. »So kann man es wohl nennen. Aber dient diese gewaltige Anlage nur dem Zweck, die Leichen unversehrt zu erhalten? Ich nehme eher an, daß man die Menschen wieder aufwecken kann.«
»Aber wie?« fragte DeLacy. »Ich kann nirgendwo einen entsprechenden Schalter oder Hebel entdecken, keine Gebrauchsanweisung, nichts …«
»Wir haben drei Jahre Zeit«, stellte Danielle fest. »Wir sollten diese Zeit dazu benutzen, dieses Sonnensystem und vor allem die Gruft genauestens zu untersuchen.«