122730.fb2 F?hrte nach Andromeda - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 20

F?hrte nach Andromeda - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 20

6.

Ganze Galaxien gäbe ich her für einen simplen Staubsauger. Mit Ausnahme der Gruft der Acht ist der gesamte Planet restlos verstaubt; in welches Gebäude man auch tritt – sofort hat man irgendeinen dreckigen Nebel vor Augen, im Mund und auf den Kleidern.

Der einzige, den das nicht zu stören scheint, ist Aphros, der Androide. Ich habe ihn so getauft, weil er wie diese alte Göttin nicht geboren wurde, sondern irgendeinem Retortenschaum entstieg. Giri und Sirghia waren wie üblich den ganzen Tag lang damit beschäftigt, unsere acht Tiefkühlleichen zu untersuchen. Bei jedem Kabel suchen sie zunächst einmal nach passenden letzten Worten, bevor sie es berühren und die Sache vielleicht schiefgeht.

Und diesen Unfug treiben wir nun seit mehr als zwei Jahren – ohne Erfolg. Zum Glück haben wir in der Hauptstadt ein Warenhaus mit Tausenden von Konservendosen gefunden. Ich weiß nicht, wie lange das Zeug dort schon liegt – aber es schmeckt fabelhaft.

Der ganze Planet ist völlig unbewohnt. Komisches Gefühl, ein ganzer Planet für sechs Menschen und einen Bären.

Es war übrigens eine Fehlkalkulation, ab wir Soleil für erwachsen hielten. Das Vieh hat den gesamten Schloßgarten leergefressen und besitzt jetzt aufgerichtet die stattliche Höhe von vier Metern. Dreimal hat es mir schon die Rippen angebrochen in seinem Liebeseifer.

Zusammen mit Cerlo habe ich einige Erkundungsflüge zum zweiten erdähnlichen Planeten unternommen, allerdings ohne Ergebnis – es sieht dort genauso aus wie hier, nur ohne Kühlleichen. Vielleicht haben wir sie auch nur nicht gefunden. Auch das Raumschiffswrack haben wir gründlichst untersucht; nichts. Von unseren Vorfahren ist der Kasten jedenfalls nicht – die Reliefs beweisen eindeutig, daß ihre Schiffe in der Art der VANITY FAIR konstruiert waren.

In zwei Stunden gibt es etwas zu essen. Danielle hat heute Küchendienst. Was sie so im Laufe einer Woche zusammenkocht, schmeckt wie Himbeermarmelade mit Sardellenpaste verquirlt.

Der einzige Lichtblick ist die Tatsache, daß unsere Ahnen offenbar keine Abstinenzler gewesen sind. Alkoholika gibt es in jeder gewünschten Menge. Die Zigaretten enthalten zwar keinerlei Teer, Nikotin und andere Schadstoffe, dafür schmecken sie gut.

Morgen ist ein großer Tag; Giri berichtet mir gerade, daß er den entscheidenden Versuch unternehmen will. Angeblich hat er den Schalter gefunden. Ein merkwürdiges Gefühl, seinen Ur-ur-ich-weiß-nicht-Eltern gegenüberzutreten. Ich komme mir vor wie ein Sprößling, der sich bei seinem alten Herrn erkundigt, wo er sich die ganze Zeit herumgetrieben hat.

(Aus: »Briefe ohne Adresse«; Abraham DeLacy schreibt aus dem Exil; Privatdruck.)

»Nein, Soleil, du kannst nicht mitkommen!.«

Abraham DeLacy sprach mit aller Schärfe, die ihm zu Gebote stand, doch der Bär wollte sich nicht von ihm trennen. Das Tier brummte bittend, dazu leckte es pausenlos an Spookys Beinen.

Spooky wurde langsam nervös. Bei mehreren vergeblichen Versuchen hatte sich herausgestellt, daß die versteckten Automaten Soleil abwiesen – in Begleitung des Tieres hatten auch die Menschen keinen Zutritt. Schließlich fand der Terraner kein anderes Mittel, als den Bären an seinen zottigen Ohren fortzuzerren. Sobald er eine ausreichende Distanz zwischen sich und das Tor gebracht hatte, spurtete Spooky los, um vor dem Tier an das Portal zu gelangen.

Keuchend und schnaubend erreichte der Terraner das Innere des Gebäudes und sah zu, wie sich das Portal wieder schloß; Sekunden später krachte etwas dumpf gegen die Bronzeflügel und ließ das Gebäude leicht erzittern – auch Soleil hatte die Tür erreicht.

Der grüne Pfeil war inzwischen überflüssig geworden; zu oft hatten die Menschen schon den Weg in die Katakomben hinunter gemacht. Sie benötigten nur relativ wenig Zeit, bis sie die große Kuppelhalle mit den acht Schreinen erreicht hatten.

»Jetzt werden wir unsere Vorfahren trockenlegen«, sagte Spooky mit einem unsicheren Grinsen; anders vermochte er seiner Erregung nicht Herr zu werden. Auch die anderen waren sichtlich befangen. Giri bel Tarman räusperte sich kurz, bevor er zu sprechen begann.

»Sirghia und ich haben in den letzten Monaten das gesamte Kabelsystem dieser Anlage durchforscht, und ich glaube, daß diese Suche erfolgreich war. In diesem Maschinenpark gibt es nämlich nur einen einzigen Schalter – alle anderen Vorgänge können von außen nicht beeinflußt werden. Ich vermute, daß dieser Schalter den Wiederbelebungsmechanismus in Gang setzt.«

Giri deutete auf eine Öffnung zwischen zwei Maschinen; das Loch war in Hüfthöhe angebracht und gerade groß genug, um einen ziemlich schlanken Mann durchzulassen. Um die Öffnung herum waren zwei Kabelbündel mit Klammern herumgeführt.

»Früher hingen die Kabel senkrecht herab«, erklärte Giri. »Die Klammern stammen von uns. Wenn man in die Röhre hineinkriecht, findet man den Schalter.« Der Morcone holte tief Luft, dann ging er zu der Öffnung hinüber und kroch in die Röhre. Fast fünf Minuten lang blieb er verschwunden, dann tauchten seine Füße als erstes wieder auf. Der Morcone lächelte triumphierend, als er wieder auf dem Hallenboden stand.

»Niete!« verkündete Spooky ungerührt. »Es tut sich nichts!«

»Abwarten!« empfahl der Morcone, während er zur Empore hinaufstieg; nach einem kurzen Blick in ein Schlafbecken winkte er den anderen, ihm zu folgen.

»Seht her!« sagte er triumphierend und deutete auf die Vertiefung.

Zwar lag noch immer die durchsichtige Platte über der Wanne, aber die bläuliche Flüssigkeit wurde abgesaugt. Als das Becken leer war, schoben sich aus den Seitenwänden der Wanne zahlreiche Detektoren und Kontakte; nadelfeine Spitzen bohrten sich in die Haut des Schläfers, während sich gleichzeitig eine metallene Haube über seinen Schädel stülpte.

Spooky stellte rasch fest, daß sich in den anderen sieben Wannen ähnliches abspielte. Der Terraner schlug dem Morconen anerkennend auf die Schulter.

»Gut gemacht!« sagte er. »Jetzt haben wir wohl das Schlimmste überstanden. Unsere Vorfahren werden kaum so grob sein, uns sofort aus dem Hause zu jagen, wenn sie aufwachen.«

»Wenn!« erinnerte Giri mit leichter Skepsis. »Noch ist nichts entschieden.«

Eine halbe Stunde lang mußten die Menschen warten. Giri lief wie ein gereizter Eber pausenlos auf und ab, während Spooky einen Rekord im Schnellrauchen aufstellte. Cerlo unterzog die Maschinen einer oberflächlichen Musterung, und Sirghia und Danielle unterhielten sich leise. Aphros stand regungslos neben einem Becken und starrte hinunter auf den Körper seines Erbauers.

Ein Gong ertönte; ein dumpfer, warmer Ton klang durch die Stille der Halle und verhallte wieder. Rasch bestiegen die Menschen erneut die Empore. Vor ihren weit aufgerissenen Augen schoben sich die gläsernen Platten langsam und geräuschlos in die Seitenwände, und die Körper lagen frei.

Spooky hielt vor Aufregung die Luft an, bis seine Lungen zu schmerzen begannen; er atmete keuchend aus und wieder ein. Im gleichen Augenblick löste sich vor ihm der Körper auf dem Boden der Wanne auf. Die Konturen wurden unscharf, verschwammen immer mehr, als habe sich eine Wand aus heißer Luft zwischen den Körper und die Menschen geschoben. Als das Flimmern endete, war der Körper verschwunden.

»Das darf nicht wahr sein!« ächzte DeLacy.

Er machte einen raschen Schritt zur Seite und kam gerade noch rechtzeitig dazu, um den Auflösungsprozeß in der benachbarten Wanne miterleben zu können. Die nächste Schlafkammer bot das gleiche Bild. Nacheinander lösten sich die Körper auf – bis auf einen.

Spooky preßte die Kiefer zusammen. Wenn dieser Körper ebenfalls zerfiel, war ihre Mission unwiderruflich gescheitert, die Arbeit zweier Jahre vertan. Unwillkürlich preßte der Terraner die Fäuste zusammen, als in der Wanne eine Bewegung zu erkennen war. Mit quälender Langsamkeit öffnete der Mann in der Schlafkammer die dunklen Augen. Sein Blick wanderte kurz umher und blieb dann stumpf und ausdruckslos an den Menschen hängen.

Der Fremde zwinkerte, dann versuchte er, seine Hände zu bewegen. Die Beine zuckten, und unter der Haut war zu sehen, wie sich die Bauchmuskulatur anspannte. Der Mund öffnete und schloß sich wieder. Ohne ein Wort zu sprechen, begann der Schläfer seine gesamte Muskulatur durchzugehen, bis er wieder Herr über alle Gliedmaßen war. Der Mann richtete sich in einer zügigen Bewegung auf und setzte sich auf den Beckenrand; seine Augen fixierten den Androiden, der wie angewurzelt auf der anderen Seite stand und den Aufgeweckten anstarrte.

Der Blick des Mannes war noch immer verschwommen und abwesend, als die Gestalt den Mund öffnete. »Wer seid ihr?« fragte er mit einer leicht brüchig klingenden Stimme. Der Mann sprach wie auch der Androide auf halb telepathischer Basis – jeder Angeredete hörte die Sprache, die ihm die vertrauteste war.

»Freunde!« sagte Spooky ruhig.

»Ich weiß«, murmelte der Schläfer gedankenlos; seine Stimme flachte ab, wurde leiser. »Ich bin tot. Wo sind die anderen?«

Giri erkannte plötzlich, daß auch in diesem Fall der Erweckungsautomat versagt hatte; es war eine Frage von Minuten, bis auch der letzte Schläfer sich auflösen würde.

Rasch sagte der Morcone: »Wir sind Nachfahren deines Volkes, Freund. Wir sind gekommen, um unsere Ahnen zu finden. Sie haben auf dieser Welt gelebt, mußten aber vor einer uns unbekannten Gefahr flüchten. Du und deine Gefährten wurden konserviert, um uns eine wichtige Nachricht zu überbringen – wie lautet dein Auftrag?«

Der Mann nickte, als habe er jedes Wort verstanden und darüber nachgedacht; dann murmelte er weiter: »Auftrag? Gefahr? Was für eine Gefahr?« Er zwinkerte und schüttelte den Kopf, als wollte er einen Nebel vor seinen Augen vertreiben. »Gefahr? Ja – sie wollten unser Volk vernichten, und unsere Kinder auch. Ich habe Hunger. Wo sind meine Freunde?«

»Sie schlafen noch!« fuhr Spooky DeLacy dazwischen. »Jetzt aber sprich von der Gefahr! Wer bedrohte euch, und warum?«

»Ich muß euch warnen«, flüsterte der Mann; seine Haut verlor die Geschmeidigkeit und wurde faltig. Haare fielen aus, und auf der Gesichtshaut erschienen Flecken. »Ja, warnen. Seht euch vor.«

Der Mann kniff die Augen zusammen und holte tief Luft, als müsse er sich auf etwas konzentrieren. Für eine halbe Minute wurde der rasend schnell ablaufende Altersprozeß gestoppt. Der Mann sprach rasch und flüssig, und seine Stimme zeigte keinerlei Schwäche; er schien sich seines Auftrags zu erinnern und ihn ausführen zu wollen.

»Sprich verständlich!« sagte Giri beschwörend; er faßte den Mann an den Schultern und rüttelte ihn leicht.

Der Mann zerfiel unter seinen Fingern. Der Kopf fiel zurück, und die Gestalt sank in sich zusammen; innerhalb von dreißig Sekunden wurde aus dem Gesicht des zuvor scheinbar dreißigjährigen Mannes das faltige, zahnlose Gesicht eines Greises. Es schien, als grinse der Sterbende seine Zuschauer höhnisch an, dann löste sich der Körper vollständig auf.

Danielle hatte sich an Spookys Brust gelehnt und schluchzte hemmungslos; der Terraner unterdrückte einen Fluch, während die anderen bleich und starr standen. Nur Aphros machte ein Gesicht, als sei er von einer Zentnerlast befreit.

»Aus!« murmelte Giri in einem Ton, der Verzweiflung und Niedergeschlagenheit verriet. »Der Arme hatte nur zwei Möglichkeiten: Er konnte entweder den telepathischen Kontakt aufrechterhalten und für uns verständlich sprechen – oder er konnte sich noch einmal konzentrieren und uns seine Botschaft mitteilen. Für beides hatte er nicht mehr die Kraft. Das Rätsel bleibt ohne Lösung.«

»Nicht unbedingt!« sagte Aphros lächelnd. »Ich habe mir jedes Wort gemerkt, obwohl ich den Sinn nicht verstand. Vielleicht gelingt es uns auf Morcos oder Mainares, den Text zu entschlüsseln.«

Wieder ertönte ein Gong, diesmal dumpf und drohend.

»Wir müssen fort!« sagte Giri schnell. »Wahrscheinlich ist der Erweckungsprozeß mit einer Selbstvernichtungsautomatik gekoppelt.«

Als wolle er Giris Warnung unterstreichen, erschien ein Pfeil auf dem Boden, der in einem düsteren Rot glühte. So rasch sie konnten, liefen die Menschen den Weg zurück; hinter ihnen stürzten die Gänge krachend zusammen.

Erst als die Gruppe das Portal des Palastes hinter sich wußte, stoppte sie ihren rasenden Lauf; keuchend und außer Atem legten sie einen kurzen Aufenthalt ein, bevor sie in ihren Gleiter stiegen, in dem Soleil bereits auf sie wartete.

In raschester Fahrt legte Aphros den Weg vom Palast zum Raumhafen zurück. Wenige Minuten später war das Fahrzeug in der VANITY FAIR verstaut; die Besatzung hatte sich im Cockpit versammelt. Spooky hatte sich an das Fenster gestellt, das einen Blick über die Stadt bis zum Palast erlaubte. Sein Gesicht wurde bleich, und er winkte die anderen heran.

Der Palast fiel langsam in sich zusammen; eine gewaltige Staubsäule brach hoch und verhüllte den Blick auf das, was in der Nähe des Palastes vorging. Dann sackte ein hohes Gebäude in der Nähe der Palastmauer zusammen.

»Wir müssen starten!« befahl Giri an. »Der Planet löst sich auf!«

Seit Monaten war das Schiff klar für einen sofortigen Start. Minuten später hatte die VANITY FAIR bereits eine Höhe von mehreren Kilometern erreicht. Kurz vor Erreichen der Wolkendecke ließ Aphros das Schiff verharren. Unter sich sahen die Menschen ein Bild der Verwüstung; nacheinander zerfielen die Gebäude zu Staub, der sich in dicken Wolken über die Szenerie legte. Vom Palast als Zentrum schob sich eine Welle der Vernichtung kreisförmig über den Planeten; Stadt auf Stadt zerfiel binnen weniger Minuten. Der Mechanismus, der die Gebäude jahrtausendelang vor dem Verfall bewahrt und konserviert hatte, war zerstört und führte zur völligen Auflösung aller künstlich erschaffenen Dinge.

Der Planet selbst blieb entgegen Giris erster Vermutung verschont. Auch die seltsame Konstellation der beiden inneren Planeten blieb vor der Zerstörung bewahrt – das letzte Zeichen dafür, daß hier einmal eine hochentwickelte Rasse gelebt hatte.

Die Menschen an Bord der VANITY FAIR sahen sich stumm und niedergeschlagen an.

»Hier haben wir nichts mehr zu suchen«, sagte Giri schließlich; seine Stimme klang dumpf. »Kehren wir zurück?«

Ohne auf die Reaktion der anderen zu warten, begann Aphros das Raumschiff auf Heimatkurs zu bringen. Mit sich nahm das Schiff die Trümmer einer Hoffnung – aber auch die Gewißheit, daß das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Obwohl nichts dieses Gefühl rechtfertigte, war jeder an Bord davon überzeugt, daß es letztlich doch gelingen würde, die Stammeltern der Morconen und Terraner zu finden.

Und wenn dazu ein Jahrtausend nötig war.