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»Verzeihung, Professor.«
Der Freund der Weasley-Zwillinge, Lee Jordan, machte den Stadionsprecher, unter den strengen Ohren von Professor McGonagall.
»Und haut dort oben mächtig rein in den Ball, jetzt ein sauberer Paß zu Alicia Spinnet, eine gute Entdeckung von Oliver Wood, letztes Jahr noch auf der Reservebank – wieder zu Johnson und – nein, Slytherin hat jetzt den Quaffel, ihr Kapitän Marcus Flint holt sich ihn und haut damit ab – Flint fliegt dort oben rum wie ein Adler – gleich macht er ein To… – nein, eine glänzende Parade von Gryffindor-Torwart Wood stoppt ihn, und jetzt wieder die Gryffindors in Quaffelbesitz – das ist die Jägerin Katie Bell von Gryffindor dort oben, elegant ist sie unter Flint hindurchgetaucht und schnell jagt sie über das Feld und – AU – das muß wehgetan haben, ein Klatscher trifft sie im Nacken – der Quaffel jetzt wieder bei den Slytherins – das ist Adrian Pucey, der in Richtung Tore losfegt, doch ein zweiter Klatscher hält ihn auf – geschickt von Fred oder George Weasley, ich kann die beiden einfach nicht auseinander halten – gutes Spiel vom Treiber der Gryffindors jedenfalls, und Johnson wieder in Quaffelbesitz, hat jetzt freie Bahn, und weg ist sie – sie fliegt ja buchstäblich – weicht einem schnellen Klatscher aus – da sind schon die Tore -ja, mach ihn rein, Angelina – Torhüter Bletchley taucht ab, verfehlt den Quaffel – und TOR FÜR GRYFFINDOR!«
Jubelrufe für Gryffindor füllten die kalte Luft, von den Slytherins kam Heulen und Stöhnen.
»Bewegt euch da oben, rückt ein Stück weiter.«
»Hagrid!«
Ron und Hermine drängten sich eng aneinander, um für Hagrid Platz zu machen.
»Hab von meiner Hütte aus zugeschaut«, sagte Hagrid und tätschelte ein großes Fernglas, das um seinen Hals hing.»Aber es ist einfach was anderes, dabei zu sein. Noch kein Zeichen vom Schnatz, oder?«
»Null«, sagte Ron.»Harry hat noch nicht viel zu tun.«
»Hat sich aber auf der sicheren Seite gehalten bisher, das ist schon mal was«, sagte Hagrid, setzte das Fernglas an die Augen und spähte himmelwärts auf den Fleck, der Harry war.
Hoch über ihnen glitt Harry über das Spiel hinweg und hielt Ausschau nach einem Anzeichen vom Schnatz. Das hatten er und Wood miteinander abgesprochen.
»Halt dich raus, bis du den Schnatz sichtest«, hatte Wood gesagt.»Besser, wenn du nicht angegriffen wirst, bevor es sein muß.«
Nach Angelinas Tor hatte Harry ein paar Loopings hingelegt, um seiner Freude Luft zu machen. Nun war er wieder damit beschäftigt, nach dem Schnatz Ausschau zu halten. Einmal hatte er etwas Goldenes aufblitzen sehen doch es war nur ein Lichtreflex von der Armbanduhr eines Weasley, und wenn ein Klatscher sich entschied, einer Kanonenkugel gleich auf ihn zuzujagen, wich ihm Harry aus und Fred Weasley kam hinter ihm hergefegt.
»Alles in Ordnung bei dir?«, konnte er noch rufen, bevor er den Klatscher wütend in Richtung Marcus Flint schlug.
»Slytherin im Quaffelbesitz«, sagte Lee Jordan.»Jäger Pucey duckt sich vor zwei Klatschern, zwei Weasleys und Jäger Bell und rast auf die – Moment mal – war das der Schnatz?«
Ein Gemurmel ging durch die Menge, als Adrian Pucey den Quaffel fallen ließ, weil er es nicht lassen konnte, sich umzudrehen und dem goldenen Etwas nachzuschauen, das an seinem linken Ohr vorbeigezischt war.
Harry sah es. Mit plötzlicher – Begeisterung stürzte er sich hinab, dem goldenen Schweif hinterher.-, Der Sucher der Slytherins, Terence Higgs, hatte ihn ebenfalls gesehen. Kopf an Kopf rasten sie hinter dem Schnatz her – alle Jäger schienen vergessen zu haben, was sie zu tun hatten, und hingen mitten in der Luft herum, um ihnen zuzusehen.
Harry war schneller als Higgs – er konnte den kleinen Ball sehen, der flügelflatternd vor ihm herjagte – Harry legte noch einmal etwas zu -
WUMM Von den Gryffindors unten auf den Rängen kam lautes Zorngeschrei – Marcus Flint hatte Harry absichtlich geblockt, Harrys Besen trudelte jetzt durch die Luft und Harry selbst klammerte sich in Todesgefahr an ihn.
»Foul!«, schrien die Gryffindors.
Die wutentbrannte Madam Hooch knöpfte sich Flint vor und gab den Gryffindors einen Freiwurf. Doch in all der Aufregung war der Goldene Schnatz natürlich wieder verschwunden.
Unten auf den Rängen schrie Dean Thomas:»Schick ihn vom Platz, Schiri! Rote Karte!«
»Das ist nicht Fußball, Dean«, erinnerte ihn Ron.»Du kannst im Quidditch keinen vom Platz stellen – und was ist eigentlich eine rote Karte?«
Doch Hagrid war auf Deans Seite.
»Sie sollten die Regeln ändern, wegen Flint wäre Harry List runtergefallen.«
Lee Jordan fiel es schwer, nicht Partei zu ergreifen.
»So – nach diesem offenen und widerwärtigen Betrug -«
»Jordan!«, knurrte Professor McGonagall.
»Ich meine, nach diesem offenen und empörenden Foul -«
»Jordan, ich warne Sie -«
»Schon gut, schon gut. Flint bringt den Sucher der Gryffindors fast um, das könnte natürlich jedem passieren, da bin ich mir sicher, also ein Freiwurf für Gryffindor, Spinnet Übernimmt ihn, und sie macht ihn rein, keine Frage, und das Spiel geht weiter, Gryffindor immer noch im Quaffelbesitz.«
Es geschah, als Harry erneut einem Klatscher auswich, der gefährlich nahe an seinem Kopf vorbeischlingerte. Sein Besen gab plötzlich einen fürchterlichen Ruck. Den Bruchteil einer Sekunde lang glaubte er hinunterzustürzen. Er umklammerte den Besen fest mit beiden Händen und Knien. Ein solches Gefühl hatte er noch nie gehabt.
Es passierte wieder. Als ob der Besen versuchte ihn abzuschütteln. Doch ein Nimbus Zweitausend beschloß nicht plötzlich, seinen Reiter abzuschütteln. Harry versuchte sich zu den Toren der Gryffindors umzuwenden; halb dachte er daran, Wood um eine Spielpause zu bitten – und nun war ihm klar, daß der Besen ihm überhaupt nicht mehr gehorchte. Er konnte ihn nicht wenden. Er konnte ihn überhaupt nicht mehr steuern. Im Zickzack fegte er durch die Luft und machte in kurzen Abständen wütende Schlenker, die ihn fast herunterrissen.
Lee kommentierte immer noch das Spiel.
»Slytherin im Ballbesitz – Flint mit dem Quaffel – vorbei an Spinnet – vorbei an Bell – der Quaffel trifft ihn hart im Gesicht, hat ihm hoffentlich die Nase gebrochen – nur'n Scherz, Professor – Tor für Slytherin – o nein… «
Die Slytherins jubelten. Keiner schien bemerkt zu haben, daß Harrys Besen sich merkwürdig benahm. Er trug ihn langsam höher, ruckend und zuckend, fort vom Spiel.
»Weiß nicht, was Harry da eigentlich treibt«, murmelte Hagrid. Er sah gebannt durch sein Fernglas.»Wenn ich es nicht besser wüßte, würd ich sagen, er hat seinen Besen nicht mehr im Griff… aber das kann nicht sein… «
Auf einmal deuteten überall auf den Rängen Menschen auf Harry. Sein Besen rollte sich nun im Kreis, unablässig, und Harry konnte sich nur noch mit letzter Kraft halten. Dann stöhnte die Menge auf, Harrys Besen hatte einen gewaltigen Ruck gemacht und Harry hatte den Halt verloren. Er hing jetzt in der Luft, mit einer Hand am Besenstiel.
»Hat er irgendwas abgekriegt, als Flint ihn geblockt hat?«, flüsterte Seamus.
»Kann nicht sein«, meinte Hagrid mit zitternder Stimme.»Nichts kann keinen Besen durch'nander bringen außer schwarze Magie – kein Kind könnt so was mit 'nein Nimbus Zweitausend anstellen.«
Bei diesen Worten griff sich Hermine Hagrids Fernglas, doch anstatt zu Harry hinaufzusehen ließ sie den Blick hastig über die Menge schweifen.
»Was machst du da?«, stöhnte Ron graugesichtig.
»Ich wußte es«, keuchte Hermine,»Snape – sieh mal.«
Ron hob das Fernglas an die Augen. Snape stand in der Mitte der Ränge gegenüber. Seine Augen waren fest auf Harry gerichtet und er murmelte unablässig vor sich hin.
»Da ist was faul – er verhext den Besen«, sagte Hermine.
»Was sollen wir machen?«
»Überlaß ihn mir.«
Bevor Ron noch ein Wort sagen konnte, war Hermine verschwunden. Ron richtete das Fernglas wieder auf Harry., dessen Besen ruckte nun so heftig, daß er sich kaum noch daran festklammern konnte. Sämtliche Zuschauer waren aufgestanden und sahen entsetzt zu, wie die Weasleys hochflogen und versuchten, ihn auf einen ihrer Besen zu ziehen, doch es nützte nichts: jedes Mal, wenn sie ihm nahe kamen, stieg der Besen sofort noch höher. Sie ließen sich ein wenig sinken und zogen unterhalb von Harry Kreise, offenbar in der Hoffnung, ihn auffangen zu können, falls er herunterfiel. Marcus Flint packte den Quaffel und schoß fünf Tore, ohne daß jemand Notiz davon nahm.
»Los, Hermine, mach schon«, murmelte Ron verzweifelt.
Hermine hatte sich zu der Tribüne durchgekämpft, auf der Snape stand, und raste nun die Sitzreihe entlang auf ihn zu; sie hielt nicht einmal an, um sich zu entschuldigen, als sie Professor Quirrell kopfüber in die Reihe davor stieß. Als sie Snape erreicht hatte, zog sie ihren Zauberstab hervor, kauerte sich auf den Boden und flüsterte ein paar wohl gewählte Worte. Aus ihrem Zauberstab züngelten hellblaue Flämmchen zum Saum von Snapes Umhang empor.
Snape brauchte vielleicht eine halbe Minute um zu bemerken, daß er brannte. Ein plötzliches Aufheulen sagte ihr, daß sie es geschafft hatte. Sie sog das Feuer von ihm ab in ein kleines Glasgefäß, das sie in der Tasche hatte, und stolperte dann durch die Reihe zurück – Snape erfuhr nie, was geschehen war.
Doch es war gelungen. Hoch oben in den Lüften konnte Harry plötzlich wieder auf seinen Besen klettern.
»Neville, du kannst wieder hinsehen!«, rief Ron. Neville hatte die letzten fünf Minuten in Hagrids Jacke geschluchzt.
Harry raste gerade bodenwärts, als die Menge ihn plötzlich die Hand vor den Mund schlagen sah, als ob ihm schlecht wäre – auf allen Vieren knallte er auf das Spielfeld – hustete – und etwas Goldenes fiel ihm in die Hand.
»Ich hab den Schnatz!«, rief er mit den Armen rudernd, und das Spiel endete in heilloser Verwirrung.
»Er hat ihn nicht gefangen, er hat ihn fast verschluckt«, brüllte Flint zwanzig Minuten später immer noch, doch es half nichts mehr – Harry hatte keine Regel gebrochen und der glückselige Lee Jordan rief immer noch das Ergebnis aus – Gryffindor hatte mit hundertsiebzig zu sechzig Punkten gewonnen. Davon hörte Harry freilich nichts mehr. Hinten am Wald, in der Hütte, braute Hagrid ihm und Ron und Hermine einen kräftigen Tee.
»Es war Snape«, erklärte Ron,»Hermine und ich haben ihn gesehen. Er hat leise vor sich hin gemurmelt und deinen Besen mit Flüchen belegt, er hat nicht ein einziges Mal die Augen von dir abgewandt.«
»Unsinn«, brummte Hagrid, der kein Wort von dem gehört hatte, was neben ihm auf den Rängen gesprochen worden war.»Warum sollte Snape so etwas tun?«
Harry, Ron und Hermine sahen sich an, unsicher, was sie ihm erzählen sollten. Harry entschied sich für die Wahrheit.
»Ich hab etwas über ihn herausgefunden«, erklärte er Hagrid.»Er hat an Halloween versucht an diesem dreiköpfigen Hund vorbeizukommen. Der hat ihn gebissen. Wir glauben, er wollte das stehlen, was der Hund bewacht, was auch immer es ist.«
Hagrid ließ den Teekessel auf den Herd fallen.
»Woher wißt ihr von Fluffy?«, fragte er.
»Fluffy?«,
»Ja – ist nämlich meiner – hab ihn einem Kerl aus Griechenland abgekauft, den ich letztes Jahr im Pub getroffen hab ich hab ihn Dumbledore geliehen, als Wachhund für
»Ja?«sagte Harry begierig.
»Das reicht, fragt mich nicht weiter aus«, sagte Hagrid grummelig.»Das ist streng geheim, ist das nämlich.«
»Aber Snape hat versucht, es zu stehlen.«
»Unsinn«, sagte Hagrid erneut.»Snape ist ein Lehrer in Hogwarts, so was würde der nie tun.«
»Und warum hat er dann gerade versucht, Harry umzubringen?«, rief Hermine.
Was am Nachmittag geschehen war, hatte ihre Ansichten über Snape offenbar verändert.
»Ich erkenne sehr wohl, wenn jemand einen bösen Fluch
ausspricht, Hagrid, ich hab alles darüber gelesen. Du mußt die Augen immer draufhalten, und Snape hat nicht einmal geblinzelt, ich hab's gesehen!«
»Ich sag euch, ihr liegt grottenfalsch«, sagte Hagrid erregt.»Ich weiß nicht, warum Harrys Besen so komisch geflogen ist, aber Snape würde nie versuchen einen Schüler i zubringen! Nun hört mir mal alle genau zu, ihr mischt in Dinge ein, die euch nichts angehen. Vergeßt den Hund und vergeßt, was er bewacht, das ist allein die Sache von Professor Dumbledore und Nicolas Flamel -«
»Aha!«, sagte Harry.»Also hat jemand namens Nicolas Flamel damit zu tun, oder?«
Hagrid sah aus, als ob er auf sich selbst sauer wäre.