123298.fb2 Harry Potter und der Feuerkelch - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 22

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Der Ungarische Hornschwanz

Die Aussicht, bald mit Sirius sprechen zu können, war alles, was Harry während der nächsten zwei Wochen bei Laune hielt, es war der einzige helle Fleck an einem Horizont, der so dunkel war wie noch nie. Den Schock, plötzlich Schul-Champion zu sein, hatte er inzwischen halbwegs verkraftet, doch allmählich kroch die Angst vor dem Kommenden in ihm hoch. Der Tag der ersten Aufgabe rückte immer näher; er hatte das Gefühl, ein widerliches Monster würde auf ihn zukrauchen und ihm den Weg versperren. Wie ihm jetzt die Nerven flatterten, war überhaupt nicht mit dem zu vergleichen, was er vor irgendeinem Quidditch-Spiel durchgemacht hatte, nicht einmal vor seinem letzten gegen die Slytherins, bei dem es um den Pokal gegangen war. Harry fiel es schwer, überhaupt an die Zukunft zu denken, er hatte das Gefühl, sein ganzes Leben wäre geradewegs auf diese erste Aufgabe zugelaufen und würde mit ihr auch enden…

Wie er sich eingestand, hatte er keine Ahnung, wie Sirius ihn eigentlich aufmuntern sollte, da er doch vor Hunderten von Zuschauern einen unbekannten, schwierigen und gefährlichen Zauber bewältigen mußte, doch der bloße Anblick eines freundlichen Gesichts war immerhin schon etwas. Harry antwortete Sirius, er würde zur vorgeschlagenen Zeit am Kamin des Gemeinschaftsraums sein, und er überlegte mit Hermine lange hin und her, wie sie es anstellen könnten, in dieser Nacht etwaige Trödler zu vertreiben. Wenn alles andere schief gehen sollte, würden sie es mit einem Sack voll Stinkbomben versuchen, doch sie hofften, das würde ihnen erspart bleiben – Filch würde sie bei lebendigem Leibe häuten.

Unterdessen wurde das Leben in den Mauern des Schlosses noch schwerer für Harry, denn Rita Kimmkorn hatte ihren Bericht über das Trimagische Turnier veröffentlicht, und wie sich herausstellte, war es weniger ein Bericht über das Turnier als eine in grellen Farben gemalte Lebensgeschichte Harrys. Ein Foto von Harry nahm einen großen Teil der Titelseite ein; der Artikel (fortgesetzt auf den Seiten zwei, sechs und sieben) drehte sich einzig und allein um Harry, die Namen der Champions von Beauxbatons und Durmstrang (alle falsch geschrieben) waren in die letzte Zeile gequetscht worden und Cedric wurde überhaupt nicht erwähnt.

Der Artikel war vor zehn Tagen erschienen, und noch immer brannte Harry vor Scham der Magen, wenn er daran dachte. Rita Kimmkorn zufolge hatte er dies und das und jenes gesagt, doch er konnte sich nicht erinnern, solche Worte jemals im Leben gebraucht zu haben, und schon gar nicht in diesem Besenschrank.

»Ich glaube, es sind meine Eltern, die mir Kraft geben, ich weiß, sie würden sehr stolz auf mich sein, wenn sie mich jetzt sehen könnten… ja, nachts weine ich manchmal noch, wenn ich an sie denke, ich schäme mich nicht, das zuzugeben… Ich weiß, daß mir im Turnier nichts zustoßen kann, denn sie wachen über mich…«

Doch Rita Kimmkorn hatte nicht nur seine»Ähms«in lange, Übelkeit erregende Sätze verwandelt: Sie hatte auch andere über ihn ausgefragt:

Harry hat in Hogwarts endlich die Liebe gefunden. Sein enger Freund, Colin Creevey, berichtet, daß Harry fast ständig in Begleitung Hermine Grangers zu sehen ist, eines umwerfend hübschen muggelstämmigen Mädchens, das wie Harry zu den besten Schülern des Internats gehört.

Kaum war der Artikel erschienen, mußte es Harry über sich ergehen lassen, daß seine Mitschüler – vor allem Slytherins – lauthals Sätze daraus vorlasen, wenn er an ihnen vorbeiging, und dazu noch ihre hämischen Kommentare abgaben.

»Willst vielleicht 'n Taschentuch, Harry, falls du in Verwandlung zu heulen anfängst?«

»Seit wann bist du einer der Spitzenschüler des Internats, Potter? Oder soll das eine Schule sein, die du zusammen mit Longbottom gegründet hast?«

»Hallo – Harry!«, rief jemand im Korridor.

»Ja, ist schon gut«, schrie Harry plötzlich zu seiner eigenen Überraschung und wirbelte herum. Er hatte es jetzt satt.»Ich hab mir gerade die Augen ausgeheult wegen meiner toten Mama und will jetzt gleich noch ein wenig weiterweinen…«

»Nein – ich meinte doch nur – du hast deine Feder verloren.«

Es war Cho. Harry spürte, wie er rot anlief.

»Oh – danke – tut mir Leid«, nuschelte er und hob die Feder auf.

»Hmmh… und viel Glück am Dienstag«, sagte sie.»Ich drück dir die Daumen, daß es gut geht.«

Und Harry stand ziemlich bedröppelt da.

Auch Hermine war nicht zu kurz gekommen und hatte einiges an Gemeinheiten schlucken müssen, doch noch war es nicht so weit, daß sie völlig unbeteiligte Zuschauer anschrie; Harry bewunderte sie in Wahrheit zutiefst für ihre Art, mit der schwierigen Situation umzugehen.

»Umwerfend hübsch? Die?«, hatte Pansy Parkinson gekreischt, als sie Hermine nach dem Erscheinen von Rita Kimmkorns Artikel zum ersten Mal begegnet war.»Im Vergleich zu was denn – einem Eichhörnchen?«

»Einfach nicht beachten«, sagte Hermine kühl, reckte das Kinn und stapfte an den giggelnden Slytherin-Mädchen vorbei, als wäre sie taub für deren Worte.»Ist doch schnuppe, Harry.«

Doch Harry war es nicht schnuppe. Ron hatte kein Wort mehr mit ihm geredet, seit er ihm gesagt hatte, wann sie bei Snape nachsitzen mußten. Harry hatte schon halb gehofft, daß sie in den zwei Stunden, in denen sie in Snapes Keller Rattenhirne einpökeln mußten, ihren Streit aus der Welt schaffen würden, doch an diesem Tag war Ritas Artikel erschienen und er schien Rons Glaube bestärkt zu haben, daß Harry all die Aufmerksamkeit so richtig genoß.

Hermine war wütend auf sie beide; sie ging vom einen zum anderen und versuchte sie zu zwingen, wieder miteinander zu reden, doch Harry wollte nicht nachgeben: Er würde erst dann wieder mit Ron reden, wenn Ron zugab, daß Harry seinen Namenszettel nicht in den Feuerkelch geworfen hatte, und sich dafür entschuldigte, daß er ihn einen Lügner genannt hatte.

»Ich hab ja nicht damit angefangen«, sagte Harry eisern.»Das ist sein Problem.«

»Du vermißt ihn doch!«, sagte Hermine ungeduldig.»Und ich weiß, daß er dich vermißt -«

»Ich und ihn vermissen?«, sagte Harry.»Ich vermisse ihn überhaupt nicht…«

Doch das war schlicht gelogen. Harry mochte Hermine sehr, doch mit Ron war es einfach anders. Mit Hermine statt Ron als bestem Freund gab es viel weniger zu lachen und sie saßen viel länger in der Bibliothek herum. Harry beherrschte die Aufrufezauber immer noch nicht, etwas in ihm schien sich sogar dagegen zu sperren, und Hermine beteuerte unablässig, die Anleitungen in den Büchern würden ihm bestimmt helfen. So verbrachten sie fast die ganzen Mittagspausen damit, in der Bibliothek über Wälzern zu brüten.

Auch Viktor Krum war auffällig oft in der Bibliothek, und Harry fragte sich, was er im Sinn hatte. Lernte er oder suchte er nach einem Buch, das ihm bei der ersten Aufgabe helfen würde? Hermine beklagte sich häufig, wenn Krum da war – nicht etwa, weil er sie je gestört hätte, sondern weil immer wieder Scharen kichernder Mädchen auftauchten und ihn hinter Bücherregalen versteckt beobachteten, und Hermine fand den ganzen Rummel einfach lästig.

»Er sieht nicht mal gut aus!«, zischelte sie und warf Krums Profil einen finsteren Blick zu.»Sie stehen doch nur auf ihn, weil er berühmt ist! Sie würden ihn doch keines Blickes würdigen, wenn er nicht diesen Wanzki-Stuß beherrschen würde -«

»Wronski-Bluff«, sagte Harry zähneknirschend. Ganz abgesehen davon, daß er Wert darauf legte, sorgfältig mit Quidditch-Begriffen umzugehen, gab ihm auch der Gedanke einen Stich, was für ein Gesicht Ron wohl machen würde, wenn er Hermine vom Wanzki-Stuss reden hörte.

* * *

Es ist merkwürdig, doch wenn man schreckliche Angst vor etwas hat und alles dafür geben würde, den Lauf der Zeit zu verlangsamen, hat dieses Etwas die lästige Gewohnheit, noch schneller zu kommen. Die Tage bis zur ersten Aufgabe glitten dahin, als ob sich jemand an den Uhren zu schaffen gemacht hätte und diese jetzt doppelt so schnell liefen. Wohin er auch ging, Harry ließ das Gefühl kaum beherrschter Panik nicht los, es begleitete ihn genauso hartnäckig wie der Spott über den Artikel im Tagespropheten.

An dem Samstag vor der ersten Aufgabe durften alle Schüler ab der dritten Klasse das Dorf Hogsmeade besuchen. Hermine erklärte Harry, es würde ihm gut tun, für eine Weile aus dem Schloß zu kommen, und Harry ließ sich nicht lange bitten.

»Aber was ist mit Ron?«, sagte er.»Willst du nicht mit ihm gehen?«

»Oh… na ja…«Hermine lief rosa an.»Ich dachte, wir könnten uns mit ihm in den Drei Besen treffen…«

»Nein«, sagte Harry nur.

»Ach, Harry, das ist doch bescheuert -«

»Ich komm mit, aber mit Ron treffe ich mich nicht, und ich trage meinen Tarnurnhang.«

»Na gut, von mir aus…«, fauchte Hermine,»aber ich kann es nicht ausstehen, mit dir zu reden, wenn du in diesem Umhang steckst, wo ich doch nie weiß, ob ich dich jetzt ansehe oder nicht.«

Also zog Harry im Schlafsaal seinen Tarnurnhang an, ging wieder nach unten und machte sich zusammen mit Hermine auf den Weg nach Hogsmeade.

Unter diesem Umhang fühlte sich Harry wunderbar frei; er beobachtete, wie die anderen Schüler an ihnen vorbei ins Dorf gingen, die meisten mit CEDRIC DIGGORY-Ansteckern auf der Brust, doch zur Abwechslung mußte er sich keine hämischen Bemerkungen anhören und niemand las aus diesem fürchterlichen Artikel vor.

»Mich starren die Leute jetzt ständig an«, sagte Hermine mißgelaunt, als sie aus dem Honigtopf kamen und sich über die großen sahnegefüllten Schokoriegel hermachten.»Sie glauben, ich führe Selbstgespräche.«

»Dann beweg eben deine Lippen nicht.«

»Hör mal zu, ich bitte dich, nimm doch für eine Weile diesen Umhang ab. Hier belästigt dich doch keiner.«

»Ach ja?«, sagte Harry.»Dann dreh dich mal um.«

Rita Kimmkorn und ihr Freund, der Fotograf, hatten gerade den Pub Drei Besen verlassen. In ein gedämpftes Gespräch vertieft, gingen sie direkt an Hermine vorbei ohne sie eines Blickes zu würdigen. Harry drückte sich an die Hausmauer des Honigtopfes, denn er sah es schon kommen, daß ihm Rita Kimmkorn mit ihrer Krokodilledertasche eins überzog.

Als sie vorbei waren, sagte Harry:»Sie hat sich hier im Dorf ein Zimmer genommen. Ich wette, sie sieht sich das Turnier an.«

Noch während er sprach, durchflutete die Angst seinen Magen wie ein Strom heißer Lava. Er sagte Hermine kein Wort davon; sie hatten kaum darüber gesprochen, was in der ersten Aufgabe wohl auf ihn zukommen würde; er hatte den Eindruck, daß sie nicht darüber nachdenken wollte.

»Sie ist weg«, sagte Hermine und spähte durch Harry hindurch zum Ende der Hauptstraße.»Wie war's, wenn wir in den Drei Besen ein Butterbier trinken? Es ist doch ziemlich frisch hier draußen, oder? Und du mußt ja nicht mit Ron reden!«, fügte sie, sein Schweigen richtig deutend, verärgert hinzu.

Die Drei Besen waren brechend voll, vor allem mit Hog-wartsSchülern, die ihren freien Nachmittag feierten, doch auch mit einem Typ von magischen Menschen, wie sie Harry anderswo kaum zu Gesicht bekam. Da Hogsmeade das einzige nur von Zauberern und Hexen bewohnte Dorf in Großbritannien war, vermutete Harry, daß es eine Art Zuflucht war für Geschöpfe wie die Sabberhexen, die sich nicht so geschickt tarnen konnten wie Zauberer.

Es war gar nicht einfach, sich mit dem Tarnurnhang durch die Menge zu bewegen, denn wenn man zufällig jemandem auf die Füße trat, führte dies meist zu peinlichen Fragen. Harry schlängelte sich vorsichtig zu einem freien Tisch in der Ecke durch, während Hermine an der Theke etwas zu trinken holte. Auf dem Weg nach hinten sah Harry Ron an einem Tisch mit Fred, George und Lee Jordan sitzen. Er hatte große Lust, Ron einen deftigen Klaps auf den Hinterkopf zu versetzen, ließ es dann aber doch lieber sein. Endlich schaffte er es zu seinem Tisch und setzte sich.

Hermine kam einen Augenblick später und schob ihm unauffällig ein Butterbier unter den Tarnurnhang.

»Die halten mich sicher für bescheuert, hier ganz allein rumzusitzen«, murmelte sie.»Ein Glück, daß ich was zum Arbeiten mitgebracht habe.«

Sie zog ein Notizbuch heraus, in dem sie eine Liste der B.ELFE.R-Mitglieder führte. Harry sah seinen und Rons Namen ganz oben auf der sehr kurzen Liste stehen. Es schien so furchtbar lange her zu sein, daß er mit Ron zusammen an den Prophezeiungen gebastelt hatte, bis dann Hermine aufgetaucht war und sie zu Sekretär und Schatzmeister ernannt hatte.

»Weißt du, vielleicht sollte ich einfach mal versuchen, ein paar von den Dorfleuten für B-ELFE-R zu gewinnen«, sagte Hermine nachdenklich und sah sich im Pub um.

»Ja, schon gut«, sagte Harry. Er trank einen Schluck Butterbier unter seinem Tarnurnhang.»Hermine, wann gibst du diesen Belfer-Kram endlich auf?«

»Wenn die Hauselfen anständige Löhne und Arbeitsbedingungen haben!«, zischelte sie zurück.»Allmählich glaube ich, es ist an der Zeit, etwas Handfestes zu unternehmen. Weißt du zufällig, wie man in die Schulküche kommt?«

»Keine Ahnung, frag doch Fred und George«, sagte Harry.

Hermine verfiel in nachdenkliches Schweigen; Harry trank sein Butterbier und beobachtete die Leute im Pub. Alle wirkten gut gelaunt und entspannt. Ernie Macmillan und Hannah Abbott, beide mit CEDRIC DIGGORY-An-steckern auf den Umhängen, tauschten an einem Nachbartisch Schokofrosch-Karten. Drüben an der Tür sah er Cho und eine größere Schar ihrer Freunde aus Ravenclaw. Einen CEDRIC DIGGORY-Anstecker trug sie allerdings nicht… und das munterte Harry ein wenig auf…

Was hätte er nicht alles gegeben, um zu ihnen zu gehören, die da saßen und lachten und sich unterhielten und keine größeren Sorgen kannten als die Erledigung ihrer Hausaufgaben! Er stellte sich vor, wie er sich hier fühlen würde, wenn der Feuerkelch nicht seinen Namen ausgespuckt hätte. Zunächst einmal würde er keinen Tarnurnhang tragen. Ron würde bei ihm sitzen. Alle drei würden sie wahrscheinlich ganz ausgelassen darüber nachdenken, welche Aufgabe die Schul-Champions am Dienstag unter Todesgefahr zu lösen haben würden. Wie er sich darauf freuen würde, ihnen zuzusehen… ungefährdet irgendwo hinten auf den Rängen zu sitzen und Cedric anzufeuern…

Er fragte sich, wie sich die anderen Champions fühlten. Jedes Mal, wenn er Cedric in letzter Zeit gesehen hatte, war er von Bewunderern umringt gewesen und hatte zwar nervös, aber auch freudig erregt ausgesehen. Fleur Delacour hatte Harry hin und wieder kurz im Vorbeigehen gesehen; sie wirkte so wie immer, hochmütig und nicht die Spur nervös. Und Krum saß die ganze Zeit in der Bibliothek und brütete über irgendwelchen Büchern.

Harry dachte an Sirius und der festgezurrte Knoten in seiner Brust schien sich ein wenig zu lockern. In gut zwölf Stunden würde er mit ihm sprechen können, denn heute Nacht wollten sie sich am Kamin des Gemeinschaftsraums treffen – vorausgesetzt, daß nichts schief ging, wo doch in letzter Zeit alles schief gegangen war…

»Sieh mal, da ist Hagrid!«, sagte Hermine.

Hagrids gewaltiger zottiger Hinterkopf – die beiden Zöpfe hatte er dankenswerterweise wieder aufgelöst – tauchte über der Menge auf. Harry fragte sich, warum er ihn nicht gleich gesehen hatte, da Hagrid so groß war; doch als er vorsichtig aufstand, sah er, daß Hagrid sich hinuntergebeugt und mit Professor Moody gesprochen hatte. Hagrid hatte seinen üblichen mächtigen Humpen vor sich, doch Moody trank aus seinem Flachmann. Madam Rosmerta, die hübsche Wirtin, schien davon nicht viel zu halten; als sie die Gläser von den umstehenden Tischen einsammelte, warf sie Moody einen scheelen Blick zu. Vielleicht dachte sie, Moody würde ihren heißen Met verschmähen, doch Harry wußte es besser. Moody hatte ihnen in der letzten Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste erzählt, daß er es vorzog, sich sein Essen und seine Getränke immer selbst zu bereiten, da es für einen schwarzen Magier so einfach war, einen unbewachten Becher zu vergiften. Harry sah jetzt, wie Hagrid und Moody Anstalten machten zu gehen. Er winkte ihnen, dann fiel ihm ein, daß Hagrid ihn ja gar nicht sehen konnte. Moody jedoch hielt inne, das magische Auge auf die Ecke gerichtet, in der Harry stand. Er stupste Hagrid ins Kreuz (seine Schulter konnte er ja nicht erreichen), murmelte etwas und die beiden kamen durch den Pub auf Harrys und Hermines Tisch zu.

»Alles klar, Hermine?«, sagte Hagrid laut.

»Hallo«, sagte Hermine und lächelte ihn an.

Moody hinkte um den Tisch herum und beugte sich vor; Harry dachte, er würde das B.ELFE.R-Notizbuch lesen, bis Moody murmelte:»Hübscher Umhang, Potter.«

Harry starrte ihn verdutzt an. Moodys Nase mit dem großen fehlenden Stück war im Abstand von einigen Zentimetern besonders eindrucksvoll. Moody grinste.

»Kann Ihr Auge – ich meine, können Sie -?«

»Ja, ich kann durch Tarnumhänge sehen«, sagte Moody gedämpft.»Und das war schon einige Male recht nützlich, kann ich dir sagen.«

Auch Hagrid strahlte zu Harry hinunter. Harry wußte, daß Hagrid ihn nicht sehen konnte, doch Moody hatte ihm offenbar erzählt, daß er hier saß. Hagrid beugte sich jetzt über den Tisch, tat so, als würde auch er das B.ELFE.R-No-tizbuch lesen, und flüsterte dann so leise, daß nur Harry ihn hören konnte:»Harry, komm heut um Mitternacht runter zu meiner Hütte. Trag diesen Umhang.«

Dann richtete er sich auf und sagte laut:»War nett, dich zu sehen, Hermine«, zwinkerte und ging davon. Moody folgte ihm.

»Warum will er, daß ich ihn um Mitternacht treffe?«, fragte Harry vollkommen überrascht.

»Keine Ahnung, was er vorhat«, sagte Hermine ebenfalls verdutzt.»Und ich weiß auch nicht, ob du gehen solltest, Harry…«Sie sah sich nervös um und zischte:»Denn dann verpaßt du vielleicht Sirius.«

Sie hatte Recht. Hagrid um Mitternacht zu treffen, hieß, daß es für die Zusammenkunft mit Sirius ganz schön knapp wurde; Hermine schlug vor, sie sollten Hedwig schicken, um Hagrid abzusagen – immer vorausgesetzt, sie würde sich dazu herablassen -, doch Harry hielt es für besser, Hagrid kurz anzuhören und dann rasch wieder zu verschwinden. Er war sehr neugierig, was es sein könnte; noch nie hatte Hagrid ihn gebeten, so spät noch zu kommen.

* * *

Um halb zwölf nachts zog Harry, der verkündet hatte, er wolle heute früh schlafen gehen, den Tarnurnhang erneut an, ging hinunter und schlich sich durch den Gemeinschaftsraum. Es waren durchaus noch einige Mitschüler da. Die Creevey-Brüder hatten es geschafft, einen Stapel»Ich bin für CEDRIC DIGGORY«-Anstecker in die Finger zu bekommen, und versuchten sie jetzt zu verhexen, damit es stattdessen»Ich bin für HARRY POTTER«hieß. Bislang jedoch war es ihnen nur gelungen, die erste Aufschrift zu löschen, so daß jetzt nur noch POTTER STINKT angezeigt wurde. Harry drückte sich an ihnen vorbei zum Porträtloch und wartete, die Augen auf die Uhr gerichtet, gut eine Minute. Dann öffnete Hermine von der anderen Seite die fette Dame, wie sie es abgemacht hatten. Er glitt mit einem geflüsterten»Danke!«an ihr vorbei und machte sich auf den Weg durch das Schloß.

Draußen auf den Ländereien war es stockfinster. Harry lief über das Gras auf die Lichter von Hagrids Hütte zu. Auch die riesige Beauxbatons-Kutsche war hell erleuchtet; Harry konnte Madame Maxime drinnen reden hören, als er an Hagrids Tür klopfte.

»Bist du das, Harry?«, flüsterte Hagrid, öffnete die Tür und spähte umher.

»Ja«, sagte Harry, huschte hinein und zog sich den Umhang vom Kopf.»Was gibt's?«

»Will dir nur was zeigen«, sagte Hagrid.

Hagrid machte einen ungeheuer aufgeregten Eindruck. Er trug eine Blume im Knopfloch, die einer übergroßen Artischocke ähnelte. Es schien, als würde er inzwischen auf Schmierfett verzichten, doch er hatte offensichtlich versucht sich zu kämmen – ein paar abgebrochene Kammzähne waren in die Haare verknotet.

»Um was geht es denn?«, sagte Harry lustlos und fragte sich, ob die Kröter vielleicht Eier gelegt hatten oder ob Hagrid es wieder einmal geschafft hatte, einem Wildfremden in der Kneipe einen dreiköpfigen Riesenhund abzukaufen.

»Sei leise, versteck dich unter deinem Umhang und komm mit«, sagte Hagrid.»Fang lassen wir hier, dem wird es nicht gefallen…«

»Hör mal, Hagrid, ich kann nicht lange bleiben… ich muß um ein Uhr wieder im Schloß oben sein -«

Doch Hagrid hörte nicht zu; er öffnete die Hüttentür und marschierte hinaus in die Dunkelheit. Harry beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten, und stellte überrascht fest, daß Hagrid ihn zur Kutsche der Beauxbatons führte.

»Hagrid, was -?«

»Schhh!«, machte Hagrid und klopfte dreimal gegen die Tür mit den gekreuzten goldenen Zauberstäben.

Madame Maxime öffnete. Sie hatte einen Seidenschal um ihre massigen Schultern geschlungen und lächelte, als sie Hagrid sah.»Aa, 'Agrid… ist es schon Sseit?«

»Bong-soar«, sagte Hagrid und strahlte sie an, dann reichte er ihr die Hand und half ihr die goldenen Stufen hinunter.

Madame Maxime schloß die Tür hinter sich, Hagrid bot ihr den Arm an und sie machten sich auf den Weg um die Koppel mit Madame Maximes geflügelten Riesenpferden. Harry, vollkommen perplex, mußte rennen, um Schritt zu halten. Hatte Hagrid ihm nur Madame Maxime zeigen wollen? Er konnte sie doch jederzeit sehen… sie war ja nicht gerade schwer zu verfehlen…

Doch offenbar hatte Hagrid Madame Maxime ebenfalls zu diesem Ausflug eingeladen, denn nach einer Weile sagte sie neckisch:»Wo führen Sie misch denn 'in, 'Agrid?«

»Verrat ich nicht«, sagte Hagrid ruppig.»Wird Ihnen gefallen, das kann ich versprechen. Aber – sagen Sie keinem was davon, ja? Denn eigentlich dürfen Sie es gar nicht sehen.«

»Natürlisch nischt«, sagte Madame Maxime und klimperte mit ihren langen schwarzen Wimpern.

Und sie gingen weiter. Harry ärgerte sich immer mehr, daß er überhaupt hinter den beiden hertrabte, und sah ständig auf die Uhr. Hagrid mußte irgend etwas Hirnrissiges vorhaben und deshalb würde er vielleicht auch noch Sirius verpassen. Wenn sie nicht bald da waren, würde er einfach kehrtmachen und ins Schloß zurücklaufen. Hagrid konnte dann seinen Mondscheinspaziergang mit Madame Maxime alleine genießen…

Doch dann – sie waren schon so weit am Wald entlanggelaufen, daß Schloß und See nicht mehr zu sehen waren – hörte Harry etwas. In einiger Entfernung von ihnen riefen und schrien Männer durcheinander… dann hörte er ein markerschütterndes, trommelfellzerfetzendes Brüllen…

Hagrid führte Madame Maxime um eine dichte Baumgruppe herum und blieb stehen. Harry hastete ihnen nach und stellte sich neben sie. Für den Bruchteil einer Sekunde meinte er einige große Erntefeuer zu erkennen und Männer, die um sie herumrannten – doch dann klappte ihm der Mund auf.

Drachen.

In einem mit schweren Holzplanken umgrenzten Gehege standen vier ausgewachsene, gewaltige, bösartig aussehende Drachen brüllend und schnaubend auf den Hinterbeinen – aus ihren weit aufgerissenen, mit Fangzähnen gespickten Mäulern, fünfzehn Meter hoch auf den gereckten Hälsen, schössen lange Stichflammen in die Nacht. Da war ein blaugrauer Drache mit langen, spitzen Hörnern, der fauchend nach den Zauberern am Boden schnappte; ein glattschuppiger grüner Drache schlängelte und wand sich mit aller Kraft und schlug mit dem Schwanz wild um sich; ein roter Drache mit einem merkwürdigen Kranz aus scharfen Goldzacken um das Gesicht spie pilzförmige Feuerwolken in die Luft, und ganz in der Nähe stand ein gigantischer schwarzer Drache, der viel mehr als die anderen einer Riesenechse ähnelte.

Mindestens dreißig Zauberer, sieben oder acht für jeden Drachen, versuchten sie zu bändigen, sie zogen und rissen an Ketten, die an schweren Lederriemen um Hälse und Leiber der Drachen befestigt waren. Wie in Trance hob Harry den Kopf und sah hoch über sich die Augen des schwarzen Drachen mit senkrecht stehenden Katzenpupillen aus ihren Höhlen quellen, rasend vor Angst oder Wut, Harry wußte es nicht… das Heulen und Kreischen und Brüllen des Drachen war grauenhaft anzuhören…

»Bleib ja dahinten stehen, Hagrid!«, rief ein Zauberer am Gehege und zerrte an der Kette in seiner Hand.»Sie können im Umkreis von sieben Metern Feuer speien! Und ich hab gesehen, wie dieser Hornschwanz es doppelt so weit geschafft hat!«

»Sind sie nicht schön?«, sagte Hagrid leise.

»So kommen wir nicht weiter!«, rief ein anderer Zauberer.»Schockzauber, ich zähle bis drei!«

Harry sah, wie die Drachenwärter ihre Zauberstäbe zogen.

»Stupor!«, riefen alle wie aus einem Mund, und die Schockzauber rasten durch die Dunkelheit wie die Feuerschweife von Raketen und schlugen Funken stiebend gegen die Schuppenpanzer der Drachen -

Harry sah, wie der Drache in ihrer Nähe auf seinen Hinterbeinen ins Wanken geriet; jäh riß er seinen Rachen zu einem stummen Heulen auf; seine Nüstern waren plötzlich erloschen, auch wenn sie noch rauchten. Dann, ganz langsam, kippte er hintenüber, und mehrere Tonnen zähes, schuppiges schwarzes Drachenfleisch krachten mit einem Rums zu Boden, der, wie Harry geschworen hätte, die Bäume hinter ihm erzittern ließ.

Die Drachenwärter senkten ihre Zauberstäbe und gingen auf ihre niedergestreckten Schützlinge zu, jeder so groß wie ein kleiner Hügel. Hastig zogen sie die Ketten enger und banden sie an eisernen Stangen fest, die sie mit ihren Zauberstäben tief in die Erde trieben.

»Woll'n wir näher rangehn?«, fragte Hagrid Madame Maxime mit begeisterter Miene. Die beiden gingen vor bis zur Einfriedung und Harry folgte ihnen. Der Zauberer, der Hagrid ermahnt hatte, nicht näher zu kommen, wandte sich um und erst jetzt erkannte ihn Harry – es war Charlie Weasley.

»Wie geht's, Hagrid?«, keuchte er und kam auf ein paar Worte herüber.»Jetzt müßten sie sich langsam beruhigt haben – wir hatten ihnen für den Weg hierher ein Schlafelixier verpaßt und dachten, es wäre besser für sie, wenn sie nachts und in aller Ruhe aufwachen – aber wie du gesehen hast, waren sie nicht glücklich, überhaupt nicht glücklich -«

»Welche Arten hast du denn hier, Charlie?«, fragte Hagrid und starrte den in der Nähe liegenden Drachen – es war der schwarze – mit beinahe ehrfürchtiger Miene an. Die Augen des Drachen waren nur noch einen Schlitz breit offen. Unter seinem runzligen schwarzen Augenlid konnte Harry einen gelb glühenden Streifen sehen.

»Das ist ein Ungarischer Hornschwanz«, sagte Charlie.»Dort drüben ist ein Gemeiner Walisischer Grünling, der kleine da – dieser blaugraue – ist ein Schwedischer Kurzschnäuzler und der rote dort ist ein Chinesischer Feuerball.«

Charlie wandte sich um; Madame Maxime hatte sich entfernt und schlenderte, die betäubt daliegenden Drachen musternd, an der Einfriedung des Geheges entlang.

»Ich wußte nicht, daß du sie mitbringen würdest, Hagrid«, sagte Charlie stirnrunzelnd.»Die Champions sollen nicht wissen, was sie erwartet – sie erzählt es sicher ihrer Schülerin, oder?«

»Dachte mir nur, sie würd sie gern sehen«, sagte Hagrid achselzuckend, ohne jedoch seinen träumerischen Blick von den Drachen abzuwenden.

»Wirklich 'ne romantische Verabredung, Hagrid«, sagte Charlie kopfschüttelnd.

»Vier…«, sagte Hagrid,»also einen für jeden Champion? Was müssen sie tun – gegen sie kämpfen?«

»Nur an ihnen vorbeikommen, glaub ich«, sagte Charlie.»Wir sind dabei, falls es ernst werden sollte, und halten die Feuerlöschzauber ständig bereit. Sie wollten brütende Weibchen haben, ich weiß nicht, warum… aber ich sag dir, wer es mit dem Hornschwanz zu tun kriegt, der ist nicht zu beneiden. Bösartiges Vieh. Sein Hinterteil ist genauso gefährlich wie die Schnauze, sieh nur.«

Charlie deutete auf das Hinterteil des Hornschwanzes, und Harry konnte erkennen, daß der Schwanz des Drachen über und über mit bronzenen Stacheln gespickt war.

In diesem Moment wankten fünf von Charlies Wärterkollegen auf den Hornschwanz zu, die zwischen sich ein Tuch aufgespannt hielten, auf dem ein Gelege aus mächtigen granitgrauen Eiern lag. Sie legten die Eier vorsichtig an den Bauch des Hornschwanzes. Hagrid stöhnte sehnsuchtsvoll auf.

»Ich hab sie zählen lassen, Hagrid«, sagte Charlie streng.»Wie geht's eigentlich Harry?«

»Gut«, sagte Hagrid. Seine Augen ruhten immer noch auf den Eiern.

»Ich hoffe nur, es geht ihm auch noch gut, nachdem er sich mit dieser Meute hier herumgeschlagen hat«, sagte Charlie grimmig und ließ den Blick über die Drachenkoppel schweifen.»Ich hab mich nicht mal getraut, Mum zu sagen, was er bei der ersten Aufgabe tun muß, sie kriegt ohnehin Zustände, wenn sie an ihn denkt…«Charlie ahmte jetzt die besorgte Stimme seiner Mutter nach.»›Wie konnten sie es nur zulassen, daß er an diesem Turnier teilnimmt, er ist noch viel zu jung! Ich dachte, sie wären davor sicher, es gab doch eine Altersbegrenzung!‹ Nachdem sie diesen Artikel über ihn im Tagespropheten gelesen hatte, war sie vollkommen aufgelöst. ›Er weint immer noch wegen seiner Eltern! Oh, der Arme, wenn ich das gewußt hätte!‹«

Harry hatte es jetzt satt. Hagrid hatte immerhin vier leibhaftige Drachen und Madame Maxime, denen er seine Aufmerksamkeit schenken konnte, und so würde er Harry sicher nicht vermissen. Er drehte sich geräuschlos um und machte sich auf den Rückweg zum Schloß.

Er wußte nicht, ob er froh sein sollte, gesehen zu haben, was auf ihn zukam. Vielleicht war es besser so. Den ersten Schreck hatte er schon überstanden. Wenn er die Drachen am Dienstag zum ersten Mal gesehen hätte, dann wäre er womöglich vor aller Augen ohnmächtig geworden… vielleicht jedoch würde ihm das ohnehin passieren… er würde mit seinem Zauberstab bewaffnet – der jetzt, wenn er daran dachte, nur ein dünnes Stück Holz war – gegen einen fünfzehn Meter hohen, schuppigen, stachelbewehrten, Feuer speienden Drachen antreten. Und er mußte an ihm vorbeikommen. Unter den Augen aller. Wie?

Harry ging am Waldrand entlang und beschleunigte jetzt seine Schritte; er hatte nur noch fünfzehn Minuten, um zum Kamin zu gelangen und mit Sirius zu sprechen. Und er konnte sich nicht erinnern, sich jemals so danach gesehnt zu haben, mit jemandem zu reden – und dann stieß er urplötzlich gegen etwas Festes und fiel rücklings auf die Erde.

Seine Brille baumelte nur noch an einem Ohr und er zog den Tarnurnhang fest um sich. Dann hörte er, ganz nahe, eine Stimme:»Autsch! Wer da!«

Harry prüfte hastig, ob ihn der Tarnumhang ganz verhüllte, blieb reglos liegen und sah hinauf zu dem schwarzen Umriß des Zauberers, mit dem er soeben zusammengestoßen war. Er erkannte den Spitzbart… es war Karkaroff.

»Wer ist da?«, sagte Karkaroff erneut argwöhnisch und spähte in der Dunkelheit umher. Harry rührte sich nicht und gab keine Antwort. Nach ungefähr einer Minute schien Karkaroff zu dem Schluß gekommen zu sein, daß irgendein Tier ihn angefallen habe; er sah auf Hüfthöhe um sich her, als ob er erwartete, einen Hund zu sehen. Dann schlich er zurück in den Schutz der Bäume und stahl sich weiter zum Drachengehege vor.

Langsam und umsichtig stand Harry auf und ging dann, so schnell er konnte, ohne allzu viel Geräusche zu machen, weiter in Richtung Schloß.

Harry wußte genau, was Karkaroff im Schilde führte. Er hatte sich von seinem Schiff geschlichen und wollte auskundschaften, worin die erste Aufgabe bestand. Vielleicht hatte er sogar Hagrid und Madame Maxime zusammen am Wald entlanggehen sehen… und nun mußte Karkaroff nur ihren Stimmen folgen, dann würde auch er, wie schon Madame Maxime, genau wissen, was die Champions erwartete. So, wie es jetzt aussah, würde Cedric am Dienstag der Einzige sein, der nicht wußte, was auf ihn zukam.

Harry erreichte das Schloß, glitt durchs Portal und stieg die Marmortreppe hoch; er atmete schwer, doch er wagte es nicht, ein wenig langsamer zu gehen… er hatte nur noch fünf Minuten, um nach oben zum Kamin zu kommen…

»Quatsch!«, keuchte er vor der fetten Dame, die in ihrem Bild vor dem Porträtloch döste.

»Wenn du meinst«, murmelte sie schläfrig, und ohne die Augen zu öffnen, ließ sie das Bild zur Seite schwingen und gab den Weg frei. Harry kletterte hinein. Der Gemeinschaftsraum war menschenleer, und da es hier wie immer roch, hatte Hermine offenbar keine Stinkbomben werfen müssen, um ihm und Sirius ein Gespräch unter vier Augen zu ermöglichen.

Harry zog sich den Tarnurnhang vom Kopf und warf sich in einen Sessel vor dem Feuer. Der Raum lag im Halbdunkel; nur die Flammen gaben ein wenig Licht. Auf einem Tisch in der Nähe glommen die Lettern der Anstecker. Doch jetzt war etwas anderes zu lesen. POTTER STINKT WIRKLICH. Harry sah wieder ins Feuer und zuckte zusammen.

Sirius' Kopf saß mitten in den Flammen. Wenn Harry nicht vor einiger Zeit bei den Weasleys Mr Diggory in genau derselben Haltung gesehen hätte, dann wäre er zu Tode erschrocken. Stattdessen breitete sich auf seinem Gesicht das erste Lächeln seit Tagen aus, er rappelte sich aus dem Sessel und kauerte sich am Kamin nieder.»Sirius – wie geht's dir?«

Sirius sah anders aus, als Harry ihn in Erinnerung hatte. Als sie sich verabschiedet hatten, war sein Gesicht noch ausgemergelt und hohlwangig gewesen, umwachsen von einer langen mattschwarzen Haarmähne – doch nun war sein Haar kurz und sauber, sein Gesicht voller und er sah jünger aus, viel eher wie auf dem einzigen Foto, das Harry von ihm besaß und das bei der Hochzeit der Potters aufgenommen worden war.

»Wie's mir geht, ist nicht so wichtig, wie geht's dir?«, sagte Sirius ernst.

»Mir geht's -«Einen Moment lang versuchte Harry»gut«zu sagen. Doch er schaffte es nicht. Bevor er recht wußte, wie ihm geschah, hatte er mehr geredet als während der ganzen letzten Tage zusammen – er erzählte, wie er gegen seinen Willen ins Turnier gelangt war, daß Rita Kimmkorn im Tagespropheten Lügen über ihn verbreitet hatte, daß er keinen Flur entlanggehen konnte, ohne sich hämische Bemerkungen anhören zu müssen – und er redete über Ron, über Ron, der ihm nicht glaubte, der eifersüchtig war…»Und gerade vorhin hat Hagrid mir gezeigt, was sie in der ersten Runde bringen, nämlich Drachen, Sirius, und jetzt bin ich erledigt«, schloß er verzweifelt.

Sirius sah ihn voller Sorge an, mit Augen, die noch nicht ganz den Ausdruck verloren hatten, den ihnen Askaban eingebrannt hatte – diesen abgestumpften und gehetzten Blick. Er hatte Harry ohne Unterbrechung reden lassen, bis dieser erschöpft war, doch jetzt sagte er:»Mit Drachen werden wir schon fertig, Harry, aber dazu gleich – ich kann nicht lange bleiben… ich bin in ein Zaubererhaus eingebrochen, um den Kamin zu benutzen, aber die können jeden Augenblick zurückkommen. Ich muß dich vor jemandem warnen.«

»Vor wem denn?«, fragte Harry, und auch der letzte Rest seiner Zuversicht begann zu schwinden… was konnte denn noch Schlimmeres kommen als die Drachen?

»Karkaroff«, sagte Sirius.»Harry, er war ein Todesser. Du weißt, was Todesser sind?«

»Ja – was – war mit ihm?«

»Er wurde gefaßt, er war mit mir in Askaban, doch sie haben ihn freigelassen. Ich wette, das ist der Grund, warum Dumbledore dieses Jahr einen Auroren in Hogwarts haben wollte – damit er ein Auge auf ihn wirft. Es war Moody, der Karkaroff damals gefaßt hat. Er hat ihn überhaupt erst nach Askaban gebracht.«

»Karkaroff wurde freigelassen?«, sagte Harry langsam -sein Gehirn schien Mühe zu haben, auch noch diese erschreckende Neuigkeit aufzunehmen.»Warum haben sie ihn freigelassen?«

»Er hat mit dem Zaubereiministerium ein Geschäft gemacht«, sagte Sirius erbittert.»Er sagte, er hätte seine Irrtümer eingesehen, und dann nannte er Namen… hat statt seiner eine Menge anderer Leute nach Askaban gebracht… dort drin ist er nicht gerade beliebt, kann ich dir sagen. Und seit er draußen ist, hat er, soweit ich weiß, jedem Schüler, den er in seiner Schule ausbildet, die dunklen Künste beigebracht. Also nimm dich auch vor dem Durmstrang-Champion in Acht.«

»Gut«, sagte Harry nachdenklich.»Aber… willst du damit sagen, daß Karkaroff meinen Namen in den Kelch geworfen hat? Denn dann wäre er ein wirklich guter Schauspieler. Er schien doch so wütend darüber zu sein. Er wollte mich überhaupt nicht im Turnier haben.«

»Wir wissen, daß er ein guter Schauspieler ist«, sagte Sirius,»denn er hat immerhin das Zaubereiministerium davon überzeugt, er könne freigelassen werden, oder? Harry, ich habe in letzter Zeit den Tagespropheten verfolgt -«

»Du und der Rest der Welt«, sagte Harry erbittert.

»- und wenn ich den Bericht von dieser Kimmkorn letzten Monat zwischen den Zeilen lese, dann wird mir klar, daß Moody in der Nacht, bevor er in Hogwarts antrat, angegriffen wurde. Ja, ich weiß, sie behauptet, es sei wieder mal falscher Alarm gewesen«, setzte Sirius hastig hinzu, da Harry schon den Mund aufmachte,»aber ich kann das nicht so recht glauben. Ich denke, daß jemand versucht hat, ihn daran zu hindern, nach Hogwarts zu kommen. Jemand muß gewußt haben, daß es viel schwieriger sein würde, etwas zu erledigen, wenn Moody in der Nähe ist. Und keiner wird sich ernsthaft um den Vorfall kümmern, weil Mad-Eye im Lauf der Zeit schlicht ein wenig zu viele Eindringlinge gehört haben will. Doch das heißt nicht, daß er eine wirkliche Gefahr nicht mehr wittern kann. Moody war immerhin der beste Auror, den das Ministerium je hatte.«

»Also… was willst du damit sagen«, erwiderte Harry langsam.»Daß Karkaroff mich umbringen will? Aber – warum?«

Sirius zögerte.

»Mir sind einige sehr merkwürdige Dinge zu Ohren gekommen«, sagte er nachdenklich.»Die Todesser scheinen in letzter Zeit ein wenig umtriebiger geworden zu sein. Bei der Quidditch-Weltmeisterschaft sind sie offen aufgetreten. Jemand hat das Dunkle Mal an den Himmel beschworen… und außerdem – hast du von dieser Ministeriumshexe gehört, die vermißt wird?«

»Bertha Jorkins?«, fragte Harry.

»Genau… sie ist in Albanien verschwunden, und ausgerechnet dort soll sich, wenn man den Gerüchten glaubt, Voldemort in letzter Zeit aufgehalten haben… und Bertha muß gewußt haben, daß das Trimagische Turnier geplant war.«

»Ja, aber… es ist doch unwahrscheinlich, daß sie Voldemort einfach so über den Weg gelaufen ist, oder?«

»Hör zu, ich kannte Bertha Jorkins«, sagte Sirius grimmig.»Sie war damals mit uns zusammen in Hogwarts, ein paar Klassen über mir und deinem Dad. Und sie war schlichtweg doof. Furchtbar neugierig, aber von Grips keine Spur. Keine gute Mischung, Harry. Ich würde sagen, es wäre ein Leichtes, sie in die Falle zu locken.«

»Also… hätte Voldemort von dem Turnier erfahren können?«, sagte Harry.»Ist es das, was du mir sagen willst? Du denkst, Karkaroff könnte auf seinen Befehl hin hier sein?«

»Ich bin mir nicht sicher«, entgegnete Sirius zögernd.»Ich weiß es einfach nicht… Karkaroff kommt mir nicht vor wie der Typ, der zu Voldemort zurückkehrt, wenn er sich nicht sicher ist, daß Voldemort mächtig genug ist, um ihn zu schützen. Aber wer auch immer deinen Namen in diesen Kelch geworfen hat, er hatte einen guten Grund. Und ich werde den Gedanken nicht los, daß das Turnier eine glänzende Möglichkeit bietet, dich anzugreifen und es wie einen Unfall aussehen zu lassen.«

»Sieht wie ein wirklich guter Plan aus, bei dem, was mir jetzt bevorsteht«, sagte Harry trübselig.»Sie müssen nur die Hände in den Schoß legen und die Drachen erledigen den Rest.«

»Genau – die Drachen«, sagte Sirius, plötzlich sehr in Eile.»Es gibt eine Möglichkeit, Harry. Versuch es bloß nicht mit einem Schockzauber – Drachen sind zu stark und als magische Wesen viel zu mächtig, um von einem einzigen Schocker ausgeschaltet zu werden. Um einen Drachen zu erledigen, braucht es mindestens ein halbes Dutzend Zauberer -«

»Tja, das weiß ich, ich hab's gerade gesehen«, meinte Harry.

»Aber du kannst es ganz alleine schaffen«, sagte Sirius.»Es gibt eine Möglichkeit mit nur einem einfachen Zauber. Und zwar -«

Doch Harry hob die Hand, damit er verstummte, und sein Herz pochte plötzlich, als wolle es platzen. Er hörte Schritte die Wendeltreppe hinter sich herunterkommen.

»Geh!«, zischte er Sirius zu.»Geh! Da kommt jemand!«

Harry rappelte sich hoch und stellte sich aufrecht vor das Feuer – wenn jemand Sirius' Gesicht in den Mauern von Hogwarts sah, dann gäbe es einen unglaublichen Aufruhr – das Ministerium würde alarmiert – sie würden ihn ins Gebet nehmen und fragen, wo Sirius stecke -

Harry hörte ein leises Plopp im Feuer hinter seinem Rücken und wußte, daß Sirius verschwunden war. Er faßte die letzten Stufen der Wendeltreppe ins Auge – wer hatte beschlossen, um ein Uhr nachts noch einen kleinen Spaziergang zu machen, und hinderte Sirius daran, ihm zu sagen, wie er an einem Drachen vorbeikam?

Es war Ron. In seinem kastanienbraunen Pyjama mit Paisleymuster. Er erstarrte, als er Harry drüben am Kamin sah, und blickte sich um.

»Mit wem hast du gesprochen?«, fragte er.

»Was geht dich das an?«, raunzte Harry.»Was hast du eigentlich mitten in der Nacht hier unten zu suchen?«

»Ich hab mich nur gefragt, wo du -«Ron brach schulterzuckend ab.»Nichts. Ich geh wieder ins Bett.«

»Wolltest einfach mal rumschnüffeln, oder?«, rief Harry. Er wußte, daß Ron keine Ahnung hatte, wen er da verscheucht hatte, wußte auch, daß er es nicht absichtlich getan hatte, doch es war ihm egal – in diesem Augenblick haßte er alles an Ron, bis hinunter zu dem Stück nackten Schienbeins, das sich unter dem Saum seiner Schlafanzughose zeigte.

»O Verzeihung«, sagte Ron, und sein Gesicht wurde zornrot.»Hätte wissen müssen, daß du nicht gestört werden willst. Ich laß dich jetzt in aller Ruhe für dein nächstes Interview üben.«

Harry packte einen der POTTER STINKT WIRKLICH-Anstecker, die auf dem Tisch lagen, und schleuderte ihn mit aller Kraft durchs Zimmer. Das Blech traf Rons Stirn und fiel scheppernd zu Boden.

»Na bitte«, sagte Harry.»Das kannst du am Dienstag tragen. Wenn du Glück hast, gibt es sogar eine Narbe… das ist es doch, was du willst, oder?«Er marschierte durchs Zimmer auf die Treppe zu; halb rechnete er damit, daß Ron ihn aufhalten würde, er wäre sogar froh gewesen, wenn Ron sich mit ihm geprügelt hätte. Doch Ron stand einfach da in seinem Hochwasserpyjama und rührte sich nicht. Harry stürmte nach oben und lag noch lange kochend vor Zorn im Bett. Er hörte nicht einmal, daß Ron hereinkam.