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Harry geriet ins Schlittern, blieb stehen und drehte sich um.
Aus einem verborgenen Treppenaufgang hinter dem steinernem Wasserspeier war Snape herausgekommen. Während sich die Öffnung in der Wand hinter ihm schloß, winkte er Harry zu sich her.»Was tust du hier, Potter?«
»Ich muß Professor Dumbledore sprechen!«, sagte Harry, rannte auf Snape zu und bremste rutschend vor ihm ab.»Es geht um Mr Crouch… ich hab ihn gerade entdeckt… er ist im Wald… er fragt nach -«
»Was soll der Unsinn?«, sagte Snape mit glitzernden schwarzen Augen.»Wovon redest du überhaupt?«
»Mr Crouch!«, rief Harry.»Aus dem Ministerium! Er ist krank oder so was – er ist im Wald, er will Dumbledore sehen! Geben Sie mir doch das Paßwort nach oben -«
»Der Direktor ist beschäftigt, Potter«, sagte Snape, und sein dünner Mund kräuselte sich zu einem gehässigen Lächeln.
»Ich muß es Dumbledore sagen!«, schrie Harry.
»Hast du mich nicht verstanden, Potter?«
Harry spürte, daß Snape es in tiefen Zügen genoß, Harry in all seiner Panik genau das zu verweigern, was er brauchte.
»Hören Sie«, sagte Harry zornig,»Crouch geht es nicht gut – er – ist nicht richtig beisammen – er will – vor etwas warnen -«
Die steinerne Wand hinter Snape teilte sich. In der Öffnung stand Dumbledore in seinem langen grünen Umhang und mit belustigt neugieriger Miene.
»Gibt es ein Problem?«, sagte er und sah abwechselnd Harry und Snape an.
»Professor!«, sagte Harry und duckte sich an Snape vorbei, bevor dieser den Mund aufmachen konnte.»Mr Crouch ist hier – unten im Wald, er will mit Ihnen sprechen!«
Harry hätte erwartet, daß Dumbledore erst einmal Fragen stellen würde, doch zu seiner Erleichterung tat er nichts dergleichen.»Bring mich dorthin«, sagte er prompt und rauschte hinter Harry den Korridor entlang, während Snape am Wasserspeier stehen blieb und einen bislang unerreicht garstigen Anblick bot.
»Was hat Mr Crouch gesagt, Harry?«, fragte Dumbledore, während sie hastig die Marmortreppe hinunterstiegen.
»Er meinte, er wolle Sie warnen… er habe etwas Schreckliches getan… hat was von seinem Sohn gesagt… und Bertha Jorkins… und – und Voldemort… etwas von wegen Voldemort würde stärker werden…«
»Tatsächlich«, sagte Dumbledore und beschleunigte seine Schritte hinaus in die rabenschwarze Nacht.
»Er benimmt sich ganz merkwürdig«, sagte Harry, als er an Dumbledores Seite dahinhastete.»Er weiß offenbar nicht, wo er ist. Ständig redet er, als ob er glauben würde, Percy Weasley sei bei ihm, und dann macht er plötzlich einen Gedankensprung und sagt, er müsse Sie sehen… Ich hab Viktor Krum bei ihm gelassen.«
»Ach ja?«, sagte Dumbledore scharf und schritt nun noch zügiger voran, so daß Harry rennen mußte, um Schritt zu halten.»Weißt du, ob sonst noch jemand Mr Crouch gesehen hat?«
»Nein«, sagte Harry.»Krum und ich haben uns unterhalten, Mr Bagman hatte uns gerade die dritte Aufgabe erklärt, wir sind hinter den anderen zurückgeblieben, und dann haben wir Mr Crouch aus dem Wald kommen sehen -«
»Wo sind sie?«, sagte Dumbledore, als die Beauxbatons-Kutsche aus der Dunkelheit auftauchte.
»Dort drüben«, sagte Harry und lief jetzt Dumbledore voraus den Weg durch die Bäume entlang. Er konnte Crouchs Stimme nicht mehr hören, doch er wußte, wo er hinwollte; es war nicht weit von der Beauxbatons-Kutsche entfernt gewesen… irgendwo hier…
»Viktor?«, rief Harry.
Keine Antwort.
»Sie waren hier«, sagte Harry zu Dumbledore.»Sie waren ganz bestimmt irgendwo hier…«
»Lumos«, sagte Dumbledore. Aus seinem Zauberstab fiel ein Lichtstrahl und er hob ihn in die Höhe.
Der dünne Strahl wanderte über die schwarzen Baumstämme und erhellte den Waldboden. Und dann fiel er auf ein Paar Füße.
Harry und Dumbledore stürzten darauf zu. Krum lag alle viere von sich gestreckt auf dem Waldboden. Offenbar war er bewußtlos. Von Mr Crouch war keine Spur zu sehen. Dumbledore beugte sich über Krum und hob sachte eines seiner Augenlider an.
»Schockzauber«, sagte er leise. Seine Halbmondgläser glitzerten im Licht des Zauberstabs, während er den Boden zwischen den umstehenden Bäumen absuchte.
»Soll ich jemanden holen gehen?«, sagte Harry.»Madam Pomfrey?«
»Nein«, sagte Dumbledore rasch.»Bleib hier.«
Er hob den Zauberstab hoch und richtete ihn mit ausgestrecktem Arm auf Hagrids Hütte. Harry sah, wie etwas Silbernes aus der Spitze hervorschoß und wie ein Geistervogel zwischen den Bäumen hindurchflog. Dann beugte sich Dumbledore erneut über Krum, richtete den Zauberstab auf ihn und murmelte:»Enervate.«
Krum öffnete die Augen. Er wirkte benommen. Als er Dumbledore erkannte, versuchte er sich aufzurichten, doch Dumbledore legte ihm die Hand auf die Schulter und bedeutete ihm, ruhig liegen zu bleiben.
»Er hat mich angegriffen!«, murmelte Krum und fuhr mit der Hand zur Stirn.»Der alte Irre hat mich angegriffen! Ich habe nur nachsehe wollen, wo Potter steckt, und da hat er mich von hinten angegriffen!«
»Bleib noch einen Moment ruhig liegen«, sagte Dumbledore.
Das Geräusch donnernder Schritte drang zu ihnen herüber und Hagrid trat mit Fang auf den Fersen in den Lichtschein. Er trug seine Armbrust.
»Professor Dumbledore!«, sagte er und seine Augen weiteten sich.»Harry – was zum -?«
»Hagrid, ich möchte, daß du Professor Karkaroff holen gehst«, sagte Dumbledore.»Sein Schüler wurde angegriffen. Und danach alarmiere bitte Professor Moody -«
»Nicht nötig, Dumbledore«, ertönte ein heiseres Knurren,»ich bin schon da.«Auf den Stock gestützt und mit leuchtendem Zauberstab hinkte Moody auf sie zu.
»Verfluchtes Bein«, sagte er aufgebracht.»Wär sonst schneller hier gewesen… was ist passiert? Snape sagte was von wegen Mr Crouch -«
»Crouch?«, sagte Hagrid verdutzt.
»Karkaroff, bitte, Hagrid!«, sagte Dumbledore scharf.
»O ja… 'türlich, Professor…«, sagte Hagrid, machte kehrt und verschwand mit Fang im Schlepptau in der Dunkelheit.
»Ich weiß nicht, wo Barty Crouch steckt«, sagte Dumbledore zu Moody gewandt,»aber wir müssen ihn unbedingt finden.«
»Bin schon unterwegs«, knurrte Moody, richtete seinen Zauberstab auf und humpelte in den Wald hinein davon.
Weder Harry noch Dumbledore sprachen ein Wort, bis unmißverständlich zu hören war, daß Hagrid und Fang zurückkehrten. Ihnen nach hastete Karkaroff. Er trug seinen silbrigseidenen Pelzmantel und wirkte bleich und erregt.
»Was hat das zu bedeuten?«, rief er, als er Krum am Boden liegen und Dumbledore und Harry neben ihm knien sah.»Was geht hier vor?«
»Ich wurde angegriffen!«, sagte Krum, setzte sich jetzt auf und rieb sich die Stirn.»Mr Crouch oder wie diese Mann heißt -«
»Crouch hat dich angegriffen? Crouch hat dich angegriffen? Der Trimagische Richter?«
»Igor«, setzte Dumbledore an, doch Karkaroff hatte sich aufgerichtet und krallte, offenbar rasend vor Zorn, die Finger in seinen Pelz.
»Verrat!«, brüllte er und deutete auf Dumbledore.»Es ist eine Verschwörung! Sie und Ihr Zaubereiminister haben mich unter fadenscheinigen Vorwänden hierher gelockt, Dumbledore! Dies ist kein fairer Wettkampf! Zuerst schmuggeln Sie Potter in das Turnier, obwohl er zu jung ist! Nun versucht einer Ihrer Kumpane im Ministerium, meinen Champion zu erledigen! Ich wittere Betrug und Bestechung in dieser ganzen Angelegenheit, und Sie, Dumbledore, Sie mit Ihrem Gerede über engere internationale Zaubererbeziehungen, über den Wiederaufbau alter Partnerschaften, über das Begraben alter Konflikte – hier ist, was ich von Ihnen halte!«
Karkaroff spuckte Dumbledore vor die Füße. Mit einer blitzschnellen Bewegung packte Hagrid Karkaroff am Pelzkragen, hob ihn in die Luft und schmetterte ihn gegen einen nahen Baum.
»Entschuldige dich«, fauchte Hagrid, die massige Faust an Karkaroffs Kehle, der mit baumelnden Füßen in der Luft hing und nach Atem rang.
»Hagrid, hör auf!«, rief Dumbledore mit blitzenden Augen.
Hagrid zog die Hand zurück, mit der er Karkaroff gegen den Baum gedrückt hatte, und Karkaroff rutschte am Baumstamm hinunter und sackte am Wurzelansatz zu einem Häufchen zusammen; ein paar Zweige und Blätter regneten ihm auf den Kopf.
»Sei bitte so freundlich und begleite Harry hoch zum Schloß, Hagrid«, sagte Dumbledore scharf.
Schwer atmend versetzte Hagrid Karkaroff einen drohenden Blick.»Vielleicht sollte ich besser hier bleiben, Direktor…«
»Du bringst Harry zurück in die Schule, Hagrid«, wiederholte Dumbledore barsch.»Bring ihn gleich hoch in den Gryffindor-Turm. Und, Harry – ich möchte, daß du dort oben bleibst. Alles, was dir so zu tun einfällt – vielleicht die eine oder andere Eule fortzuschicken -, kann bis morgen warten, hast du mich verstanden?«
»Ähm – ja«, sagte Harry und starrte ihn an. Woher wußte Dumbledore, daß er genau in diesem Moment daran gedacht hatte, Pigwidgeon sofort zu Sirius zu schicken, um ihm zu berichten, was geschehen war?
»Ich laß Fang bei Ihnen, Direktor«, sagte Hagrid und starrte weiterhin drohend Karkaroff an, der noch immer am Fuß des Baumes zusammengesunken lag, verknäuelt in seinen Pelz und die Baumwurzeln.
»Hier geblieben, Fang. Komm mit, Harry.«
Sie marschierten schweigend an der Beauxbatons-Kutsche vorbei hinauf zum Schloß.
»Wie kann der das wagen«, knurrte Hagrid, als sie am See entlanggingen.»Wie kann der es wagen, Dumbledore zu beschuldigen. Als ob Dumbledore so was tun würde. Als ob Dumbledore ausgerechnet dich im Turnier haben wollte. Was für Sorgen er sich macht! Ich weiß nich, wann ich Dumbledore je so besorgt gesehen hab wie in letzter Zeit. Und du!«, sagte Hagrid plötzlich mit zorniger Stimme zu Harry, der verdutzt zu ihm aufsah.»Was hast du da unten zu suchen mit diesem krummen Kram? Er ist aus Durmstrang, Harry! Hätte dir gleich da unten 'nen Zauber verpassen können! Haste denn nichts gelernt bei Moody! Wenn ich mir vorstell, daß er dich allein da runtergelockt hat -«
»Krum ist schon in Ordnung!«, sagte Harry, als sie die Stufen zur Eingangshalle hochstiegen.»Er hat nicht versucht, mir einen Zauber aufzuhalsen, er wollte nur über Hermine sprechen -«
»Mit der werd ich auch noch 'n Wörtchen reden, da kannst du Gift drauf nehmen«, sagte Hagrid und stapfte grimmig die Stufen empor.»Je weniger ihr drei mit diesen Ausländern zu tun habt, desto besser für euch. Da kann man doch keinem von trauen.«
»Mit Madame Maxime bist du aber ganz gut ausgekommen«, sagte Harry gereizt.
»Hör mir bloß auf mit der!«, sagte Hagrid und einen Moment lang sah er durchaus bedrohlich aus.»Der'n Masche kenn ich jetzt! Will sich nur wieder bei mir einschmeicheln und aus mir rauskitzeln, was in der dritten Aufgabe drankommt. Ha! Trau bloß keinem von denen!«
Hagrid war so schlechter Laune, daß Harry ganz froh war, sich vor der fetten Dame von ihm verabschieden zu können. Er kletterte durch das Porträtloch in den Gemeinschaftsraum und eilte gleich auf die Ecke zu, in der Ron und Hermine saßen, um ihnen alles zu erzählen.