123298.fb2 Harry Potter und der Feuerkelch - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 39

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Die Todesser

Voldemort wandte die Augen von Harry ab und begann seinen Körper zu untersuchen. Seine Hände waren wie große, bleiche Spinnen; mit den langen Fingern streichelte er seine Brust, die Arme, das Gesicht; die roten Pupillen, katzengleich zu Schlitzen verengt, glommen noch heller durch die Nacht. Er hob die Hände hoch und krümmte mit verzückt triumphierendem Blick die Finger. Von Wurmschwanz, der zuckend und blutend am Boden lag, nahm er nicht die geringste Notiz, noch von der großen Schlange, die herbeigeglitten war und erneut ihren zischelnden Kreis um Harry zog. Voldemort schob eine der unnatürlich langfingrigen Hände tief in die Tasche und zog einen Zauberstab hervor. Auch ihn streichelte er sanft; und dann richtete er ihn auf Wurmschwanz, der in die Höhe gerissen und gegen den Grabstein geschleudert wurde, an den Harry gefesselt war; Wurmschwanz fiel zurück auf die Erde und blieb zusammengekrümmt und weinend am Fuß des Grabsteins liegen. Voldemort wandte seine scharlachroten Augen wieder Harry zu und ließ sein hohes, kaltes, freudloses Lachen hören.

Wurmschwanz' Umhang glänzte vor Blut; er hatte seinen Armstumpf darin eingewickelt.»Herr…«, würgte er hervor,»Herr… Ihr habt versprochen… Ihr habt versprochen…«

»Streck deinen Arm aus«, sagte Voldemort träge.

»Oh, Herr… ich danke Euch, Herr…«

Er schob den blutigen Stumpf unter seinem Körper hervor, doch Voldemort lachte nur.»Den anderen Arm, Wurmschwanz.«

»Herr, bitte… bitte…«

Voldemort bückte sich und zog Wurmschwanz' linken Arm unter ihm hervor; dann schob er den Ärmel des Umhangs über Wurmschwanz' Ellbogen, und Harry konnte jetzt etwas auf der Haut des Unterarms erkennen, das aussah wie eine brennend rote Tätowierung – ein Totenschädel, aus dessen Mund eine Schlange drang -, das Zeichen, das bei der Quidditch-Weltmeisterschaft am Himmel erschienen war: das Dunkle Mal. Voldemort untersuchte es sorgfältig, ohne auf Wurmschwanz' krampfartiges Schluchzen zu achten.

»Es ist wieder da«, sagte er leise,»sie werden es alle bemerkt haben… und jetzt werden wir sehen… jetzt werden wir erfahren…«

Er drückte seinen langen weißen Zeigefinger auf das Brandmal an Wurmschwanz' Arm.

Erneut loderte ein brennender Schmerz durch Harrys Stirnnarbe, und Wurmschwanz stieß einen markerschütternden Schrei aus. Voldemort löste den Finger von Wurmschwanz' Mal, und Harry sah, daß es sich pechschwarz verfärbt hatte.

Mit einem Ausdruck grausamer Genugtuung richtete sich Voldemort auf, warf den Kopf zurück und blickte auf dem dunklen Friedhof umher.

»Wie viele werden wohl den Mut haben zurückzukehren, wenn sie es spüren?«, flüsterte er, die glimmenden roten Augen auf die Sterne gerichtet.»Und wie viele werden dumm genug sein, nicht zu kommen?«

Er begann vor Harry und Wurmschwanz auf und ab zu schreiten, während er mit den Augen wachsam den Friedhof absuchte. Nach etwa einer Minute sah er auf Harry hinab, und ein grausames Lächeln spielte über sein schlangenartiges Gesicht.

»Harry Potter, du stehst auf den sterblichen Überresten meines Vaters«, zischte er leise.»Ein Muggel und ein Tor… deiner lieben Mutter sehr ähnlich. Doch beide waren sie von Nutzen, nicht wahr? Deine Mutter starb, um dich, ihr Kind, zu schützen… und ich tötete meinen Vater, doch sieh nur, wie nützlich er sich noch im Tod erwiesen hat…«

Erneut lachte Voldemort auf. Er schritt auf und ab, wachsame Blicke über den Friedhof werfend, und die Schlange zog ihre Kreise im Gras.

»Siehst du das Haus dort oben auf dem Hügel, Potter? Dort lebte mein Vater. Meine Mutter, eine Hexe, die hier in diesem Dorf lebte, verliebte sich in ihn. Doch er verließ sie, als sie ihm sagte, was sie war… er mochte keine Zauberei, mein Vater…

Er ließ sie im Stich und kehrte zu seinen Muggeleltern zurück, noch bevor ich überhaupt geboren war, Potter, und sie starb bei meiner Geburt, so daß man mich in einem Waisenhaus der Muggel großzog… doch ich schwor mir, ihn zu finden… ich rächte mich an ihm, an diesem Dummkopf, der mir seinen Namen gab… Tom Riddle…«

Noch immer schritt er auf und ab und die roten Augen huschten von Grab zu Grab.

»Höre, wie ich noch einmal die Geschichte meiner Familie durchlebe…«, sagte er leise.»Aber ich werde nicht noch rührselig werden… Doch sieh, Harry! Meine wahre Familie kehrt zurück…«

Plötzlich war die Luft erfüllt vom Rascheln und Rauschen vieler Umhänge. Zwischen den Gräbern, hinter der Eibe, tief in den Schatten, apparierten Zauberer. Alle waren maskiert und trugen Kapuzen. Und einer nach dem anderen kam auf sie zu… langsam, vorsichtig, als würden sie ihren Augen kaumtrauen. Voldemort stand schweigend da und erwartete sie. Dann sank einer der Todesser auf die Knie, rutschte auf Voldemort zu und küßte den Saum seines schwarzen Umhangs.

»Herr… Herr…«, murmelte er.

Die Todesser hinter ihm taten es ihm nach; einer nach dem anderen näherte sich Voldemort auf Knien und küßte ihm den Umhang, wich dann zurück und erhob sich. Alle zusammen bildeten sie einen stummen Kreis um Tom Riddles Grab, um Harry, Voldemort und den schluchzenden und zuckenden Haufen, der Wurmschwanz war. Doch sie ließen Lücken im Kreis, als warteten sie auf noch Kommende. Voldemort jedoch schien keinen mehr zu erwarten. Er sah reihum in die maskierten Gesichter, und obwohl es windstill war, schien ein Rascheln durch den Kreis zu laufen, als ob er zitterte.

»Willkommen, Todesser«, sagte Voldemort leise.»Vierzehn Jahre… vierzehn Jahre seit unserer letzten Zusammenkunft… so sind wir denn noch immer vereint unter dem Dunklen Mal! Oder nicht?«

Er reckte sein schreckliches Gesicht in die Luft und schnüffelte und seine schlitzartigen Nüstern weiteten sich.

»Ich rieche Schuld«, sagte er.»Der Gestank von Schuld liegt in der Luft.«

Erneut lief ein Schaudern durch den Kreis, als ob jeder der Versammelten sich danach sehnte, doch es nicht wagte, vor ihm zurückzuweichen.

»Ich sehe euch hier versammelt, gesund und unversehrt, auf der Höhe eurer Zauberkraft – welch promptes Erscheinen! -, und ich frage mich… warum ist diese Bande von Zauberern ihrem Herrn, dem sie ewige Treue geschworen hatte, nie zu Hilfe geeilt?«

Keiner sprach. Keiner rührte sich außer Wurmschwanz, der schluchzend über seinen Arm gebeugt auf der Erde lag.

»Und ich antworte mir selbst«, flüsterte Voldemort.»Sie müssen geglaubt haben, ich sei gebrochen, sie glaubten, ich sei vernichtet. Sie schlichen sich wieder unter meine Feinde und verkündeten, sie seien unschuldig, sie hätten nichts gewußt, sie seien meinem Zauber unterworfen gewesen…

Und dann frage ich mich, weshalb nur konnten sie glauben, ich würde nicht wieder erstehen? Sie, die die Schritte kannten, die ich vor langer Zeit tat, um mich vor dem endgültigen Tod zu schützen? Sie, die mit eigenen Augen gesehen haben, wie weit meine Macht reichte in jener Zeit, da ich mächtiger war als jeder lebende Zauberer?

Und ich sage mir, vielleicht glaubten sie, eine noch größere Macht könne existieren, eine, die selbst Lord Voldemort besiegen könne… vielleicht huldigen sie nun einem anderen… vielleicht diesem Fürsprecher der Gewöhnlichen, der Schlammblüter und Muggel, Albus Dumbledore.«

Bei der Erwähnung von Dumbledores Namen lief ein nervöses Zittern durch den Kreis, einige begannen zu murmeln und schüttelten den Kopf.

Voldemort achtete nicht auf sie.»Es ist eine Enttäuschung für mich… ich bekenne, daß ich enttäuscht bin…«

Plötzlich brach einer der Männer aus dem Kreis aus und stürzte nach vorn. Am ganzen Leib zitternd brach er zu Voldemorts Füßen zusammen.

»Herr!«, kreischte er.»Herr, vergib mir! Vergib uns allen!«

Voldemort fing an zu lachen. Er richtete seinen Zauberstab auf ihn.»Crucio!«Der Todesser auf der Erde krümmte sich und schrie; Harry war sich sicher, daß der Lärm zu den Häusern in der Umgebung dringen würde… ruft die Polizei, dachte er verzweifelt… wen auch immer… tut irgendwas…

Voldemort hob des Zauberstab. Der gequälte Todesser lag ausgestreckt und nach Luft ringend auf der Erde.

»Steh auf, Avery«, sagte Voldemort leise.»Steh auf. Du bittest um Vergebung? Ich vergebe nicht. Ich vergesse nicht. Vierzehn lange Jahre… ich will vierzehn Jahre zurückbezahlt haben, bevor ich dir vergebe. Wurmschwanz hier hat bereits einen Teil seiner Schuld beglichen, nicht wahr, Wurmschwanz?«

Er sah auf Wurmschwanz hinab, der weiter schluchzte.

»Du bist zu mir zurückgekehrt, nicht aus Treue, sondern aus Angst vor deinen alten Freunden. Du verdienst diesen Schmerz, Wurmschwanz. Das weißt du doch?«

»Ja, Herr«, stöhnte Wurmschwanz,»bitte, Herr, bitte…«

»Doch hast du geholfen, mir meinen Körper wiederzugeben«, sagte Voldemort mit kaltem Blick auf den schluchzenden Wurmschwanz am Boden.»So wertlos und verräterisch du auch bist, du hast mir geholfen… und Lord Voldemort belohnt seine Helfer…«

Voldemort hob den Zauberstab und ließ ihn durch die Luft wirbeln. Es schien, als würde die Spitze eine leuchtende Schliere aus geschmolzenem Silber hinter sich lassen. Einen Moment lang noch formlos, verschlang sie sich und nahm dann Gestalt an, die schimmernde Nachbildung einer menschlichen Hand, hell wie das Mondlicht. Sie flog zur Erde und fügte sich an Wurmschwanz' blutendes Handgelenk an.

Wurmschwanz hörte schlagartig auf zu schluchzen. Rasselnd und stockend atmend hob er den Kopf und starrte ungläubig seine silberne Hand an, die sich jetzt nahtlos mit seinem Arm verbunden hatte, so daß es schien, als würde er einen silbern leuchtenden Handschuh tragen. Er krümmte die schimmernden Finger, dann hob er zitternd einen kleinen Zweig von der Erde und zerrieb ihn zu Holzmehl.

»Herr«, flüsterte er.»Herr… sie ist wunderbar… ich danke Euch… ich danke Euch…«

Er rutschte auf den Knien vor und küßte den Saum von Voldemorts Umhang.

»Auf daß du nie mehr wanken mögest in deiner Treue, Wurmschwanz«, sagte Voldemort.

»Nein, Herr… niemals, Herr…«

Wurmschwanz erhob sich und nahm seinen Platz in dem Kreis ein, den Blick unablässig auf seine kräftige neue Hand gerichtet, das Gesicht noch tränenverschmiert. Voldemort näherte sich jetzt dem Mann rechts neben Wurmschwanz.

»Lucius, mein aalglatter Freund«, flüsterte er und blieb vor ihm stehen.»Wie ich höre, hast du die alten Bräuche nicht aufgegeben, auch wenn du der Welt ein Achtung heischendes Gesicht zeigst. Du bist immer noch der Erste, wenn es darum geht, die Muggel ein wenig zu quälen? Doch hast du nie versucht, mich zu finden, Lucius… deine Großtaten bei der Quidditch-Weltmeisterschaft waren vergnüglich, zugestanden… doch hättest du deine Kräfte nicht besser darauf verwandt, deinen Herrn zu finden und ihm zu helfen?«

»Herr, ich war immer bereit«, drang Lucius Malfoys Stimme hastig unter der Kapuze hervor.»Hätte es irgendein Zeichen von Euch gegeben, irgendein Geflüster, wo Ihr seid, ich wäre sofort an Eurer Seite gewesen, nichts hätte mich aufhalten können -«

»Und doch flohst du vor meinem Dunklen Mal, als ein treuer Todesser es letzten Sommer gen Himmel schickte?«, sagte Voldemort träge, und Malfoy verstummte schlagartig.»Ja, ich weiß alles darüber, Lucius… du hast mich sehr enttäuscht… in Zukunft erwarte ich treuere Gefolgschaft.«

»Natürlich, Herr, natürlich… Ihr seid gnädig, ich danke Euch…«

Voldemort ging ein paar Schritte weiter, hielt dann inne und schaute auf den leeren Platz – breit genug für zwei -, der Malfoy und den nächsten Mann trennte.

»Die Lestranges sollten hier stehen«, sagte Voldemort leise.»Sie sind lebendig begraben in Askaban. Sie waren mir treu. Sie gingen lieber nach Askaban, als mir abzuschwören… wenn wir die Mauern von Askaban sprengen, werden wir die Lestranges ehren, wie sie es nie zu träumen wagten. Die Dementoren werden sich uns anschließen… wir werden die Riesen aus der Verbannung zurückrufen… ich werde all meine hingebungsvollen Diener wieder um mich scharen, und auch ein Heer von Kreaturen, das alle fürchten werden…«

Er schritt weiter. An einigen Todessern ging er schweigend vorbei, vor anderen blieb er stehen und sprach sie an.

»Macnair… wie mir Wurmschwanz mitteilt, vernichtest du jetzt gefährliche Biester im Dienst des Ministeriums? Du wirst bald bessere Opfer bekommen, Macnair. Lord Voldemort wird dafür sorgen…«

»Ich danke Euch, Herr… danke…«, murmelte Macnair.

»Und hier -«, Voldemort trat auf die beiden größten der vermummten Gestalten zu,»hier haben wir Crabbe… diesmal wirst du dich besser bewähren, nicht wahr, Crabbe? Auch du, Goyle?«

Beide verneigten sich linkisch und murmelten dumpfe Worte.

»Ja, Herr…«

»Das werden wir. Herr…«

»Dasselbe gilt für dich, Nott«, sagte Voldemort leise, als er an einer gedrungenen Gestalt in Goyles Schatten vorbeiging.

»Herr, ich werfe mich vor Euch in den Staub, ich bin Euer demütigster -«

»Das reicht«, sagte Voldemort.

Er kam zur größten Lücke zwischen den Gestalten und suchte sie mit seinen leeren roten Augen ab, als könne er dort jemanden stehen sehen.

»Und hier haben wir sechs fehlende Todesser… drei, getötet in meinen Diensten. Einer, zu feige, um zurückzukehren… er wird dafür bezahlen. Einer, von dem ich glaube, daß er mich für immer verlassen hat… dafür wird er natürlich sterben… und einer, der mein treuester Diener blieb und bereits jetzt wieder in meinem Dienst steht.«

Ein Rascheln lief durch den Kreis der Todesser; Harry sah, wie sie sich durch die Augenschlitze ihrer Masken verstohlene Blicke zuwarfen.

»Er ist in Hogwarts, dieser treue Diener, und seinen Mühen ist es zu verdanken, daß unser junger Freund heute Abend hier sein kann… Ja«, sagte Voldemort, und sein lippenloser Mund kräuselte sich zu einem Grinsen, während alle Augen des Kreises in Harrys Richtung blitzten.»Harry Potter war so freundlich, zu meiner Wiedergeburtsfeier zu kommen. Man könnte sogar so weit gehen und ihn als meinen Ehrengast bezeichnen.«

Alle schwiegen. Schließlich trat der Todesser rechts von Wurmschwanz ein paar Schritte vor und durch die Maske drang die Stimme von Lucius Malfoy.

»Herr, wir flehen Euch an… wir bitten Euch inständig… zu erklären, wie Ihr dieses… dieses Wunder vollbracht habt… wie Ihr es geschafft habt, zu uns zurückzukehren…«

»Aah, welch eine Geschichte, Lucius«, sagte Voldemort.»Und sie beginnt – und endet – mit unserem Freund hier.«

Er kam mit lässigen Schritten auf Harry zu und trat an seine Seite, und aller Augen im Rund richteten sich auf sie. Die Schlange zog weiter ihren Kreis.

»Ihr wißt natürlich, daß sie diesen Jungen als mein Schicksal bezeichnet haben?«, sagte Voldemort leise, die roten Augen auf Harry gerichtet, dessen Narbe so rasend zu brennen begann, daß er vor Qual fast geschrien hätte.

»Ihr alle wißt, daß ich in der Nacht, da ich meine Macht und meinen Körper verlor, versucht hatte, ihn zu töten. Seine Mutter starb, weil sie ihn retten wollte – und schützte ihn damit unwissentlich auf eine Weise, die ich, zugegeben, nicht vorausgesehen hatte… ich konnte den Jungen nicht berühren…«

Voldemort hob einen seiner langen weißen Finger und führte ihn ganz nahe an Harrys Wange heran.»Seine Mutter hat die Spuren ihres Opfers auf ihm hinterlassen… das ist uralte Magie, ich hätte es wissen sollen, wie dumm von mir, dies zu übersehen… doch nun ist es gleich. Ich kann ihn jetzt berühren.«

Harry spürte, wie ihn die Spitze des langen weißen Fingers berührte, und dachte, sein Kopf müsse bersten vor Schmerz.

Voldemort lachte ihm leise ins Ohr, dann nahm er den Finger weg und fuhr an die Todesser gewandt fort:»Ich hatte mich verschätzt, meine Freunde, zugegeben. Das törichte Opfer dieser Frau hat meinen Fluch abprallen lassen und er ist auf mich zurückgefallen. Aaah… Schmerz, unvorstellbarer Schmerz, meine Freunde; nichts hätte mich dagegen wappnen können. Ich wurde aus meinem Körper gerissen, ich war weniger als ein Geist, weniger als das kläglichste Gespenst… und doch, ich lebte. Was ich war – nicht einmal ich selbst weiß es… Ich, der ich weiter als alle anderen gegangen bin auf dem Weg, der zur Unsterblichkeit führt. Ihr kennt mein Ziel – den Tod zu besiegen. Und nun wurde ich geprüft, und es schien, als wäre das eine oder andere meiner Experimente gelungen… denn ich war nicht getötet worden, obwohl der Fluch dies hätte bewirken müssen. Dennoch war ich so kraftlos wie die schwächste lebende Kreatur und der Mittel beraubt, mir selbst zu helfen… denn ich hatte keinen Körper, und jeder Zauber, der mir hätte helfen können, verlangte einen Zauberstab…

Ich weiß nur noch, daß ich mich schlaflos, endlos, Sekunde um Sekunde dazu zwang, nur zu existieren… ich ließ mich in einem fernen Land nieder, in einem Wald, und ich wartete… gewiß würde einer meiner getreuen Todesser auf die Suche nach mir gehen… einer würde kommen und den Zauber über mich sprechen, den ich nicht sprechen konnte, und mir meinen Körper zurückgeben… doch ich wartete vergeblich…«

Erneut lief ein Schauder durch den Kreis der lauschenden Todesser.

Voldemort wartete, bis die Stille eine fürchterliche Spannung angenommen hatte, dann fuhr er fort:»Nur ein Vermögen war mir geblieben. Ich konnte mich der Körper anderer bemächtigen. Doch ich wagte es nicht, dort hinzugehen, wo sich viele Menschen aufhielten, denn ich wußte, daß die Auroren immer noch in fremde Länder ausschwärmten und mich suchten. Manchmal bewohnte ich Tiere – Schlangen mochte ich natürlich besonders -, doch erging es mir in ihnen kaum besser denn als bloßer Geist, da ihre Körper nicht dazu geeignet waren, Zauber auszuführen… und daß ich von ihnen Besitz ergriffen hatte, verkürzte ihr Leben; keines davon lebte lang…

Dann… vor vier Jahren… schien meine Rückkehr greifbar nahe zu sein. Ein Zauberer – jung, töricht und leichtgläubig – lief mir in dem Wald, in dem ich hauste, über den Weg. Oh, er schien genau die Chance zu bieten, von der ich geträumt hatte… denn er war ein Lehrer an Dumbledores Schule… es war ein Leichtes, ihn meinem Willen zu unterwerfen… er brachte mich zurück in dieses Land, und nach einiger Zeit nahm ich von seinem Körper Besitz, um ihn streng zu überwachen, wenn er meine Befehle ausführte. Doch mein Plan scheiterte. Es gelang mir nicht, den Stein der Weisen zu stehlen. Ich sollte mir nicht das ewige Lebensichern können. Mein Vorhaben wurde durchkreuzt… abermals durchkreuzt von Harry Potter…«

Wieder trat Stille ein; nichts regte sich, nicht einmal die Blätter der Eibe. Die Todesser standen vollkommen reglos da, die glitzernden Augen unter ihren Masken wie gebannt auf Voldemort und Harry gerichtet.

»Der Diener starb, als ich seinen Körper verließ, und ich blieb so schwach wie zuvor«, fuhr Voldemort fort.»Ich kehrte in mein fernes Versteck zurück, und ich will euch nicht verhehlen, daß ich damals fürchtete, meine Kräfte für immer verloren zu haben… ja, dies war meine dunkelste Stunde… ich konnte nicht hoffen, daß mir jemals wieder ein Zauberer begegnen würde, von dem ich Besitz ergreifen konnte… und ich hatte nun die Hoffnung aufgegeben, daß irgendeiner der Todesser sich darum kümmerte, was aus mir geworden war…«

Einige der maskierten Zauberer regten sich voll Unbehagen, doch Voldemort achtete nicht auf sie.

»Und dann, es ist noch kein Jahr her, als ich die Hoffnung fast aufgegeben hatte, geschah es endlich… ein Diener kehrte zu mir zurück: Wurmschwanz hier, der seinen eigenen Tod vorgetäuscht hatte, um einer Strafe zu entgehen, wurde aus seinem Versteck getrieben von jenen, die er einst zu seinen Freunden gezählt hatte, und er beschloß zu seinem Herrn zurückzukehren. Er suchte mich in dem Land, wo ich mich, wie das Gerücht schon lange ging, versteckt hatte… wobei ihm natürlich die Ratten, die er unterwegs traf, tatkräftig halfen. Wurmschwanz hat eine seltsame Neigung zu Ratten, nicht wahr, Wurmschwanz? Seine schmutzigen kleinen Freunde erzählten ihm, es gebe einen Ort, tief in einem Wald Albaniens, den sie mieden, wo kleine Tiere wie sie selbst den Tod gefunden hatten durch einen dunklen Schatten, der von ihnen Besitz ergriff…

Doch seine Reise zu mir verlief nicht so glatt, oder, Wurmschwanz? Denn eines Nachts, am Rande des Waldes, in dem er hoffte mich zu finden, betrat er, Dummkopf, der er war, mit knurrendem Magen ein Gasthaus, um etwas zu essen… und dort traf er ausgerechnet Bertha Jorkins, eine Hexe aus dem Zaubereiministerium!

Nun seht, wie das Schicksal Lord Voldemort begünstigt. Dies hätte durchaus das Ende von Wurmschwanz bedeuten können und meiner letzten Hoffnung, wieder zu erstarken. Doch Wurmschwanz – und hier bewies er eine Geistesgegenwart, die ich ihm nie zugetraut hätte – überredete Bertha Jorkins, ihn auf einem nächtlichen Spazier gang zu begleiten. Er überwältigte sie… er brachte sie zu mir. Und Bertha Jorkins, die alles hätte ruinieren können, erwies sich vielmehr als ein Geschenk, das ich mir nie erträumt hätte… denn sie wurde für mich – mit ein klein wenig Nachhilfe – eine wahre Goldgrube an nützlichem Wissen.

Sie sagte mir, daß in diesem Jahr das Trimagische Turnier in Hogwarts stattfinden solle. Sie kenne einen treuen Todesser, der bereit wäre, mir zu helfen, wenn ich nur Verbindung mit ihm aufnehmen könnte. Sie erzählte mir vieles… doch die Mittel, die ich gebrauchte, um den Gedächtnis-'zauber, dem sie unterlag, zu brechen, waren sehr drastisch, und als ich ihr alle nützlichen Informationen abgepreßt hatte, waren ihr Körper und ihr Geist unrettbar beschädigt. Sie hatte nun ihren Zweck erfüllt. Ich konnte nicht von ihr Besitz ergreifen. Ich beseitigte sie.«

Voldemort lächelte sein schreckliches Lächeln, die Augen rot und mitleidlos.

»Wurmschwanz' Körper war natürlich ebenfalls nicht geeignet, in Besitz genommen zu werden, da alle ihn für tot hielten und er zu viel Aufmerksamkeit erregen würde, wenn man ihn sähe. Jedoch war er der körperlich gesunde Diener, den ich brauchte, und obzwar ein schlechter Zauberer, doch in der Lage, meine Anweisungen auszuführen, die mir einen elementaren, ganz schwachen eigenen Körper verschaffen sollten, einen Körper, den ich bewohnen konnte, während ich auf die entscheidenden Zutaten für meine wahre Wiedergeburt wartete… ein oder zwei Zauber, die ich selbst erfunden habe… ein wenig Hilfe von meiner lieben Nagini«- Voldemorts rote Augen senkten sich auf die sich ständig im Kreis windende Schlange -»ein Elixier, gebraut aus Einhornblut und dem Schlangengift, das Nagini mir gab… bald gewann ich eine fast menschliche Gestalt zurück und war kräftig genug, um zu reisen.

Ich konnte nicht mehr hoffen, des Steins der Weisen habhaft zu werden, denn ich wußte, daß Dumbledore dafür gesorgt hatte, daß er zerstört wurde. Doch mir sollte zunächst einmal das sterbliche Leben genügen, bevor ich mich auf die Jagd nach dem unsterblichen begab. Ich wollte mich beschränken… ich wollte mich mit meinem alten Körper abfinden, und meiner alten Kraft.

Damit dies gelingen würde – dieses alte Kunststück schwarzer Magie, dies Elixier, das mich heute wieder belebt hat -, brauchte ich drei machtvolle Zutaten. Nun, eine davon war bereits zur Hand, nicht wahr, Wurmschwanz? Fleisch, dargeboten von einem Diener…

Knochen von meinem Vater bedeutete natürlich, daß wir hierher kommen mußten, wo er begraben war. Doch das Blut eines Feindes… Wurmschwanz wollte, daß ich irgendeinen Zauberer nehme, nicht wahr, Wurmschwanz? Irgendeinen Zauberer, der mich haßte… wie es noch immer so viele tun. Doch ich kannte jenen, den ich brauchte, wenn ich wieder aufsteigen wollte, mächtiger werden wollte als vor meinem Sturz. Ich wollte Harry Potters Blut. Ich wollte das Blut dessen, der mich vor vierzehn Jahren meiner Macht beraubt hatte, denn dann würde jener dauerhafte Schutz, den ihm seine Mutter geschenkt hatte, auch in meinen Adern fließen…

Doch wie an Harry Potter herankommen? Denn er war besser geschützt, als er selbst wohl wußte, geschützt auf vielerlei Weise, wie es Dumbledore vor langer Zeit schon geplant hatte, als ihm die Pflicht zufiel, für die Zukunft des Jungen zu sorgen. Dumbledore rief einen alten Zauber auf, um den Jungen zu schützen, solange er in der Obhut seiner Verwandten ist. Nicht einmal ich kann ihm dort etwas anhaben… dann, natürlich, gab es die Quidditch-Weltmeisterschaft… ich glaubte, sein Schutz wäre dort, fern von seinen Verwandten und Dumbledore, schwächer, doch ich war noch nicht stark genug, um eine Entführung aus der Mitte einer Horde von Ministeriumszauberern wagen zu können. Und danach würde der Junge nach Hogwarts zurückkehren, wo er sich von morgens bis nachts unter der krummen Nase dieses Muggel liebenden Narren befindet. Wie also konnte es mir gelingen?

Nun… natürlich indem ich nutzte, was Bertha Jorkins mir gesagt hatte. Ich mußte meinen getreuen Todesser, postiert in Hogwarts, in Dienst nehmen und dafür sorgen, daß der Name des Jungen in den Feuerkelch geworfen wurde. Mein Todesser mußte gewährleisten, daß der Junge das Turnier gewann – daß er als Erster den Trimagischen Pokal berührte – den Pokal, den mein Todesser in einen Portschlüssel verwandelt hatte. Der Portschlüssel würde ihn hierher bringen, wo Dumbledore ihm nicht mehr helfen, wo er ihn nicht mehr schützen könnte, hierher in meine wartenden Arme. Und hier ist er…«

Voldemort trat langsam vor und wandte das Gesicht Harry zu. Er hob den Zauberstab.»Crucio!«

Es war ein Schmerz, der alles übertraf, was Harry je erlitten hatte; seine Knochen standen buchstäblich in Flammen; sein Kopf, fürchtete er, würde jeden Moment entlang der Narbe aufplatzen; die Augen überschlugen sich in seinem Kopf, er wollte, daß es aufhörte… ohnmächtig werden… sterben…

Und dann war es vorbei. Er hing matt in den Seilen, die ihn an den Grabstein von Voldemorts Vater fesselten, und sah durch eine Art Nebel hoch in jene hellroten Augen. Das Gelächter der Todesser dröhnte durch die Nacht.

»Ihr seht, denke ich, wie töricht es war zu glauben, daß dieser Junge jemals stärker sein könnte als ich«, sagte Voldemort.»Doch ich möchte nicht, daß sich ein Irrtum in euren Köpfen festsetzt. Harry Potter entkam mir durch eine für ihn glückliche Fügung. Und ich werde nun meine Macht beweisen, indem ich ihn töte, hier und jetzt, vor euch allen, nun, da kein Dumbledore da ist, um ihm zu helfen, und keine Mutter, um für ihn zu sterben. Ich werde ihm seine Chance geben. Ich werde ihm erlauben zu kämpfen, und ihr werdet später keinen Zweifel haben, wer von uns der Stärkere war. Nur noch ein wenig Geduld, Nagini«, flüsterte er, und die Schlange glitt durchs Gras davon, hinüber zum Kreis der wartenden Todesser.

»Nun löse seine Fesseln, Wurmschwanz, und gib ihm seinen Zauberstab zurück.«