123299.fb2 Harry Potter und der Gefangene von Askaban - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 23

Harry Potter und der Gefangene von Askaban - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 23

»WAS?«

Harry sprang aus dem Bett; Hermine folgte ihm. Doch draußen im Gang hatten sie seinen Schrei gehört; einen Moment später betraten Cornelius Fudge und Snape den Krankensaal.

»Harry, Harry, was soll das denn?«, sagte Fudge aufgebracht.»Du solltest im Bett bleiben – hat er seine Schokolade bekommen?«, fragte er besorgt Madam Pomfrey.

»Minister, bitte hören Sie!«, sagte Harry,»Sirius Black ist unschuldig! Peter Pettigrew hat seinen eigenen Tod nur vorgetäuscht! Wir haben ihn heute Nacht gesehen! Sie dürfen nicht zulassen, daß die Dementoren diese Sache mit Sirius anstellen, er ist -«

Doch Fudge schüttelte sanft lächelnd den Kopf,

»Harry, Harry, du bist völlig durcheinander, du hast Fürchterliches durchlitten, leg dich jetzt wieder hin, wir haben alles im Griff…«

»Haben Sie nicht!«, schrie Harry,»Sie haben den falschen Mann!«

»Minister, bitte hören Sie«, sagte Hermine, sie trat rasch an Harrys Seite und sah Fudge flehend an.»Ich hab ihn auch gesehen, es war Rons Ratte, er ist ein Animagus, Pettigrew, meine ich, und -«

»Sehen Sie, Minister?«, sagte Snape.»Völlig übergeschnappt, alle beide… Black hat ganze Arbeit geleistet…«

»Wir sind nicht übergeschnappt!«, donnerte Harry.

»Minister! Professor!«, sagte Madam Pomfrey empört,»ich muß darauf bestehen, daß Sie gehen, Potter ist mein Patient und Sie dürfen ihn nicht aufregen!«

»Ich bin nicht aufgeregt, ich versuche nur zu sagen, was passiert ist!«, sagte Harry zornig.»Wenn Sie nur zuhören würden -«

Doch Madam Pomfrey stopfte ihm blitzschnell ein großes Stück Schokolade in den Mund; Harry verschluckte sich und sie nutzte die Gelegenheit, um ihn mit sanfter Gewalt aufs Bett zu schubsen.

»Nun, ich bitte Sie, Minister, diese Kinder brauchen Pflege – bitte gehen Sie.«

Die Tür ging auf und herein kam Dumbledore. Harry würgte seinen Mund voll Schokolade mühsam hinunter und stand wieder auf.

»Professor Dumbledore, Sirius Black -«

»Um Himmels willen!«, sagte Madam Pomfrey erzürnt,»ist das hier der Krankenflügel oder was? Direktor, ich muß -«

»Verzeihung, Poppy, aber ich muß kurz mit Mr Potter und Miss Granger sprechen«, sagte Dumbledore gelassen.»Ich habe eben mit Sirius Black geredet -«

»Ich nehme an, er hat Ihnen dasselbe Märchen erzählt, das er Potter ins Hirn gepflanzt hat?«, fauchte Snape.»Etwas von einer Ratte und daß Pettigrew noch am Leben sei.«

»Das ist tatsächlich Blacks Darstellung«, sagte Dumbledore und sah Snape durch seine Halbmondbrille scharf an.

»Und meine Aussage zählt überhaupt nicht?«, schnarrte Snape.»Peter Pettigrew war nicht in der Heulenden Hütte, und draußen auf den Ländereien war keine Spur von ihm zu sehen.«

»Sie waren doch bewußtlos, Professor!«, sagte Hermine entschieden.»Sie kamen zu spät, um zu hören -«

»Miss Granger, hüten Sie Ihre Zunge!«

»Aber, aber, Snape«, sagte Fudge aufgeschreckt,»die junge Dame ist ein wenig durcheinander, da müssen wir nachsichtig sein.«

»Ich möchte mit Harry und Hermine unter sechs Augen sprechen«, warf Dumbledore plötzlich ein.»Cornelius, Severus, Poppy – bitte lassen Sie uns allein.«

»Aber Direktor«, prustete Madam Pomfrey,»sie brauchen Pflege, sie brauchen Ruhe -«

»Es duldet keinen Aufschub«, sagte Dumbledore.»Ich muß darauf bestehen.«

Madam Pomfrey schürzte die Lippen, ging mit steifen Schritten hinüber zu ihrem Büro am Ende des Krankensaals und schlug die Tür hinter sich zu. Fudge warf einen Blick auf die große Taschenuhr, die an seiner Weste baumelte.

»Die Dementoren müßten inzwischen da sein«, sagte er.»Ich werde sie in Empfang nehmen. Wir sehen uns dann oben, Dumbledore.«

Er ging zur Tür und hielt sie für Snape auf, doch Snape rührte sich nicht.

»Sie glauben doch nicht etwa auch nur ein Wort von Blacks Geschichte?«, flüsterte Snape und starrte Dumbledore an.

»Ich würde jetzt gern Harry und Hermine allein sprechen«, wiederholte Dumbledore.

Snape trat einen Schritt auf Dumbledore zu.

»Sirius Black hat schon im Alter von sechzehn Jahren bewiesen, daß er zum Mord fähig ist«, wisperte er.»Sie haben das nicht vergessen, Direktor? Sie haben nicht vergessen, daß er einst mich umbringen wollte?«

»Mein Gedächtnis hat nicht gelitten, Severus«, erwiderte Dumbledore knapp.

Snape drehte sich auf dem Absatz um und marschierte durch die Tür, die Fudge immer noch für ihn aufhielt. Als sie verschwunden waren, wandte sich Dumbledore Harry und Hermine zu. Beide sprudelten gleichzeitig los.

»Professor, Black sagt die Wahrheit – wir haben Pettigrew gesehen -«

»- er konnte entkommen, als Professor Lupin sich in einen Werwolf verwandelte -«

»- er ist eine Ratte -«

»- Pettigrews Vorderpfote, einen Finger, meine ich, er hat ihn abgeschnitten -«

»- Pettigrew hat Ron angegriffen, es war nicht Sirius -«

Doch Dumbledore hob die Hand, um die Flut von Erklärungen aufzuhalten.

»Ihr seid jetzt mit Zuhören dran, und bitte unterbrecht mich nicht, weil wir sehr wenig Zeit haben«, sagte er ruhig.»Es gibt nicht die Spur eines Beweises für Blacks Geschichte, ich habe nur euer Wort – und das Wort zweier dreizehnjähriger Zauberer wird niemanden überzeugen. Eine Straße voller Augenzeugen hat geschworen, daß Sirius Pettigrew ermordet hat. Ich selbst habe im Ministerium ausgesagt, daß Sirius Potters Geheimniswahrer war.«

»Professor Lupin kann es Ihnen erklären -«, sagte Harry ungeduldig.

»Professor Lupin steckt gegenwärtig tief im Wald und kann keinem Menschen irgendetwas erklären. Wenn er wieder ein Mensch ist, wird es zu spät sein, Sirius wird tot sein, schlimmer als tot. Ich muß hinzufügen, daß die meisten von uns einem Werwolf dermaßen mißtrauen, daß sein Zeugnis wenig Gewicht haben wird – und die Tatsache, daß er und Sirius alte Freunde sind -«

»Aber -«

»Hör mir zu, Harry. Es ist zu spät, verstehst du? Du mußt einsehen, daß Professor Snapes Darstellung der Ereignisse viel überzeugender ist als eure.«

»Er haßt Sirius«, sagte Hermine verzweifelt.»Und alles nur, weil ihm Sirius einen dummen Streich gespielt hat -«

»Sirius hat sich nicht gerade wie ein Unschuldiger benommen. Er hat die fette Dame angegriffen – dann ist er mit einem Messer in den Gryffindor-Turm eingedrungen – jedenfalls haben wir ohne Pettigrew, tot oder lebendig, keine Chance, Sirius die Strafe zu ersparen.«

»Aber Sie glauben uns.«

»Ja, das tue ich«, sagte Dumbledore leise.»Doch es steht nicht in meiner Macht, andere Menschen die Wahrheit sehen zu lassen oder den Zaubereiminister in die Schranken zu weisen…«

Harry blickte stumm zu Dumbledore hoch und hatte plötzlich das Gefühl, der Boden unter ihm würde wegbrechen. Er hatte sich an den Gedanken gewöhnt, daß dieser Mann alles richten konnte. Er hatte erwartet, daß Dumbledore eine verblüffende Lösung aus dem Hut zaubern würde. Aber nein, ihre letzte Hoffnung war zunichte.

»Was wir brauchen«, sagte Dumbledore langsam, und seine hellblauen Augen wanderten von Harry zu Hermine,»ist mehr Zeit.«

»Aber -«, setzte Hermine an. Und dann bekam sie ganz runde Augen.»OH!«

»Und jetzt paßt auf, sagte Dumbledore sehr leise und deutlich.»Sirius ist in Professor Flitwicks Büro im siebten Stock eingeschlossen. Dreizehntes Fenster rechts vom Westturm. Wenn alles gut geht, werdet ihr heute Nacht mehr als ein unschuldiges Leben retten können. Doch vergeßt Folgendes nicht, ihr beiden. niemand darf euch sehen. Hermine, du kennst das Gesetz – du weißt, was auf dem Spiel steht… niemand – darf – euch – sehen.«

Harry hatte keine Ahnung, was vor sich ging. Dumbledore war bereits an der Tür, als er sich noch einmal umdrehte.

»Ich werde euch einschließen. Es ist -«, er sah auf die Uhr,»fünf Minuten vor zwölf Hermine, drei Drehungen sollten genügen. Viel Glück.«

»Viel Glück?«, wiederholte Harry, als sich die Tür hinter Dumbledore schloß.»Drei Drehungen? Was redet er da? Was sollen wir tun?«

Doch Hermine fingerte am Kragen ihres Umhangs und zog eine sehr lange, sehr feingliedrige Goldkette hervor.

»Harry, komm her«, sagte sie eindringlich.»Schnell!«

Völlig verdattert trat Harry zu ihr. Sie hielt die Kette in die Höhe. Harry sah ein winziges, funkelndes Stundenglas daran hängen.

»Hier -«

Sie warf die Kette auch um seinen Hals.

»Bereit?«, sagte sie atemlos.

»was haben wir vor?«, fragte Harry völlig ratlos.

Hermine drehte das Stundenglas dreimal im Kreis.

Der dunkle Krankensaal löste sich auf Harry hatte das Gefühl, schnell, rasend schnell rückwärts zu fliegen. Eine Flut von Farben und verschwommenen Gestalten raste an ihm vorbei, in seinen Ohren hämmerte es, er versuchte zu rufen, konnte aber seine eigene Stimme nicht hören -

Und dann spürte er wieder festen Boden unter den Füßen und um ihn her nahm alles wieder klare Gestalt an -

Er stand neben Hermine in der menschenleeren Eingangshalle. Goldenes Sonnenlicht ergoß sich durch das offene Portal über den steingefliesten Boden. Die Kette des Stundenglases schnitt ihm in den Hals. Verwirrt wandte er sich Hermine zu.

»Hermine, was -?«

»Hier rein!«Hermine packte ihn am Arm und zog ihn quer durch die Halle zu einem Besenschrank; sie öffnete ihn, schubste Harry hinein in das Durcheinander von Eimern und Wischlappen, dann zog sie die Tür hinter ihnen zu.

»Was – wie – Hermine, was ist passiert?«

»Wir haben eine kleine Zeitreise gemacht«, flüsterte Hermine und befreite Harry in der Dunkelheit von der Kette.»Drei Stunden in die Vergangenheit…«

Harry tastete nach seinem Bein und zwickte es kräftig. Es tat richtig weh, also war er offenbar nicht mitten in einem haarsträubenden Traum.

»Aber -«

»Schh! Hör mal! Da kommt jemand! Ich glaube – ich glaube, das könnten wir sein!«

Hermine drückte ein Ohr an die Schranktür.

»Schritte durch die Halle… ja, ich glaube, das sind wir auf dem Weg zu Hagrid!«

»Willst du mir sagen«, wisperte Harry,»daß wir hier in diesem Schrank sind und gleichzeitig auch da draußen?«

»Ja«, sagte Hermine, das Ohr immer noch an die Schranktür gepreßt.»Ich bin sicher, daß wir es sind… klingt nicht nach mehr als drei Leuten und wir gehen langsam, weil wir unter dem Tarnumhang stecken -«

Sie verstummte und lauschte gespannt.

»Wir gehen die Treppe runter…«

Hermine setzte sich auf einen umgestülpten Eimer. Die Anspannung stand ihr ins Gesicht geschrieben, doch Harry mußte unbedingt ein paar Fragen stellen.

»Wo hast du dieses Ding, dieses Stundenglas her?«

»Es heißt Zeitumkehrer«, flüsterte Hermine,»und ich hab's am ersten Tag nach den Ferien von Professor McGonagall bekommen. Sie ließ mich schwören, daß ich es niemandem sage. Sie mußte alle möglichen Briefe an das Zaubereiministerium schreiben, damit ich einen kriegen konnte. Sie mußte ihnen sagen, daß ich eine vorbildliche Schülerin bin und daß ich es niemals für irgendetwas anderes als meine Schulausbildung benutzen würde… ich hab den Zeitumkehrer gedreht, damit ich die Stunden noch einmal erlebe, und deshalb habe ich mehrere Fächer gleichzeitig belegen können, verstehst du jetzt? Aber…

Harry, ich weiß nicht, was Dumbledore meint, was wir tun sollen. Warum hat er gesagt, wir sollen drei Stunden zurückgehen? Wie soll das Sirius nützen?«

Harry starrte in ihr sorgenvolles Gesicht.

»Etwas muß um diese Zeit passiert sein, etwas, das wir ändern sollen«, sagte er langsam.»Was ist passiert? Vor drei Stunden gingen wir hinunter zu Hagrid…«

»Das ist jetzt vor drei Stunden und wir gehen gerade hinunter zu Hagrid«, sagte Hermine,»wir haben uns eben gehen hören…«

Harry runzelte die Stirn; er hatte das Gefühl, vor Anstrengung sein ganzes Hirn zu verknoten.

»Dumbledore hat eben gesagt – eben gesagt, daß wir mehr als ein unschuldiges Leben retten könnten…«Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.»Hermine, wir retten Seidenschnabel!«

»Aber – wie helfen wir damit Sirius?«

»Dumbledore – er hat uns gerade erklärt, wo das Fenster ist – das Fenster von Flitwicks Büro! Wo sie Sirius eingeschlossen haben! Wir müssen mit Seidenschnabel zum Fenster fliegen und Sirius retten! Sirius kann mit Seidenschnabel fliehen – sie können zusammen entkommen!«

Harry sah Hermines Gesicht nur undeutlich, doch sie schien entsetzt zu sein.

»Wenn wir das schaffen, ohne gesehen zu werden, wäre das ein Wunder!«

»Wir müssen es einfach versuchen, oder?«, sagte Harry. Er stand auf und legte ein Ohr an die Tür.

»Hört sich nicht an, als ob jemand da wäre… komm, gehen wir…«

Harry drückte die Schranktür auf Die Eingangshalle war menschenleer. So schnell sie konnten, huschten sie aus dem Schrank und die steinernen Stufen hinunter. Schon zogen sich die Schatten in die Länge, und wieder waren die Baumspitzen des Verbotenen Waldes in Gold getaucht.

Hermine warf einen Blick zurück.»Hoffentlich sieht uns keiner vom Fenster aus«, ziepte sie.

»Laß uns rennen«, sagte Harry entschlossen.»Und zwar hinüber zum Wald, einverstanden? Dann verstecken wir uns am besten hinter einem Baum und halten Ausschau.«

»Gut, aber hinter den Gewächshäusern lang!«, keuchte Hermine.»Und möglichst weit weg von Hagrids Tür, oder sie sehen uns. Wir sind schon fast bei seiner Hütte!«

Harry, dem immer noch nicht klar war, was sie meinte, lief los und Hermine folgte ihm auf den Fersen. Sie rannten durch die Gemüsegärten hinüber zu den Gewächshäusern, verpusteten sich in deren Schutz ein wenig, und rannten dann so schnell sie konnten weiter. Sie schlugen einen Bogen um die Peitschende Weide und gelangten schließlich zum schützenden Waldrand…

Im Schatten der Bäume verborgen, wandte Harry sich um; Sekunden später stand Hermine neben ihm und schnappte nach Luft.

»Gut«, japste sie,»wir müssen zu Hagrid hinüberschleichen… halt dich versteckt, Harry…«

Leise und dicht am Waldrand staksten sie im Unterholz voran. Dann, ganz in der Nähe von Hagrids Hütte, hörten sie, wie es an der Tür klopfte. Sie versteckten sich rasch hinter dem dicken Stamm einer Eiche und spähten an beiden Seiten hervor. Hagrid erschien in der Tür, zitternd und bleich, und sah sich stirnrunzelnd um. Dann hörte Harry seine eigene Stimme.

»Wir sind's. Wir tragen den Tarnumhang. Laß uns rein, dann können wir ihn ablegen.«

»Ihr hättet nicht kommen sollen!«, flüsterte Hagrid. Er trat zurück, ließ sie ein und schloß rasch die Tür.

»Das ist das Verrückteste, was wir je getan haben«, sagte Harry begeistert.

»Gehen wir ein Stück weiter«, flüsterte Hermine.»Wir müssen näher an Seidenschnabel heran!«

Sie krauchten zwischen den Bäumen durch, bis sie den Hippogreif sahen, der gereizt an seiner Leine zerrte, die Hagrid am Zaun um sein Kürbisbeet befestigt hatte.

»Jetzt?«, flüsterte Harry.

»Nein!«, sagte Hermine.»Wenn wir ihn jetzt stehlen, werden die Leute vom Ausschuß denken, Hagrid hätte ihn befreit! Wir müssen warten, bis sie sehen, daß er draußen angebunden ist!«

»Dann haben wir gerade mal sechzig Sekunden«, sagte Harry. Allmählich kam ihm das Unternehmen unmöglich vor.

In diesem Moment drang aus Hagrids Hütte das Geräusch von zerbrechendem Porzellan.

»Jetzt hat er gerade den Milchkrug zerlegt«, flüsterte Hermine.»Gleich werde ich Krätze finden -«

Und tatsächlich hörten sie ein paar Minuten später ihren überraschten Aufschrei.

»Hermine«, sagte Harry plötzlich,»wie wär's wenn wir – einfach reinrennen und uns Pettigrew schnappen -«

»Nein!«, flüsterte Hermine erschrocken.»Begreifst du nicht? Wir brechen gerade eines der wichtigsten Zaubereigesetze! niemand darf die Vergangenheit verändern, absolut niemand! Du hast Dumbledore gehört: wenn wir gesehen werden -«

»Nur wir selbst und Hagrid würden uns sehen!«

»Harry, was, glaubst du, würdest du tun, wenn du dich selbst in Hagrids Hütte reinplatzen siehst?«, sagte Hermine.

»Ich – ich würde glauben, ich sei verrückt geworden«, sagte Harry,»oder vermuten, daß jemand schwarze Magie mit mir treibt -«

»Genau! Du würdest es nicht verstehen, du würdest dich vielleicht sogar selbst angreifen! Verstehst du nicht? Professor McGonagall hat mir erzählt, was für schreckliche Dinge schon geschehen sind, wenn Zauberer an der Vergangenheit herumgepfuscht haben… viele von ihnen haben im Durcheinander ihr vergangenes oder künftiges Selbst getötet!«

»Schon gut!«, sagte Harry,»war nur 'ne Idee, ich dachte -«

Doch Hermine stieß ihn in die Rippen und deutete hinüber zum Schloß. Harry schob den Kopf ein wenig vor, um das Portal in der Ferne sehen zu können. Dumbledore, Fudge, das alte Ausschußmitglied und Macnair, der Henker, kamen die Treppe herunter.

»Wir kommen jetzt gleich raus«, wisperte Hermine.

Und tatsächlich öffnete sich Augenblicke später Hagrids Tür und Harry sah sich Selbst, Ron und Hermine zusammen mit Hagrid herauskommen. Es war zweifellos das befremdlichste Erlebnis, das er je gehabt hatte: hinter einem Baum zu stehen und sich selbst dort drüben im Kürbisbeet zu beobachten.

»Ist schon gut, Schnäbelchen, es ist alles gut…«, sagte Hagrid. Dann wandte er sich Harry, Ron und Hermine zu.

»Geht jetzt. Sputet euch.«

»Hagrid, wir können nicht einfach -«

»Wir sagen ihnen, was wirklich passiert ist -«

»Sie dürfen ihn nicht umbringen -«

»Geht! Ist schon alles schlimm genug, da müßt ihr nicht auch noch Ärger kriegen!«

Harry sah, wie Hermine im Kürbisbeet den Umhang über ihn und Ron warf.

»Geht schnell. Und lauscht nicht…«

Vorne an Hagrids Tür klopfte es. Henker und Zeugen waren da. Hagrid wandte sich um und ging zurück in die Hütte. Die Hintertür ließ er offen. Harry sah, wie sich das Gras um die Hütte fleckweise plättete, und hörte, wie sich drei Paar Füße entfernten. Er, Ron und Hermine waren gegangen… doch der Harry und die Hermine, die sich hinter den Bäumen versteckt hatten, konnten jetzt durch die offene Hintertür hören, was in der Hütte vor sich ging.

»Wo ist das Biest?«, sagte die kalte Stimme Macnairs.

»Drau… draußen«, krächzte Hagrid.

Harry zog rasch den Kopf zurück, als Macnair an Hagrids Fenster auftauchte und zu Seidenschnabel hinaussah. Dann hörten sie Fudge.

»Wir – ähm – müssen dir den offiziellen Hinrichtungsbefehl verlesen, Hagrid, ich mach's kurz. Und dann mußt du ihn unterschreiben und Macnair auch. Macnair, hören Sie zu, das ist Vorschrift.«

Macnairs Gesicht verschwand vom Fenster. Jetzt oder nie.

»Warte hier«, flüsterte Harry.»Ich mach das.«

Fudge fing wieder an zu sprechen und Harry schnellte hinter seinem Baum hervor, sprang über den Zaun des Kürbisbeetes und lief auf Seidenschnabel zu.

»Der Ausschuß für die Beseitigung gefährlicher Geschöpfe hat beschlossen, den Hippogreif Seidenschnabel, im Weiteren der Verurteilte genannt, am sechsten Juni bei Sonnenuntergang hinzurichten -«

Und wieder starrte Harry, darauf bedacht, nicht zu blinzeln, in Seidenschnabels grimmiges rotes Auge und verbeugte sich. Seidenschnabel sank auf die schuppigen Knie und richtete sich wieder auf Harry nahm die Leine, die den Hippogreif an den Zaun band, und versuchte den Knoten zu lösen.

»… verurteilt zum Tode durch Enthauptung, auszuführen durch den vom Ausschuß ernannten Henker, Walden Macnair…«

»Komm mit, Seidenschnabel«, zischte Harry,»komm. mit, wir helfen dir. Leise… leise…«

»… und schriftlich von ihm zu bestätigen. Hagrid, du unterschreibst hier…«

Harry zerrte nach Leibeskräften an dem Seil, doch Seidenschnabel hatte sich mit den Vorderbeinen eingegraben.

»Nun, bringen wir's hinter uns«, sagte die dünne Stimme des alten Ausschußmitglieds in Hagrids Hütte.»Hagrid, vielleicht wäre es besser, wenn Sie drinbleiben würden -«

»Nein – ich – ich will bei ihm sein… ich will nicht, daß er allein ist -«

Das Geräusch von Schritten drang aus der Hütte.

»Seidenschnabel, beweg endlich deinen Hintern«, flehte Harry.

Er zog noch heftiger am Seil um Seidenschnabels Hals Der Hippogreif raschelte verärgert mit den Flügeln und bewegte sich allmählich. Noch waren sie einige Meter vom Wald entfernt und von Hagrids Hintertür aus deutlich zu sehen.

»Einen Moment noch bitte, Macnair«, erklang Dumbledores Stimme.»Auch Sie müssen hier unterschreiben.«Die Schritte verstummten. Harry warf sich ins Seil. Seidenschnabel schnappte mit dem Schnabel und ließ sich herab, ein wenig schneller zu gehen.

Hermines weißes Gesicht lugte hinter einem Baum hervor.

»Harry, schnell!«, zischte sie.

Noch immer konnte Harry Dumbledore in der Hütte sprechen hören. Noch einmal ruckte er an dem Seil. Seidenschnabel verfiel in einen widerwilligen Trott. Sie erreichten die Bäume.

»Schnell! Schnell!«, stöhnte Hermine und sprang hinter ihrem Baum hervor. Auch sie packte jetzt das Seil und zog wie verrückt daran, um Seidenschnabel ein wenig Beine zu machen. Harry blickte über die Schulter; jetzt waren sie außer Sicht; sie konnten Hagrids Garten nicht mehr sehen.

»Halt!«, hauchte er Hermine zu.»Sie könnten uns noch hören -«

Krachend schlug Hagrids Hintertür auf Harry, Hermineund Seidenschnabel machten keinen Mucks; selbst der Hippogreif schien gespannt zu lauschen.

Stille… dann -

»Wo ist er?«, sagte die dünne Stimme des Alten.»Wo ist das Biest?«

»Es war hier angebunden!«, sagte der Henker wutentbrannt.»Ich hab's mit eigenen Augen gesehen! Genau hier!«

»Höchst erstaunlich«, sagte Dumbledore mit einem Glucksen in der Stimme.

»Schnäbelchen!«, rief Hagrid heiser.

Es gab ein surrendes Geräusch und dann folgte das Krachen einer Axt. Der Henker schien sie vor Wut in den Zaun geschlagen zu haben. Und dann kam Hagrids Heulen und diesmal konnten sie Hagrids Worte durch sein Schluchzen hören.

»Fort! Fort! Glück für Schnäbelchen, es ist fort! Muß sich losgerissen haben! Kluger Junge, Schnäbelchen!«

Seidenschnabel begann am Seil zu zerren; offenbar wollte er zu Hagrid zurück. Harry und Hermine gruben die Fersen in den Waldboden und warfen sich ins Seil, um ihn aufzuhalten.

»Jemand hat ihn losgebunden!«, raunzte der Henker.»Wir sollten das Gelände absuchen und den Wald.«

»Macnair, und wenn Seidenschnabel wirklich gestohlen wurde, glauben Sie, der Dieb hätte ihn zu Fuß fortgebracht?«. sagte Dumbledore und seine Stimme klang recht vergnügt.»Suchen Sie den Himmel ab, wenn Sie wollen… Hagrid, ich könnte eine Tasse Tee vertragen. Oder einen großen Schnaps.«

»O n-natürlich, Professor«, sagte Hagrid, offenbar erschöpft vor Glück,»kommen Sie rein, kommen Sie…«

Hermine und Harry lauschten mit gespitzten Ohren. Sie hörten Schritte, das leise Fluchen des Henkers, die Tür fiel ins Schloß und dann herrschte Stille.

»Was jetzt?«, flüsterte Harry und sah sich um.

»Wir müssen uns hier drin verstecken«, sagte Hermine, die ziemlich mitgenommen aussah.»Wir müssen erst einmal warten, bis sie wieder im Schloß sind. Und dann, bis es ungefährlich ist, mit Seidenschnabel zum Fenster von Sirius fliegen. Er wird erst in ein paar Stunden dort sein… Mensch, das wird schwierig werden…«

Nervös blickte sie über die Schulter ins Dunkel des Waldes. Die Sonne ging jetzt unter.

Harry dachte scharf nach.»Wir können nicht hier bleiben«, sagte er.»Wir müssen die Peitschende Weide sehen können, sonst wissen wir nicht, was geschieht.«

»Gut«, sagte Hermine und klammerte die Hand noch fester um Seidenschnabels Leine.»Aber wir dürfen uns nicht blicken lassen, Harry, denk dran…«

Während sie am Waldrand entlangschlichen, senkte sich die Dunkelheit wie ein schwarzes Tuch über sie. Schließlich versteckten sie sich hinter einer Gruppe von Bäumen, von der aus sie die Peitschende Weide erkennen konnten.

»Da ist Ron!«, sagte Harry plötzlich.

Eine dunkle Gestalt hetzte über das Gras und ihre Rufe hallten durch die stille Nachtluft.

»Laß ihn in Ruhe – hau ab – Krätze, komm hierher -«

Und dann tauchten wie aus dem Nichts zwei weitere Gestalten auf Harry beobachtete, wie er selbst und Hermine Ron hinterherjagten, der jetzt ins Gras hechtete.

»Hab ich dich! Hau ab, du stinkender Kater -«

»Da ist Sirius!«, sagte Harry. Der riesige Hund war zwischen den Wurzeln der Weide hervorgesprungen, sie sahen, wie der schwarze Umriß Harry zu Boden stieß und Ron packte…

»Sieht von hier noch schlimmer aus, nicht wahr?«, sagte Harry und beobachtete, wie der Hund Ron zwischen die Wurzeln zerrte.»Autsch – der Baum hat mir gerade eine verpaßt – und jetzt kriegst du auch eine gewischt – das ist unheimlich -«

Die Peitschende Weide ächzte und schlug mit den unteren Zweigen aus; sie sahen sich selbst dabei zu, wie sie immer wieder versuchten den Baum zu überlisten und an den Stamm zu gelangen. Und dann erstarrte der Baum.

»jetzt hat Krummbein den Knoten gedrückt«, sagte Hermine.

»Und los geht's…«, murmelte Harry.»Wir sind schon drin.«

Kaum waren sie verschwunden, regte sich der Baum wieder. Sekunden später hörten sie ganz in der Nähe Schritte. Dumbledore, Macnair, Fudge und das alte Ausschußmitglied waren auf dem Rückweg ins Schloß.

»Gleich nachdem wir runter in den Tunnel sind!«, sagte Hermine.»Wenn Dumbledore doch bloß mitgekommen wäre…«

»Macnair und Fudge wären dann auch gekommen«, sagte Harry bitter.»Und Fudge hätte Macnair auf der Stelle befohlen, Sirius umzubringen, darauf kannst du Gift nehmen…«

Sie sahen den vier Männern nach, die jetzt die Schloßtreppe hochstiegen und verschwanden. Ein paar Minuten herrschte Stille. Dann -

»Dort kommt Lupin!«, sagte Harry, und sie sahen seine Gestalt die Steinstufen hinunterspringen und auf die Weide zurennen. Harry sah zum Himmel. Der Mond war völlig hinter den Wolken verschwunden.

Sie sahen, wie Lupin einen abgebrochenen Zweig aus dem Gras hob und den Knoten am Baumstamm anstupste. Der Baum hörte auf, um sich zu schlagen, und auch Lupin verschwand im Erdloch zwischen den Wurzeln.

»Wenn er nur den Tarnumhang mitgenommen hätte«, sagte Harry.»Der liegt da einfach rum…«

Er drehte sich zu Hermine um.

»Wenn ich kurz rüberrenne und ihn hole, kann ihn Snape nicht mitnehmen und -«

»Harry, niemand darf uns sehen!«

»Wie kannst du das ertragen?«, erwiderte er aufgebracht.»Einfach nur rumzustehen und alles geschehen zu lassen?«Er zögerte.»Ich schnapp mir den Umhang!«

»Harry, nein!«

Hermine packte Harry am Kragen, und keinen Moment zu früh. In diesem Augenblick hörten sie, wie jemand laut anfing zu singen. Es war Hagrid. Leicht schwankend war er auf dem Weg zum Schloß, schmetterte ein Liedchen und fuchtelte mit einer großen Flasche in der Hand durch die Luft.

»Siehst du?«, flüsterte Hermine.»Siehst du, was passiert wäre? Wir müssen versteckt bleiben! Nein, Seidenschnabel!«

Der Hippogreif machte erneut hektische Anstalten, zu Hagrid zu laufen. Auch Harry packte ihn jetzt wieder an der Leine und hielt ihn mühsam zurück. Sie sahen Hagrid nach, wie er in gewagten Schlangenlinien den Weg entlang ging und schließlich verschwand. Seidenschnabel erlahmte und ließ traurig den Kopf sinken.

Kaum zwei Minuten später flog das Schloßportal erneut auf und Snape kam heraus. Mit großen Schritten kam er auf die Weide zu.

Vor der Weide hielt er inne und blickte sich um. Harry ballte die Fäuste. Snape langte nach dem Tarnurnhang im Gras und hob ihn hoch.

»Laß deine dreckigen Finger davon«, knurrte Harry hinter vorgehaltener Hand.

»Schhh!«

Snape nahm den Ast, den schon Lupin benutzt hatte, um den Baum zu lähmen, stupste gegen den Knoten und verschwand dann unter dem Tarnumhang.

»Das war's«, sagte Hermine leise.»Wir sind alle da unten. Und jetzt müssen wir warten, bis wir wieder rauskommen…«

Sie nahm das Ende von Seidenschnabels Leine und wickelte es fest um den nächsten Baum, dann setzte sie sich auf den trockenen Boden und schlang die Arme um die Knie.

»Harry, eins verstehe ich nicht… warum haben die Dementoren Sirius nicht gekriegt? Ich weiß noch, wie sie kamen, und dann bin ich wohl ohnmächtig geworden… es waren so viele…«

Auch Harry setzte sich ins Gras. Er schilderte Hermine, was er gesehen hatte; der Dementor hatte bereits seinen Schlund auf Harrys Mund gesenkt, als ein großes weißes Etwas über den See galoppiert kam und die Dementoren zum Rückzug trieb.

Als Harry fertig war, stand Hermines Mund halb offen.

»Aber was war das?«

»Wenn es die Dementoren vertrieben hat, dann kann es nur eins gewesen sein«, sagte Harry.»Ein richtiger Patronus. Ein mächtiger.«

»Aber wer hat ihn heraufbeschworen?«

Harry antwortete nicht. Er dachte an die Gestalt, die er auf der anderen Seite des Sees gesehen hatte. Er wußte schon, an wen er dabei dachte… aber wie konnte das nur möglich sein?

»Hast du nicht gesehen, wie er aussah?«, fragte Hermine begierig.»War es einer der Lehrer?«

»Nein«, sagte Harry.»Es war kein Lehrer.«

»Aber es muß ein sehr mächtiger Zauberer gewesen sein, wenn er all diese Dementoren verjagen konnte… wenn der Patronus so leuchtete, hat er ihn nicht beschienen? Konntest du nicht sehen -?«

»Doch, ich hab ihn gesehen«, sagte Harry langsam.»Aber… vielleicht hab ich's mir nur eingebildet… ich konnte nicht klar denken… gleich danach bin ich ohnmächtig geworden…«

»Wer, glaubst du, war es?«

»Ich glaube -«, Harry schluckte. Er wußte, wie seltsam dies klingen würde.»Ich glaube, es war mein Vater.«

Harry blickte auf und sah, daß Hermine den Mund weit aufgerissen hatte. Sie starrte ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Mitleid an.

»Harry, dein Dad ist – nun ja – tot«, sagte sie leise.

»Das weiß ich«, sagte Harry rasch.

»Glaubst du, es war ein Geist?«

»Ich weiß nicht… nein er schien aus Fleisch und Blut…«

»Aber dann -«

»Vielleicht hab ich mir alles nur eingebildet«, sagte Harry.»Aber… was ich gesehen habe… sah wie Dad aus… ich hab Fotos von ihm…«

Hermine sah ihn immer noch an, als machte sie sich Sorgen um seinen Verstand.

»Ich weiß, das klingt verrückt«, sagte Harry mit tonloser Stimme. Er sah sich nach dem Hippogreif um, der gerade den Schnabel in die Erde bohrte und offenbar nach Würmern suchte. Aber im Grunde sah er Seidenschnabel gar nicht an.

Er dachte über seinen Vater nach und über seine drei ältesten Freunde… Moony, Wurmschwanz, Tatze und Krone… waren sie alle vier heute Nacht auf dem Gelände? Wurmschwanz war diesen Abend wieder aufgetaucht, wo doch alle gedacht hatten, er sei tot… war es denn unmöglich, daß sein Vater dasselbe getan hatte? Hatte er drüben am anderen Ufer wirklich jemanden gesehen? Die Gestalt war zu weit weg und zu verschwommen… doch einen Moment lang war er sich sicher gewesen, bevor er ohnmächtig wurde…

Eine leichte Brise ließ die Blätter über ihnen rascheln. Hinter den Wolken, die über den Himmel zogen, kam der Mond zum Vorschein und verschwand wieder. Hermine saß da, unverwandt auf die Weide blickend, und wartete.

Und dann, endlich, nach über einer Stunde…

»Da kommen wir!«, flüsterte Hermine. Auch Seidenschnabel hob den Kopf Sie sahen Lupin, Ron und Pettigrew mühsam aus dem Erdloch klettern. Dann kam Hermine… dann der bewußtlose Snape, merkwürdig senkrecht dahinschwebend. Schließlich kamen Harry und Black. Sie alle machten sich auf den Weg zum Schloß.

Harrys Herz begann sehr schnell zu pochen. Er sah zum Himmel. Jeden Moment würde diese Wolke weiterziehen und der Mond würde zum Vorschein kommen…

»Harry«, murmelte Hermine, als ob sie genau wüßte, was er dachte,»wir müssen hier bleiben. Wir dürfen nicht gesehen werden. Wir können nichts tun…«

»Also lassen wir Pettigrew einfach wieder entkommen…«, sagte Harry leise.

»Wie willst du denn in der Dunkelheit eine Ratte finden?«, fauchte Hermine.»Wir können nichts tun! Wir sind zurückgekommen, um Sirius zu helfen, und wir sollten jetzt nichts anderes tun!«

»Ist ja gut!«

Der Mond trat hinter der Wolke hervor. Sie sahen, wie die kleinen Figuren auf dem Gras innehielten. Dann bewegte sich etwas.

»Das ist Lupin«, flüsterte Hermine,»er verwandelt sich.«

»Hermine!«, sagte Harry plötzlich,»wir müssen fort von hier!«

»Das geht nicht, ich erklär dir doch ständig -«

»- daß wir uns nicht einmischen sollen! Ja doch, aber Lupin wird in den Wald rennen, direkt auf uns zu!«

Hermine riß die Augen auf

»Schnell!«, stöhnte sie und sprang zu Seidenschnabel, um ihn loszubinden.»Schnell! Wo sollen wir denn hin? Wo sollen wir uns verstecken, die Dementoren werden jeden Moment kommen!«

»Zurück zu Hagrid!«, sagte Harry.»Die Hütte ist leer – komm schon!«

Sie rannten, so schnell sie konnten, und Seidenschnabel setzte in langen Sprüngen hinter ihnen her. Schon hörten sie den Werwolf hinter sich heulen…

Sie konnten die Hütte jetzt sehen; Harry rutschte zur Tür, stieß sie auf und Hermine und Seidenschnabel flitzten an ihm vorbei. Harry stürzte ihnen nach und verriegelte die Tür. Fang, der Saurüde, kläffte laut.

»Schhh, Fang, wir sind's!«, sagte Hermine. Rasch ging sie hinüber und kraulte Fang besänftigend die Ohren.»Das war wirklich knapp!«, sagte sie.

»Jaah…«

Harry sah aus dem Fenster. Von hier aus war kaum noch etwas zu sehen. Seidenschnabel schien überglücklich, wieder zu Hause zu sein. Er legte sich vor den Kamin, faltete zufrieden die Flügel und wollte offenbar ein kleines Nickerchen einlegen.

»Ich glaube, ich geh am besten wieder nach draußen«, sagte Harry langsam.»Ich kann von hier aus nicht sehen, was passiert, und wir müssen doch wissen, wann es Zeit ist -«

Hermine sah ihn argwöhnisch an.

»Ich werd mich ganz bestimmt nicht einmischen«, sagte Harry rasch.»Aber wenn wir nicht sehen, was passiert, wie sollen wir dann wissen, wann es Zeit ist, Sirius zu retten?«

»Von mir aus… ich warte hier mit Seidenschnabel… aber sei vorsichtig, Harry – da draußen ist ein Werwolf – und die Dementoren!«

Harry ging hinaus und schlich um die Hütte herum. Aus der Ferne hörte er erschöpfte Schreie. Die Dementoren kreisten jetzt Sirius ein… er und Hermine würden jeden Augenblick zu ihm laufen…

Harry schaute hinüber zum See und sein Herz führte eine Art Trommelwirbel in seiner Brust auf… wer immer auch den Patronus geschickt hatte, würde jeden Moment auftauchen…

Für den Bruchteil einer Sekunde stand er unentschlossen vor Hagrids Tür. Keiner darf dich sehen. Doch er wollte nicht gesehen werden. Er wollte sehen… er mußte es unbedingt wissen…

Und da waren die Dementoren. Sie kamen aus der Dunkelheit, aus allen Richtungen, und glitten am Ufer des Sees entlang… sie entfernten sich von Harry, schwebten hinüber zum anderen Ufer… er würde ihnen nicht zu nahe kommen…

Harry rannte los. Er dachte nur noch an seinen Vater… wenn er es war… wenn er es wirklich war… er mußte es wissen, er mußte es herausfinden…

Der See kam näher und näher, doch niemand war zu sehen. Am anderen Ufer konnte er dünne Silberschleier erkennen – seine eigenen Versuche, einen Patronus zu schaffen.

Harry versteckte sich hinter einem Busch am Wasser und schaute verzweifelt durch das Blattwerk. Das silberne Glimmen am anderen Ufer erlosch mit einem Mal. Erregung packte ihn und Furcht – jeden Augenblick -

»Komm jetzt!«, murmelte er und spähte umher,»wo bist du? Dad, komm bitte -«

Doch keiner kam. Harry hob den Kopf und sah hinüber. Die Dementoren hatten einen Ring gebildet. Einer von ihnen nahm die Kapuze ab. Es war höchste Zeit, daß der Retter erschien – doch diesmal kam keiner zu Hilfe -

Und dann traf es ihn wie ein Schlag – er begriff. Er hatte nicht seinen Vater gesehen – sondern sich selbst -

Harry stürzte hinter dem Busch hervor und zückte den Zauberstab.

»Expecto patronum!«, rief er.

Und aus der Spitze seines Zauberstabs brach etwas hervor, keine unförmige Nebelwolke, sondern ein schönes, blendend helles, silbernes Tier – er kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was es war – es sah aus wie ein Pferd – es galoppierte lautlos davon, über die schwarze Oberfläche des Sees; Harry sah, wie es den Kopf senkte und mit den Hinterbeinen gegen den Schwarm der Dementoren ausschlug… jetzt galoppierte es im Kreis um die schwarzen Gestalten am Boden, und die Dementoren wichen zurück, zerstreuten sich, verloren sich in der Dunkelheit… und waren verschwunden.

Der Patronus wandte sich um. Das Tier galoppierte über den stillen See zurück. Es war kein Pferd. Es war auch kein Einhorn. Es war ein Hirsch. Er leuchtete so hell wie der Mond am Himmel… er kehrte zu ihm zurück…

Am Ufer hielt er inne. Seine Hufe hinterließen keine Spur im weichen Boden. Er starrte Harry mit seinen großen silbernen Augen an. Langsam neigte er den Kopf mit dem schweren Geweih. Und Harry erkannte…

»Krone«, flüsterte er.

Doch als er das Geschöpf mit zitternden Fingern berühren wollte, verschwand es.

Harry blieb mit ausgestreckter Hand stehen. Dann – und schon wollte ihm das Herz zerspringen – hörte er hinter sich Hufgetrappel. Er wirbelte herum und sah Hermine auf ihn zuspringen, Seidenschnabel im Schlepptau.

»Was hast du getan?«, sagte sie und schäumte vor Wut.»Du wolltest doch nur Ausschau halten!«

»Ich hab gerade unser aller Leben gerettet…«, sagte Harry.»Komm – hinter diesen Busch – ich erklär's dir.«

Er schilderte, was geschehen war, und Hermine lauschte abermals mit offenem Mund.

»Hat dich jemand gesehen?«

»Ja, hast du denn nicht zugehört? Ich hab mich gesehen! Es ist gut jetzt!«

»Harry, ich kann's nicht glauben… du hast einen Patronus heraufbeschworen, der all diese Dementoren verjagt hat! Das ist sehr weit fortgeschrittene Zauberei…«

»Ich wußte, daß ich es diesmal schaffen würde«, sagte Harry,»weil ich es schon einmal geschafft hatte… red ich Unsinn?«

»Ich weiß nicht – Harry, da drüben ist Snape!«

Sie lugten hinter dem Busch hervor auf die andere Seite. Snape war zu sich gekommen. Er zauberte Tragen herbei und hievte die leblosen Gestalten von Harry, Hermine und Black hoch. Eine vierte Trage, zweifellos mit Ron, schwebte bereits neben ihm. Dann, mit ausgestrecktem Zauberstab, ließ er sie zum Schloß emporschweben.

»Gut, bald ist es so weit«, sagte Hermine angespannt und warf einen Blick auf ihre Uhr.»Wir haben eine drei viertel Stunde, bis Dumbledore die Tür zum Krankenflügel abschließt. Wir müssen Sirius retten und im Krankensaal zurück sein, bevor jemand merkt, daß wir fehlen…«

Beim Warten sahen sie den Wolken zu, die sich im See spiegelten, während der Busch vor ihnen in der Brise wisperte. Seidenschnabel langweilte sich und stocherte wieder nach Würmern.

»Meinst du, er ist schon dort oben?«, sagte Harry und sah auf die Uhr. Er sah hoch zum Schloß und zählte die Fenster rechts vom Westturm ab.

»Schau!«, flüsterte Hermine.»Wer ist das? Da kommt jemand aus dem Schloß!«

Harry spähte durch die Nacht. Der Mann eilte über das Gelände auf einen der Eingänge zu. Etwas Metallenes schimmerte an seinem Gürtel.

»Macnair!«, sagte Harry.»Der Henker! Er holt die Dementoren! Wir müssen los, Hermine!«

Hermine legte die Hände auf Seidenschnabels Rücken und Harry half ihr, sich aufzuschwingen. Dann stellte er den Fuß auf einen niedrigen Ast und kletterte selbst hoch. Er zog Seidenschnabel die Leine um den Hals und befestigte sie wie Zügel oben am Kummet.

»Fertig?«, flüsterte er Hermine hinter ihm zu.»Du hältst dich am besten an mir fest -«

Mit den Fersen stieß er Seidenschnabel sanft in die Seiten.

Seidenschnabel flatterte mühelos hoch in den dunklen Himmel. Harry preßte die Knie gegen seine Flanken und spürte, wie sich die großen Flügel neben ihnen kraftvoll spannten. Hermine klammerte sich fest um Harrys Hüfte; er konnte sie murmeln hören,»O nein – das ist nichts für mich – o nein, das ist wirklich nichts für mich -«

Harry trieb Seidenschnabel zur Eile. Sie schwebten leise hinauf zu den oberen Stockwerken des Schlosses… Harry zog die Leine heftig nach links und Seidenschnabel folgte ihm. Harry versuchte die vorbeifliegenden Fenster zu zählen -

»Oha!«, sagte er und riß mit aller Kraft an der Leine.

Seidenschnabel flog langsamer und dann blieben sie in der

Luft stehen, wenn man davon absah, daß sie auf- und abhüpften, weil Seidenschnabel mit den Flügeln schlagen mußte, um oben zu bleiben.

»Er ist da!«, sagte Harry, der Sirius gesehen hatte, als sie vor seinem Fenster auftauchten. Er streckte die Hand mit dem Zauberstab aus und konnte beim nächsten Flügelschlag gegen das Glas schlagen.

Black blickte auf Harry sah, wie ihm die Kinnlade herunterfiel. Black sprang vom Stuhl, stürzte zum Fenster und wollte es öffnen, doch es war verschlossen.

»Zurücktreten!«, rief ihm Hermine zu. Mit der linken Hand klammerte sie sich an Harrys Umhang fest, mit der rechten zückte sie den Zauberstab.

»Alohomora!«

Das Fenster sprang au£

»Wie… wie?«, fragte Black erschöpft und starrte den Hippogreif an.

»Steig auf Wir haben keine Zeit zu verlieren«, sagte Harry und packte Seidenschnabel fest an der einen Seite seines schlanken Halses, um ihn ruhig zu halten.»Du mußt fliehen – die Dementoren kommen – Macnair holt sie.«

Black hielt sich an beiden Seiten des Fensters fest und zog Kopf und Schultern ins Freie. Ein Glück, daß er so mager war. In Sekundenschnelle gelang es ihm, ein Bein über Seidenschnabels Rücken zu schwingen und sich hinter Hermine auf den Hippogreif zu ziehen.

»Gut gemacht, Seidenschnabel, und jetzt hoch -«, sagte Harry und schlackerte mit der Leine.»Hoch zum Turm – mach schon!«

Mit einem Schlag seiner mächtigen Flügel rauschten sie davon, hoch bis zur Spitze des Westturms. Seidenschnabel landete hufklappernd auf den Zinnen und Harry und Hermine ließen sich sofort heruntergleiten.

»Sirius, du verschwindest am besten, schnell«, keuchte Harry.»Sie werden jeden Moment in Flitwicks Büro kommen und sehen, daß du fort bist.«

Seidenschnabel scharrte auf dem Boden und warf seinen scharfen Kopf hin und her.

»Was ist mit dem anderen Jungen passiert? Mit Ron?«, krächzte Sirius.

»Er wird sich wieder erholen – ist immer noch außer Gefecht, aber Madam Pomfrey sagt, sie wird ihn schon wieder hinkriegen – schnell – flieh -«

Doch Black starrte Harry unverwandt an.

»Wie kann ich dir jemals danken -«

»Flieh!«, riefen Harry und Hermine aus einem Mund.

Black warf Seidenschnabel herum und sah in den offenen Himmel.

»Wir sehen uns wieder«, sagte er.»Du bist – ganz der Sohn deines Vaters, Harry…«

Er drückte die Fersen in Seidenschnabels Seiten; Harry und Hermine sprangen zurück, und die gewaltigen Flügel hoben sich von neuem… der Hippogreif stieg in den Nachthimmel… Harry sah ihnen nach, wie sie kleiner und kleiner wurden… dann schob sich eine Wolke vor den Mond… fort waren sie.