123301.fb2 Harry Potter und die Kammer des Schreckens - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 25

Harry Potter und die Kammer des Schreckens - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 25

Cornelius Fudge

Harry, Ron und Hermine wußten schon seit langem von Hagrids unglücklicher Vorliebe für große und monströse Geschöpfe. Während ihres ersten Jahres in Hogwarts wollte er in seiner kleinen Holzhütte einen Drachen aufziehen, und auch den riesigen dreiköpfigen Hund, den er»Fluffy«getauft hatte, würden sie nicht so schnell vergessen. Und wenn der junge Hagrid damals gehört hatte, irgendwo im Schloß sei ein Monster versteckt, dann, da war sich Harry sicher, hatte er bestimmt alles darangesetzt, einen Blick auf dieses Monster zu erhaschen. Vermutlich dachte Hagrid, es sei ein Jammer, das Geschöpf so lange einzupferchen, und wollte ihm die Möglichkeit geben, sich einmal die vielen Beine zu vertreten. Harry konnte sich gut vorstellen, wie der dreizehnjährige Hagrid versucht hatte, es an Halsband und Leine auszuführen. Doch er war sich auch sicher, daß Hagrid niemals jemanden töten wollte.

Fast bereute Harry es, daß er herausgefunden hatte, wie Riddles Tagebuch funktionierte. Immer wieder mußte er Ron und Hermine erzählen, was er gesehen hatte, bis er von der Geschichte und den langen, sich im Kreise drehenden Gesprächen danach endgültig die Nase voll hatte.

»Riddle könnte den Falschen erwischt haben«, sagte Hermine.»Vielleicht war es ein anderes Monster, das die Leute angegriffen hat…«

»Wie viele Monster, glaubst du, passen dort rein?«, fragte Ron gelangweilt.

»Wir wußten immer, daß Hagrid der Schule verwiesen wurde«, sagte Harry niedergeschlagen.»Und die Angriffe müssen aufgehört haben, nachdem sie ihn rausgeworfen hatten. Sonst hätte Riddle seine Auszeichnung nicht bekommen.«

Ron probierte es mit einer anderen Spur.

»Riddle erinnert mich an Percy – wer hat ihm eigentlich gesagt, er solle Hagrid verpfeifen?«

»Aber das Monster hatte jemanden getötet, Ron«, sagte Hermine.

»Und Riddle hätte in ein Waisenhaus der Muggel zurückgehen müssen, wenn sie Hogwarts geschlossen hätten«, sagte Harry.»Ich versteh Schon, daß er lieber hier bleiben wollte…«

»Du hast Hagrid in der Nokturngasse getroffen, oder, Harry?«

»Er sagte, er wollte einen Fleisch fressenden Schneckenschutz kaufen«, erwiderte Harry rasch.

Alle drei verstummten. Nach einer langen Pause stellte Harry mit zögernder Stimme die kniffligste Frage:

»Meint ihr, wir sollten zu Hagrid gehen und ihn einfach fragen?«

»Das wäre ein lustiger Besuch«, sagte Ron.»>Hallo, Hagrid, sag mal, hast du in letzter Zeit irgendwas Verrücktes und Haariges im Schloß losgelassen?«<

Schließlich beschlossen sie, Hagrid nichts zu sagen, außer wenn es einen neuen Angriff geben sollte. Und da immer mehr Tage ohne ein Flüstern der körperlosen Stimme vergingen, wuchs ihre Hoffnung, sie müssten Hagrid nie fragen, warum er von der Schule geflogen war. Es war jetzt schon fast vier Monate her, seit Justin und der Fast Kopflose Nick versteinert worden waren, und fast alle schienen zu glauben, daß der Angreifer, wer immer es war, sich endgültig zurückgezogen hatte. Peeves war sein»Potter, du Schwein«-Liedchen endlich leid geworden, eines Tages in Kräuterkunde bat Ernie Macmillan Harry recht höflich, ihm einen Eimer hüpfender Giftpilze zu reichen, und im März schmissen einige Alraunen eine lärmende und ausschweifende Party in Gewächshaus drei. Professor Sprout war sehr glücklich darüber.

»Sobald sie anfangen, gemeinsam in ihren Töpfen zu hausen, wissen wir, daß sie ganz reif sind«, erklärte sie Harry.»Dann können wir endlich diese armen Leute im Krankenflügel wieder beleben.«

Während der Osterferien bekamen die Zweitkläßler neuen Stoff zum Nachdenken. Es war an der Zeit, die Fächer für das dritte Schuljahr auszuwählen, eine Sache, die zumindest Hermine sehr ernst nahm.

»Es könnte unsere ganze Zukunft beeinflussen«, erklärte sie Harry und Ron, während sie über den Listen mit den neuen Fächern grübelten und ihre Kreuzchen machten.

»Zaubertränke will ich jedenfalls loswerden«, sagte Harry.

»Das geht nicht«, sagte Ron mit trübseliger Miene.»Wir müssen unsere alten Fächer behalten, sonst würde ich Verteidigung gegen die dunklen Künste gleich über Bord werfen.«

»Aber das ist sehr wichtig!«, sagte Hermine schockiert.

»So, wie Lockhart es unterrichtet, jedenfalls nicht«, sagte Ron.»Bei dem hab ich nichts gelernt, außer daß man Wichtel nicht freilassen darf«

Neville Longbottom hatte Briefe von sämtlichen Hexen und Zauberern in seiner Familie bekommen, die ihm allesamt unterschiedliche Ratschläge erteilten, welche Fächer er wählen sollte. Verwirrt und besorgt saß er da, las mit der Zungenspitze zwischen den Lippen die Fächerliste durch und fragte die andern, ob sie glaubten, Arithmantik sei ein schwierigeres Fach als Alte Runen. Dean Thomas, der wie Harry unter Muggeln aufgewachsen war, schloss am Ende einfach die Augen, stach mit dem Zauberstab auf die Liste und wählte die Fächer, auf denen er landete. Hermine wollte von keinem Ratschläge hören und kreuzte schlichtweg alles an.

Harry lächelte grimmig in sich hinein bei dem Gedanken, was Onkel Vernon und Tante Petunia sagen würden, wenn er versuchte, mit ihnen über seine Zaubererkarriere zu sprechen. Aber es war beileibe nicht so, daß ihm keiner zur Seite gestanden hätte: Percy Weasley wollte unbedingt seine Erfahrungen mit ihm teilen.

»Kommt drauf an, was dein Ziel ist, Harry«, sagte er.»Es ist nie zu früh, über die Zukunft nachzudenken, deshalb würde ich Weissagung empfehlen. Außerdem heißt es immer, das Studium der Muggel sei nichts Halbes und nichts Ganzes, doch wenn du mich fragst, sollten Zauberer ein gründliches Verständnis der nichtmagischen Gemeinschaft besitzen, besonders, wenn sie vorhaben, eng mit ihnen zusammenzuarbeiten – sieh dir meinen Vater an, er muß sich ständig mit Muggelangelegenheiten herumschlagen. Mein Bruder Charlie war schon immer mehr ein Typ für die freie Natur, also hat er sich für die Aufzucht und Pflege Magischer Geschöpfe entschieden. Überleg einfach, wo deine Stärken liegen, Harry.«

Doch das Einzige, was Harry wirklich gut zu können glaubte, war Quidditch. Schließlich wählte er die gleichen neuen Fächer wie Ron, denn wenn er darin miserabel sein sollte, dann hätte er wenigstens einen Freund, der ihm helfen konnte.

Im nächsten Spiel der Gryffindors ging es gegen die Hufflepuffs. Wood bestand darauf, daß sie jeden Abend nach dem Essen noch trainierten, und so blieb Harry kaum Zeit für etwas anderes als Quidditch und Hausaufgaben. Allerdings wurden die Trainingsstunden besser oder wenigstens trockener, und als er am Abend vor dem sonntäglichen Spiel in den Schlafsaal hochging, um den Besen zu verstauen, hatte er das Gefühl, die Gryffindors hätten noch nie eine größere Chance gehabt, den Quidditch-Pokal zu gewinnen.

Doch seine muntere Stimmung hielt nicht lange an. Oben auf dem Treppenabsatz vor dem Schlafsaal traf er auf Neville Longbottom, und der war völlig aus dem Häuschen.

»Harry – ich weiß nicht, wer es war – ich hab's gerade entdeckt -«

Mit ängstlichem Blick auf Harry stieß Neville die Tür auf,

Harrys Schrankkoffer war geöffnet worden und seine Sachen waren überall verstreut. Sein Umhang lag zerrissen auf dem Boden. Das Bettuch war heruntergerissen, die Schublade aus seinem Nachttisch gezogen und über der Matratze ausgeschüttet worden.

Mit offenem Mund, über herausgerissene Seiten aus Trips mit Trollen ging Harry hinüber zu seinem Bett. Gerade zog er mit Nevilles Hilfe das Leintuch wieder auf, als Ron, Dean und Seamus hereinkamen. Dean fluchte laut.

»Was ist passiert, Harry?«

»Keine Ahnung«, sagte Harry, während Ron Harrys Umhang unter die Lupe nahm. Alle Taschen waren nach außen gestülpt.

»Da hat jemand was gesucht«, sagte Ron.»Fehlt irgend etwas?«

Harry begann seine Sachen aufzulesen und sie wieder in den Koffer zu packen. Erst als er das letzte Buch Lockharts hineinwarf, fiel ihm auf, was fehlte.

»Riddles Tagebuch ist verschwunden«, sagte er mit gedämpfter Stimme zu Ron.

»Was?«

Harry nickte mit dem Kopf hinüber zur Tür und Ron folgte ihm hinaus. Sie rannten in den Gemeinschaftsraum hinunter, der halb leer war. Einsam in einer Ecke saß Hermine und las ein Buch mit dem Titel Alte Runen leicht gemacht.

Mit offenem Mund lauschte sie den Neuigkeiten.

»Aber – nur ein Gryffindor hätte es stehlen können – die andern kennen das Passwort nicht.«

»Genau«, sagte Harry.

Als sie am nächsten Morgen aufwachten, strahlte die Sonne und es wehte ein leichte, erfrischende Brise.

»Beste Bedingungen für Quidditch!«, sagte Wood begeistert am Gryffindor-Tisch und schaufelte die Teller der Mannschaft mit Rührei voll.»Harry; halt dich ran, du brauchst ein anständiges Frühstück.«

Harry hatte am dicht besetzten Gryffindor-Tisch entlanggestarrt und sich gefragt, ob der neue Besitzer von Riddles Tagebuch ihm direkt vor Augen saß. Hermine hatte ihn gedrängt, den Diebstahl zu melden, doch davon wollte er nichts wissen. Dann würde er einem Lehrer alles über das Tagebuch sagen müssen, und wie viele Leute wußten eigentlich, warum Hagrid vor fünfzig Jahren rausgeflogen war? Er wollte nicht der sein, der alles wieder aufrührte.

Als Harry gemeinsam mit Ron und Hermine die Große Halle verließ, um seine Quidditch-Sachen zu holen, wuchs Harrys lange Sorgenliste um ein neues Kümmernis. Gerade hatte er den Fuß auf die Marmortreppe gesetzt, da hörte er es wieder -

»Töte dieses Mal… laß mich reißen… zerfetzen…«

Er schrie laut auf und Ron und Hermine sprangen erschrocken von ihm weg.

»Die Stimme!«, sagte Harry und warf einen Blick über die Schulter.»Ich hab sie eben wieder gehört – ihr nicht?«

Ron schüttelte den Kopf, die Augen weit aufgerissen. Hermine jedoch schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.

»Harry, ich glaub, mir ist eben ein Licht aufgegangen! Ich muß in die Bibliothek!«

Und sie rannte die Treppe hoch und davon.

»Was ist ihr klar geworden?«, sagte Harry verwirrt. Immer noch wirbelte er umher und versuchte herauszufinden, woher die Stimme gekommen war.

»Eine ganze Menge mehr als mir«, sagte Ron kopfschüttelnd.

»Aber warum muß sie in die Bibliothek?«

»Weil das Hermines Art ist«, sagte Ron achselzuckend.»Im Zweifelsfall geh in die Bibliothek!«

Harry stand unentschlossen herum und versuchte die Stimme wieder zu erhaschen, doch jetzt kamen Schüler aus der Großen Halle, die laut schwatzend durch das Portal hinüber zum Quidditch-Feld strömten.

»Beeil dich lieber«, sagte Ron,»es ist fast elf – das Spiel -«

Harry rannte hoch in den Gryffindor-Turm, holte seinen Nimbus Zweitausend und schloß sich der großen Schar an, die über das Gelände schwärmte. Doch in Gedanken war er immer noch im Schloß, bei der körperlosen Stimme, und als er im Umkleideraum seinen scharlachroten Umhang anzog, war sein einziger Trost, daß nun alle draußen waren, um das Spiel zu sehen.

Als die Spieler auf das Feld marschierten, erhob sich ohrenbetäubender Beifall. Oliver Wood genehmigte sich einen Aufwärmflug um die Torstangen, und Madam Hooch gab die Bälle frei. Die Hufflepuffs, die in kanariengelb spielten, bildeten eine Traube und besprachen ein letztes Mal ihre Taktik.

Gerade bestieg Harry seinen Besen, als Professor McGonagall halb schreitend, halb rennend über das Feld kam, ein gewaltiges purpurnes Megafon in der Hand.

Harry wurde das Herz schwer wie Stein.

»Das Spiel ist abgesagt«, rief Professor McGonagall durch das Megafon hinüber zu den voll besetzten Rängen. Zurück kamen Buhrufe und Pfiffe. Oliver Wood, außer sich vor Verzweiflung, landete und rannte, ohne vom Besen zu steigen, auf Professor McGonagall zu.

»Aber Professor«, rief er.»Wir müssen spielen – der Pokal – Gryffindor -«

Professor McGonagall achtete gar nicht auf ihn und hob erneut das Megafon:»Alle Schüler gehen zurück in die Gemeinschaftsräume, wo die Hauslehrer ihnen alles Weitere erklären. So schnell Sie können, bitte!«Dann ließ sie das Megafon sinken und winkte Harry zu sich herüber.

»Potter, ich denke, Sie kommen besser mit mir…«

Wie konnte sie ihn nur diesmal schon wieder verdächtigen, fragte sich Harry, als sie zum Schloß aufbrachen, und sah gleichzeitig, wie Ron sich aus der protestierenden Menge löste und zu ihnen herübergerannt kam. Zu Harrys Überraschung hatte Professor McGonagall nichts einzuwenden.

»Ja, vielleicht sollten Sie auch mitkommen, Weasley…«

Manche der Schüler, die um sie herumschwärmten, grummelten, weil das Spiel ausfiel, andere sahen besorgt aus. Harry und Ron folgten Professor McGonagall zurück in die Schule und die Marmortreppe empor. Doch diesmal ging es nicht in das Büro eines Lehrers.

»Das wird ein ziemlicher Schock für Sie sein«, sagte Professor McGonagall mit überraschend sanfter Stimme, als sie sich dem Krankenflügel näherten.»Es gab einen weiteren Angriff… einen Doppelangriff.«

Harrys Eingeweide krampften sich heftig schmerzend zusammen. Professor McGonagall öffnete die Tür und er und Ron traten ein. Madam Pomfrey beugte sich über eine Fünftklässlerin mit langem Lockenhaar. Harry erkannte sie; es war das Mädchen aus Ravenclaw, das sie zufällig nach dem Weg zum Gemeinschaftsraum der Slytherins gefragt hatten. Und im Bett neben ihr lag -

»Hermine!«, stöhnte Ron. Hermine lag vollkommen reglos da, mit aufgerissenen, glasigen Augen.

»Sie wurden in der Nähe der Bibliothek gefunden«, sagte Professor McGonagall.»Ich nehme an, keiner von Ihnen kann das erklären? Und das lag neben ihnen auf dem Boden…«

Sie hielt einen kleinen runden Spiegel hoch.

Harry und Ron schüttelten die Köpfe, ohne den Blick von Hermine zu wenden.

»Ich begleite Sie zurück in den Gryffindor-Turm«, sagte Professor McGonagall mit trauriger Stimme.»Ich muß ohnehin zu den Schülern sprechen.«

»Sie alle kehren spätestens um sechs Uhr abends zurück in die Gemeinschaftsräume. Danach verläßt keiner mehr den Schlafsaal. Ein Lehrer wird Sie zu jeder Unterrichtsstunde begleiten. Kein Schüler geht ohne Begleitung eines Lehrers auf die Toilette. Quidditch-Training und -Spiele sind bis auf weiteres gestrichen. Es gibt keine abendlichen Veranstaltungen mehr.«

Die Gryffindors, die sich im Gemeinschaftsraum zusammendrängten, lauschten Professor McGonagall schweigend. Sie rollte das Pergament ein, von dem sie abgelesen hatte, und sagte mit fast erstickter Stimme:

»Ich muß wohl kaum hinzufügen, daß ich in größter Sorge bin. Wahrscheinlich wird die Schule geschlossen, wenn der Schurke, der hinter diesen Angriffen steckt, nicht gefaßt wird. Ich ermahne eindringlich jeden, der glaubt, etwas darüber zu wissen, mit der Sprache herauszurücken.«

Etwas ungelenk kletterte sie aus dem Porträtloch und sofort begannen die Gryffindors laut zu schwatzen.

»Jetzt sind schon zwei Gryffindors außer Gefecht, einen Geist von uns nicht mitgezählt, und eine Ravenclaw und ein Hufflepuff«, sagte der Freund der Weasley-Zwillinge, Lee Jordan, und zählte die Opfer an den Fingern ab.»Hat denn von den Lehrern keiner mitgekriegt, daß die Slytherins noch vollzählig sind? Ist es nicht glasklar, daß diese Angriffe von Slytherin ausgehen? Der Erbe von Slytherin, das Monster von Slytherin – warum werfen sie nicht einfach alle Slytherins raus?«, polterte er unter Kopfnicken und vereinzeltem Beifall der Umstehenden. Percy Weasley saß in einem Stuhl hinter Lee, doch er schien diesmal nicht erpicht darauf, seine Meinung zu sagen. Er sah blaß und ratlos aus.

»Percy steht unter Schock«, sagte George leise zu Harry.»Dieses Ravenclaw-Mädchen war Vertrauensschülerin. Er glaubte wohl, das Monster würde es nicht wagen, einen Vertrauensschüler anzugreifen.«

Doch Harry hörte nur mit halbem Ohr zu. Das Bild Hermines wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf, wie sie da auf dem Krankenbett lag, als wäre sie aus Stein gemeißelt. Und wenn der Schuldige nicht bald gefaßt würde, mußte er den Rest seines Lebens bei den Dursleys verbringen. Tom Riddle wäre in ein Waisenhaus der Muggel gekommen, wenn sie die Schule geschlossen hätten, und deshalb hatte er Hagrid verraten. jetzt wußte Harry genau, wie ihm zumute gewesen war.

»Was tun wir jetzt?«, fragte Ron leise in Harrys Ohr.»Glaubst du, sie verdächtigen Hagrid?«

Harry hatte sich entschlossen.»Wir müssen mit ihm reden«, sagte er.»Ich kann einfach nicht glauben, daß er es diesmal wieder ist, aber wenn er das Monster losgelassen hat, weiß er, wie man in die Kammer des Schreckens kommt, und dann sehen wir weiter.«

»Aber Professor McGonagall sagt, wir müssen im Turm bleiben, wenn wir nicht im Unterricht sind -«

»Ich glaube«, sagte Harry noch leiser»es ist Zeit, den alten Umhang meines Vater wieder auszupacken.«

Harry hatte nur eines von seinem Vater geerbt: einen langen, silbern schimmernden Umhang, der unsichtbar machte. Das war ihre einzige Chance, sich unbemerkt aus der Schule hinaus zu Hagrid zu schleichen. Sie gingen zur üblichen Zeit zu Bett und warteten, bis Neville, Dean und Seamus endlich aufgehört hatten, über die Kammer des Schreckens zu diskutieren, dann standen sie wieder auf, zogen sich an und warfen sich den Tarnumhang über.

Der Streifzug durch die dunklen Korridore war nicht gerade ein Vergnügen. Harry war schon öfter nachts im Schloß umhergewandert, aber so viel wie jetzt war nach Sonnenuntergang noch nie los gewesen. Lehrer, Vertrauensschüler und Geister streiften paarweise durch die Gänge und hielten Ausschau nach verdächtigen Vorkommnissen. Zwar waren sie unsichtbar, aber ihr Tarnumhang sorgte nicht dafür, daß sie keine Geräusche machten, und es gab einen besonders brenzligen Moment, als Ron sich den Zeh stieß. Nur ein paar Meter entfernt stand Snape Wache. Glücklicherweise nieste Snape in fast demselben Augenblick, in dem Ron fluchte. Als sie das eichene Schloßtor erreichten, fiel ihnen ein Stein vom Herzen. Langsam schoben sie es auf

Es war eine klare, sternenhelle Nacht. Sie rannten so schnell sie konnten hinüber zu den erleuchteten Fenstern von Hagrids Hütte und streiften den Umhang erst ab, als sie vor seiner Tür standen.

Sekunden nachdem sie geklopft hatten, öffnete Hagrid die Tür. Sie starrten ihm ins Gesicht. Hagrid hielt eine Armbrust auf sie gerichtet, und Fang, sein Saurüde, stand laut kläffend hinter ihm.

»Oh«, sagte er, senkte die Waffe und starrte sie an.»Was macht'n ihr beide hier?«

»Was soll das denn?«, sagte Harry, als sie eintraten, und deutete auf die Armbrust.

»Nichts, nichts«, murmelte Hagrid.»Ich hab jemanden erwartet, tut jetzt nichts zur Sache, setzt euch, ich koch Tee.«

Hagrid schien nicht recht zu wissen, was er tat. Beinahe hätte er das Feuer gelöscht, weil er Wasser aus dem Kessel darauf schüttete, und dann zerschlug er mit einem nervösen Zucken seiner massigen Hand die Teekanne.

»Alles in Ordnung mit dir, Hagrid?«, sagte Harry.»Hast du von Hermine gehört?«

»Oh, hab ich, j a«, sagte er ein wenig zögernd.

Ständig warf er nervöse Blicke zum Fenster. Er servierte ihnen große Becher mit heißem Wasser (die Teebeutel hatte er vergessen) und legte gerade eine Scheibe Früchtekuchen auf einen Teller, als jemand an die Tür pochte.

Hagrid ließ den Früchtekuchen fallen. Harry und Ron tauschten panische Blicke, dann warfen sie sich den Tarnumhang über und verdrückten sich in eine Ecke. Hagrid vergewisserte sich, daß sie nicht zu sehen waren, dann packte er die Armbrust und öffnete die Tür.

»Guten Abend, Hagrid.«

Es war Dumbledore. Mit todernster Miene trat er ein, ihm folgte ein zweiter, sehr merkwürdig aussehender Mann.

Der Fremde hatte zerwühltes graues Haar und machte einen verschreckten Eindruck. Er trug eine seltsame Mischung von Kleidern: einen Nadelstreifenanzug, eine scharlachrote Krawatte, einen langen schwarzen Umhang und spitze purpurne Stiefel. Unter dem Arm trug er einen limonengrünen Hut.

»Das ist Dads Chef!«, hauchte Ron.»Cornelius Fudge, der Minister für Zauberei«

Harry stupste Ron mit dem Ellbogen, damit er schwieg.

Hagrid war bleich geworden und schwitzte. Er ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und sah abwechselnd Dumbledore und Cornelius Fudge an.

»Üble Geschichte«, sagte Fudge knapp.»Ganz, ganz üble Geschichte. Mußte kommen. Vier Angriffe auf Muggelstämmige. Die Sache ist aus dem Ruder gelaufen. Das Ministerium muß handeln.«

»Ich hab niemals«, begann Hagrid und sah Dumbledore flehend an,»Sie wissen, Professor Dumbledore, Sir, ich hab nie -«

»Ich möchte klarstellen, Cornelius, daß Hagrid mein volles Vertrauen genießt«, sagte Dumbledore und sah Fudge mißmutig an.

»Sehen Sie, Albus«, sagte Fudge gequält.»Hagrids Akte spricht gegen ihn. Das Ministerium muß etwas unternehmen – die Schulräte haben sich ins Vernehmen gesetzt -«

»Ich sage Ihnen noch mal, Cornelius, wenn Sie Hagrid mitnehmen, wird uns das keinen Schritt weiterbringen«, sagte Dumbledore. In seinen Augen brannte ein Feuer, das Harry noch nie gesehen hatte.

»Sehen Sie es doch mal von meinem Standpunkt«, sagte Fudge und fummelte an seinem Hut.»Ich stehe mächtig unter Druck. Man erwartet von mir, daß ich handle. Wenn sich herausstellt, daß Hagrid unschuldig ist, kommt er zurück und die Sache ist erledigt. Aber ich muß ihn mitnehmen. Geht nicht anders. Täte sonst nicht meine Pflicht -«

»Mich mitnehmen?«, sagte Hagrid und erschauerte.»Wohin mitnehmen?«

»Nur für kurze Zeit«, sagte Fudge und wich Hagrids Blick aus.»Keine Strafe, Hagrid, eher eine Vorsichtsmaßnahme. Wenn jemand anders erwischt wird, kommen Sie mit einer offiziellen Entschuldigung raus -«

»Nicht Askaban?«, krächzte Hagrid.

Bevor Fudge antworten konnte, pochte es erneut laut an der Tür.

Dumbledore öffnete. Nun fing sich Harry einen Stoß in die Rippen ein, denn er japste laut und vernehmlich.

Mr Lucius Malfoy betrat Hagrids Hütte, gehüllt in einen langen schwarzen Reiseumhang, mit einem kalten und zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht. Fang begann zu knurren.

»Schon hier, Fudge«, sagte er anerkennend.»Sehr schön…«

»Was haben Sie hier zu suchen?«, rief Hagrid wutentbrannt.»Raus aus meinem Haus!«

»Guter Mann, bitte seien Sie versichert, es ist mir kein Vergnügen, in Ihrem – ähm – Sie nennen es Haus – zu sein«, sagte Lucius Malfoy und sah sich verächtlich in der kleinen Hütte um.»Ich habe in der Schule vorbeigeschaut und man hat mir gesagt, der Schulleiter sei hier.«

»Und was genau wollen Sie von mir, Lucius?«, fragte Dumbledore. Er sprach sehr höflich, doch immer noch loderte das Feuer in seinen Augen.

»Schreckliche Angelegenheit, Dumbledore«, sagte Malfoy lässig und zog eine lange Pergamentrolle hervor.»Aber die Schulräte sind der Auffassung, es sei an der Zeit, daß Sie einem andern Platz machen. Laut dieser Anordnung hier werden Sie vorläufig beurlaubt – Sie finden alle zwölf Unterschriften unter diesem Dokument. Ich fürchte, wir sind der Meinung, daß Sie die Sache nicht mehr im Griff haben. Wie viele Angriffe gab es bisher? Zwei neue heute Nachmittag, nicht wahr? Wenn es so weitergeht, gibt es bald keine Muggelstämmigen mehr in Hogwarts, und wir alle wissen, welch schlimmer Verlust das für die Schule wäre.«

»Oh, nun aber immer mit der Ruhe, Lucius«, sagte Fudge nervös,»Dumbledore beurlauben – nein, nein – das ist das Letzte, was wir jetzt wollen -«

»Die Ernennung – oder Entlassung – eines Schulleiters ist Aufgabe der Schulräte, Fudge«, sagte Mr Malfoy beiläufig.»Und da es Dumbledore nicht gelungen ist, diese Angriffe zu stoppen -«

»Hören Sie mal, Malfoy, wenn Dumbledore nichts dagegen ausrichten kann -«, sagte Fudge mit schweißnasser Oberlippe,»- wer soll es dann schaffen?«

»Das werden wir sehen«, sagte Mr Malfoy gehässig.»Doch da wir alle zwölf abgestimmt haben -«

Hagrid sprang auf und sein zottiger schwarzer Kopf streifte die Decke.

»Und wie viele mußten Sie bedrohen und erpressen, bevor sie zugestimmt haben, Malfoy, eh?«, polterte er los.

»Mein guter Mann, wissen Sie, Ihr Temperament wird Sie eines Tages noch in Schwierigkeiten bringen, Hagrid«, sagte Malfoy.»Ich würde Ihnen raten, die Wachen in Askaban nicht dermaßen anzuschreien. Die mögen das gar nicht.«

»Sie können Dumbledore nicht entlassen!«, rief Hagrid, und Fang, der Saurüde, kauerte sich in seinem Korb zusammen und wimmerte.»Wenn Sie ihn entlassen, haben die Muggelkinder keine Chance! Das nächste Mal werden sie umgebracht!«

»Beruhige dich, Hagrid«, sagte Dumbledore barsch. Er sah Lucius Malfoy an.

»Wenn die Schulräte mich aus dem Weg haben wollen, Lucius, werde ich natürlich zurücktreten -«

»Aber -«, stammelte Fudge.

»Nein!«, knurrte Hagrid.

Dumbledores hellblaue Augen blickten unverwandt in die kalten grauen Augen Malfoys.

»Allerdings«, sagte Dumbledore, sehr langsam und deutlich sprechend, so daß keinem ein Wort entging,»allerdings werden Sie feststellen, daß ich diese Schule erst dann endgültig verlasse, wenn mir hier keiner mehr die Treue hält. Und wer immer in Hogwarts um Hilfe bittet, wird sie auch bekommen.«

Eine Sekunde lang war sich Harry fast sicher, daß Dumbledores Augen in die Ecke herüberflackerten, in der er und Ron sich versteckt hatten.

»Bewundernswerte Gefühle«, sagte Malfoy und verneigte sich.»Wir werden alle Ihre – ähm – höchst eigenwillige Art vermissen, die Schule zu leiten, Albus, und hoffen nur, daß Ihr Nachfolger es schaffen wird – äh -, Morde zu verhindern.«

Er schritt zur Tür, öffnete sie und verbeugte sich, als Dumbledore hinausging. Fudge, an seinem Hut herumfummelnd, wartete darauf, daß Hagrid vorgehen würde, doch Hagrid rührte sich nicht vom Fleck und sagte deutlich vernehmbar:

»Wenn jemand etwas herausfinden will, muß er nur den Spinnen folgen. Die bringen ihn auf die Spur! Das ist alles, was ich zu sagen habe.«

Verdattert starrte ihn Fudge an.

»Schon gut, ich komme«, sagte Hagrid und zog seinen Maulwurfsmantel an. Doch im Hinausgehen hielt er noch einmal inne und sagte laut:»Und jemand muß Fang füttern, während ich weg bin.«

Die Tür schlug zu und Ron zog den Tarnumhang aus.

»Jetzt sitzen wir in der Tinte«, sagte er heiser.»Kein Dumbledore mehr. Da sollten sie die Schule lieber heute Nacht noch schließen. Wenn er auch nur einen Tag weg ist, gibt es einen neuen Angriff.«

Fang begann heulend an der geschlossenen Tür zu kratzen.