123301.fb2 Harry Potter und die Kammer des Schreckens - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 27

Harry Potter und die Kammer des Schreckens - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 27

Die Kammer des Schreckens

»Wir waren so oft in diesem Klo und sie war nur drei Türen entfernt«, sagte Ron verbittert beim Frühstück am nächsten Morgen,»wir hätten sie fragen können, aber jetzt…«

Den Spinnen nachzuspüren war schwer genug gewesen. jetzt würde es fast unmöglich sein, den Lehrern lange genug zu entkommen, um sich in ein Mädchenklo zu stehlen, das zu allem Überfluß auch noch unmittelbar am Schauplatz des ersten Angriffs lag.

Doch in der ersten Stunde, in Verwandlung, geschah etwas, das die Kammer des Schreckens zum ersten Mal seit Wochen aus ihren Köpfen vertrieb. Nach zehn Minuten Unterricht verkündete Professor McGonagall, ihre Prüfungen würden am ersten Juni beginnen, in genau einer Woche.

»Prüfungen?«, heulte Seamus Finnigan auf,»Wir haben trotz allem noch Prüfungen?«

Hinter Harry krachte es. Neville Longbottom war der Zauberstab aus der Hand gefallen und zwei Beine seines Tisches waren verschwunden. Professor McGonagall brachte sie mit einem Schlenker ihres Zauberstabs wieder zum Vorschein und wandte sich dann stirnrunzelnd Seamus zu.

»Wir halten die Schule einzig und allein deshalb geöffnet, damit Sie Ihre Ausbildung erhalten«, sagte sie streng.»Die Prüfungen finden daher wie üblich statt, und ich bin sicher, Sie alle werden den Stoff fleißig wiederholen.«

Fleißig wiederholen! Harry hätte nie gedacht, sie würden Prüfungen haben, bei all dem, was im Schloss passierte. Im Klassenzimmer gab es meutereilustiges Getuschel, und Professor McGonagall blickte noch finsterer in die Runde.

»Professor Dumbledores Anweisung lautet, den Unterricht möglichst wie gewohnt fortzusetzen«, sagte sie.»Und das, wie ich kaum weiter ausführen muß, heißt herauszufinden, wie viel Sie dieses Jahr gelernt haben.«

Harry schaute auf das Paar weißer Kaninchen, die er in Pantoffeln verwandeln sollte. Was hatte er bislang in diesem Schuljahr gelernt? Ihm fiel einfach nichts ein, was in einer Prüfung nützlich sein konnte.

Ron sah aus, als ob man ihm gerade gesagt hätte, er müsse fort und im Verbotenen Wald leben.

»Kannst du dir vorstellen, daß ich mit dem hier die Prüfungen bestehe?«, fragte er Harry und hob seinen Zauberstab, der gerade anfing laut zu pfeifen.

Drei Tage vor ihrer ersten Prüfung machte Professor McGonagall beim Frühstück eine weitere Ankündigung.

»Ich habe eine gute Nachricht«, sagte sie, und die Menge in der Große Halle, anstatt in Schweigen zu verfallen, brach in Gejohle aus.

»Dumbledore kommt zurück!«, riefen einige ausgelassen.

»Sie haben den Erben Slytherins gefangen«, quiekte ein Mädchen am Ravenclaw-Tisch.

»Es gibt wieder Quidditch-Spiele!«, dröhnte Wood begeistert.

Als der Tumult sich gelegt hatte, sagte Professor McGonagall:

»Professor Sprout hat mir mitgeteilt, daß die Alraunen endlich reif zum Schneiden sind. Wir werden die Versteinerten heute Abend noch wieder beleben können. Ich muss Sie wohl kaum daran erinnern, daß einer von ihnen uns vielleicht sagen wird, wer – oder was – ihn angegriffen hat. Ich habe die große Hoffnung, daß dieses schreckliche Jahr damit enden wird, daß wir den Schurken fassen.«

Dem folgte ohrenbetäubendes Kreischen. Harry sah hinüber zum Slytherin-Tisch und war keineswegs überrascht, daß Draco Malfoy nicht in das Freudengeheul einstimmen wollte. Ron hingegen schien besser gelaunt als seit Tagen.

»Dann ist es egal, daß wir Myrte nicht gefragt haben«, sagte er zu Harry.»Hermine wird wahrscheinlich alles wissen, wenn sie aufwacht! Ich sag dir, sie dreht durch, wenn sie erfährt, daß wir in drei Tagen Prüfungen haben. Sie hat ja nichts wiederholt. Vielleicht wäre es besser, sie in Ruhe zu lassen, bis alles vorbei ist.«

In diesem Moment kam Ginny Weasley herüber und setzte sich neben Ron. Sie sah angespannt und nervös aus und Harry bemerkte, daß sie die Hände im Schoß knetete.

»Was gibt's?«, sagte Ron und tat sich noch einen Schlag Haferbrei auf.

Ginny sagte nichts, sondern blickte ängstlich am Gryffindor-Tisch entlang. Sie erinnerte Harry an jemanden, doch er wußte nicht, an wen.

»Spuck's aus«, sagte Ron und musterte sie aufmerksam.

Harry fiel plötzlich ein, wem Ginny ähnlich sah. Sie wiegte sich im Sitzen leicht vor und zurück, genau wie Dobby, wenn er kurz davor war, verbotene Auskünfte zu geben.

»Ich muß euch etwas sagen«, murmelte Ginny und vermied sorgfältig jeden Blick auf Harry.

»Was denn?«, fragte Harry.

Ginny sah aus, als fände sie nicht die richtigen Worte.

»Was?«, fragte Ron.

Ginny öffnete den Mund, brachte jedoch kein Wort heraus. Harry beugte sich vor und sprach leise, so daß nur Ginny und Ron ihn hören konnten.

»Hat es etwas mit der Kammer des Schreckens zu tun? Hast du etwas gesehen? jemanden, der sich merkwürdig verhält?«

Ginny holte tief Luft und genau in diesem Moment erschien, müde und blaß, Percy Weasley.

»Wenn du fertig bist mit Essen, setz ich mich auf deinen Platz, Ginny, ich komm gerade vom Wachdienst.«

Ginny sprang auf, als ob der Stuhl ihr gerade einen elektrischen Schlag verpaßt hätte, warf Percy einen flüchtigen, angsterfüllten Blick zu und verschwand. Percy setzte sich und nahm sich einen Becher vom Tisch.

»Percy!«, sagte Ron zornig.»Sie wollte uns gerade etwas Wichtiges sagen!«

Percy, der gerade einen Schluck Tee genommen hatte, wäre daran fast erstickt.

»Um was geht es?«, sagte er hustend.

»Ich hab sie nur gefragt, ob sie etwas Merkwürdiges gesehen hätte, und sie wollte gerade etwas sagen -«

»Oh – das – das hat nichts mit der Kammer des Schreckens zu tun«, sagte Percy rasch.

»Woher weißt du das?«, sagte Ron mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Nun, ähm, wenn ihr es unbedingt wissen müßt, Ginny, ähm, lief mir letztens über den Weg, als ich – nun, egal – der Punkt ist, sie hat mich bei etwas gesehen und ich hab sie gebeten, es keinem zu erzählen. Ich muß sagen, sie hat offenbar Wort gehalten. Es ist nichts, wirklich, ich würde lieber -«

Harry hatte Percy noch nie mit einer so unbehaglichen Miene gesehen.

»Wobei hat sie dich erwischt, Percy?«, sagte Ron grinsend.»Komm schon, erzähl's uns, wir lachen bestimmt nicht.«

Percy erwiderte sein Lächeln nicht.

»Kannst du mir die Brötchen reichen, Harry, ich verhungere.«Harry wusste, daß das ganze Geheimnis morgen vielleicht ohne Myrtes Hilfe gelöst würde, doch er wollte sich eine Gelegenheit, mit ihr zu sprechen, nicht entgehen lassen, wenn sie sich bieten sollte – und zu seiner Freude kam eine, später am Morgen, als Gilderoy Lockhart sie zu Geschichte der Zauberei begleitete.

Lockhart, der ihnen so oft versichert hatte, jede Gefahr sei vorüber, nur um sofort widerlegt zu werden, war nun zutiefst davon überzeugt, daß es kaum die Mühe wert war, sie durch die Gänge zu geleiten. Sein Haar war nicht so geschniegelt wie sonst; offenbar war er die ganze Nacht auf gewesen und hatte im vierten Stock Wache geschoben.

»Denkt an meine Worte«, sagte er, während sie um eine Ecke bogen,»das Erste, was diese armen Versteinerten sagen werden, wird sein >es war Hagrid<. Offen gestanden bin ich erstaunt, daß Professor McGonagall diese Sicherheitsmaßnahmen noch für nötig hält.«

»Ich stimme Ihnen zu, Sir«, sagte Harry und vor Überraschung ließ Ron seine Bücher fallen.

»Ich danke Ihnen, Harry«, sagte Lockhart gnädig, während sie warteten, bis eine lange Reihe Hufflepuffs vorbeigezogen war.»Ich meine, als ob wir Lehrer nichts anderes zu tun hätten, als die Schüler in die Klassenzimmer zu begleiten und die ganze Nacht Wache zu halten…«

»Das stimmt«, sagte Ron, der den Faden aufgenommen hatte.»Lassen Sie uns doch hier allein, wir haben nur noch einen Korridor vor uns.«

»Wissen Sie was, Weasley, ich glaube, das tue ich«, sagte Lockhart.»Ich sollte wirklich gehen und meine nächste Stunde vorbereiten -«

Und er eilte davon.

»Seine Stunde vorbereiten«, höhnte ihm Ron nach.»Dreht sich jetzt wohl eher Lockenwickler ins Haar.«

Sie ließen sich hinter die anderen Gryffindors zurückfallen, glitten durch einen Seitengang und machten sich auf den Weg zum Klo der Maulenden Myrte. Doch gerade als sie sich zu ihrem gelungenen Streich beglückwünschen wollten -

»Potter! Weasley! Wohin denn so schnell?«

Es war Professor McGonagall und ihr Mund war der schmalste aller schmalen Striche.

»Wir wollten… wir wollten…«, stammelte Ron,»wir wollten… jemanden besuchen…«

»Hermine«, sagte Harry. Ron und Professor McGonagall sahen ihn an.

»Wir haben sie schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen, Professor«, fuhr Harry hastig fort und tappte Ron auf den Fuß,»und wir dachten, wir schleichen uns in den Krankenflügel, wissen Sie, und sagen ihr, daß die Alraunen fast fertig sind und sie sich keine Sorgen machen soll -«

Professor McGonagall starrte ihn immer noch an, und einen Moment lang glaubte Harry, sie würde explodieren, doch als sie sprach, hatte ihre Stimme einen seltsam krächzenden Ton angenommen.

»Natürlich«, sagte sie, und in einem ihrer Perlaugen sah Harry erstaunt eine Träne glitzern.»Natürlich, ich sehe ein, am schlimmsten war, es für die Freunde derer, die… Ich verstehe durchaus. Ja, Potter, natürlich dürfen Sie Miss Granger besuchen. Ich werde Professor Binns mitteilen, wo Sie stecken. Sagen Sie Madam Pomfrey, daß ich es erlaubt habe.«

Harry und Ron gingen davon. Sie konnten es kaum fassen, daß sie keine Strafarbeiten bekommen hatten. Als sie um die Ecke bogen, hörten sie deutlich, wie Professor McGonagall sich die Nase schneuzte.

»Das«, sagte Ron hingerissen,»war die beste Ausrede, die du je erfunden hast.«

Sie hatten jetzt keine andere Wahl als in den Krankenflügel zu gehen und Madam Pomfrey zu sagen, Professor McGonagall habe ihnen erlaubt, Hermine zu besuchen.

Madam Pomfrey ließ sie ein, wenn auch widerstrebend.

»Es ist einfach sinnlos, zu einer versteinerten Person zu sprechen«, sagte sie. Und als sie sich neben Hermine gesetzt hatten, mußten sie zugeben, daß sie Recht hatte. Offensichtlich hatte Hermine nicht die leiseste Ahnung, daß sie Besuch hatte, und genauso gut hätten sie ihrem Nachttisch sagen können, er solle sich nicht sorgen.

»Ich frag mich wirklich, ob sie den Angreifer gesehen hat«, sagte Ron und betrachtete traurig Hermines starres Gesicht.»Denn wenn er sich an alle von hinten herangeschlichen hat, werden wir es nie erfahren…«

Doch Harry sah nicht auf Hermines Gesicht. Er war mehr an ihrer rechten Hand interessiert. Sie lag zusammengeballt auf der Bettdecke, und als er sich über sie beugte, sah er, daß Hermine ein zerknülltes Stück Papier in der Faust hielt.

Er sah sich um, ob Madam Pomfrey in der Nähe war, dann machte er Ron darauf aufmerksam.

»Versuch es rauszuholen«, flüsterte Ron und rückte seinen Stuhl so, daß er Madam Pomfrey die Sicht auf Harry verdeckte.

Es war nicht einfach. Hermines Hand war so fest um das Papier geklammert, daß Harry schon fürchtete, er würde es zerreißen. Während Ron aufpaßte, zog und rüttelte er, und endlich, nach spannungsvollen Minuten, löste sich das Papier aus Hermines Hand.

Es war eine herausgerissene Seite aus einem alten Bibliotheksband. Harry glättete es neugierig und Ron beugte sich ebenfalls über das Blatt, um es zu lesen.

Von den vielen Furcht erregenden Biestern und Monstern, die unser Land durchstreifen, ist keines seltsamer oder tödlicher als der Basilisk auch bekannt als der König der Schlangen. Diese Schlange, die eine gigantische Größe erreichen und viele hundert Jahre alt werden kann, wird aus einem Hühnerei geboren, das von einer Kröte ausgebrütet wird, Der Basilisk tötet auf höchst wunderliche Weise, denn außer seinen tödlichen und giftigen Zähnen hat der Basilisk einen mörderischen Blick, und alle, die in den Bann seiner Augen geraten, erleiden den sofortigen Tod. Spinnen fliehen vor dem Basilisken, denn er ist ihr tödlicher Erbfeind, und der Basilisk entflieht nur dem Krähen des Hahns, das tödlich für ihn ist.

Darunter stand ein einziges Wort geschrieben und Harry erkannte Hermines Handschrift. Rohre.

Es war, als hätte jemand ein Licht in seinem Gehirn angeknipst.

»Ron«, keuchte er,»das ist es. Das ist die Antwort. Das Monster in der Kammer ist ein Basilisk – eine Riesenschlange! Darum hab ich überall diese Stimme gehört und niemand sonst. Weil ich nämlich Parsel verstehe…«

Harry blickte auf die Betten um ihn her.

»Der Basilisk tötet Menschen, indem er sie ansieht. Aber keiner ist gestorben – weil keiner ihm direkt ins Auge geschaut hat. Colin hat ihn durch seine Kamera gesehen. Der Basilisk hat den Film darin völlig verbrannt, aber Colin wurde nur versteinert. Justin… Justin muß den Basilisken durch den Fast Kopflosen Nick gesehen haben! Nick hat alles abbekommen, aber er konnte ja nicht noch mal sterben… und neben Hermine und der Vertrauensschülerin der Ravenclaws wurde ein Spiegel gefunden. Hermine hatte gerade erkannt, daß das Monster ein Basilisk ist. Ich wette jederzeit mit dir, sie hat den ersten Menschen, den sie traf, gewarnt und gesagt, es sei besser, erst mit einem Spiegel um die Ecken zu sehen! Und dieses Mädchen hat ihren Spiegel herausgeholt – und -«

Rons Unterkiefer war heruntergeklappt.

»Und Mrs Norris?«, flüsterte er beschwörend.

Harry dachte angestrengt nach und stellte sich vor, was in jener Halloween-Nacht geschehen war.

»Das Wasser…«, sagte er langsam.»Diese Überschwemmung aus dem Klo der Maulenden Myrte. Ich wette, Mrs Norris hat nur die Spiegelung gesehen…«

Aufgeregt überflog er das]Blatt in seiner Hand. je länger er es ansah, desto mehr verstand er.

»… dem Krähen des Hahns, das tödlich für ihn ist!«, las er laut.»Hagrids Hähne wurden umgebracht! Der Erbe Slytherins wollte keinen in der Nähe des Schlosses haben, wenn die Kammer geöffnet war! Spinnen fliehen vor dem Basilisken! Alles paßt zusammen!«

»Aber wie ist der Basilisk im Schloß herumgekommen?«, sagte Ron.»Eine große, häßliche Schlange… jemand hätte sie sehen müssen…«

Doch Harry deutete auf das Wort, das Hermine unten auf die Seite gekritzelt hatte.

»Rohre«, sagte er.»Rohre… Ron, es hat die Rohrleitungen benutzt. Ich hab diese Stimme aus den Wänden gehört…«

Ron packte jäh Harrys Arm.

»Der Eingang zur Kammer des Schreckens!«, sagte er mit rauher Stimme.»Was ist, wenn es ein Klo ist? Was ist, wenn es im -«

»- Klo der Maulenden Myrte ist«, sagte Harry.

Da saßen sie, ganz überwältigt von ihrer Entdeckung, und konnten es kaum glauben.

»Das heißt, ich kann nicht der einzige Parselmund in der Schule sein«, sagte Harry.»Der Erbe Slytherins ist auch einer. Damit hat er den Basilisken im Griff.«

»Was tun wir jetzt?«, fragte Ron mit blitzenden Augen.»Sollen wir einfach zu McGonagall gehen?«

»Gehen wir ins Lehrerzimmer«, sagte Harry und sprang auf.»In zehn Minuten ist sie dort, es ist gleich Pause.«

Sie rannten nach unten. Da sie nicht schon wieder entdeckt werden wollten, wie sie in einem Korridor herumlungerten, gingen sie geradewegs in das verlassene Lehrerzimmer. Es war ein großer getäfelter Raum voll dunkler Holzstühle. Harry und Ron liefen darin umher, zu aufgeregt, um sich zu setzen.

Doch die Pausenglocke läutete nicht.

Statt dessen hallte, magisch verstärkt, die Stimme von Professor McGonagall durch die Gänge.

»Die Schüler kehren sofort in ihre Schlafsäle zurück. Die Lehrer versammeln sich im Lehrerzimmer. Unverzüglich, bitte.«

Harry wirbelte herum und starrte Ron an.

»Nicht schon wieder ein Angriff! Nicht jetzt!«

»Was sollen wir tun?«, sagte Ron entgeistert.»In den Schlafsaal gehen?«

»Nein«, sagte Harry und blickte sich um. Zu seiner Rechten stand ein häßlicher Kleiderschrank voller Lehrerumhänge.»Da rein. Hören wir erst Mai, was eigentlich los ist. Dann können wir ihnen sagen, was wir herausgefunden haben.«

Sie versteckten sich im Schrank, lauschten dem Getrappel von hunderten von Schülern über ihren Köpfen und hörten dann, wie die Lehrerzimmertür aufging. Zwischen den muffigen Umhängen sahen sie einen Lehrer nach dem andern in den Raum kommen. Manche sahen verwirrt aus, andere gaben sich keine Mühe, ihre Angst zu verbergen. Dann kam Professor McGonagall herein.

»Es ist passiert«, erklärte sie den stumm vor ihr Versammelten.»Das Monster hat einen Schüler entführt. Und zwar in die Kammer.«

Professor Flitwick stieß einen spitzen Schrei aus. Professor Sprout schlug sich die Hände auf den Mund. Snape umklammerte eine Stuhllehne und sagte:

»Woher wissen Sie das so genau?«

»Der Erbe Slytherins«, sagte Professor McGonagall, nun ganz weiß im Gesicht,»hat eine weitere Botschaft hinterlassen. Direkt unter der ersten. >Ihr Skelett wird für immer in der Kammer liegen<.«

Professor Flitwick brach in Tränen aus.

»Wer ist es?«, sagte Madam Hooch, die mit weichen Knien auf einen Stuhl gesunken war.»Welche Schülerin?«

»Ginny Weasley«, sagte Professor McGonagall.

Harry spürte, wie Ron neben ihm stumm auf den Schrankboden sank.

»Wir werden morgen alle Schüler nach Hause schicken müssen«, sagte Professor McGonagall.»Das ist das Ende von Hogwarts. Dumbledore hat immer gesagt…«

Wieder ging die Lehrerzimmertür auf. Einen erregten Moment lang war sich Harry sicher, es sei Dumbledore. Doch es war Lockhart, und er strahlte.

»Tut mir ja so Leid – bin eingedöst – was hab ich verpaßt?«

Er schien nicht zu bemerken, daß die anderen Lehrer ihn mit einem Ausdruck anstarrten, der deutlich an Haß erinnerte. Snape trat vor.

»Genau der Richtige«, sagte er.»Der richtige Mann. Das Monster hat ein Mädchen entführt, Lockhart. Hat sie in die Kammer des Schreckens gebracht. Ihre Stunde ist nun endlich gekommen.«

Lockhart schreckte zurück.

»Das stimmt, Gilderoy«, warf Professor Sprout ein,»haben Sie nicht erst gestern Abend gesagt, Sie hätten immer gewußt, wo der Eingang zur Kammer des Schreckens ist?«

»Ich – nun, ich -«, stammelte Lockhart.

»Ja, haben Sie mir nicht gesagt, Sie wüßten sicher, was in der Kammer verborgen ist?«, piepste Professor Flitwick.

»Hab – hab ich? Kann mich nicht erinnern -«

»Ich weiß noch genau, wie Sie gesagt haben, es sei schade, daß Sie es nicht mit dem Monster aufnehmen durften, bevor Hagrid verhaftet wurde«, sagte Snape.»Sagten Sie nicht, die ganze Sache sei stümperhaft angegangen worden und daß man Ihnen von Anfang an hätte freie Hand lassen sollen?«

Lockhart starrte in die versteinerten Gesichter seiner Kollegen.

»Ich – ich hab wirklich nie – da haben Sie mich wohl falsch verstanden -«

»Wir überlassen es also Ihnen, Gilderoy«, sagte Professor McGonagall.»Heute Nacht ist die beste Zeit dafür. Wir sorgen dafür, daß Ihnen niemand in die Quere kommt. Sie können es dann ganz allein mit dem Monster aufnehmen. Endlich freie Hand für Sie.«

Lockhart blickte verzweifelt in die Runde, doch keiner kam ihm zu Hilfe. Er sah jetzt nicht im Entferntesten mehr hübsch aus. Seine Lippen zitterten und ohne sein übliches zähneblitzendes Grinsen sah er schlaffwangig und gebrechlich aus.

»N… nun gut«, sagte er.»Ich geh in mein Büro und – bereite mich vor.«

Und er ging hinaus.

»Schön«, sagte Professor McGonagall mit geblähten Nasenflügeln,» jetzt haben wir ihn aus dem Weg. Die Hauslehrer sollten nun gehen und ihren Schülern mitteilen, was geschehen ist. Sagen Sie ihnen, der Hogwarts-Express wird sie gleich morgen früh nach Hause bringen. Und ich bitte die anderen, sich zu vergewissern, daß kein Schüler mehr außerhalb der Schlafsäle geblieben ist.«

Die Lehrer erhoben sich und gingen einer nach dem andern hinaus. Es war wohl der schlimmste Tag in Harrys ganzem Leben. Er, Ron, Fred und George saßen zusammen in einer Ecke des Gemeinschaftsraums und brachten kein Wort heraus. Percy war nicht da. Er war weggegangen, um Mr und Mrs Weasley eine Eule zu schicken, und hatte sich dann in seinem Zimmer eingeschlossen.

Kein Nachmittag hatte je so lange gedauert wie dieser und nie war es im Gryffindor-Turm so voll und zugleich so still gewesen. Bei Sonnenuntergang gingen Fred und George, die nicht mehr länger herumsitzen konnten, nach oben und zu Bett.

»Sie wußte etwas, Harry«, sagte Ron und sprach damit zum ersten Mal, seit sie sich im Lehrerschrank versteckt hatten.»Deshalb wurde sie entführt. Es war nicht irgendein Blödsinn mit Percy. Sie hat etwas über die Kammer des Schreckens herausgefunden. Das muß der Grund sein, weshalb sie -«Ron rieb sich fieberhaft die trockenen Augen.»Ich meine, sie hat reines Blut. Es kann keinen anderen Grund geben.«

Blutrot sah Harry am Horizont die Sonne untergehen. So schlecht hatte er sich noch nie gefühlt. Wenn er nur etwas tun könnte. Irgend etwas.

»Harry«, sagte Ron.»Glaubst du, es könnte vielleicht doch sein, daß sie nicht – du weißt schon -«

Harry wußte nicht, was er sagen sollte. Er konnte sich nicht vorstellen, daß Ginny noch am Leben war.

»Weißt du was?«, sagte Ron.»Ich glaube, wir sollten zu Lockhart gehen. Ihm sagen, was wir wissen. Er wird versuchen, in die Kammer zu kommen. Wir können ihm sagen, wo wir glauben, daß sie ist, und daß ein Basilisk dort drinsteckt.«

Weil Harry nichts Besseres einfiel und auch er etwas tun wollte, stimmte er zu. Die Gryffindors um sie her waren so niedergeschlagen und die Weasleys taten ihnen so Leid, daß keiner versuchte sie aufzuhalten, als sie aufstanden, den Raum durchquerten und durch das Porträtloch stiegen.

Dunkelheit fiel über das Schloß, während sie zu Lockharts Büro hinuntergingen. Drinnen schien einiges los zu sein. Sie konnten Schleifen und Poltern und eilige Schritte hören.

Harry klopfte und hinter der Tür wurde es jäh still. Dann öffnete sie sich einen winzigen Spaltbreit und sie sahen ein Auge Lockharts.

»Oh – Mr Potter – Mr Weasley -«, sagte er und öffnete die Tür einen Daumenbreit weiter.»Ich bin im Augenblick sehr beschäftigt – wenn Sie sich beeilen würden -«

»Professor, wir haben Ihnen etwas Wichtiges zu sagen«, erklärte Harry.»Wir glauben, es wird Ihnen helfen.«

»Ähm – nun – es ist nicht unbedingt -«Die Seite von Lockharts Gesicht, die sie sehen konnten, sah sehr verlegen aus.»Ich meine – nun – also gut -«

Er öffnete die Tür und sie traten ein.

Sein Büro war fast ganz ausgeräumt. Zwei große Schrankkoffer standen aufgeklappt auf dem Boden. Umhänge, jadegrün, lila, mitternachtsblau, waren in aller Hast in den einen gepackt worden, Bücher stapelten sich kreuz und quer im anderen. Die Fotos, die die Wände bedeckt hatten, lagen in Kisten gestopft auf dem Schreibtisch.

»Gehen Sie etwa fort?«, fragte Harry.

»Ähm, nun, ja«, sagte Lockhart, riß ein lebensgroßes Poster seiner selbst von der Tür und fing an, es aufzurollen.»Dringender Ruf – unvermeidlich – muß gehen -«

»Was ist mit meiner Schwester?«, stieß Ron hervor.

»Nun, was das angeht – unglückliche Sache _«, sagte Lockhart und mied ihre Blicke, während er eine Schublade herauszog und deren Inhalt in eine Tasche kippte.»Keiner bedauert das mehr als ich -«

»Sie sind der Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste!«, sagte Harry,»Sie können doch jetzt nicht gehen! Bei all den dunklen Machenschaften hier!«

»Nun, ich muß sagen, als ich die Stelle übernahm -«, murmelte Lockhart und häufte jetzt Socken auf seine Umhänge,»nichts davon in der Stellenbeschreibung – hab nicht erwartet -«

»Wollen Sie sagen, Sie hauen ab?«, sagte Harry ungläubig.»Nach all dem, was Sie in Ihren Büchern tun -«

»Bücher können irreführen«, sagte Lockhart behutsam.

»Sie haben sie selbst geschrieben«, rief Harry.

»Mein lieber Junge«, sagte Lockhart, richtete sich auf und sah Harry stirnrunzelnd an.»Benutzen Sie doch Ihren gesunden Menschenverstand. Meine Bücher hätten sich nicht halb so gut verkauft, wenn die Leute nicht glauben würden, ich hätte das alles getan. Keiner will etwas über einen häßlichen alten armenischen Zauberer lesen, auch wenn er ein Dorf vor den Werwölfen gerettet hat. Auf dem Umschlag würde er fürchterlich aussehen. Keinen Schimmer, wie man sich gut anzieht. Und die Hexe, die die Todesfee von Bandon verbannt hat, hatte eine Hasenscharte. Na hören Sie mal -«

»Also haben Sie einfach den Ruhm für das eingeheimst, was andere Leute getan haben?«, sagte Harry ungläubig.

»Harry, Harry«, sagte Lockhart, ungeduldig den Kopf schüttelnd.»Gar so einfach ist es nicht. Es hat Arbeit gekostet. Ich mußte diese Leute aufspüren. Sie fragen, wie sie es genau gemacht haben. Dann mußte ich sie mit einem Vergessenszauber belegen, so daß sie sich nicht daran erinnern würden. Wenn es etwas gibt, auf das ich stolz bin, dann sind es meine Vergessenszauber. Nein, es war eine Menge Arbeit, Harry. Es reicht nicht, Bücher zu signieren und Fotos in den Zeitungen zu haben, müssen Sie wissen. Wenn Sie Ruhm wollen, müssen Sie sich auf eine ziemliche Schinderei vorbereiten.«

Er schlug die Kofferdeckel zu und verschloß sie.

»Mal sehen«, sagte er.»Ich glaube, ich hab alles. ja. Nur noch eins.«

Er zückte seinen Zauberstab und drehte sich zu ihnen herum.

»Tut mir furchtbar Leid, Jungs, aber ich muß euch jetzt mit einem Vergessenszauber belegen. Kann es nicht brauchen, wenn ihr all meine Geheimnisse ausplaudert. Ich würde kein Buch mehr verkaufen -«

Harry kam noch rechtzeitig an seinen Zauberstab. Lockhart wollte gerade seinen heben, als Harry rief.-»Expelliarmus!«

Lockhart flog nach hinten und fiel rücklings über seinen Koffer. Sein Zauberstab wirbelte durch die Luft; Ron fing ihn auf und warf ihn aus dem offenen Fenster.

»Den hätten Sie uns von Professor Snape nicht zeigen lassen dürfen«, sagte Harry wütend und stieß Lockharts Koffer zur Seite. Lockhart, der nun wieder schlaff wirkte, sah zu ihm hoch. Harry hatte den Zauberstab immer noch auf ihn gerichtet.

»Was haben Sie vor?«, sagte Lockhart mit matter Stimme.»Ich weiß nicht, wo die Kammer des Schreckens ist. Ich kann nichts tun.«

»Sie haben Glück«, sagte Harry und zwang Lockhart mit vorgehaltenem Zauberstab aufzustehen.»Wir glauben zu wissen, wo sie ist. Und was drin ist. Gehen wir.«

Lockhart vor sich herschiebend verließen sie das Büro und gingen die nächste Treppe hinunter, den dunklen Korridor entlang, wo die Botschaften an den Wänden leuchteten, bis zur Klotür der Maulenden Myrte.

Sie schickten Lockhart als Ersten hinein. Harry sah vergnügt, daß er zitterte.

Die Maulende Myrte saß auf der Kloschüssel in der letzten Kabine.

»Oh, du bist es«, sagte sie, als sie Harry erkannte.»Was willst du diesmal?«

»Dich fragen, wie du gestorben bist«, sagte Harry.

Schlagartig änderte sich Myrtes ganzes Gebaren. Sie sah aus, als ob ihr noch nie jemand eine so schmeichelhafte Frage gestellt hätte.

»Ooooh, das war schrecklich«, sagte sie genüßlich.»Es ist hier drin geschehen. Ich bin in dieser Kabine gestorben. Ich erinnere mich noch so gut daran. Ich versteckte mich, weil Olive Hornby mich wegen meiner Brille hänselte. Die Tür war verriegelt, und ich weinte, und dann hörte ich jemanden hereinkommen. Dann wurde etwas Komisches gesagt. Eine andere Sprache muß es gewesen sein. jedenfalls, was mich wirklich gewundert hat, war, daß ein Junge sprach. Also hab ich die Tür aufgemacht, um ihm zu sagen, er solle gefälligst verschwinden und sein eigenes Klo benutzen, und dann -«Myrte schwoll an und ihr Gesicht glänzte»- dann bin ich gestorben.«

»Wie?«, sagte Harry.

»Keine Ahnung«, sagte Myrte mit gedämpfter Stimme.»Ich weiß nur noch, daß ich ein Paar großer gelber Augen gesehen habe. Mein ganzer Körper wurde starr und dann bin ich davongeschwebt…«Sie sah Harry traumverloren an.»Und dann kam ich wieder zurück. Ich war entschlossen, mit Olive Hornby meinen Schabernack zu treiben. Oh, es tat ihr ja so Leid, daß sie jemals über meine Brille gelacht hatte.«

»Wo genau hast du diese Augen gesehen?«, sagte Harry.

»Irgendwo dort«sie deutete auf das Waschbecken gegenüber.

Harry und Ron stürzten darauf zu. Lockhart hielt sich im Hintergrund, mit einem Ausdruck sprachlosen Entsetzens im Gesicht.

Es sah aus wie ein gewöhnliches Waschbecken. Sie untersuchten jeden Zentimeter, innen und außen, und auch die Rohre darunter. Und dann stutzte Harry: an der Seite eines der kupfernen Wasserhähne war eine winzige Schlange eingekratzt.

»Der Hahn hat nie funktioniert«, sagte Myrte munter, als sie ihn aufdrehen wollten.

»Harry«, sagte Ron.»Sag was. Etwas in der Parselsprache.«

»Aber -«Harry überlegte fieberhaft. Er hatte immer nur dann Parsel sprechen können, wenn er es mit einer echten Schlange zu tun hatte. Er starrte die winzige Gravur an und versuchte sich vorzustellen, es sei eine lebende Schlange.

»Mach auf«, sagte er.

Er sah Ron an, der den Kopf schüttelte.

»Noch mal«, sagte er.

Harry blickte wieder auf die Schlange und versuchte sich einzureden, sie würde leben. Wenn er den Kopf bewegte, sah es im Kerzenlicht so aus, als würde sie ein wenig schlängeln.

»Mach auf«, sagte er.

Doch es waren nicht diese Worte, die er hörte; ein unheimliches Zischen war ihm entwischt, und sofort erglühte der Hahn strahlend hell und begann sich zu drehen – kurz darauf begann sich das Waschbecken zu bewegen. Es versank gänzlich in die Wand und gab das Ende eines großen Rohres frei, breit genug, damit ein Mensch hindurchrutschen konnte.

Harry hörte Ron aufstöhnen und sah hoch. Er faßte einen Entschluß.

»Ich gehe da runter«, sagte er.

Er konnte jetzt nicht weggehen, nicht jetzt, da sie den Eingang zur Kammer gefunden hatten, nicht, wenn es auch nur den geringsten, unglaublichsten, verrücktesten Hoffnungsschimmer gab, daß Ginny noch lebte.

»Ich auch«, sagte Ron.

Einen Moment lang herrschte Schweigen.

»Nun, Sie scheinen mich wohl kaum zu brauchen«, sagte Lockhart mit dem Schatten seines alten Lächelns auf dem Gesicht.»Ich werde dann -«

Er griff zum Türknopf, doch Ron und Harry richteten ihre Zauberstäbe auf ihn.

»Sie werden als Erster gehen«, knurrte Ron.

Weiß im Gesicht und zauberstablos näherte sich Lockhart der Öffnung.

»Jungs«, sagte er mit schwacher Stimme. Jungs, was nützt das?«

Harry stach ihm mit dem Zauberstab in den Rücken. Lockhart steckte die Beine in das Rohr.

»Ich glaube wirklich nicht -«, fing er an, doch Ron gab ihm einen Stoß und er schlitterte davon. Harry folgte ihm rasch. Er stieg ins Rohr hinein und ließ sich hinabgleiten.

Es war, als rauschte er eine endlose, schleimige, dunkle Rutschbahn hinab. Er sah andere Rohre in alle Richtungen abzweigen, doch keines war so dick wie das ihre, das in unendlich vielen Windungen steil abwärts lief, und Harry wußte, daß es tief hinabging unter die Schule, in Tiefen weit unterhalb der Kerker. Hinter sich konnte er Ron hören, den es in den Biegungen sacht gegen die Wände schlug.

Und dann, gerade als Harry besorgt überlegte, wie er auf dem Boden aufschlagen würde, bog sich das Rohr nach oben und lief aus. Mit einem nassen Glubschen kullerte er heraus und landete auf dem feuchten Boden eines dunklen Steintunnels, hoch genug, um darin stehen zu können. Harry trat zur Seite, und hinter ihm plumpste Ron aus dem Rohr.

»Wir müssen meilenweit unter der Schule sein«, sagte Harry und seine Stimme hallte im dunklen Tunnel wider.

»Unter dem See wahrscheinlich«, sagte Ron und musterte die glitschigen Wände.

Alle drei drehten sich um und starrten in die Dunkelheit vor ihnen.

»Lumos!«, murmelte Harry seinem Zauberstab zu und der begann wieder zu leuchten.»Weiter geht's«, sagte er zu Ron und Lockhart und sie gingen los, ihre Schritte klatschten laut auf dem nassen Boden.

Im Tunnel war es so dunkel, daß sie nur ein paar Meter weit sehen konnten. Im Licht des Zauberstabs wirkten ihre Schatten an den Wänden wie Riesen.

»Nicht vergessen«, sagte Harry, während sie vorsichtig weitergingen,»wenn sich irgendwas bewegt, gleich die Augen schließen…«

Doch der Tunnel war still wie ein Grab, und das erste unerwartete Geräusch, das sie hörten, war ein lautes Knirschen, als Ron auf etwas trat, das sich als Rattenschädel herausstellte. Harry richtete den Zauberstab auf den Boden und sah, daß er übersät war mit kleinen Tierknochen. Angestrengt versuchte er, den Gedanken zu vertreiben, wie Ginny wohl aussehen würde, wenn sie sie fänden, und führte die anderen weiter durch eine dunkle Biegung des Tunnels.

»Harry – da oben ist etwas -«, sagte Ron heiser und packte Harrys Schulter.

Sie erstarrten und sahen nach oben. Harry konnte den Umriß von etwas Riesigem und Rundem sehen, das quer im Tunnel lag. Es bewegte sich nicht.

»Vielleicht schläft es«, flüsterte er mit einem Blick zurück auf die andern beiden. Lockhart hatte die Hände auf die Augen gepreßt. Harry wandte sich wieder um und blickte zu dem Wesen empor, und sein Herz schlug so schnell, daß es schmerzte.

Sehr langsam, mit erhobenem Zauberstab, die Augen zu winzigen Schlitzen verengt, schlich Harry sich weiter vor.

Das Licht huschte über eine gigantische Schlangenhaut von leuchtend giftgrüner Farbe, die zusammengerollt und leer quer über dem Tunnelboden lag. Das Geschöpf, das sie abgeworfen hatte, mußte mindestens sieben Meter lang sein.

»Ich faß es nicht«, sagte Ron matt.

Plötzlich bewegte sich etwas hinter ihnen. Gilderoy Lockharts Knie hatten nachgegeben.

»Stehen Sie auf«, sagte Ron scharf und richtete den Zauberstab auf Lockhart.

Lockhart rappelte sich hoch – und dann hechtete er auf Ron zu und schlug ihn zu Boden.

Harry sprang vor, doch zu spät – Lockhart erhob sich keuchend, Rons Zauberstab in der Hand und ein strahlendes Lächeln im Gesicht.

»Schluß mit lustig, Jungs!«, sagte er.»Ich nehme ein Stück von dieser Haut nach oben und sag ihnen, es sei zu spät gewesen, um das Mädchen zu retten, und daß ihr beide angesichts ihres zerfleischten Körpers tragischerweise den Verstand verloren hättet – sagt eurem Gedächtnis Adieu!«

Er hob Rons zauberbandgeflickten Stab hoch über den Kopf und rief»Amnesia!«.

Der Zauberstab explodierte mit der Sprengkraft einer kleinen Bombe. Harry schlang die Arme um den Kopf und rannte los, stolperte über die Reste der Schlangenhaut und versuchte den großen Stücken Tunneldecke auszuweichen, die auf den Boden donnerten. Einen Augenblick später war er allein und starrte auf eine undurchdringliche Wand aus herabgestürzten Felsstücken.

»Ron!«, rief er,»bist du okay? Ron!«

»Ich bin hier«, ertönte eine gedämpfte Stimme hinter dem Felseinbruch.»Ich bin okay – der Aufschneider allerdings nicht – der Zauberstab hat ihn umgerissen -«

Es gab einen dumpfen Schlag und ein lautes»Au!«. Es hörte sich an, als hätte Ron Lockhart soeben gegen das Schienbein getreten.

»Was jetzt?«, ertönte Rons verzweifelt klingende Stimme.»Wir kommen hier nicht durch – das dauert eine Ewigkeit…«

Harry sah zur Tunneldecke empor. Gewaltige Risse waren jetzt zu sehen. Er hatte noch nie versucht, etwas so Riesiges wie diese Felsen entzweizuzaubern, und dies schien nicht der richtige Moment, um es zu probieren – was, wenn der Tunnel einbrach?

Hinter den Felsen hörte er einen weiteren Schlag und abermals ein»Au!«. Sie verschwendeten ihre Zeit. Ginny war jetzt schon einige Stunden in der Kammer des Schreckens… Harry wußte, daß er nur eins tun konnte.

»Warte dort«, rief er Ron zu.»Warte mit Lockhart. Ich geh weiter… wenn ich in einer Stunde nicht zurück bin…«

Eine sehr gespannte Pause trat ein.

»Ich probier ein paar dieser Felsen wegzuschieben«, antwortete Ron, der offenbar versuchte seine Stimme ruhig klingen zu lassen.»So daß du – zurückkannst. Und, Harry -«

»Wir sehen uns gleich«, sagte Harry und packte so viel Zuversicht in seine zitternde Stimme wie nur möglich.

Dann machte er sich an der riesigen Schlangenhaut vorbei allein auf den Weg.

Bald hörte er nur noch von fern, wie Ron versuchte die Felsen wegzuschieben, und dann war es still. In endlosen Biegungen wand sich der Tunnel fort. jeder Nerv in Harrys Körper vibrierte unangenehm. Er wünschte, der Tunnel wäre zu Ende, doch ihm graute davor, was er dann finden würde. Und dann, endlich, als er um eine Biegung schlich, sah er vor sich eine Wand, in die zwei ineinander geflochtene Schlangen eingemeißelt waren. Ihre Augen waren große schimmernde Smaragde.

Mit ausgetrockneter Kehle trat Harry näher. Es war nicht nötig, sich einzubilden, daß diese steinernen Schlangen echt waren, denn ihre Augen sahen unheimlich lebendig aus.

Er ahnte, was er zu tun hatte. Er räusperte sich und die Smaragdaugen schienen aufzuflackern.

»Öffnet!«sagte Harry mit einem tiefen, schwachen Zischen.

Die Schlangen entflochten sich und in der Wand tat sich ein Spalt auf Die beiden Wandhälften glitten sanft zur Seite und Harry; von Kopf bis Fuß zitternd, trat ein.