123303.fb2 Harry Potter und der Halbblutprinz - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 19

Harry Potter und der Halbblutprinz - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 19

Elfen helfen

»Also alles in allem nicht gerade Rons schönster Geburtstag?«, sagte Fred.

Es war Abend; im Krankenflügel herrschte Ruhe, die Vorhänge waren zugezogen, die Lampen brannten. Rons Bett war das einzige, das belegt war. Harry, Hermine und Ginny saßen um ihn herum; sie hatten den ganzen Tag draußen vor der Flügeltür gewartet, und immer wenn jemand kam oder ging, hatten sie versucht einen Blick hineinzuwerfen. Madam Pomfrey hatte sie erst um acht Uhr eingelassen. Fred und George waren um zehn nach acht angekommen.

»So haben wir uns die Geburtstagsbescherung eigentlich nicht vorgestellt«, sagte George bitter, legte ein großes eingepacktes Geschenk auf Rons Nachtschränkchen und setzte sich neben Ginny.

»Ja, als wir uns die Szene ausgemalt haben, war er bei Bewusstsein«, ergänzte Fred.

»Da ist man schon mal in Hogsmeade und will ihn überraschen«, sagte George.

»Ihr wart in Hogsmeade?«, fragte Ginny und blickte auf.

»Wir hatten überlegt, Zonkos Laden zu kaufen«, sagte Fred düster. »Eine Filiale in Hogsmeade, weißt du, aber das wär ein schöner Reinfall, wenn ihr an den Wochenenden nicht mehr rausdürft, um bei uns einzukaufen … aber das ist jetzt sowieso egal.«

Er zog einen Stuhl neben den von Harry und betrachtete Rons blasses Gesicht.

»Wie ist es genau passiert, Harry?«

Harry wiederholte noch einmal die Geschichte, die er, wie es ihm vorkam, schon hundertmal erzählt hatte: Dumbledore, McGonagall, Madam Pomfrey, Hermine und Ginny.

»… und dann hab ich ihm den Bezoar in den Rachen gesteckt, er hat ein wenig freier geatmet, Slughorn ist losgerannt, um Hilfe zu holen, McGonagall und Madam Pomfrey sind aufgetaucht und haben Ron hier hochgebracht. Sie meinen, er kommt durch. Madam Pomfrey sagt, er muss etwa eine Woche hier bleiben … und immer schön Weinrautenessenz einnehmen …«

»Mensch, zum Glück ist dir der Bezoar eingefallen«, sagte George mit gedämpfter Stimme.

»Zum Glück war einer im Zimmer«, antwortete Harry, dem bei der Vorstellung, was passiert wäre, wenn er den kleinen Stein nicht hätte auftreiben können, jedes Mal eiskalt wurde.

Hermine schniefte fast unhörbar. Sie war den ganzen Tag über ungewöhnlich still gewesen. Mit bleichem. Gesicht war sie draußen vor dem Krankenflügel auf Harry zugestürzt und hatte ihn gefragt, was passiert sei. Danach hatte sie sich kaum an Harrys und Ginnys hitziger Diskussion darüber beteiligt, wie Ron vergiftet worden war, sondern nur mit zusammengepressten Lippen und beklommener Miene neben ihnen gestanden, bis sie endlich zu Ron hineindurften.

»Wissen Mum und Dad Bescheid?«, fragte Fred Ginny.

»Sie haben ihn schon gesehen, sie sind vor einer Stunde angekommen – im Moment sind sie in Dumbledores Büro, aber sie werden bald zurück sein …«

Eine Zeit lang sahen sie stumm zu, wie Ron im Schlaf ein wenig vor sich hin murmelte.

»Das Gift war also in dem Getränk?«, sagte Fred leise.

»Ja«, antwortete Harry sofort; er konnte an nichts anderes denken und war froh, wieder darüber reden zu können. »Slughorn hat es eingeschenkt.«

»Hätte er etwas in Rons Glas mischen können, ohne dass du es mitbekommen hättest?«

»Wahrscheinlich«, sagte Harry, »aber warum sollte Slughorn Ron vergiften wollen?«

»Keine Ahnung«, sagte Fred stirnrunzelnd. »Du meinst nicht, dass er die Gläser vielleicht aus Versehen verwechselt hat? Und es in Wahrheit auf dich abgesehen hatte?«

»Warum sollte Slughorn Harry vergiften wollen?«, fragte Ginny.

»Weiß nicht«, sagte Fred, »aber es muss eine Menge Leute geben, die Harry gern vergiften würden, stimmt's? Von wegen der ›Auserwählte‹ und so.«

»Du glaubst also, dass Slughorn ein Todesser ist?«, fragte Ginny.

»Möglich ist alles«, sagte Fred geheimnisvoll.

»Er könnte unter dem Imperius-Fluch stehen«, sagte George.

»Oder er ist unschuldig«, sagte Ginny. »Das Gift war womöglich in der Flasche, und dann war es wahrscheinlich für Slughorn selbst bestimmt.«

»Wer sollte Slughorn umbringen wollen?«

»Dumbledore meint, Voldemort hätte Slughorn gern auf seiner Seite gehabt«, sagte Harry. »Slughorn hat sich ein Jahr lang versteckt, ehe er nach Hogwarts kam. Und …«, er dachte an die Erinnerung, die Dumbledore Slughorn nicht hatte abringen können, »und vielleicht will ihn Voldemort aus dem Weg räumen, vielleicht glaubt er, Slughorn könnte für Dumbledore wertvoll sein.«

»Aber du hast gesagt, dass Slughorn vorhatte, diese Flasche Dumbledore zu Weihnachten zu schenken«, erinnerte ihn Ginny. »Also hätte es der Giftmischer ja genauso gut auf Dumbledore abgesehen haben können.«

»Dann hat der Giftmischer Slughorn nicht besonders gut gekannt«, meldete sich Hermine zum ersten Mal seit Stunden zu Wort, und sie hörte sich an, als hätte sie einen üblen Schnupfen. »Jeder, der Slughorn kennt, hätte gewusst, dass er so einen köstlichen Tropfen mit ziemlicher Sicherheit selbst behalten würde.«

»Er-mie-nee«, krächzte Ron unerwartet zwischen ihnen.

Sie verstummten und sahen ihn besorgt an, aber er murmelte nur kurz etwas Unverständliches und begann dann zu schnarchen.

Die Tür des Krankensaals flog auf, und sie zuckten alle zusammen. Hagrid kam mit wehendem Bärenfellmantel und einer Armbrust in der Hand auf sie zugeschritten, sein Haar war nass vom Regen und er hinterließ überall auf dem Boden schlammige, metergroße Fußspuren.

»War 'n ganzen Tag im Wald!«, keuchte er. »Aragog geht's schlechter, ich hab ihm vorgelesen – bin grad erst zum Abendessen gekommen, und dann hat mir Professor Sprout das mit Ron erzählt! Wie geht's ihm?«

»Nicht schlecht«, sagte Harry. »Sie sagen, er kommt durch.«

»Nicht mehr als sechs Besucher auf einmal!«, mahnte Madam Pomfrey, die aus ihrem Büro herbeieilte.

»Mit Hagrid sind wir sechs«, betonte George.

»Oh … ja …«, sagte Madam Pomfrey, die Hagrid wegen seiner Riesenhaftigkeit offenbar gleich mehrfach gezählt hatte. Um ihre Verwirrung zu überspielen, hastete sie davon und putzte seine schlammigen Fußspuren mit dem Zauberstab weg.

»Ich glaub es nich«, sagte Hagrid heiser und schüttelte seinen großen zotteligen Kopf, während er auf Ron hinabstarrte. »Ich glaub's einfach nich … seht ihn euch an, wie er daliegt … wer würd ihm denn 'n Haar krümmen wollen?«

»Genau darüber haben wir eben geredet«, sagte Harry. »Wir wissen es nicht.«

»Nich dass einer 'nen Hass auf die Quidditch-Mannschaft von Gryffindor schiebt, oder?«, sagte Hagrid besorgt. »Erst Katie, jetz' Ron …«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand gleich eine ganze Quidditch-Mannschaft umlegen will«, sagte George.

»Wood hätte die Slytherins vielleicht erledigt, wenn er damit durchgekommen wäre«, wandte Fred zu Recht ein.

»Also, ich glaube nicht, dass es um Quidditch geht, aber ich glaube, dass es einen Zusammenhang zwischen den beiden Angriffen gibt«, sagte Hermine leise.

»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Fred.

»Na ja, erstens sollten beide tödlich sein und waren es nicht, auch wenn das reines Glück war. Und zweitens scheint weder das Gift noch das Halsband in die Hände der Person gelangt zu sein, die umgebracht werden sollte. Natürlich«, fügte sie nachdenklich hinzu, »macht das die Person, die dahintersteckt, in gewisser Weise sogar noch gefährlicher, weil es ihr offenbar egal ist, wie viele Leute sie tötet, bis sie tatsächlich an ihr Opfer kommt.«

Noch ehe jemand auf diese düstere Aussage etwas erwidern konnte, ging die Flügeltür erneut auf und Mr und Mrs Weasley eilten durch den Krankensaal. Bei ihrem vorigen Besuch am Krankenbett hatten sie sich nur davon überzeugt, dass Ron wieder völlig genesen würde: Jetzt riss Mrs Weasley Harry an sich und schloss ihn ganz fest in die Arme.

»Dumbledore hat uns erzählt, dass du ihn mit dem Bezoar gerettet hast«, schluchzte sie. »Oh, Harry, mir fehlen die Worte. Du hast Ginny gerettet … du hast Arthur gerettet … und jetzt hast du Ron gerettet …«

»Das ist doch … ich hab nicht …«, murmelte Harry verlegen.

»Sieht ganz so aus, als ob die Hälfte unserer Familie dir ihr Leben verdankt, wenn ich's mir recht überlege«, sagte Mr Weasley mit erstickter Stimme. »Also, ich kann nur sagen, es war ein glücklicher Tag für die Weasleys, als Ron beschloss, sich im Hogwarts-Express zu dir ins Abteil zu setzen, Harry.«

Harry fiel nichts ein, was er darauf antworten konnte, und er war beinahe froh, als Madam Pomfrey sie von neuem daran erinnerte, dass nur sechs Besucher an Rons Bett zugelassen waren; er und Hermine standen sofort auf, um zu gehen, und Hagrid beschloss, mit ihnen aufzubrechen und Ron und seine Familie allein zu lassen.

»'s is' schrecklich«, brummte Hagrid in seinen Bart, als die drei den Korridor entlang zurück zur Marmortreppe gingen. »All der neue Sicherheitskram, un' den Kindern passiert trotzdem was … Dumbledore macht sich furch'bare Sorgen … sagen tut er nich viel, aber ich spür's …«

»Hat er nicht irgendeine Idee, Hagrid?«, fragte Hermine verzweifelt.

»Ich schätz mal, er hat Hunderte von Ideen, mit so 'nem Gehirn wie seinem«, sagte Hagrid treu ergeben. »Aber er weiß nich, wer dieses Halsband geschickt hat, und auch nich, wer Gift in diesen Wein getan hat, sonst wär der schon gefasst worden, stimmt's? Aber ich mach mir Sorgen drüber«, sagte Hagrid, senkte die Stimme und warf einen Blick über die Schulter (Harry vergewisserte sich obendrein, ob Peeves irgendwo an der Decke hing), »wie lang Hogwarts noch offen bleiben kann, wenn Kinder angegriffen werden. Hatten wir alles schon mal, ich sag nur Kammer des Schreckens, stimmt's? 's wird 'ne Panik geben, noch mehr Eltern nehmen ihre Kinder von der Schule, und mir nix, dir nix heißt es im Schulbeirat …«

Hagrid hielt inne, während der Geist einer langhaarigen Frau seelenruhig an ihnen vorbeischwebte, dann fuhr er heiser flüsternd fort: »… heißt es im Schulbeirat, dass wir endgültig geschlossen wern.«

»Nicht doch!«, sagte Hermine und wirkte beunruhigt.

»Musst es mal von denen ihr'm Standpunkt aus sehen«, sagte Hagrid mit schwerer Stimme. »Ich mein, 's war immer schon 'n gewisses Risiko, 'n Kind nach Hogwarts zu schicken, oder? Is' ja zu erwarten, dass mal was passiert, wenn minderjährige Zauberer da gleich zu Hunderten zusammenstecken, aber versuchter Mord, das is' was anderes. Wundert mich nich, dass Dumbledore wütend is' auf Sn-«

Hagrid brach mitten im Wort ab, und ein vertrauter schuld-bewusster Ausdruck lag in dem Teil seines Gesichts, der oberhalb des verfilzten schwarzen Bartes zu sehen war.

»Wie bitte?«, sagte Harry rasch. »Dumbledore ist wütend auf Snape?«

»Das hab ich nich gesagt«, erwiderte Hagrid, doch sein panischer Blick sprach Bände. »Seht mal, wie spät es schon is', geht auf Mitternacht zu, ich muss – «

»Hagrid, warum ist Dumbledore wütend auf Snape?«, fragte Harry laut.

»Schhhh«, machte Hagrid, er wirkte nervös und aufgebracht zugleich. »Schrei so was nich rum, Harry, willst du, dass ich mein' Job verlier? Nun ja, ich glaub nich, dass es dich kümmern würd, stimmt's, jetzt wo du Pflege magi-«

»Versuch nicht, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, das klappt nicht!«, sagte Harry energisch. »Was hat Snape getan?«

»Keine Ahnung, Harry, ich hätt's eigentlich gar nicht hören sollen! Ich – also letztens komm ich abends aus'm Wald und da krieg ich mit, wie sie reden – na ja, eher streiten. Wollt nich, dass sie mich bemerken, also hab ich mich 'n bisschen dünne gemacht und hab versucht nicht zuzuhör'n, aber's war 'n – na ja, 'n hitziges Gespräch und's war nich leicht, wegzuhör'n.«

»Und?«, drängte ihn Harry, während Hagrid unruhig mit seinen gewaltigen Füßen scharrte.

»Also – ich hab Snape nur sagen hör'n, Dumbledore würd zu viel als selbstverständlich nehmen und vielleicht würd er – Snape – es nich mehr tun woll'n – «

»Was tun wollen?«

»Ich weiß nich, Harry, 's klang, als ob Snape sich 'n bisschen überarbeitet fühlt, das is' alles – jedenfalls hat ihm Dumbledore glatt gesagt, er hätt sich dazu bereit erklärt und damit basta. Hat ihn ziemlich rangenommen. Un' dann hat er was gesagt, von wegen Snape soll mal in seinem Haus, bei den Slytherins, nachforschen. Also, da is' nichts Merkwürdiges dran!«, fügte Hagrid eilig hinzu, als Harry und Hermine bedeutungsvolle Blicke tauschten. »Alle Hauslehrer sin' aufgefordert worden, sich um diese Sache mit dem Halsband zu kümmern – «

»Schon, aber mit den anderen hat Dumbledore keinen Streit, oder?«, sagte Harry.

»Schau mal«, Hagrid verbog unbehaglich mit den Händen seine Armbrust; laut splitternd brach sie entzwei, »ich weiß, was du von Snape hältst, Harry, und ich will nicht, dass du da was reinliest, was nich drin is'.«

»Vorsicht«, sagte Hermine knapp.

Sie wandten sich um und sahen gerade noch den Schatten von Argus Filch an der Wand hinter ihnen aufragen, ehe er selbst bucklig und mit zitternden Wangen um die Ecke bog.

»Oho!«, schnaufte er. »So spät noch auf den Beinen, das bedeutet Nachsitzen!«

»Nein, Filch, tut es nich«, sagte Hagrid barsch. »Die sin' doch mit mir zusammen, oder?«

»Und was macht das für einen Unterschied?«, fragte Filch penetrant.

»Ich bin 'n verdammter Lehrer, oder, du Schnüffler von 'nem Squib!«, rief Hagrid, der sofort wütend wurde.

Während Filch vor Zorn anschwoll, ertönte ein hässliches Fauchen; Mrs Norris war unbemerkt aufgetaucht und wand sich geschmeidig um Filchs magere Knöchel.

»Haut ab«, sagte Hagrid aus dem Mundwinkel.

Das musste Harry sich nicht zweimal sagen lassen; er und Hermine eilten davon, und während sie rannten, hörten sie die lauten Stimmen von Hagrid und Filch hinter sich widerhallen. Nahe der Abzweigung zum Gryffindor-Turm kamen sie an Peeves vorbei, der allerdings in bester Laune zur Quelle des Geschreis schoss und gackernd lachte und rief:

»Gibt es Zwist und gibt es Ärger,

ruf doch Peevsie als Verstärker!«

Die fette Dame hielt gerade ein Nickerchen und war nicht erfreut, geweckt zu werden, schwang jedoch mürrisch nach vorne und ließ sie in den zum Glück friedlichen und leeren Gemeinschaftsraum klettern. Die Sache mit Ron hatte sich offenbar noch nicht herumgesprochen; Harry war sehr erleichtert, denn er war an diesem Tag schon genug ausgefragt worden. Hermine wünschte ihm gute Nacht und machte sich auf den Weg zum Mädchenschlafsaal. Harry jedoch blieb zurück, setzte sich neben den Kamin und blickte hinunter in die schwächer werdende Glut.

Dumbledore hatte also mit Snape gestritten. Trotz allem, was er Harry gesagt hatte, trotz seiner beharrlichen Behauptung, dass er Snape vollkommen vertraue, hatte er die Geduld mit ihm verloren … Dumbledore meinte, dass Snape nicht hartnäckig genug versucht hatte, bei den Slytherins nachzuforschen … oder vielleicht bei einem bestimmten Slytherin nachzuforschen: Malfoy?

Hatte Dumbledore nur deshalb so getan, als wären Harrys Verdächtigungen unbegründet, weil er nicht wollte, dass Harry Dummheiten machte und die Sache selbst in die Hand nahm? Wahrscheinlich. Vielleicht wollte Dumbledore auch verhindern, dass Harry durch irgendetwas von ihrem Unterricht abgelenkt wurde oder von seiner Aufgabe, Slughorn diese Erinnerung zu entlocken. Vielleicht hielt es Dumbledore für falsch, einem Sechzehnjährigen Verdächtigungen gegen einen Lehrer aus seinem Kollegium anzuvertrauen …

»Da bist du ja, Potter!«

Harry sprang erschrocken auf, den Zauberstab bereit. Er war völlig sicher gewesen, dass der Gemeinschaftsraum leer war; dass sich jetzt plötzlich eine ungeschlachte Gestalt hinten aus einem Sessel erhob, erwischte ihn kalt. Bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass es Cormac McLaggen war.

»Ich hab auf dich gewartet«, sagte McLaggen, ohne auf Harrys gezückten Zauberstab zu achten. »Muss eingeschlafen sein. Sag mal, ich hab vorhin gesehen, wie sie Weasley in den Krankenflügel hochgebracht haben. Sah nicht danach aus, als würd er für das Spiel nächste Woche wieder fit sein.«

Harry brauchte eine Weile, bis ihm klar wurde, worauf McLaggen eigentlich hinauswollte.

»Oh … stimmt … Quidditch«, sagte er, steckte den Zauberstab zurück in den Gürtel seiner Jeans und fuhr sich erschöpft mit der Hand durchs Haar. »Ja … vielleicht schafft er's nicht.«

»Also dann, dann spiel ich als Hüter, oder?«, sagte McLaggen.

»Ja«, sagte Harry. »Ja, ich denk schon …«

Ihm fiel kein Argument dagegen ein; schließlich hatte McLaggen beim Testspiel klar als Zweitbester abgeschnitten.

»Prima«, sagte McLaggen mit zufriedener Stimme. »Also, wann ist Training?«

»Was? Oh … morgen Abend ist eines.«

»Gut. Hör mal, Potter, wir sollten uns vorher mal unterhalten. Ich hab da ein paar strategische Ideen, die du sicher gebrauchen kannst.«

»In Ordnung«, sagte Harry wenig begeistert. »Also, ich hör sie mir morgen an. Jetzt bin ich ziemlich müde … wir sehen uns …«

Die Nachricht, dass Ron vergiftet worden war, machte am nächsten Tag schnell die Runde, erregte jedoch nicht das gleiche Aufsehen wie der Angriff auf Katie. Die Leute dachten offenbar, es sei möglicherweise ein Unfall gewesen, da Ron sich zu dem Zeitpunkt im Büro des Zaubertrankmeisters aufgehalten hatte, und da er sofort ein Gegenmittel erhalten habe, sei er wohl nicht ernsthaft zu Schaden gekommen. Tatsächlich waren die meisten Gryffindors viel mehr am kommenden Quidditch-Spiel gegen Hufflepuff interessiert, denn viele von ihnen wollten sehen, wie Zacharias Smith, der bei den Hufflepuffs als Jäger spielte, für seine Kommentare beim Eröffnungsspiel gegen Slytherin gehörig Prügel bezog.

Harry jedoch hatte sich noch nie so wenig für Quidditch interessiert; die Sache mit Draco Malfoy wurde für ihn immer mehr zu einer fixen Idee. Beharrlich suchte er die Karte des Rumtreibers ab, wann immer er Gelegenheit dazu hatte, und manchmal machte er Umwege dorthin, wo Malfoy zufällig gerade war, doch er hatte noch nicht feststellen können, dass Malfoy etwas Ungewöhnliches tat. Und es gab immer noch diese unerklärlichen Zeiten, in denen Malfoy einfach von der Karte verschwand …

Aber Harry blieb vor lauter Quidditch-Training und Hausaufgaben nicht viel Zeit, über das Problem nachzudenken, und außerdem folgten ihm Cormac McLaggen und Lavender Brown nun auf Schritt und Tritt.

Er konnte nicht sagen, wer von den beiden lästiger war. McLaggen lag ihm andauernd mit Bemerkungen in den Ohren, dass er selbst doch einen viel besseren Hüter für die Mannschaft abgeben würde als Ron und dass Harry, wenn er ihn nun regelmäßig spielen sehe, sicher auch bald zu dieser Auffassung gelangen werde. Außerdem kritisierte er mit Vorliebe die anderen Spieler und lieferte Harry bis in Einzelheiten ausgearbeitete Trainingspläne, so dass Harry ihn mehr als einmal daran erinnern musste, wer der Kapitän war.

Unterdessen tauchte Lavender ständig in Harrys Nähe auf und wollte über Ron sprechen, was Harry beinahe noch anstrengender fand als McLaggens Quidditch-Vorträge. Zuerst war Lavender äußerst verärgert gewesen, weil niemand daran gedacht hatte, ihr zu sagen, dass Ron im Krankenflügel lag – »Ich meine, immerhin bin ich seine Freundin!« –, doch leider hatte sie jetzt beschlossen, Harry dieses Versäumnis zu verzeihen, und war ganz erpicht darauf, eine Menge tief schürfende Gespräche über Rons Gefühlsleben mit ihm zu führen, eine sehr unangenehme Erfahrung, auf die Harry liebend gern verzichtet hätte.

»Hör mal, warum redest du nicht mit Ron über all das?«, fragte Harry nach einem besonders langen Verhör durch Lavender, bei dem es praktisch um alles gegangen war, angefangen damit, was genau Ron über ihren neuen Festumhang gesagt hatte, bis hin zu dem Problem, ob Harry nun glaube oder nicht glaube, dass Ron seine Beziehung mit Lavender für »ernst« halte.

»Na ja, das würd ich ja gern, aber er schläft immer, wenn ich ihn besuchen komme!«, sagte Lavender gereizt.

»Tatsächlich?«, sagte Harry überrascht, denn jedes Mal, wenn er selbst nach oben in den Krankenflügel gegangen war, hatte er Ron putzmunter vorgefunden, brennend interessiert an Nachrichten über Dumbledores und Snapes Streit und zugleich eifrig dabei, über McLaggen herzuziehen.

»Besucht ihn Hermine Granger noch?«, wollte Lavender plötzlich wissen.

»Ja, ich glaub schon. Na ja, sie sind eben befreundet, oder?«, sagte Harry unbehaglich.

»Befreundet, dass ich nicht lache«, höhnte Lavender. »Als das zwischen mir und Ron anfing, hat sie wochenlang nicht mit ihm gesprochen! Aber ich denk mal, sie will sich wieder bei ihm einschmeicheln, jetzt wo er so interessant ist …«

»Nennst du es etwa interessant, vergiftet zu werden?«, fragte Harry. »Wie auch immer – sorry, ich muss gehen – da kommt McLaggen und will sich über Quidditch unterhalten«, sagte Harry eilig, stahl sich seitwärts durch eine Tür, die vorgab, feste Mauer zu sein, und spurtete die Abkürzung entlang, die ihn zu Zaubertränke bringen würde, wohin weder Lavender noch McLaggen ihm zum Glück folgen konnten.

Am Morgen des Quidditch-Spiels gegen Hufflepuff schaute Harry, ehe er zum Spielfeld aufbrach, kurz im Krankenflügel vorbei. Ron war sehr aufgewühlt; Madam Pomfrey wollte ihn nicht hinunterlassen, damit er sich das Spiel ansehen konnte, weil sie befürchtete, er würde sich zu sehr aufregen.

»Also, wie macht sich McLaggen?«, fragte er Harry nervös und hatte offenbar vergessen, dass er diese Frage schon zweimal gestellt hatte.

»Ich hab's dir doch erklärt«, sagte Harry geduldig. »Er könnte Weltklasse sein, und ich würde ihn trotzdem nicht behalten wollen. Andauernd versucht er allen zu sagen, was sie tun sollen, er glaubt, dass er auf jeder Position besser spielen könnte als der Rest von uns. Ich kann's nicht erwarten, ihn wieder los zu sein. Und wenn wir schon vom Loswerden sprechen«, fügte Harry hinzu, stand auf und nahm seinen Feuerblitz in die Hand, »hörst du bitte endlich auf, so zu tun, als würdest du schlafen, wenn Lavender dich besuchen kommt? Die treibt mich nämlich in den Wahnsinn.«

»Oh«, sagte Ron und sah schuldbewusst drein. »Ja. In Ordnung.«

»Wenn du nichts mehr von ihr willst, dann sag's ihr einfach«, riet ihm Harry.

»Ja … also … das ist nicht so einfach, oder?«, erwiderte Ron. Er schwieg einen Moment. »Kommt Hermine vor dem Spiel noch vorbei?«, fügte er beiläufig hinzu.

»Nein, sie ist mit Ginny schon runter zum Feld.«

»Oh«, sagte Ron mit ziemlich bedrückter Miene. »Na gut. Also, viel Glück. Hoffentlich haust du McLag- ich meine, Smith in die Pfanne.«

»Ich werd's versuchen«, sagte Harry und schulterte seinen Besen. »Wir sehen uns nach dem Spiel.«

Eilig lief er durch die verlassenen Korridore hinunter; die ganze Schule war draußen, entweder schon auf den Plätzen im Stadion oder auf dem Weg dorthin. Im Vorbeigehen spähte er aus den Fenstern und versuchte abzuschätzen, wie viel Wind sie haben würden, als er vor sich ein Geräusch hörte. Er blickte hoch und sah Malfoy auf sich zukommen, in Begleitung von zwei Mädchen, die mürrisch und verdrossen wirkten.

Malfoy stutzte, als er Harry sah, lachte kurz und trocken auf und ging weiter.

»Wohin geht ihr?«, fragte Harry.

»Tja, das werd ich dir ganz genau sagen, weil es dich ja so was von angeht, Potter«, höhnte Malfoy. »Du solltest dich lieber beeilen, da unten warten sie sicher schon auf den auserwählten Kapitän – den Jungen, der den Treffer gelandet hat – oder wie immer sie dich heutzutage nennen.«

Eines der Mädchen kicherte versehentlich. Harry starrte sie an. Sie wurde rot. Malfoy drängte sich an Harry vorbei, und das Mädchen und seine Freundin folgten ihm im Trab um eine Ecke und verschwanden.

Harry stand wie angewurzelt da und sah ihnen nach. Es war zum Verzweifeln; da war er schon in größter Hast, um es noch rechtzeitig zum Spiel zu schaffen, und ausgerechnet jetzt traf er Malfoy, der sich verdrückte, während alle anderen draußen waren: Es war seine bislang beste Gelegenheit, ihm auf die Schliche zu kommen. Still verrannen die Sekunden, während Harry reglos dastand und auf die Stelle starrte, an der Malfoy verschwunden war …

»Wo warst du?«, fragte Ginny, als Harry in den Umkleideraum gerannt kam. Die ganze Mannschaft war schon umgezogen und spielbereit; Coote und Peakes, die Treiber, klopften sich mit ihren Schlägern nervös gegen die Beine.

»Ich hab Malfoy getroffen«, sagte Harry leise zu ihr, während er sich seinen scharlachroten Umhang über den Kopf zog.

»Und?«

»Und ich wollte wissen, weshalb er oben im Schloss ist, mit zwei Freundinnen, wo doch alle anderen hier unten sind …«

»Ist das jetzt so wichtig?«

»Tja, das werd ich wohl kaum rausfinden, was?«, erwiderte Harry, packte seinen Feuerblitz und rückte seine Brille gerade. »Dann mal los!«

Und ohne ein weiteres Wort marschierte er unter ohrenbetäubenden Jubelschreien und Buhrufen hinaus aufs Feld. Es ging kaum Wind; der Himmel war locker bewölkt; ab und zu blitzte strahlend helles Sonnenlicht hervor.

»Heikle Bedingungen!«, sagte McLaggen aufmunternd zur Mannschaft. »Coote, Peakes, ihr fliegt am besten mit der Sonne im Rücken, damit sie euch nicht kommen sehen – «

»Ich bin hier der Kapitän, McLaggen, hör auf, ihnen Anweisungen zu erteilen«, sagte Harry wütend. »Ich will dich bei den Torpfosten sehen!«

Sowie McLaggen davongezogen war, wandte sich Harry an Coote und Peakes.

»Achtet tatsächlich darauf, dass ihr die Sonne im Rücken habt«, sagte er widerwillig zu ihnen.

Er schüttelte dem Kapitän der Hufflepuffs die Hand, und dann stieß er sich auf Madam Hoochs Pfiff hin vom Boden ab, stieg in die Luft, höher als der Rest der Mannschaft, und sauste über dem Feld herum auf der Suche nach dem Schnatz. Wenn er ihn nur ganz schnell fangen konnte, dann bestand vielleicht die Möglichkeit, zurück ins Schloss zu kommen, sich die Karte des Rumtreibers zu schnappen und herauszufinden, was Malfoy trieb …

»Und da ist Smith von Hufflepuff mit dem Quaffel«, sagte eine verträumte Stimme, die über das Gelände hallte. »Das war natürlich der Stadionsprecher vom letzten Mal, und Ginny Weasley ist in ihn reingeflogen, ich schätz mal, mit Absicht – so hat es jedenfalls ausgesehen. Smith war ziemlich fies gegen Gryffindor, ich vermute, das bereut er jetzt, wo er gegen sie spielt – oh, seht mal, er hat den Quaffel verloren, Ginny hat ihn Smith abgeluchst, ich mag sie wirklich, sie ist sehr nett …«

Harry starrte hinunter auf das Podium des Stadionsprechers. Sicher hätte niemand, der noch halbwegs bei Sinnen war, Luna Lovegood das Spiel kommentieren lassen? Doch selbst von oben war sie nicht zu verwechseln mit ihrem langen, schmutzig blonden Haar oder dem Halsband aus Butterbierkorken … Professor McGonagall, die neben Luna saß, machte einen etwas gequälten Eindruck, als würde sie diese Ernennung tatsächlich bereuen.

»… aber jetzt hat ihr dieser große Hufflepuff-Spieler den Quaffel abgenommen, mir fällt sein Name nicht mehr ein, so ähnlich wie Bibble – nein, Buggins – «

»Er heißt Cadwallader!«, sagte Professor McGonagall laut neben Luna. Das Publikum lachte.

Harry hielt Ausschau nach dem Schnatz; keine Spur war von ihm zu sehen. Sekunden später landete Cadwallader einen Treffer. McLaggen hatte Ginny lauthals kritisiert, weil sie sich den Quaffel hatte wegnehmen lassen, mit dem Ergebnis, dass er nicht gemerkt hatte, wie der große rote Ball an seinem rechten Ohr vorbeirauschte.

»McLaggen«, brüllte Harry, schnellte herum und sah seinem Hüter ins Gesicht, »kümmer dich endlich mal um deinen eigenen Kram und lass die andern in Ruhe!«

»Du bist nicht gerade ein großartiges Vorbild!«, schrie McLaggen mit zornesrotem Gesicht zurück.

»Und jetzt hat Harry Potter Streit mit seinem Hüter«, sagte Luna heiter, während unten im Publikum Hufflepuffs wie Slytherins johlten und jubelten. »Ich glaub nicht, dass ihm das helfen wird, den Schnatz zu finden, aber vielleicht ist es ein schlauer Trick …«

Zornig fluchend riss Harry den Besen herum, machte sich wieder auf den Flug um das Feld und suchte am Himmel nach irgendeiner Spur von dem kleinen, geflügelten goldenen Ball.

Ginny und Demelza schossen jede ein Tor und gaben den rotgoldenen Fans unten etwas zum Bejubeln. Dann traf Cadwallader erneut und schaffte den Ausgleich, aber Luna schien es nicht bemerkt zu haben; für solch profane Dinge wie den Spielstand hatte sie offenbar keinerlei Interesse, stattdessen versuchte sie die Aufmerksamkeit des Publikums beharrlich auf solche Dinge wie reizvolle Wolkengebilde zu lenken oder auf die Möglichkeit, dass Zacharias Smith, dem es bislang nicht gelungen war, den Quaffel länger als eine Minute zu halten, vielleicht unter so was wie dem »Verlierer-Zipperlein« litt.

»Siebzig zu vierzig für Hufflepuff!«, bellte Professor McGonagall in Lunas Megafon.

»Was, schon?«, sagte Luna zerstreut. »Oh, seht mal! Der Hüter von Gryffindor hat das Schlagholz von einem Treiber in der Hand.«

Harry wirbelte im Flug herum. Tatsächlich hatte McLaggen, aus Gründen, die nur er selber kannte, Peakes den Schläger entrissen und wollte ihm offenbar gerade vorführen, wie man dem angreifenden Cadwallader einen Klatscher entgegenschlug.

»Gib ihm sofort den Schläger zurück und scher dich zurück zu den Torpfosten!«, brüllte Harry und jagte auf McLaggen zu, der just in diesem Moment dem Klatscher einen fürchterlichen Schwinger verpasste und ihn nicht richtig traf.

Ein blendender Schmerz, dass ihm übel wurde … ein Lichtblitz … ferne Schreie … und das Gefühl, durch einen langen Tunnel hinabzustürzen …

Und das Nächste, was Harry wusste, war, dass er in einem erstaunlich warmen und bequemen Bett lag und zu einer Lampe aufschaute, die einen goldenen Lichtkreis an eine schattige Decke warf. Er hob unbeholfen den Kopf. Zu seiner Linken lag ein sommersprossiger, rothaariger Mensch, der ihm bekannt vorkam.

»Nett von dir, dass du vorbeischaust«, sagte Ron grinsend.

Harry blinzelte und sah sich um. Natürlich: Er war im Krankenflügel. Der Himmel draußen war indigoblau mit karmesinroten Streifen. Das Spiel musste schon seit Stunden zu Ende sein … wie auch jegliche Hoffnung, Malfoy in die Enge zu treiben. Harrys Kopf fühlte sich merkwürdig schwer an; er hob die Hand und spürte, dass er einen straffen Turbanverband hatte.

»Was ist passiert?«

»Schädelbruch«, sagte Madam Pomfrey, wuselte herbei und drückte ihn wieder in die Kissen. »Kein Grund zur Sorge, das hab ich gleich wieder in Ordnung gebracht, aber ich behalte Sie über Nacht hier. Sie sollten sich ein paar Stunden lang nicht überanstrengen.«

»Ich will nicht über Nacht hier bleiben«, sagte Harry zornig, setzte sich auf und warf seine Decke zurück. »Ich will McLaggen finden und ihn umbringen.«

»Ich fürchte, das läuft unter ›Überanstrengung‹«, sagte Madam Pomfrey, drückte ihn entschlossen zurück aufs Bett und hob drohend ihren Zauberstab. »Sie bleiben hier, bis ich Sie entlasse, Potter, oder ich rufe den Schulleiter.«

Sie wuselte zurück in ihr Büro und Harry ließ sich wutschnaubend zurück in die Kissen sinken.

»Weißt du, wie hoch wir verloren haben?«, fragte er Ron mit zusammengebissenen Zähnen.

»Ja, schon«, sagte Ron kleinlaut. »Der Endstand war dreihundertzwanzig zu sechzig.«

»Glänzend«, sagte Harry grimmig. »Wirklich glänzend! Wenn ich McLaggen in die Finger krieg – «

»Lass lieber die Finger von dem, der Kerl ist so groß wie 'n Troll«, sagte Ron beschwichtigend. »Ich persönlich wär eher dafür, ihm diesen Zehennagelfluch vom Prinzen aufzuhalsen. Aber der Rest der Mannschaft wird sich sowieso schon um ihn gekümmert haben, bis du hier rauskommst, die sind nicht gerade glücklich …«

In Rons Stimme schwang eine Spur schlecht unterdrückter Schadenfreude mit; Harry spürte, dass Ron geradezu begeistert darüber war, dass McLaggen es dermaßen vermasselt hatte. Harry lag da und betrachtete den Lichtfleck an der Decke; sein frisch geheilter Schädel tat nicht gerade weh, fühlte sich aber unter all den Bandagen ein wenig empfindlich an.

»Ich hab den Spielkommentar von hier oben mitbekommen«, sagte Ron, und seine Stimme bebte jetzt vor Lachen. »Ich hoffe, Luna kommentiert ab jetzt immer … Verlierer-Zipperlein …«

Aber Harry war immer noch zu wütend, um die Situation besonders lustig zu finden, und nach einer Weile ließ Rons prustendes Gelächter nach.

»Während du bewusstlos warst, kam Ginny und wollte dich besuchen«, sagte er nach einer langen Pause, und Harrys Phantasie überschlug sich mit einem Mal und entwarf rasch eine Szene, in der Ginny über seiner leblosen Gestalt weinte und ihm ihr Gefühl tiefer Zuneigung gestand, während Ron ihnen seinen Segen gab … »Sie meint, du wärst gerade noch rechtzeitig zum Spiel gekommen. Wie das? Du bist hier doch früh genug weggegangen.«

» Oh …«, sagte Harry, und die Szene in seinem Kopf stürzte in sich zusammen. »Ja … also, ich hab gesehen, wie Malfoy sich davongeschlichen hat, mit zwei Mädchen, die gar nicht den Eindruck machten, als würden sie sich mit ihm wohl fühlen, und das ist jetzt schon das zweite Mal, dass er absichtlich nicht mit allen andern unten beim Quidditch ist. Das letzte Spiel hat er auch geschwänzt, erinnerst du dich?« Harry seufzte. »Ich wünschte, ich wär ihm gefolgt, das Spiel war so katastrophal..«

»Hör auf zu spinnen«, sagte Ron scharf. »Du hättest doch kein Quidditch-Spiel versäumen können, nur um Malfoy zu folgen, du bist der Kapitän!«

»Ich will wissen, was er vorhat«, sagte Harry. »Und erzähl mir nicht, dass ich mir das alles nur einbilde, nicht nach dem, was ich bei diesem Gespräch zwischen ihm und Snape mitbekommen hab – «

»Ich hab nie gesagt, dass du dir das alles nur einbildest«, erwiderte Ron, stützte sich nun auf den Ellbogen und sah Harry stirnrunzelnd an, »aber es steht nirgendwo geschrieben, dass hier immer nur einer was aushecken kann! Das mit Malfoy wird bei dir allmählich zu einer fixen Idee, Harry. Ich meine, wenn du sogar daran denkst, ein Spiel sausen zu lassen, nur um ihm zu folgen …«

»Ich will ihn dabei erwischen!«, sagte Harry frustriert. »Ich meine, wo geht er hin, wenn er von der Karte verschwindet?«

»Keine Ahnung … Hogsmeade?«, schlug Ron gähnend vor.

»Ich hab ihn auf der Karte nie einen der Geheimgänge benutzen sehen. Außerdem dachte ich, die werden jetzt sowieso überwacht?«

»Also, dann weiß ich auch nicht«, sagte Ron.

Sie verfielen in Schweigen. Harry starrte auf den hellen Kreis, den die Lampe an die Decke warf, und dachte nach …

Wenn er nur so mächtig wäre wie Rufus Scrimgeour, dann könnte er Malfoy beschatten lassen, doch leider hatte er kein Büro voller Auroren zur Verfügung … Flüchtig überlegte er, ob er etwas mit der DA auf die Beine stellen sollte, aber auch da gab es das Problem, dass es auffallen würde, wenn Leute im Unterricht fehlten; die meisten von ihnen hatten schließlich immer noch volle Stundenpläne …

Von Rons Bett her ertönte ein lautes, polterndes Schnarchen. Nach einer Weile kam Madam Pomfrey aus ihrem Büro, diesmal in einem dicken Morgenrock. Es war am einfachsten, so zu tun, als würde er schlafen; Harry drehte sich auf die Seite und hörte, wie sich alle Vorhänge von selbst schlossen, als sie ihren Zauberstab schwenkte. Die Lampen dämpften ihr Licht, und Madam Pomfrey kehrte in ihr Büro zurück; er hörte die Tür hinter ihr ins Schloss fallen und wusste, dass sie nun zu Bett ging.

Das war das dritte Mal, dass man ihn wegen einer Quidditch-Verletzung in den Krankenflügel gebracht hatte, überlegte Harry in der Dunkelheit. Das vorige Mal war er von seinem Besen gefallen, weil Dementoren sich auf dem Feld herumgetrieben hatten, und davor wiederum hatte der unheilbar unfähige Professor Lockhart ihm sämtliche Knochen aus dem Arm entfernt … das war seine bislang schmerzhafteste Verletzung gewesen … er erinnerte sich, wie höllisch weh es getan hatte, einen Arm voller Knochen in einer Nacht nachwachsen zu lassen, eine Qual, die auch dadurch nicht gelindert wurde, dass ein unerwarteter Besucher mitten in der –

Harry saß kerzengerade da, mit hämmerndem Herzen und schiefem Turbanverband. Endlich hatte er die Lösung: Es gab eine Möglichkeit, Malfoy beschatten zu lassen – wie hatte er das vergessen können, weshalb war es ihm nicht schon vorher eingefallen?

Die Frage war nur, wie konnte er ihn rufen? Wie machte man das?

Leise, zögernd sprach Harry in die Finsternis.

»Kreacher?«

Ein sehr lauter Knall ertönte und Schlurfen und Quieken erfüllte den stillen Raum. Ron erwachte mit einem Japsen.

»Was ist –?«

Harry richtete seinen Zauberstab hastig auf die Tür zu Madam Pomfreys Büro und murmelte »Muffliato!«, damit sie nicht angerannt kam. Dann kroch er zum Fußende seines Bettes, um besser sehen zu können, was los war.

Zwei Hauselfen wälzten sich mitten im Krankensaal auf dem Boden herum, der eine trug einen eingelaufenen kastanienbraunen Pullover und mehrere Wollhüte, der andere eine Art Lendenschurz aus einem schmutzigen alten Lumpen, der um seine Hüfte gebunden war. Dann ertönte ein zweiter lauter Knall, und Peeves der Poltergeist erschien in der Luft über den kämpfenden Elfen.

»Ich hab das beobachtet, Potty!«, teilte er Harry empört mit, deutete auf das Gerangel unter ihm und gackerte dann laut auf. »Schau nur, wie diese Winzlinge sich kabbeln, beißi-beißi, knuffi-knuffi – «

»Kreacher darf Harry Potter vor Dobby nicht beleidigen, nein, nein, oder Dobby stopft Kreacher das Maul!«, schrie Dobby mit schriller Stimme.

» treti, kratzi!«, rief Peeves glücklich und schleuderte nun Kreidestückchen auf die Elfen, um sie weiter anzustacheln. »Kneifi, piksi!«

»Kreacher sagt, was er will, über seinen Herrn, o ja, und was für ein Herr das ist, dreckiger Freund der Schlammblüter, oh, was würde die Herrin vom armen Kreacher dazu sagen –?«

Was genau Kreachers Herrin gesagt hätte, blieb offen, denn im nächsten Moment versenkte Dobby seine knorplige kleine Faust in Kreachers Mund und schlug ihm die Hälfte der Zähne aus. Harry und Ron sprangen aus ihren Betten und zerrten die beiden Elfen auseinander, die trotzdem weiter versuchten, einander zu treten und zu schlagen, angefeuert von Peeves, der um die Lampe schwirrte und kreischte: »Steck ihm die Finger in sein Näschen, zieh ihn am Korken und an den Ohrchen – «

Harry zielte mit dem Zauberstab auf Peeves und sagte »Langlock!«. Peeves griff sich an die Kehle, würgte und stürzte mit unanständigen Gesten, aber stumm davon, da seine Zunge sich eben an seinen Gaumen geklebt hatte.

»Nicht schlecht«, sagte Ron anerkennend und hob Dobby hoch, damit seine wild fuchtelnden Glieder Kreacher nicht mehr trafen. »Der Spruch war auch vom Prinzen, oder?«

»Ja«, sagte Harry und zwängte Kreachers runzligen Arm in einen Hebelgriff. »Hört zu – ich verbiete euch, gegeneinander zu kämpfen! Also, Kreacher, es ist dir verboten, gegen Dobby zu kämpfen. Dobby, ich weiß, ich darf dir keine Befehle erteilen – «

»Dobby ist ein freier Hauself und kann jedem gehorchen, den er mag, und Dobby tut alles, was Harry Potter von ihm will!«, verkündete Dobby, und Tränen strömten über sein verhutzeltes kleines Gesicht auf den Pullover.

»Also gut«, sagte Harry; er und Ron ließen die Hauselfen los, die zu Boden fielen, aber nicht wieder zu kämpfen anfingen.

»Der Herr hat mich gerufen?«, krächzte Kreacher und verneigte sich, auch wenn der Blick, den er Harry dabei zuwarf, ihm eindeutig einen qualvollen Tod wünschte.

»Ja, allerdings«, erwiderte Harry und spähte prüfend zu Madam Pomfreys Bürotür hinüber, ob der Muffliato noch wirkte; es hatte nicht den Anschein, als hätte sie irgendetwas von dem Tumult gehört. »Ich habe eine Aufgabe für dich.«

»Kreacher tut, was immer der Herr verlangt«, sagte Kreacher und verneigte sich so tief, dass er mit den Lippen fast seine knorrigen Zehen berührte, »weil Kreacher keine Wahl hat, aber Kreacher schämt sich, einen solchen Herrn zu haben, ja – «

»Dobby macht es, Harry Potter!«, quiekte Dobby, dessen tennisballgroße Augen immer noch in Tränen schwammen. »Dobby wäre es eine Ehre, Harry Potter zu helfen!«

»Wenn ich's mir recht überlege, wär es ganz gut, euch beide zu nehmen«, sagte Harry. »Also, dann … ich will, dass ihr Draco Malfoy beschattet.«

Ohne auf Rons überraschte und zugleich wütende Miene zu achten, fuhr Harry fort: »Ich will wissen, wo er hingeht, mit wem er sich trifft und was er treibt. Ich will, dass ihr ihm rund um die Uhr folgt.«

»Ja, Harry Potter!«, sagte Dobby sofort, und seine großen Augen leuchteten vor Aufregung. »Und wenn Dobby es falsch macht, wird sich Dobby vom höchsten Turm stürzen, Harry Potter!«

»Das wird nicht nötig sein«, erwiderte Harry hastig.

»Der Herr will, dass ich den jüngsten der Malfoys verfolge?«, krächzte Kreacher. »Der Herr will, dass ich den reinblütigen Großneffen meiner alten Herrin ausspioniere?«

»Genau den«, sagte Harry, ahnte eine große Gefahr und beschloss, ihr sofort vorzubeugen. »Und es ist dir verboten, ihn zu warnen, Kreacher, und ihm zu zeigen, was du vorhast, und überhaupt mit ihm zu sprechen und ihm Botschaften zu schreiben und … und irgendwie Kontakt mit ihm aufzunehmen. Verstanden?«

Er meinte förmlich zu sehen, wie Kreacher verzweifelt nach einem Hintertürchen in den Anweisungen suchte, die er ihm gerade erteilt hatte, und wartete ab. Nach einigen Augenblicken verbeugte sich Kreacher zu Harrys großer Zufriedenheit noch einmal tief und sagte mit bitterem Groll: »Der Herr denkt an alles, und Kreacher muss ihm gehorchen, auch wenn Kreacher viel lieber der Diener des jungen Malfoy wäre, o ja …«

»Dann wäre das also klar«, sagte Harry. »Ich möchte regelmäßige Berichte, aber seht zu, dass niemand in der Nähe ist, wenn ihr auftaucht. Ron und Hermine sind okay. Und sagt keinem, was ihr macht. Bleibt einfach an Malfoy kleben wie zwei Warzenpflaster.«