123303.fb2 Harry Potter und der Halbblutprinz - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 25

Harry Potter und der Halbblutprinz - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 25

Die belauschte Seherin

Die Tatsache, dass Harry Potter mit Ginny Weasley ging, schien sehr viele Leute zu interessieren, hauptsächlich Mädchen; allerdings stellte Harry während der nächsten Wochen fest, dass Klatsch ihm seit neustem erfreulicherweise nichts mehr ausmachte. Schließlich war es zur Abwechslung einmal ganz angenehm, wenn über ihn wegen einer Sache geredet wurde, die ihn so glücklich machte, wie er es seit ewigen Zeiten nicht mehr gewesen war, und nicht weil er in irgendwelche schrecklichen schwarzmagischen Geschehnisse verstrickt war.

»Eigentlich sollten die sich lieber über was anderes den Mund fusselig reden«, sagte Ginny, die auf dem Boden des Gemeinschaftsraums saß, sich gegen Harrys Beine lehnte und den Tagespropheten las. »Drei Dementorenangriffe in einer Woche, und Romilda Vane fällt nichts Besseres ein, als mich zu fragen, ob es stimmt, dass du ein Hippogreif-Tattoo auf der Brust hast.«

Ron und Hermine lachten lauthals. Harry beachtete sie nicht.

»Was hast du ihr gesagt?«

»Ich hab ihr gesagt, dass es ein Ungarischer Hornschwanz ist«, antwortete Ginny und blätterte lässig eine Seite der Zeitung um. »Das kommt machomäßiger.«

»Danke«, sagte Harry grinsend. »Und hast du ihr auch erzählt, was Ron hat?«

»Ja, einen Minimuff, aber ich hab nicht verraten, wo.«

Ron blickte finster, während Hermine sich vor Lachen kringelte.

»Passt bloß auf«, sagte er und deutete warnend auf Harry und Ginny. »Ich hab euch meine Erlaubnis gegeben, aber das heißt nicht, dass ich sie nicht wieder zurückziehen – «

»›Deine Erlaubnis‹«, spottete Ginny. »Seit wann gibst du mir die Erlaubnis für irgendwas? Außerdem hast du selbst gesagt, Harry ist dir lieber als Michael oder Dean.«

»Ja, stimmt«, sagte Ron widerwillig. »Und solange ihr nicht anfangt, vor allen Leuten rumzuknutschen – «

»Du elender Heuchler! Was war denn mit dir und Lavender, ihr habt doch überall rumgeschwänzelt wie zwei Aale!«, entgegnete Ginny.

Aber Rons Duldsamkeit wurde nicht allzu sehr auf die Probe gestellt, denn als es Juni wurde, hatten Harry und Ginny immer seltener Gelegenheit, sich zu treffen. Ginnys ZAGs rückten näher, und deshalb musste sie stundenlang bis in die Nacht hinein lernen. An einem dieser Abende, an denen Ginny sich in die Bibliothek verdrückt hatte, saß Harry am Fenster im Gemeinschaftsraum, wo er eigentlich seine Hausaufgabe für Kräuterkunde erledigen wollte, aber in Wirklichkeit noch einmal eine besonders glückliche Stunde durchlebte, die er mit Ginny um die Mittagszeit unten am See verbracht hatte, als Hermine sich mit einem unangenehm entschlossenen Gesichtsausdruck auf den Platz zwischen ihm und Ron fallen ließ.

»Ich will mit dir reden, Harry.«

»Worüber?«, fragte Harry argwöhnisch. Erst tags zuvor hatte ihn Hermine gerüffelt, weil er Ginny ablenke, die eigentlich fleißig für ihre Prüfungen arbeiten müsse.

»Über den so genannten Halbblutprinzen.«

»Oh, nicht schon wieder«, stöhnte Harry. »Hörst du bitte mal damit auf?«

Er hatte es nicht gewagt, in den Raum der Wünsche zurückzukehren und sein Buch zu holen, und seine Leistungen in Zaubertränke litten entsprechend darunter (obwohl Slughorn, der die Sache mit Ginny guthieß, scherzhaft meinte, das liege daran, dass Harry liebeskrank sei). Aber Harry war sicher, dass Snape noch nicht die Hoffnung aufgegeben hatte, das Buch des Prinzen in die Hände zu bekommen, und solange Snape noch Ausschau danach hielt, wollte er es unbedingt dort lassen, wo es war.

»Nein, ich hör nicht damit auf«, sagte Hermine entschieden, »bis du mich mal ausreden lässt. Also, ich habe ein wenig nachgeforscht, wer sich möglicherweise ein Hobby daraus gemacht hat, schwarzmagische Zauber zu erfinden – «

»Er hat sich kein Hobby daraus gemacht – «

»Er, er – wer sagt, dass es ein Er ist?«

»Das hatten wir doch schon«, erwiderte Harry verärgert. »Prinz, Hermine, Prinz!«

»Richtig!«, sagte Hermine, und mit leuchtenden roten Flecken auf den Wangen zog sie einen sehr alten Zeitungsausschnitt aus ihrer Tasche und knallte ihn vor Harry auf den Tisch. »Schau dir das an! Schau dir das Bild an!«

Harry nahm das rissige Stück Papier hoch und starrte auf das bewegte Foto, das alt und vergilbt war; auch Ron beugte sich herüber, um es sich anzusehen. Das Bild zeigte ein hageres Mädchen um die fünfzehn. Sie war nicht hübsch; sie wirkte mürrisch und trotzig zugleich, hatte üppige Augenbrauen und ein schmales, bleiches Gesicht. Die Bildunterschrift lautete: Eileen Prince, Kapitänin der Koboldsteinmannschaft von Hogwarts.

»Na und?«, sagte Harry, während er die kurze Meldung, zu der das Bild gehörte, überflog; es war eine recht langweilige Geschichte über Wettbewerbe zwischen verschiedenen Schulen.

»Ihr Name war Eileen Prince. Prinz, Harry.«

Sie sahen sich an und Harry wurde klar, was Hermine sagen wollte. Er lachte laut auf.

»Auf keinen Fall.«

»Was?«

»Du glaubst, sie war der Halbblut… ? Ach, hör doch auf.«

»Warum eigentlich nicht? Es gibt in der Zaubererwelt keine echten Prinzen, Harry! Das ist entweder ein Spitzname, ein erfundener Titel, den sich jemand selbst gegeben hat, oder es könnte der tatsächliche Name sein, richtig? Nein, pass auf! Angenommen, ihr Vater war ein Zauberer, der mit Nachnamen ›Prince‹ hieß, und ihre Mutter Muggel, dann würde das bei ihr einen ›Halbblutprinzen‹ ergeben.«

»Ja, sehr findig, Hermine …«

»Aber das stimmt doch! Vielleicht war sie stolz, ein halber Prinz zu sein!«

»Hör zu, Hermine, ich weiß, dass es kein Mädchen war. Ich weiß es einfach.«

»In Wahrheit glaubst du nur nicht, dass ein Mädchen dafür schlau genug gewesen wäre«, sagte Hermine wütend.

»Wie könnte ich fünf Jahre lang mit dir rumhängen und immer noch nicht glauben, dass Mädchen schlau sind?«, erwiderte Harry, durch ihre Worte gereizt. »Es ist die Art, wie er schreibt. Ich weiß einfach, dass der Prinz ein Typ war, ich spür das. Dieses Mädchen hat nichts damit zu tun. Wo hast du das überhaupt her?«

»Aus der Bibliothek«, sagte Hermine, wie vorherzusehen war. »Die haben dort eine ganze Sammlung von alten Propheten. Also, ich werd jedenfalls noch mehr über Eileen Prince in Erfahrung bringen, wenn es irgendwie geht.«

»Viel Spaß«, sagte Harry genervt.

»Hab ich bestimmt«, erwiderte Hermine. »Und zuallererst«, schleuderte sie ihm entgegen, als sie das Porträtloch erreichte, »suche ich in alten Listen von Zaubertrankauszeichnungen!«

Harry warf ihr einen kurzen finsteren Blick nach, dann vertiefte er sich wieder in den Anblick des dunkler werdenden Himmels.

»Sie ist einfach nie drüber weggekommen, dass du in Zaubertränke besser warst als sie«, sagte Ron und wandte sich erneut seinem Exemplar von Tausend magische Kräuter und Pilze zu.

»Du denkst nicht, dass ich verrückt bin, weil ich das Buch zurückhaben will, oder?«

»'türlich nicht«, sagte Ron wacker. »Der war ein Genie, dieser Prinz. Jedenfalls … ohne diesen Tipp mit dem Bezoar …«, er fuhr sich mit dem Finger bedeutungsvoll über die Kehle, »wär ich jetzt nicht hier, um drüber zu reden, stimmt's? Ich meine, ich will nicht behaupten, dass der Zauber, den du gegen Malfoy benutzt hast, toll war – «

»Ich auch nicht«, warf Harry rasch ein.

»Aber er ist wieder gesund, oder? War im Nu wieder auf den Beinen.«

»Ja«, sagte Harry; das war vollkommen richtig, und doch hatte er leise Gewissensbisse. »Dank Snape …«

»Musst du an diesem Samstag auch bei Snape nachsitzen?«, fuhr Ron fort.

»Ja, und am nächsten Samstag und am übernächsten Samstag«, seufzte Harry. »Und jetzt lässt er durchblicken, dass wir, wenn ich bis zum Ende des Schuljahrs nicht mit allen Kästen fertig bin, nächstes Jahr weitermachen.«

Harry fand diese Stunden, die er mit Nachsitzen verbrachte, besonders lästig, weil sie die sowieso schon knapp bemessene Zeit beschnitten, die er mit Ginny verbringen konnte. Tatsächlich hatte er sich dieser Tage häufig gefragt, ob Snape das nicht vielleicht wusste, denn er behielt Harry jedes Mal länger da und ließ spitze Bemerkungen fallen über das gute Wetter, das Harry versäumte, und alles, was man dabei draußen machen konnte.

Harry wurde von Jimmy Peakes aus diesen bitteren Gedanken gerissen, der neben ihm auftauchte und ihm eine Pergamentrolle hinhielt.

»Danke, Jimmy … hey, das ist von Dumbledore!«, sagte Harry aufgeregt, entrollte das Pergament und überflog es. »Ich soll so schnell wie möglich in sein Büro kommen!«

Sie starrten einander an.

»Verdammt«, flüsterte Ron. »Du meinst doch nicht etwa … hat er ihn vielleicht … ?«

»Am besten, ich geh einfach hin und frag ihn, oder?«, sagte Harry und sprang auf.

Hastig verließ er den Gemeinschaftsraum und eilte so schnell er konnte durch das siebte Stockwerk, wo er niemanden traf außer Peeves, der in Gegenrichtung an ihm vorbeirauschte, ihn fast schon gewohnheitsmäßig mit Kreidestückchen bewarf und laut gackerte, als er Harrys Verteidigungszauber auswich. Kaum war Peeves verschwunden, kehrte Stille in die Korridore ein; da es nur noch fünfzehn Minuten bis zur Nachtruhe waren, hatten die meisten sich schon in ihre Gemeinschaftsräume zurückgezogen.

Und dann hörte Harry einen Schrei und einen Knall. Er blieb wie angewurzelt stehen und lauschte.

»Wie – können – Sie – es – wagen – Aaaaargh!«

Der Lärm kam aus einem Korridor ganz in der Nähe; Harry rannte darauf zu, den Zauberstab bereit, und als er um eine Ecke wirbelte, sah er Professor Trelawney ausgestreckt am Boden liegen, den Kopf unter einem ihrer vielen Schals begraben und neben ihr mehrere Sherryflaschen, von denen eine zerbrochen war.

»Professor …«

Harry eilte zu ihr hin und half Professor Trelawney auf die Beine.

Einige ihrer glitzernden Perlenketten hatten sich in ihrer Brille verheddert. Sie hickste laut, strich sich die Haare glatt und zog sich an Harrys helfendem Arm hoch.

»Was ist passiert, Professor?«

»Das ist eine gute Frage!«, sagte sie schrill. »Ich schlenderte so vor mich hin und dachte über gewisse düstere Menetekel nach, die ich zufällig zu sehen bekommen hatte …«

Aber Harry hörte nicht allzu aufmerksam zu. Ihm war gerade aufgefallen, wo sie standen: Dort rechts war der Wandbehang mit den tanzenden Trollen und links dieses glatte undurchdringliche Stück steinerner Wand, hinter dem sich –

»Professor, haben Sie versucht, in den Raum der Wünsche zu gelangen?«

» … Omen, die mir offenbart wurden – wie bitte?«

Plötzlich wirkte sie verschlagen.

»Der Raum der Wünsche«, wiederholte Harry. »Haben Sie versucht, da reinzukommen?«

»Ich – nun – ich wusste nicht, dass Schüler davon Kenntnis haben – «

»Nicht alle«, sagte Harry. »Aber was ist passiert? Sie haben geschrien … es klang, als wären Sie verletzt worden …«

»Ich – nun«, sagte Professor Trelawney, schlang schützend ihre Schals um sich und starrte mit ihren enorm vergrößerten Augen auf ihn hinab. »Ich wollte – äh – gewisse – ähm – persönliche Dinge im Raum deponieren …« Und sie murmelte etwas von »üblen Anschuldigungen«.

»Verstehe«, sagte Harry mit einem Blick auf die Sherryflaschen. »Aber Sie haben es nicht geschafft, hineinzukommen und sie zu verstecken?«

Das kam ihm sehr merkwürdig vor; schließlich hatte sich der Raum für ihn geöffnet, als er das Buch des Halbblutprinzen darin verstecken wollte.

»O doch, hineingekommen bin ich wohl«, sagte Professor Trelawney und funkelte wütend die Wand an. »Aber es war schon jemand drin.«

»Jemand drin…? Wer?«, fragte Harry drängend. »Wer war da drin?«

»Ich habe keine Ahnung«, sagte Professor Trelawney, offenbar ein wenig verblüfft über den eindringlichen Ton, den Harry angeschlagen hatte. »Ich bin in den Raum hineingegangen und habe eine Stimme gehört, was in all den Jahren, seit ich den Raum als Versteck – seit ich den Raum benutze, will ich sagen, nie vorgekommen ist.«

»Eine Stimme? Was hat sie gesagt?«

»Etwas gesagt hat sie eigentlich nicht«, erwiderte Professor Trelawney. »Sie hat … gejohlt.«

»Gejohlt?«

»Gehässig«, sagte sie und nickte.

Harry starrte sie an.

»War sie männlich oder weiblich?«

»Ich würde die Vermutung wagen, dass sie männlich war«, sagte Professor Trelawney.

»Und klang sie glücklich?«

»Sehr glücklich«, sagte Professor Trelawney verächtlich.

»Als würde sie etwas feiern?«

»Ganz genau.«

»Und dann –?«

»Und dann rief ich ›Wer da?‹.«

»Hätten Sie das nicht rausfinden können ohne zu fragen?«, bemerkte Harry ein wenig enttäuscht.

»Das innere Auge«, sagte Professor Trelawney würdevoll und rückte ihre Schals und die vielen glitzernden Perlenketten zurecht, »war auf Dinge weit jenseits des profanen Reiches johlender Stimmen gerichtet.«

»Verstehe«, sagte Harry hastig; er hatte von Professor Trelawneys innerem Auge schon zur Genüge gehört. »Und hat die Stimme gesagt, wer da war?«

»Nein, das hat sie nicht«, erwiderte sie. »Alles wurde pechschwarz und im nächsten Moment wurde ich kopfüber aus dem Raum geworfen!«

»Und das haben Sie nicht kommen sehen?«, rutschte es Harry unwillkürlich heraus.

»Nein, habe ich nicht, wie gesagt, es war pech-« Sie unterbrach sich und funkelte ihn misstrauisch an.

»Ich glaube, Sie sollten das Professor Dumbledore erzählen«, sagte Harry. »Er sollte erfahren, dass Malfoy feiert – ich meine, dass jemand Sie aus dem Raum geworfen hat.«

Zu seiner Überraschung richtete sich Professor Trelawney bei diesem Vorschlag auf und blickte hochmütig drein.

»Der Schulleiter hat mir zu verstehen gegeben, dass er es vorzöge, seltener Besuch von mir zu bekommen«, sagte sie kühl. »Ich gehöre nicht zu jenen, die Leuten ihre Gesellschaft aufzwingen, die sie nicht zu schätzen wissen. Wenn Dumbledore meint, er könne die Warnungen ignorieren, die die Karten offenbaren – «

Ihre knochige Hand schloss sich plötzlich um Harrys Handgelenk.

»Wieder und wieder, gleich, wie ich sie auslege …«

Und mit dramatischer Geste zog sie eine Karte unter ihren Schals hervor.

»… der vom Blitz getroffene Turm«, flüsterte sie. »Unglück. Katastrophe. Es kommt immer näher …«

»Verstehe«, sagte Harry erneut. »Also … ich glaube trotzdem, dass Sie Dumbledore von dieser Stimme erzählen sollten und wie alles dunkel wurde und Sie aus dem Raum hinausgeworfen wurden …«

»Meinen Sie?« Professor Trelawney schien kurz darüber nachzudenken, aber Harry merkte, dass ihr die Vorstellung gefiel, ihr kleines Abenteuer noch einmal zu schildern.

»Ich bin gerade auf dem Weg zu ihm«, sagte Harry. »Wir haben ein Treffen vereinbart. Wir könnten gemeinsam hingehen.«

»Oh, nun, wenn das so ist«, sagte Professor Trelawney und lächelte. Sie bückte sich, hob ihre Sherryflaschen auf und steckte sie ohne viel Federlesen in eine große blauweiße Vase, die in einer nahen Nische stand.

»Ich vermisse Sie in meinem Unterricht, Harry«, sagte sie gefühlvoll, als sie gemeinsam losgingen. »Sie waren nie ein großer Seher … aber Sie waren ein wunderbares Objekt …«

Harry antwortete nicht; er hatte es gehasst, das Objekt für Professor Trelawneys ständige Unheilsvorhersagen zu sein.

»Ich fürchte«, fuhr sie fort, »dass der Klepper – Verzeihung, der Zentaur – nichts von Kartomantie versteht. Ich habe ihn gefragt – unter uns Sehern –, ob er nicht auch die fernen Erschütterungen einer kommenden Katastrophe spüre. Aber er schien mich fast für ulkig zu halten. Jawohl, ulkig!«

Ihre Stimme schwoll ziemlich hysterisch an, und obwohl sie die Flaschen zurückgelassen hatten, nahm Harry einen starken Geruch von Sherry wahr.

»Vielleicht hat das Pferd die Leute sagen hören, dass ich die Gabe meiner Ururgroßmutter nicht geerbt hätte. Derlei Gerüchte werden von Eifersüchtigen seit Jahren gestreut. Wissen Sie, was ich solchen Leuten antworte, Harry? Hätte Dumbledore mich an dieser großartigen Schule unterrichten lassen, hätte er über all die Jahre so viel Vertrauen in mich gesetzt, wenn ich ihm meine Fähigkeiten nicht unter Beweis gestellt hätte?«

Harry murmelte etwas Unverständliches.

»Ich erinnere mich noch gut an mein Vorstellungsgespräch bei Dumbledore«, fuhr Professor Trelawney mit kehliger Stimme fort. »Er war tief beeindruckt, natürlich, tief beeindruckt … Ich wohnte im Eberkopf, den ich übrigens nicht empfehlen kann – Bettwanzen, mein lieber Junge –, aber meine Mittel waren damals gering. Dumbledore erwies mir die Höflichkeit, mich in meinem Zimmer in diesem Gasthaus aufzusuchen. Er stellte mir Fragen … ich muss bekennen, dass ich zuerst dachte, er schien dem Wahrsagen ablehnend gegenüberzustehen … und ich erinnere mich, dass ich mich plötzlich etwas unwohl fühlte, ich hatte an jenem Tag nicht viel gegessen … aber dann …«

Und nun passte Harry zum ersten Mal richtig auf, denn er wusste, was dann geschehen war: Professor Trelawney hatte die Prophezeiung gemacht, die den Verlauf seines ganzen Lebens verändert hatte, die Prophezeiung über ihn und Voldemort.

»… aber dann wurden wir unsanft von Severus Snape unterbrochen!«

»Was?«

»Ja, draußen vor der Tür gab es einen Tumult und sie flog auf, und da stand dieser ziemlich ungehobelte Wirt zusammen mit Snape, der davon schwafelte, er sei die falsche Treppe hinaufgestiegen, obwohl ich ehrlich gesagt eher glaubte, dass er dabei ertappt worden war, wie er mein Gespräch mit Dumbledore belauschte – wissen Sie, er war damals selbst auf der Suche nach einer Stelle, und zweifellos hoffte er, irgendwelche nützlichen Hinweise aufschnappen zu können! Nun, danach schien Dumbledore jedenfalls viel eher bereit, mir eine Stelle zu geben, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, Harry, dass er den deutlichen Gegensatz zu würdigen wusste zwischen meiner bescheidenen Art und stillen Begabung und dem hartnäckigen, aufdringlichen jungen Mann, der so weit ging, sogar an Schlüssellöchern zu lauschen – Harry, mein Lieber?«

Sie blickte über die Schulter zurück, denn erst jetzt hatte sie bemerkt, dass Harry nicht mehr neben ihr war; er war stehen geblieben und sie standen nun drei Meter voneinander entfernt.

»Harry?«, wiederholte sie unsicher.

Vielleicht wirkte sie so besorgt und ängstlich, weil sein Gesicht erbleicht war. Harry stand stocksteif da, während der Schock in Wellen über ihn hereinbrach, Welle um Welle, und alles ertränkte außer diesem Wissen, das ihm so lange vorenthalten worden war.

Es war Snape, der die Prophezeiung belauscht hatte. Es war Snape, der die Nachricht von der Prophezeiung Voldemort überbracht hatte. Beide, Snape und Peter Pettigrew, hatten Voldemort auf die Jagd nach Lily und James und ihrem Sohn geschickt …

Nichts anderes war in diesem Moment für Harry wichtig.

»Harry«, sagte Professor Trelawney erneut. »Harry – ich dachte, wir würden gemeinsam zum Schulleiter gehen?«

»Sie bleiben hier«, sagte Harry mit tauben Lippen.

»Aber, mein Lieber … ich wollte ihm doch erzählen, wie ich im Raum der Wünsche überfallen – «

»Sie bleiben hier!«, wiederholte Harry aufgebracht.

Sie sah beunruhigt aus, als er an ihr vorbei und um die Ecke in Dumbledores Korridor rannte, wo der einsame Wasserspeier Wache hielt. Harry rief dem Wasserspeier das Passwort zu und eilte die bewegliche Wendeltreppe drei Stufen auf einmal nehmend hinauf. Er klopfte nicht, er hämmerte an Dumbledores Tür; und die ruhige Stimme antwortete »Herein«, als Harry schon in den Raum gestürzt war.

Fawkes der Phönix wandte den Kopf, und in seinen glänzenden schwarzen Augen schimmerte der goldene Widerschein des Sonnenuntergangs draußen. Dumbledore, der einen langen schwarzen Reiseumhang in den Armen hielt, stand am Fenster und blickte hinaus auf das Schlossgelände.

»Nun, Harry, ich habe versprochen, dass du mit mir kommen darfst.«

Ein paar Sekunden lang begriff Harry nicht; das Gespräch mit Trelawney hatte alles andere aus seinem Kopf vertrieben und sein Gehirn schien ganz langsam zu arbeiten.

»Mit Ihnen … kommen …?«

»Natürlich nur, wenn du willst.«

»Wenn ich …«

Und dann fiel Harry wieder ein, warum er ursprünglich so begierig darauf gewesen war, in Dumbledores Büro zu kommen.

»Sie haben einen gefunden? Sie haben einen Horkrux gefunden?«

»Ich glaube, ja.«

Wut und Groll kämpften gegen Entsetzen und Aufregung: Eine Weile konnte Harry nicht sprechen.

»Es ist ganz natürlich, Angst zu haben«, sagte Dumbledore.

»Ich habe keine Angst!«, entgegnete Harry sofort, und das stimmte tatsächlich; Angst war ein Gefühl, das er jetzt überhaupt nicht empfand. »Welcher Horkrux ist es? Wo ist er?«

»Ich bin nicht sicher, welcher es ist – auch wenn ich denke, dass wir die Schlange wohl ausschließen können –, aber ich glaube, dass er viele Kilometer von hier in einer Höhle an der Küste verborgen ist, in einer Höhle, die ich schon seit sehr langer Zeit ausfindig zu machen versuchte: Es ist die Höhle, in der Tom Riddle einst zwei Kindern aus dem Waisenhaus bei ihrem jährlichen Ausflug Angst einjagte, erinnerst du dich?«

»Ja«, sagte Harry. »Wie ist er gesichert?«

»Ich weiß es nicht; ich habe Vermutungen, die völlig falsch sein könnten.« Dumbledore zögerte, dann sagte er: »Harry, ich habe dir versprochen, dass du mitkommen darfst, und ich stehe zu meinem Wort, aber es wäre ein großer Fehler, wenn ich dich nicht warnen würde, dass dies äußerst gefährlich sein wird.«

»Ich komme mit«, sagte Harry, kaum dass Dumbledore zu Ende gesprochen hatte. In seiner rasenden Wut gegen Snape war sein Wunsch, etwas Verzweifeltes und Riskantes zu tun, in den letzten Minuten um das Zehnfache gewachsen. Das stand ihm wohl ins Gesicht geschrieben, denn Dumbledore trat vom Fenster weg und musterte Harry genauer, und zwischen seinen silbernen Augenbrauen zeichnete sich eine kleine Falte ab.

»Was ist passiert?«

»Nichts«, log Harry sofort.

»Worüber hast du dich aufgeregt?«

»Ich bin nicht aufgeregt.«

»Harry, du warst nie ein guter Okklumentiker – «

Das Wort war der Funke, der Harrys Zorn entflammte.

»Snape!«, sagte er sehr laut, und hinter ihnen stieß Fawkes ein leises Kreischen aus. »Snape – das ist passiert! Er hat Voldemort von der Prophezeiung erzählt, er war es, er hat vor der Tür gelauscht, das hat mir Trelawney gesagt!«

Dumbledores Miene blieb unverändert, aber Harry meinte, sein Gesicht unter der blutigen Röte, die die untergehende Sonne auf ihn warf, erbleichen zu sehen. Eine ganze Zeit lang sagte Dumbledore nichts.

»Wann hast du das herausgefunden?«, fragte er schließlich.

»Gerade eben!«, sagte Harry und beherrschte sich nur mit größter Mühe, um nicht loszuschreien. Und dann, plötzlich, konnte er nicht mehr an sich halten: »UND SIE LASSEN IHN HIER UNTERRICHTEN UND ER HAT VOLDEMORT GESAGT, ER SOLL MEINE MUM UND MEINEN DAD VERFOLGEN!«

Schwer atmend, als würde er kämpfen, wandte sich Harry von Dumbledore ab, der immer noch reglos dastand, und begann, im Büro hin und her zu gehen, wobei er sich die Fingerknöchel rieb und sich mit aller Gewalt davon abhielt, etwas umzuwerfen. Er wollte wütend auf Dumbledore einstürmen, aber er wollte ihn auch begleiten und versuchen, den Horkrux zu zerstören; er wollte ihm sagen, dass er ein törichter alter Mann sei, weil er Snape vertraut hatte, aber er fürchtete, Dumbledore würde ihn nicht mitnehmen, wenn er seinen Zorn nicht bändigte …

»Harry«, sagte Dumbledore leise. »Bitte hör mir zu.«

Es fiel ihm genauso schwer, mit seinem ständigen Hin- und Hergehen aufzuhören, wie nicht zu schreien. Harry hielt inne, biss sich auf die Lippe und blickte in Dumbledores zerfurchtes Gesicht.

»Professor Snape hat einen schrecklichen – «

»Sagen Sie mir nicht, dass es ein Fehler war, Sir, er hat an der Tür gelauscht!«

»Lass mich bitte ausreden.« Dumbledore wartete, bis Harry kurz genickt hatte, dann fuhr er fort. »Professor Snape hat einen schrecklichen Fehler gemacht. An jenem Abend, als er die erste Hälfte von Professor Trelawneys Prophezeiung hörte, stand er noch in Lord Voldemorts Diensten. Natürlich hat er ihm umgehend berichtet, was er gehört hatte, denn es betraf seinen Herrn in höchstem Maße. Aber Professor Snape wusste nicht – er konnte gar nicht wissen –, welchen Jungen Voldemort von da an jagen würde, oder dass die Eltern, die er bei seinem mörderischen Jagdzug vernichten würde, Menschen waren, die Professor Snape selbst kannte, dass sie deine Mutter und dein Vater waren – «

Harry lachte erbittert auf.

»Er hat meinen Dad gehasst, wie er Sirius gehasst hat! Ist Ihnen nicht aufgefallen, Professor, dass die Leute, die Snape hasst, meistens ziemlich schnell tot sind?«

»Du kannst dir nicht vorstellen, welche Reue Professor Snape empfand, als er erkannte, wie Lord Voldemort die Prophezeiung gedeutet hatte, Harry. Ich glaube, es war der größte Schmerz seines Lebens und der Grund, warum er zurückkehrte – «

»Aber er ist ein sehr guter Okklumentiker, nicht wahr, Sir?«, sagte Harry, und seine Stimme zitterte von der Anstrengung, ruhig zu sprechen. »Und ist Voldemort nicht überzeugt, dass Snape auf seiner Seite ist, auch jetzt noch? Professor … wie können Sie sicher sein, dass Snape auf unserer Seite ist?«

Dumbledore schwieg für einen Moment; er machte den Eindruck, als versuchte er, einen Entschluss zu fassen. Schließlich sagte er: »Ich bin mir sicher. Ich vertraue Severus Snape vollkommen.«

Harry atmete einige Male tief durch, um sich zu beruhigen. Es wirkte nicht.

»Ich aber nicht!«, sagte er, so laut wie zuvor. »Genau in diesem Moment heckt er zusammen mit Draco Malfoy etwas aus, direkt vor Ihrer Nase, und trotzdem – «

»Darüber haben wir schon gesprochen, Harry«, sagte Dumbledore und klang nun wieder streng. »Ich habe dir meine Meinung mitgeteilt.«

»Sie verlassen heute Abend die Schule und ich wette, Sie haben nicht einmal bedacht, dass Snape und Malfoy beschließen könnten – «

»Was beschließen könnten?«, fragte Dumbledore mit hochgezogenen Augenbrauen. »Was genau, befürchtest du, könnten sie tun?«

»Ich … die führen was im Schilde!«, sagte Harry und bei diesen Worten ballten sich seine Hände zu Fäusten. »Professor Trelawney war eben im Raum der Wünsche und wollte ihre Sherryflaschen verstecken, und sie hat Malfoy johlen und feiern gehört! Er versucht dort drin irgendetwas Gefährliches zu reparieren, und wenn Sie mich fragen, hat er es jetzt endlich geschafft, und Sie sind drauf und dran, einfach aus der Schule zu spazieren, ohne – «

»Genug«, sagte Dumbledore. Er sagte es ganz ruhig, und doch verstummte Harry augenblicklich; er wusste, dass er nun endgültig eine unsichtbare Linie übertreten hatte. »Glaubst du, dass ich während der Zeiten meiner Abwesenheit in diesem Jahr die Schule auch nur ein Mal ungeschützt zurückgelassen habe? Das habe ich nie. Wenn ich heute Nacht gehe, wird erneut ein zusätzlicher Schutz eingerichtet sein. Bitte unterstelle nicht, dass ich die Sicherheit meiner Schüler nicht ernst nehme, Harry.«

»Ich wollte nicht…«, murmelte Harry, ein wenig beschämt, aber Dumbledore unterbrach ihn.

»Ich möchte nicht weiter über dieses Thema sprechen.«

Harry verkniff sich seine Erwiderung, aus Furcht, dass er zu weit gegangen war, dass er sich um die Chance gebracht hatte, Dumbledore zu begleiten, aber Dumbledore fuhr fort: »Willst du heute Nacht mit mir kommen?«

»Ja«, sagte Harry sofort.

»Na schön, dann: Hör zu.«

Dumbledore richtete sich zu seiner vollen Größe auf.

»Ich nehme dich unter einer Bedingung mit: dass du jeden Befehl befolgst, den ich dir womöglich erteile, auf der Stelle und ohne weitere Fragen.«

»Natürlich.«

»Damit wir uns richtig verstehen, Harry. Das heißt, dass du auch Befehle wie ›lauf‹, ›versteck dich‹ oder ›geh zurück‹ befolgen musst. Habe ich dein Wort darauf?«

»Ich – ja, natürlich.«

»Wenn ich dir sage, versteck dich, wirst du gehorchen?«

»Ja.«

»Wenn ich dir sage, flieh, wirst du es tun?«

»Ja.«

»Wenn ich dir sage, verlass mich und bring dich selbst in Sicherheit, wirst du meinen Worten Folge leisten?«

»Ich…«

»Harry?«

Sie sahen sich einen Moment lang an.

»Ja, Sir.«

»Sehr gut. Dann geh bitte und hol deinen Tarnumhang, wir treffen uns in fünf Minuten in der Eingangshalle.«

Dumbledore trat zurück und blickte aus dem flammenden Fenster; die Sonne war jetzt ein grelles rubinrotes Leuchten am Horizont. Harry verließ rasch das Büro und ging die Wendeltreppe hinunter. Sein Kopf war mit einem Mal seltsam klar. Er wusste, was er zu tun hatte.

Ron und Hermine saßen zusammen im Gemeinschaftsraum, als er zurückkam. »Was will Dumbledore?«, fragte Hermine sofort. »Harry, alles okay mit dir?«, fügte sie beklommen hinzu.

»Mir geht's gut«, sagte Harry knapp und rannte an ihnen vorbei. Er stürmte die Treppe hinauf in den Schlafsaal, wo er seinen Koffer aufriss und die Karte des Rumtreibers und ein Paar verknäulte Socken hervorholte. Dann raste er die Treppe wieder hinunter in den Gemeinschaftsraum zurück und kam rutschend vor Ron und Hermine zum Stehen, die verdutzt dreinblickten.

»Ich hab nicht viel Zeit«, keuchte Harry, »Dumbledore glaubt, dass ich meinen Tarnumhang hole. Hört zu …«

Rasch erzählte er ihnen, wo er hinging und warum. Er ließ sich weder durch Hermines entsetztes Keuchen noch durch Rons hastige Fragen stören; die genauen Einzelheiten konnten sie sich später selbst zusammenreimen.

»… also, versteht ihr, was das bedeutet?«, schloss Harry eilends. »Dumbledore wird heute Nacht nicht hier sein, also hat Malfoy wieder eine gute Gelegenheit, das zu tun, was immer er vorhat. Nein, hört mir zu!«, zischte er wütend, als Ron und Hermine alle Anstalten machten, ihn zu unterbrechen. »Ich weiß, dass es Malfoy war, der im Raum der Wünsche gefeiert hat. Hier« – Er schob Hermine die Karte des Rumtreibers in die Hand. »Ihr müsst ihn überwachen, und Snape auch. Spannt sämtliche Leute von der DA ein, die ihr auftreiben könnt. Hermine, diese Galleonen, die alle benachrichtigen, funktionieren doch immer noch, oder? Dumbledore sagt, er hat die Schule mit zusätzlichem Schutz versehen, aber wenn er das mit Snape abgesprochen hat, weiß Snape, worin Dumbledores Schutz besteht und wie er ihn umgehen kann – aber dass ihr auf dem Posten seid, wird er nicht erwarten, stimmt's?«

»Harry – «, begann Hermine, deren Augen vor Angst geweitet waren.

»Ich hab keine Zeit zu diskutieren«, sagte Harry schroff. »Das hier nehmt ihr auch« - Er drückte Ron die Socken in die Hände.

»Danke«, sagte Ron. »Ähm – wozu brauch ich Socken?«

»Du brauchst das, was da drin eingewickelt ist, das ist Felix Felicis. Teilt es euch und gebt auch Ginny davon. Grüßt sie von mir. Ich muss mich beeilen, Dumbledore wartet – «

»Nein!«, sagte Hermine, während Ron mit ehrfurchtsvoller Miene das Fläschchen mit dem goldenen Zaubertrank auswickelte. »Wir wollen es nicht, nimm du es, wer weiß, was dich erwartet!«

»Mir wird schon nichts passieren, Dumbledore ist ja bei mir«, sagte Harry. »Ich will nur sichergehen, dass mit euch alles okay ist … Guck nicht so, Hermine, wir sehen uns später …«

Und schon war er durch das Porträtloch verschwunden und eilte in Richtung Eingangshalle.

Dumbledore wartete draußen beim Eichenportal. Er drehte sich um, als Harry auf die oberste Steinstufe herausschlitterte, heftig keuchend und mit brennendem Seitenstechen.

»Zieh bitte deinen Tarnumhang an«, bat Dumbledore und wartete, bis Harry ihn übergeworfen hatte. Dann sagte er: »Sehr gut. Gehen wir?«

Dumbledore stieg augenblicklich die steinernen Stufen hinunter, und sein Reiseumhang bewegte sich kaum in der stillen Sommerluft. Harry, der immer noch keuchte und ziemlich schwitzte, eilte unter seinem Tarnumhang neben ihm her.

»Aber was werden die Leute denken, wenn man Sie weggehen sieht, Professor?«, fragte Harry und dachte an Malfoy und Snape.

»Dass ich auf ein Glas nach Hogsmeade gehe«, sagte Dumbledore leichthin. »Ab und zu statte ich Rosmerta einen Besuch ab, oder aber ich schaue im Eberkopf vorbei … jedenfalls sieht es danach aus. Es ist eine recht gute Methode, sein wahres Ziel zu verschleiern.«

In der hereinbrechenden Dämmerung gingen sie den Zufahrtsweg hinunter. Die Luft war voller Gerüche nach warmem Gras, nach Seewasser und nach dem Rauch des Holzfeuers in Hagrids Hütte. Es war kaum zu glauben, dass sie zu etwas Gefährlichem oder Furchterregendem unterwegs waren.

»Professor«, sagte Harry leise, als das Tor am Ende des Zufahrtswegs in Sicht kam, »werden wir apparieren?«

»Ja«, sagte Dumbledore. »Du kannst jetzt apparieren, denke ich?«

»Ja«, erwiderte Harry, »aber ich habe keine Erlaubnis.«

Er hielt es für das Beste, ehrlich zu sein; was wäre, wenn er alles verdarb, indem er hundert Kilometer von dort entfernt auftauchte, wo er eigentlich hinsollte?

»Macht nichts«, sagte Dumbledore. »Ich kann dir wieder helfen.«

Sie gingen durch das Tor und schlugen den dämmrigen, einsamen Weg nach Hogsmeade ein. Während sie dahingingen, senkte sich rasch die Dunkelheit über sie, und als sie die Hauptstraße erreicht hatten, wurde es endgültig Nacht. Aus den Fenstern über den Läden funkelten Lichter, und als sie sich den Drei Besen näherten, hörten sie heiseres Geschrei.

» und lass dich hier nicht mehr blicken!«, rief Madam Rosmerta, die gerade einen schäbig aussehenden Zauberer unsanft hinauswarf. »Oh, hallo, Albus … Sie sind spät unterwegs …«

»Guten Abend, Rosmerta, guten Abend … verzeihen Sie mir, ich geh in den Eberkopf … nichts für ungut, aber mir ist heute Abend nach etwas Ruhigerem zumute …«

Eine Minute später bogen sie um die Ecke in die Seitenstraße, wo das Schild des Eberkopfes ein wenig knarzte, obwohl kein bisschen Wind ging. Im Gegensatz zu den Drei Besen schien dieses Wirtshaus völlig leer zu sein.

»Es wird wohl nicht nötig sein, dass wir reingehen«, murmelte Dumbledore und blickte sich rasch um. »Solange uns niemand verschwinden sieht … Leg jetzt bitte deine Hand auf meinen Arm, Harry. Du musst nicht allzu fest zupacken, ich führe dich nur. Ich zähle auf drei – eins … zwei … drei …«

Harry drehte sich. Er hatte sofort wieder dieses schreckliche Gefühl, als ob er durch einen dicken Gummischlauch gezwängt würde; er bekam keine Luft, alles an ihm wurde fast unerträglich zusammengequetscht, und dann, gerade als er glaubte, ersticken zu müssen, schienen die unsichtbaren Bänder aufzureißen, und er stand in kühler Dunkelheit und atmete mit tiefen Zügen frische, salzige Luft ein.