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»Eine Kriegsmaschine?« fragte ich.
Er hob den Kopf und starrte mich über das Feuer hinweg an. »Es ist einfach verrückt, Fletch«, sagte er.
Ich nahm Holz und schob es ins Feuer. Ich legte viel Holz nach. Es verlangte mich dringlich nach Feuer. Die Flammen krochen über das Holz und entzündeten es rasch.
Cynthia kam ans Feuer und setzte sich neben mich.
»Die Kriegsmaschinen«, meinte Elmer, noch immer hauptsächlich an sich selbst gewandt, »sind zum Kampf gebaut worden. Zum Kampf gegen Menschen, gegen Städte, gegen feindliche Kriegsmaschinen. Sie kämpften bis zur vollständigen Zerstörung, bis sie ihre letzte Quantität von Energie ausgezehrt hatten. Sie wurden nicht zum Überdauern konstruiert. Sie waren nicht zum Überleben bestimmt. Sie wußten es, und wir, die wir sie gebaut haben, wußten es auch. Ihre einzige Aufgabe war die Zerstörung. Wir bauten sie für den Tod, und wir schickten sie in den Tod ...«
Eine Stimme sprach aus jener vergangenen Zeit vor zehntausend Jahren, sprach von der alten Ethik und altem Streben, vom uralten blutigen Ringen, vom urzeitlichen Haß.
»Jene, die darin waren, kannten nicht den Wunsch zu leben. Sie waren bereits tot. Sie besaßen ein Recht aufs Sterben und verschoben den Zeitpunkt ihres Todes ... «
»Elmer, bitte«, sagte Cynthia. »Jene, die darin waren? Wer war darin? Ich habe noch nie gehört, daß man ins Innere dieser Maschinen steigen konnte. Sie hatten keine Besatzungen. Sie waren ...«
»Miß«, sagte Elmer, »es waren keine bloßen Maschinen. Sie enthielten zwar ein robotisches Hirn, aber sie enthielten auch menschliche Gehirne. Die Maschine, an der ich gearbeitet habe, verfügte über mehr als ein menschliches Hirn. Wie viele es waren, habe ich nie erfahren, auch nicht ihre Identität; allerdings war uns allen bekannt, daß es sich um die noch funktionstüchtigen Hirne fähiger Männer handelte, vielleicht der fähigsten Soldaten, die das Leben ein wenig zu verlängern bereit waren, um dem Feind einen letzten Schlag zu versetzen. Robothirn und Menschenhirn gingen ein Bündnis ein ...«
»Unheiliges Bündnis«, sagte Cynthia.
Elmer widmete ihr einen kurzen Blick, dann richtete er ihn zurück ins Feuer. »Ich glaube, so könnte man es nennen, Miß. Aber Sie begreifen nicht recht, was in einem Krieg geschieht - das ist eine Art sublimer Wahnsinn, ein erbitterter Haß, der zu einem irrationalen Gefühl, im Recht zu sein, verzerrt wird ...«
»Hören wir auf damit«, schlug ich vor. »Womöglich war es keine Kriegsmaschine. Es kann etwas ganz anderes gewesen sein.«
»Und was?« fragte Cynthia.
»Zehntausend Jahre sind verstrichen«, sagte ich.
»Das schon«, meinte Cynthia. »Inzwischen kann es vieles andere geben.«
Elmer sagte nichts. Er saß reglos.
Auf dem Hügelkamm über uns rief jemand, und wir sprangen alle auf die Füße. Irgendwo oben tanzte ein Licht, und wir vernahmen die Geräusche, mit denen Gestalten sich einen Weg durch die Wirrnis der gefallenen Bäume bahnten.
Wieder rief jemand. »Ho, ihr am Feuer!« rief er.
»Ho, ihr da!« antwortete Elmer. Das Licht tanzte unverändert.
»Eine Laterne«, sagte Elmer. »Höchstwahrscheinlich sind das die Leute, die mit den Hunden auf Jagd waren.«
Wir beobachteten die Laterne. Man rief uns nicht mehr an. Schließlich hörte das Licht zu tanzen auf und wanderte den Hügel herab, auf uns zu.
Es waren drei; drei hochgewachsene Männer, die Vogelscheuchen ähnelten und grinsten, daß ihre Zähne im Flackern unseres Feuers blitzten, Gewehre über den Schultern, und einer trug etwas auf dem Rücken. Ihre Hunde sprangen um sie herum.
Am Rand des Lagerplatzes blieben sie stehen, verharrten für einen Moment wortlos und betrachteten uns, musterten uns.
»Wer seid ihr denn?« erkundigte sich einer schließlich.
»Besucher«, sagte Elmer. »Reisende. Fremde.«
»Was bist du? Du bist kein Mensch.« Er sprach das Wort aus wie >Mänsch<.
»Ich bin ein Roboter«, sagte Elmer. »Ich bin Einheimischer. Man hat mich hier auf der Erde hergestellt.«
»Große Begebenheiten«, sagte ein anderer von ihnen. »Eine Nacht großer Begebenheiten.«
»Wißt ihr, was das war?« fragte Elmer.
»Der Räuber«, sagte jener, der zuerst gesprochen hatte. »Man erzählt alte Geschichten über ihn. Die kannte schon Urgroßväterchen sein Pappi.«
»Wenn er euch verschont hat«, sagte der dritte, »braucht ihr euch nicht länger zu fürchten. Kein Mensch sieht ihn zweimal im Leben Er kommt erst nach vielen Jahren wieder.«
»Und ihr habt keine Ahnung, was es ist?«
»Der Räuber.« Die Antwort klang, als erübrige sich jede nähere Erklärung, als brauche man weitere Fragen erst gar nicht zu stellen.
»Wir haben euer Feuer gesehen«, sagte der erste, »und wollten mal kurz Tagchen sagen.«
»Setzt euch zu uns«, forderte Elmer sie auf.
Sie traten vor und kauerten sich ans Feuer, die Gewehrkolben auf den Boden gestützt, so daß die Läufe an ihren Schultern lehnten. Jener mit der Last auf dem Rücken warf sie nun vor sich hin.
»Ein Waschbär«, konstatierte Elmer. »Eure Jagd hat sich gelohnt.«
Die Hunde kamen ebenfalls heran und streckten sich hechelnd am Boden aus. Gelegentlich wedelten sie freundlich mit den Schwänzen, ließen Elmer aber nicht aus den Augen.
Die drei saßen nebeneinander und grinsten uns an. »Ich bin Luther«, sagte einer, »und das da ist Zeke, und der Bursche dort heißt Tom.«
»Ich freue mich, euch kennenzulernen«, sagte Elmer, der so höflich sprach wie er es vermochte. »Mein Name ist Elmer. Die junge Dame hier heißt Cynthia, und dieser Gentleman ist Fletcher.«
Sie nickten. »Und was habt ihr da für ein Tier?« fragte Tom.
»Sein Name ist Bronco«, erwiderte Elmer. »Er ist ein Instrument.«
»Ich bin erfreut«, sagte Bronco, »eure Bekanntschaft zu machen.«
Sie starrten ihn an. »Denkt euch nichts dabei«, meinte Elmer. »Wir kommen alle von den Siedlerwelten.«
»Nun, ach«, sagte Zeke, »das macht wirklich nichts. Wir haben euer Feuer bemerkt und beschlossen, einmal vorbeizuschauen.«
Luther griff in seine Hüfttasche und zog eine Flasche hervor. Einladend fuchtelte er damit.
Elmer schüttelte den Kopf. »Ich bin zum Trinken außerstande«, erklärte er.
Ich trat hinüber und langte nach der Flasche. Es war an der Zeit, daß ich mitmischte; bis jetzt hatte Elmer das Gespräch allein geführt.
»Ist richtig gut, das Zeug«, versicherte Zeke. »Timothy der Alte, der hat's gemacht. Kann was mit seiner Matschpresse.«