123347.fb2 Heimat Erde - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 13

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»Ihre Maschine da unten«, meinte er, »wird sie auch beim Tanz dabei sein? Wird sie zuschauen und zuhören?«

»Das wird sie in der Tat«, sagte ich. »Es ist sehr freundlich von Ihnen, uns einzuladen.«

»Viele Leute werden kommen, aus dem ganzen Tal. Sie treffen ein, sobald die Sonne untergegangen ist. Man wird Musik machen und tanzen und große Tafeln mit vielen Speisen aufstellen. Dort auf Alden, geht man dort auch zum Tanz?«

»Gewiß. Aber wenn vermutlich auch nicht ganz auf diese Art«, sagte ich, »so führt man doch recht ähnliche Veranstaltungen durch.«

Wir saßen, und ich kam zu der Auffassung, daß ein guter Tag sich zum Abend neigte. Wir waren durch die Felder gestreift und hatten einige Ähren aus den Garbenhaufen gezupft, woran der Alte mir zeigte, was für vortreffliches Korn sie aufzogen; wir hatten unsere Arme auf den Zaun des Schweinepferchs gelehnt und den Mastschweinen zugeschaut, die grunzten und ihre Rüssel durch den Schlamm der Futterstelle schoben, auf der Suche nach einem verlorenen Bissen; wir hatten herumgestanden und einem Mann bei der Arbeit in der Schmiede zugesehen, bis das Blatt einer Pflugschar rot glühte, worauf er es mit Zangen auf einen Amboß legte und zu hämmern begann, daß die Funken stoben; wir waren durch die kühlen Ställe geschlendert und hatten dem Gurren der Tauben unter den Dächern gelauscht; wir hatten uns geruhsam unterhalten, wie Menschen, die nicht in Eile sind, es zu tun pflegen, und alles war sehr schön gewesen.

Die Haustür öffnete sich, und eine Frau steckte ihren Kopf heraus. »Henry!« rief sie. »Henry, wo bist du?«

Der Alte kletterte gemächlich von der Umzäunung. »Das bin ich, den sie meint«, brummte er. »Keinen Schimmer, was los ist. Alles mögliche. Diese Frauen haben die merkwürdigsten Vorstellungen von Hausarbeiten, die man ihnen abnehmen soll. Tun Sie sich keinen Zwang an, ich sehe bloß nach, was es gibt.«

Ich beobachtete ihn, wie er den Hang hinunter zum Haus trottete und eintrat. Die Sonne schien warm auf meinen Rücken, und ich wußte, daß ich von der Einzäunung steigen und mich ein wenig umschauen oder nachsehen sollte, was ich tun konnte. Ich mußte einen absonderlichen Anblick bieten, nahm ich an, wie ich dort untätig auf dem Balken hockte, und ich empfand ein Schuldgefühl, weil ich nichts zu tun hatte oder nichts tun wollte. Doch ich verspürte eine seltsame Abneigung gegen irgendeine Tätigkeit. Dies war das erste Mal in meinem Leben, daß ich nicht Angelegenheiten aufgehäuft hatte, die der Erledigung harrten. Und mit einem gewissem Widerwillen stellte ich fest, daß ich die Situation genoß.

Bronco stand noch immer zwischen den Ställen, alle Sensoren im Einsatz, und seit Cynthias Gang zum Schweinefaß war sie nicht wieder aufgetaucht. Ich überlegte, wo Elmer sein mochte; ihn hatte ich den ganzen Tag lang nicht gesehen. Und während ich mir noch Gedanken darüber machte, sah ich ihn um einen Stall biegen. Anscheinend erblickte er mich sofort, denn er strebte gleich den Hang empor auf mich zu. Er trat dicht zu mir, bevor er sprach, und er hielt seine Stimme gedämpft; ich spürte, daß er sich Sorgen machte.

»Ich war unterwegs und habe die Spuren untersucht«, berichtete er, »und es gibt keinen Zweifel. Das Ding in der vergangenen Nacht war eine Kriegsmaschine. Ich habe Kettenspuren gefunden, und hier gibt es nichts, das derartige Spuren hinterlassen könnte, außer einer Kriegsmaschine. Ich bin ihnen gefolgt und habe entdeckt, daß sie sich westwärts gewandt hat. Dort in den Bergen besitzt eine Kriegsmaschine viele Möglichkeiten, um sich zu verbergen.«

»Warum sollte sie sich verbergen wollen?«

»Das kann ich mir auch nicht vorstellen«, bekannte Elmer. »Man kann nicht sagen, wie eine Kriegsmaschine denkt. Menschenhirn und Maschinenhirn, und sie hatten zehntausend Jahre lang Zeit, um sich zu irgend etwas anderem zu entwickeln. Fletch, mit soviel Zeit zur Verfügung, was könnte aus einem kombinierten Hirnapparat dieser Art werden?«

»Vielleicht nichts«, antwortete ich. »Vielleicht etwas sehr fremdartiges. Falls eine Kriegsmaschine der Vernichtung entgangen ist, was sollte aus ihr geworden sein? Welchen Grund zum Weiterleben hätte sie? Wie würde sie eine Umwelt betrachten, die sich so sehr von jener unterscheidet, für die sie gebaut wurde? Eines allerdings ist seltsam. Die Leute hier fürchten sie anscheinend nicht. Für sie ist sie nur etwas, das sie nicht verstehen, und die Welt scheint für sie voller unverständlicher Dinge zu ein.«

»Sie sind merkwürdige Menschen«, sagte Elmer. »Ich mag es nicht, wie sie mich anblicken. Es mißfällt mir ganz und gar. Ich finde es unwahrscheinlich, daß diese drei jungen Burschen, die Waschbärjäger, sich in der letzten Nacht völlig grundlos zu uns gesellt haben sollen. Um uns zu erreichen, mußten sie die Bresche durchqueren, welche die Kriegsmaschine durch den Wald geschlagen hat.«

»Neugier«, sagte ich. »Hier ereignet sich nicht viel. Wenn etwas geschieht, wie unser Erscheinen, interessieren sie sich natürlich dafür.«

»Klar, ich weiß«, sagte Elmer, »aber es ist nicht das allein.« »Hast du einen besonderen Grund zu dieser Annahme?« »Nein, nichts dergleichen. Nichts Genaues. Nur ein Gefühl im Innern. Fletch, laß uns von hier verschwinden.«

»Ich möchte noch zum Tanz bleiben. Damit Bronco alles speichern kann. Sobald er vorbei ist, brechen wir auf.«

9

Die Leute hatten, wie vom Alten angekündigt, kurz nach Sonnenuntergang einzutreffen begonnen. Sie waren allein gekommen, in Paaren und in Dreiergruppen, manchmal kam auch ein ganzes Dutzend zugleich, und nun war der Hof voll von ihnen, und sie drängten sich um die Tafeln, worauf die Speisen standen. Andere befanden sich im Haus, und in der Scheune hoben einige Männer ununterbrochen die Flaschen.

Die Tafeln hatte man am Spätnachmittag aufgestellt; ein paar Männer hatten aus dem Geräteschuppen Sägeböcke geholt, sie im Hof aufgereiht und Bretter über sie gelegt. Für die Musikanten hatte man auf die gleiche Weise eine Bühne errichtet, und inzwischen saßen sie darauf und stimmten ihre Instrumente, quietschten mit ihren Fiedeln und klimperten mit den Gitarren.

Der Mond war noch nicht aufgegangen, aber im Osten deutete sich ein Schimmer an, und die Bäume rings um die Lichtung erhoben sich dunkel gegen den helleren Himmel. Jemand trat einen Hund, und der Hund rannte aufheulend in die Finsternis davon. Ich mochte es nicht, wenn man Tiere mißhandelte. Ich verachte Menschen, die ihre Aggressionen an abhängigen Geschöpfen abreagieren. Plötzlich erscholl aus einer Gruppe von Männern neben einem Tisch ein brüllendes Gelächter, wahrscheinlich über einen Witz. Man entzündete ein Feuer und häufte eine Menge Holz darauf, und die Flammen, als sie sich durch das Holz fraßen, loderten hoch empor.

Bronco stand abseits, nahe am Waldrand, und im Feuerschein schien er zu flimmern. Elmer stand inmitten einer der Gruppen an der Tafel mit den Speisen und war anscheinend in etwas Ähnliches wie eine geistreiche Unterhaltung verwickelt. Ich hielt nach Cynthia Ausschau, sah sie jedoch nirgendwo.

Ich spürte eine Berührung an meinem Arm, und als ich mich umsah, stand der Alte neben mir, Henry. In diesem Moment setzte die Musik ein, und die ersten Paare formierten sich zum Tanz.

»Sie stehen so verloren herum«, sagte der Alte. Der leichte Wind, der wehte, zauste an seinem Bart.

»Ich stehe hier, um zuzuschauen«, antwortete ich. »Ich habe so etwas noch nie gesehen.« Und das hatte ich tatsächlich noch nicht. Eine Stimmung von unglaublicher Wildheit, Primitivität und Barbarei erfüllte die Lichtung; hier war etwas, dem die Menschheit mittlerweile hätte entwachsen sein sollen. Hier existierte noch ein Rest jenes bodenständigen Mystizismus, dessen Ursprünge einhergingen mit abgenagten Schenkelknochen von Menschen und Feuersteinäxten.

»Sie werden sicher eine Weile bei uns bleiben«, meinte der Alte. »Sie wissen, daß Sie willkommen sind. Sie können hier bleiben und die Arbeit ausführen, die Sie vorhaben.«

Ich schüttelte den Kopf. »Das bedarf genauer Überlegung. Wir werden unsere Pläne beraten. Aber vielen Dank.«

Sie tanzten nun einen derben und ziemlich wilden Tanz, aber mit einer gewissen Würde und Beschwingtheit, und oben auf der Bühne, bei den Musikanten, röhrte ein Mann, der lederne Lungen besitzen mußte, ein Lied.

Der Alte kicherte. »Das ist ein Square Dance. Haben Sie noch nie davon gehört?«

»Noch nie«, sagte ich.

»Ich werde auch mitmachen«, versicherte der Alte, »sobald ich noch einen oder zwei getrunken und meine Gelenke geschmiert habe. Da fällt mir ein ...«

Er holte eine Flasche aus seiner Tasche, entkorkte sie und reichte sie mir. In meinen Händen fühlte sie sich kalt an; ich hob sie an den Mund und tat einen Zug. Das Getränk war erheblich besser als jenes, das ich in der Nacht zuvor gekostet hatte. Es rann schnell und leicht in den Magen und brannte nicht.

Ich hielt ihm die Flasche hin, aber er schob meine Hand zurück. »Nehmen Sie noch einen«, sagte er. »Sie sind im Rückstand.«

Also nahm ich noch einen Schluck. Innerlich wurde mir wärmer, und ein Wohlgefühl durchströmte mich.

Ich händigte die Flasche aus, und der Alte trank. »Whiskey vom Friedhof«, sagte er. »Den machen sie besser als wir. Ein paar Jungs waren heute früh beim Friedhof und haben eine ganze Kiste erhandelt.«

Der erste Tanz war beendet, und ein neuer bahnte sich an. Unter diesen Tänzern war auch Cynthia. Im Feuerschein war sie schön, und sie tanzte mit einer geschmeidigen Anmut, die mich überraschte, obwohl ich eigentlich keinen Grund zu der Auffassung hatte, sie könne nicht anmutig sein.

Der Mond war unterdessen aufgegangen und erklomm den Nachthimmel. So wohl hatte ich mich noch nie im Leben gefühlt.

»Hier, trinken Sie noch einen«, sagte der Alte und reichte mir die Flasche.

Die Nacht war warm, die Menschen waren erhitzt, die Wälder dunkel, das Feuer loderte hell, und dort tanzte Cynthia, und ich wollte zu ihr und mit ihr tanzen.

Die Musik verstummte, und ich begann mich nach vorn zu schieben, in der Absicht, Cynthia zu fragen, ob sie mit mir tanze. Doch bevor ich mehr als ein paar Schritte getan hatte, betrat Elmer den Tanzplatz. Er stellte sich in die Mitte und vollführte so etwas wie einen Stegreifstep, und dann erhob sich auf der Bühne einer der Fiedler und begann zu spielen, vielleicht keinen Step, aber immerhin eine sehr spritzige Melodie, und gleich darauf fielen die anderen Musikanten ein.

Elmer tanzte. Er hatte stets wie ein sturer, schwerfälliger Roboter auf mich gewirkt, doch nun stampften seine Füße verblüffend schnell über den Boden, sein Rumpf schaukelte. Die Menschen bildeten einen Kreis um ihn und schrien und riefen begeistert und klatschten beifällig, zu seiner Ermutigung, in die Hände. Bronco verließ seinen Posten am Waldrand und strebte zum Tanzplatz. Einige Menschen, die ihn kommen sahen, kreischten auf, und der Kreis öffnete sich, um ihn durchzulassen. Er trat hinein, stellte sich vor Elmer auf und begann zu wackeln und mit allen acht Füßen auf den Boden zu trampeln.

Die Musikanten spielten wie verrückt und steigerten das Tempo der Musik immer weiter, und Elmer und Bronco, im Kreis der Zuschauer, hielten mit. Broncos acht Beine fuhren auf und nieder wie durchgedrehte Kolben, und zwischen den Beinen, die stampften und tanzten, wand sich und zuckte sein Rumpf. Unter den Füßen der beiden rumpelte der Boden wie eine Trommel, und es schien mir, als spüre ich die Vibration durch meine Sohlen. Die Leute schrien und jubelten vor Begeisterung. Ein paar außerhalb des Kreises hatten zu tanzen angefangen, und die anderen begannen nun ebenfalls damit, sie tanzten mit Bronco und Elmer.

Ich blickte zur Seite, und auch der Alte tanzte, sprang wie verrückt her-um, sein weißes Haar flog, sein weißer Bart hüpfte im Rhythmus seiner Raserei auf und nieder. »Tanz!« brüllte er mich an, kurzatmig und mit einem Rasseln in den Bronchien. »Was'n los, du tanzt nicht?«

Dabei griff er in seine Tasche, zog die Flasche heraus und streckte sie mir entgegen. Ich packte zu, nahm sie und begann zu tanzen. Während ich tanzte, riß ich den Korken heraus und setzte die Flasche an, und das Glas klapperte gegen meine Zähne, worauf etwas vom Getränk in mein Gesicht spritzte, aber ein guter, anständiger Schluck ergoß sich in meine Kehle. Er rann in meinen Magen, wo er warm schwappte und gluckerte, und ich tanzte, fuchtelte mit der Flasche, und ich glaube, ich schrie auch irgend etwas, nicht aus besonderem Anlaß, sondern aus schierer Freude an dieser Nacht.

Wir waren alle schlicht und einfach verrückt - verrückt von der Nacht, dem Feuer und der Musik. Wir tanzten ohne Bewußtsein und ohne Sinn. Jeder tanzte, weil alle anderen tanzten, oder weil zwei Maschinen tanzten, ihre wesensmäßige Plumpheit in unglaubliche, unvergleichliche Anmut verwandelt - oder vielleicht tanzten wir bloß aus reiner Lebensfreude, weil wir alle tief im Innern wußten, daß das Leben nicht ewig währte.

Der Mond segelte über den Himmel, und der Rauch des Feuers wälzte sich in schlanken weißen Fahnen zu ihm empor. Die quietschenden Fiedeln und die klimpernden Gitarren kreischten, schluchzten und sangen.

Urplötzlich, wie auf einen Befehl (obwohl niemand einen Befehl erteilte), verstummte die Musik unter Mißtönen, die Tänzer hielten inne. Ich sah, wie die anderen verharrten und blieb ebenfalls stehen, die Flasche noch fest umklammert.

Ich spürte, wie jemand an meinem erhobenen Arm zerrte und hörte eine Stimme. »Die Flasche, Mann! Um Gottes willen, die Flasche!« Es war der Alte. Ich gab ihm die Flasche. Er deutete damit zur einen Seite des Kreises hinüber, dann schob er ihren Hals unter seinen Schnurrbart und warf den Kopf in den Nacken. Die Flasche gluckerte, und im Einklang mit dem Gluckern zuckte sein Kehlkopf auf und ab.

Ich schaute in die Richtung, in die er gewiesen hatte, und sah dort einen Mann reglos stehen. Er trug eine schwarze Robe, die herab bis über seine Füße fiel, und sie besaß eine Kapuze, die seinen Kopf bedeckte, so daß man von ihm nur den weißen Flecken seines Gesichts sah.

Der Alte sabberte und spuckte, halb erstickt, und löste die Flasche von seinen Lippen. Wieder zeigte er damit hinüber.