123347.fb2 Heimat Erde - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 15

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Eine Zeitlang waberte und flackerte hinter uns ein Feuerschein am Himmel; es mußte die Scheune sein, denn der Heuhaufen wäre viel schneller abgebrannt. Zum Zeitpunkt jedoch, als wir ins Tal kamen, war der Feuerschein verschwunden. Entweder war die Scheune niedergebrannt oder das Feuer gelöscht worden.

Im Tal kamen wir leichter voran. Das Gelände war einigermaßen begehbar, obwohl es stellenweise schwierige Strecken gab. Der Wald stand dürftiger, und der Mond spendete mehr Licht als auf dem dichtbewachsenen Hügel. Irgendwo zu unserer Linken floß ein Gewässer. Wir gelangten nicht ans Ufer, aber gelegentlich ließ sich das Gluckern des Wassers an einer kiesigen Sandbank vernehmen.

Wir wanderten durch eine unheimliche Welt silbernen Zaubers, und von den Hängen erscholl in regelmäßigen Abständen ein entferntes Schnarren, manchmal ertönten auch andere Laute. Einmal schwebte ein großer Vogel über uns hinweg, ohne daß von seinen Schwingen das leiseste Flüstern kam, schwenkte ab und glitt über eine Baumgruppe außer Sicht.

»Ich hätte lieber ein Bein auf jeder Seite beschädigt«, sagte Bronco, »statt zwei auf einer Seite, das wäre nicht schwierig, aber das hier, vier Beine auf der einen und zwei auf der anderen Seite, das verwirrt mich, ich fühle mich seitenlastig.«

»Du hältst prächtig durch«, sagte Cynthia. »Tut's weh?«

»Ich fühle keinen Schmerz«, sagte Bronco. »Ich kann keinen Schmerz fühlen.«

»Ihr glaubt, der Friedhof habe das getan«, sagte Cynthia zu mir, »du und Elmer, und ich neige auch zu dieser Annahme. Aber sie können uns doch unmöglich als Bedrohung empfinden ...«

»Jeder, der vorm Friedhof nicht auf die Knie fällt«, erwiderte ich, »ist automatisch eine Bedrohung. Er besteht schon so lange, man hat die Erde bereits so lange im Griff, daß man nicht die geringste Störung zu ertragen vermag.«

»Aber wir stören doch nicht.«

»Wir könnten es. Falls wir nach Alden zurückkehren, wenn wir die Erde mit dem verlassen, das wir haben wollen, könnten wir ihnen in die Quere kommen. Wir könnten ein Bild der Erde präsentieren, das nicht nur aus Friedhof besteht. Und es schlägt womöglich ein, findet vielleicht ein Publikum und künstlerische Anerkennung. Die Menschen könnten erfreut darüber sein, daß die Erde nicht ausschließlich Friedhof ist.«

»Selbst das würde ihnen in keiner Hinsicht schaden«, sagte sie. »Ihr Geschäft würde dadurch nicht beeinträchtigt. Es würde sich überhaupt nichts ändern.«

»Ihr Stolz wäre verletzt«, antwortete ich.

»Aber Stolz ist eine so geringfügige Sache - eine rein persönliche Angelegenheit. Wessen Stolz? Den Stolz Maxwell Peter Bells, den Stolz anderer kleiner Autokraten wie Bell. Nicht den Stolz des Friedhofs. Der Friedhof ist eine Korporation, eine bedeutende Korporation. Dort denkt man in Einnahmen, Jahresumsätzen, Profiten und Kosten. Für so etwas wie Stolz ist kein Platz in ihren Hauptbüchern. Es muß sich um etwas anderes handeln, Fletch. Es kann nicht bloß Stolz sein.«

Vielleicht hatte sie recht, überlegte ich. Es konnte etwas wichtigeres als Stolz sein, aber was?

»Sie sind ans Herrschen gewöhnt«, sagte ich. »Sie können kaufen, wen und was sie wollen. Sie haben jemanden gemietet, damit er eine Bombe nach Bronco wirft. Sogar ohne Rücksicht auf die Möglichkeit, daß andere dabei verletzt werden. Sie können sich Rücksichtslosigkeit erlauben, verstehst du? Ihnen ist alles gleichgültig, denn sie bekommen alles. Und sie erhalten es billig. Weil sie so sind, wie sie eben sind, kann niemand Forderungen stellen. Wir kennen den Preis des Bombenwerfers, und er war niedrig. Eine Kiste voll Whiskey. Möglicherweise müssen sie, um die Oberhand zu behalten, gelegentlich mit allem Nachdruck demonstrieren, wie es jenen Leuten ergeht, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen.«

»Du sprichst immer in der Mehrzahl«, sagte Cynthia. »Aber da ist niemand anders, wir haben es nicht mit dem ganzen Friedhof zu tun, sondern mit nur einem Mann.«

»Das ist wahr«, sagte ich, »und aus genau diesem Grund könnte Stolz eine Rolle spielen. Weniger der Stolz des Friedhofs als der Stolz Maxwell Bells.«

Das Tal lag vor uns ausgebreitet, ein weites Grasland, durchsetzt mit kleinen Baumgruppen und umsäumt von dunklen, waldreichen Hügeln. Zu unserer Linken floß der Strom, aber es war bereits eine Weile her, daß wir einen Laut von dort vernommen hatten. Der Untergrund war eben, und Bronco vermochte ohne Schwierigkeiten auszuschreiten, aber sein unbeholfener Humpelgang war schmerzlich anzuschauen. Dennoch konnte er leicht mit unserer menschlichen Marschgeschwindigkeit mithalten.

Von Elmer keine Spur. Ich hob mein Handgelenk dicht vor die Augen; auf meiner Uhr war es fast zwei Uhr morgens. Ich besaß keine Vorstellung davon, wann unsere Flucht begonnen hatte, aber nach eingehender Überlegung kam ich zu der Überzeugung, daß es nicht wesentlich später als zweiundzwanzig Uhr gewesen sein konnte, und das hieß, daß wir seit ungefähr vier Stunden unterwegs waren. Ich fragte mich, ob Elmer etwas zugestoßen sein konnte. Es hatte ihn doch kaum viel Zeit gekostet, in den Werkzeugschuppen einzubrechen und sich anzueignen, was er brauchte. Er hatte die restlichen Bündel mitbringen wollen, die wir zurückgelassen hatten, und alles zusammen ergab sicherlich eine schwere Last, aber ihn sollte ein solches Gewicht wenig behelligen, so daß er eigentlich ziemlich schnell hätte nachkommen müssen.

Falls er bis Tagesanbruch nicht auftauchte, beschloß ich, würden wir uns einen Unterschlupf suchen, um auf ihn zu warten und nach ihm Ausschau zu halten. Weder Cynthia noch ich hatten seit der Ankunft auf der Erde geschlafen, und ich begann es zu spüren; wahrscheinlich ging es ihr ebenso. Bronco brauchte keinen Schlaf. Er konnte nach Elmer ausspähen, während wir uns ein wenig Schlaf gönnten.

»Fletcher«, sagte Cynthia. Sie war unmittelbar vor mir stehengeblieben, und ich prallte gegen sie. Bronco stoppte ebenfalls und geriet dabei ins Schleudern.

»Rauch«, sagte sie. »Ich rieche Rauch. Von einem Holzfeuer.«

Ich roch keinen Rauch.

»Du bildest es dir nur ein«, sagte ich. »Hier ist weit und breit niemand.«

Das Tal schien nichts Menschliches zu enthalten. Es vermittelte die Eindrücke von Mondlicht, Gras und Bäumen und Hügeln, von Licht und Schatten, Nachtluft und fliegenden Lebewesen. Zwischen den Hügeln erklangen gelegentlich das Schnarren und andere nächtliche Geräusche, aber hier waren keine Menschen, ich spürte oder ahnte keine Nähe von Menschen.

Dann roch auch ich den Rauch, schwach, kaum wahrnehmbar, nicht mehr als ein flüchtiger scharfer Duft, im einen Moment vorhanden, im nächsten dahin.

»Du hast recht«, sagte ich. »Irgendwo brennt ein Feuer.«

»Feuer bedeutet Menschen«, bemerkte Bronco.

»Von Menschen habe ich vorerst die Nase voll«, sagte Cynthia. »Für einen oder zwei Tage will ich keinen sehen.«

»Ich auch nicht«, sagte Bronco.

Wir standen still und warteten auf die nächste Duftwelle, aber es kam keine.

»Vielleicht sind es doch keine Leute«, sagte ich. »Vielleicht ein Baum, den vor Tagen ein Blitz getroffen hat und der noch glimmt. Ein altes Lagerfeuer, nicht gelöscht, das noch schwelt.«

»Wir sollten Deckung suchen«, schlug Cynthia vor, »und nicht hier herumstehen, wo uns jeder sehen kann.«

»Da links von uns ist ein Gehölz«, sagte Bronco. »Dorthin kommen wir ziemlich schnell.«

Wir wandten uns nach links und strebten langsam und vorsichtig zum Gehölz. Und ich dachte, wie töricht wir alles am hellen Tag finden würden, denn das Feuer, das den Rauch verursachte, konnte meilenweit von uns entfernt sein. Wahrscheinlich hatten wir auf keinen Fall Grund zur Furcht. Vorausgesetzt, sie waren noch dort, handelte es sich bei den Personen, die das Feuer entzündet hatten, vermutlich um anständige Leute.

Kurz vor dem Gehölz blieben wir stehen und lauschten; vom Gehölz her drang das Geräusch fließenden Wassers. Um so besser, dachte ich. Ich verspürte nämlich Durst. Die Bäume wuchsen höchstwahrscheinlich am Ufer des Flusses, der durch das Tal floß.

Wir drangen ins Gehölz ein. Nach dem hellen Mondlicht überm offenen Land vermochten wir in den dunklen Schatten unter den Bäumen so gut wie gar nichts zu erkennen, und während wir durch die Schatten schritten, erhoben sich einige davon und schlugen mich zu Boden.

11

Irgendwie war ich in einen Teich gefallen und versank zum dritten und endgültigen Mal, erstickte am Wasser im Gesicht und in meiner Nase, bekam keine Luft. Ich gurgelte und keuchte und öffnete die Augen, und aus meinem Haar lief mir Wasser übers Gesicht.

Ich sah, daß ich keineswegs in irgendeinem Teich schwamm, sondern mich auf dem Trockenen befand; im Schein eines Feuers, das ein Stück entfernt brannte, sah ich die Gestalt eines Mannes, der in beiden Händen einen hölzernen Eimer hielt und begriff, daß er mir den Inhalt des Eimers übers Haupt gegossen hatte.

Ich konnte sein Gesicht nicht gut sehen, weil er dem Feuer den Rücken zukehrte, aber plötzlich blitzten weiße Zahnreihen auf, und er rief mit wütender Stimme etwas, das ich nicht verstand.

Rechts von mir herrschte ein schrecklicher Tumult, und als ich den Kopf in diese Richtung wandte, sah ich Bronco auf dem Rücken ausgestreckt liegen, während eine Anzahl brüllender Männer ihn umzingelt hielt; sie sprangen vor und zurück, indem sie versuchten, sich auf ihn zu stürzen. Das allerdings blieb weitgehend erfolglos, denn mit zwei beschädigten Beinen besaß Bronco nach wie vor sechs unbeschädigte, und alle sechs keilten wild nach den Männern aus, die ihm umringt hatten.

Ich schaute mich nach Cynthia um und sah sie am Feuer. Sie saß in seltsam unbeholfener Haltung am Boden und hatte einen Arm auf merkwürdige Weise erhoben, und ich erkannte, daß ein großer Kerl, der neben ihr stand, den Arm gepackt hielt und ihn umdrehte, sobald sie aufzustehen versuchte, und daraufhin setzte sie sich notgedrungen wieder hin.

Ich begann mich aufzuraffen, und da sprang der Mann mit dem Holzeimer heran und schwang den Eimer, als wolle er mir den Schädel einschlagen. Ich vermochte mich nicht ganz aufzurichten, aber als der Eimer herabsauste, befand ich mich immerhin bereits zusammengekauert auf den Beinen und ließ mich zur Seite fallen. Der Eimer verfehlte mich knapp, und dann, als er handgreiflich werden wollte, packte ich seine Beine. Als er vornüber auf mich kippte, hob ich eine Schulter und rammte sie gegen seine Knie, er flog über mich hinweg wie von einem Katapult abgeschossen und krachte hinter mir auf den Boden. Ich kümmerte mich nicht darum, was ihm geschehen sein oder was er tun mochte, sondern überwand die wenigen Meter, die uns trennten, und stürzte mich auf den Mann, der Cynthias Arm umklammerte.

Er sah mich kommen, gab ihren Arm frei und griff nach dem Messer in seinem Gürtel, aber er war zu langsam, und mit einem Aufwärtshaken knallte ich ihm die Faust unters Kinn. Er fiel stocksteif um, blieb liegen, und ich faßte zu, um Cynthia auf die Beine zu helfen.

Während ich sie noch stützte, ertönte hinter mir Gebrüll, und als ich herumfuhr, sah ich, daß die Männer, die Bronco bedrängt hatten, sich von ihm abwandten und sich uns näherten.

Von dem Moment an, als ich den Eimer voll Wasser ins Gesicht bekommen hatte, der mich aus der Betäubung aufschreckte, war ich zu beschäftigt gewesen, um den Einzelheiten der Situation viel Aufmerksamkeit widmen zu können, aber nun sah ich, daß die Männer einer wüsten Horde angehörten. Einige waren in etwas gekleidet, das vermutlich Wildleder war; manche trugen auf den Köpfen Pelzmützen, und trotz des schwachen Feuers konnte ich erkennen, daß sie ein zerlumpter, schmutziger Haufen waren und sich krummbucklig heranschoben, statt aufrecht und gerade zu gehen, wie Männer es tun sollten. Ein paar führten irgendwelche Gewehre mit, und da und dort sah ich die Klingen blanker Messer blitzen; alles in allem, sagte ich mir, hatte ich keine große Chance, mich gegen sie behaupten zu können.

»Du solltest lieber abhauen«, sagte ich zu Cynthia. »Versuch ein Versteck zu finden.«

Sie gab keine Antwort, und als ich mich umblickte, sah ich sie gebückt am Boden herumklauben. Sie richtete sich auf und hielt in jeder Hand einen Knüppel, plumpe Scheite, die sie aus einem Holzstapel gesucht hatte, der angelegt worden war, um das Lagerfeuer zu nähren. Einen davon reichte sie mir, nahm den anderen in beide Hände und bezog neben mir Stellung.

Als die Männer bemerkten, daß wir plötzlich mit Keulen bewaffnet waren, verharrten sie, doch sie konnten sich auf uns stürzen und uns fertigmachen, wann immer es ihnen paßte. Einige würden sich vielleicht Beulen holen, aber durch ihre bloße Überzahl vermochten sie uns auf jeden Fall zu überwältigen.